Bild 1. Werner Heisenberg mit 32 Jahren, als er den Nobelpreis 1932 bekam. Da war er Professor in Leipzig.
Werner Heisenberg (*1901 Würzburg, †1976 München).: „Wer verstehen will, was die Welt im Innersten zusammen hält, muss etwas über ihre kleinsten Teilchen wissen.“ Bei dieser Reise in das tiefste Innere der Materie stoßen die Forscher auf Geheimnisvolles, Unbegreifliches, Schockierendes, Unlogisches… Diese Expedition ist spannender als der Vorstoß in die Tiefe der Ozeane. Einstein sagte über das Entdeckte: die Welt kann nicht so verrückt sein. Doch heute wissen wir: sie ist so verrückt! Aber die Welt der kleinsten Teilchen ist faszinierend und voller Überraschungen und eine Herausforderung für unsere Erkenntnisfähigkeit. Obwohl alle Aspekte der Quantenmechanik mathematisch exakt beschrieben sind, übersteigt sie unser Vorstellungsvermögen, weil unser Gehirn Jahrmillionen lang nur damit beschäftigt war, unser Überleben auf der Erde zu sichern.
Max Planck und Albert Einstein sind die Gründerväter der Quantentheorie. Es begann im Jahre 1900, als Max Planck das richtige mathematische Gesetz der Wärmestrahlung eines schwarzen Körpers ableitete, wonach das Licht sowohl eine elektromagnetische Welle ist als auch ein Strom von „Energiepäckchen“ der Größe: Energie eines Quants = Plancksches Wirkungsquantum (eine Naturkonstante) multipliziert mit der Frequenz der Lichtwelle.
Bild 2. 1900: Max Planck legte den Grundstein für die moderne Quantenphysik. Dafür gab es den Nobelpreis. Bild 3. 1905: Albert Einstein wies nach, dass Licht aus Quanten besteht. Dafür gab es den Nobelpreis.
Bild 4. Mephisto zu Faust nach Abschluss des Paktes: Wir sehn die kleine, dann die große Welt... In der Quantenphysik von Heisenberg geht es um die kleinsten Bauteile der Materie; Größe: ein Milliardstel Meter = 1 Nanometer (nm) und darunter. In der Relativitätstheorie von Einstein sprechen wir von Objekten, die eine Milliarde Meter = 1 Gigameter (Gm) groß sind und darüber. In unserer täglichen Welt (auch als Mesokosmos = mittlere Welt bezeichnet), die von Newton beschrieben wurde, liegen wir dazwischen und nehmen Objekte etwa über einem Tausendstel Meter = 1 Millimeter (mm) wahr.
Bild 5. Das Licht ist eine elektromagnetische Strahlung ODER ein Strom von Quanten, hier Photonen genannt. Das hängt davon ab, was wir mit dem Licht machen. Das ist schon verrückt, oder? Bild 6. Licht ist Welle UND Teilchen - Einstein beweist das im Jahr 1905.
Diese Teilchen nannte man später Quanten oder Photonen. Wie das denn? Eine Welle, d.h. eine periodische Fluktuation einer physikalischen Größe ist doch etwas völlig anderes als ein (kompaktes) Teilchen! Ja, das stimmt. Trotzdem müssen wir den dualen Charakter aller Quanten, gleichzeitig Welle und Teilchen zu sein, hinnehmen. Sie sind beides, und sie offenbaren uns die eine oder andere Seite, je nachdem, welches Experiment wir mit ihnen anstellen. Albert Einstein gelang 1905 der Nachweis des Teilchencharakters des Lichts durch eine geniale Interpretation der Messergebnisse beim Auftreffen von Licht auf eine Metallfläche und damit der Beweis des Planckschen Strahlungsgesetzes. Für beide geistigen Hochleistungen gab es Nobelpreise. Planck und Einstein wurden damit zu „Erfindern“ der Quantenmechanik, die später weitere Väter bekam: allen voran Werner Heisenberg, die Österreicher Erwin Schrödinger, Wolfgang Pauli und der Däne Niels Bohr.
Bild 7. Das Experiment mit dem Doppelspalt bringt den Beweis: Elektronen sind sowohl Teilchen als auch Wellen. Alle Quanten haben diesen Doppelcharakter.
Bild 8 (links). Quantenobjekte sind sowohl-als-auch-Objekte. Deckt man den unteren Teil ab, erscheinen 3 Rohre. Deckt man den oberen Teil ab, erscheinen 2 Kästen. Das Gebilde ist gleichzeitig Rohre und Kästen. Quantenobjekte sind gleichzeitig Teilchen und Welle! Bild 9 (rechts). Der "nichtklassische Skifahrer" symbolisiert, dass Quantenobjekte beim Doppelspaltversuch gleichzeitig sowohl durch den einen als auch durch den anderen Spalt fliegen. Wie ist sowas überhaupt möglich? Die Antwort gibt die "Aufenthalts-Wahrscheinlichkeits-Welle".
Die Quantenwelt ist an Verrücktheit nicht zu überbieten. Die geheimnisvolle Welt der Quantenobjekte ist verwirrend und eine große Herausforderung für unseren Verstand. Im Einzelspaltversuch sind Quantenobkekte Teilchen; sie werden zu Wellen, wenn man einen zweiten Spalt öffnet. Und es kommt noch mysteriöser: Schießt man nacheinander nur je ein Elektron (ja, das kann man heute machen) auf den Doppelspalt, müsste die Geschossverteilung auf dem Bildschirm erscheinen, denn jedes Teilchen kann nur durch einen Spalt fliegen. Dem ist aber nicht so! Je mehr einzelne Elektronen auf den Schirm treffen, desto deutlicher wird das Wellenmuster! Es ist schon bei 3000 nacheinander abgefeuerten Elektronen sichtbar und bei 20000 klar zu erkennen.Beim Doppelspalt fliegt jedes Elektron anders als beim Einzelspalt. Es scheint geisterhaft gleichzeitig durch zwei Spalte zu fliegen! Als Masse behaftetes Element oder als Welle? Wie soll man das deuten? Quantenobjekte können nicht dingfest gemacht werden, sie sind überall und nirgends, ihr Ort kann nur durch eine "Aufenthalts-Wahrscheinlichkeits-Welle" (A-W-W, erfunden von Erwin Schrödinger) angenähert werden. Die A-W-W jedes Elektrons fließt durch beide Spalte, beide Teilwellen überlagern sich nach Durchströmen der Spalte positiv oder negativ und lassen dadurch ein hell-dunkles klassisches Wellenmuster entstehen. Es bleibt offen, durch welchen Spalt ein bestimmtes Elektron geschlüpft ist.
Einstein stand mit dieser Quantenmechanik auf Kriegsfuß, er bezeichnete die A-W-W spöttisch als Gespensterfeld.
Heisenberg steuerte 1927 mit seiner Unschärferelation das Entscheidende zum Charakter der Quantenobjekte bei: Das Produkt aus der Ungenauigkeit des Ortes und der Ungenauigkeit des Impulses eines Teilchens ist konstant, und zwar proportional dem Planckschen Wirkungsquantum h. h ist eine Naturkonstante der Größe 6,626 x 10-34 Js. Der Ort wird mit x, die Ungenauigkeit mit delta x bezeichnet. Der Impuls ist das Produkt der Masse eines Körpers m und dessen Geschwindigkeit v, die Ungenauigkeit des Impulses wird mit delta(mv) bezeichnet. Heisenberg bekam dafür den Nobelpreis.
Seine Leipziger Studenten machten dem frisch gebackenen Nobel-Preisträger dieses Gedicht (nach dem bekannten Song der damaligen Zeit: Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren...):
Ich hab mein Kopf bei Heisenberg verloren,
Als in der Quanten dunklen Nacht
Versenkt ich war bis über beide Ohren.
Ich hätt' mich beinah' umgebracht.
Ein Lichtquant ist zu mir gekommen
Und hat mir alles klargemacht.
Die Kunde habe ich vernommen:
Jetzt hat man Dir den Nobelpreis gebracht.
Ist der Ort eines Quantenobjekts x bekannt, d.h. delta(x) klein, ist seine Geschwindigkeit v nach Größe und Richtung ungenau, d.h. delta(mv) groß. Ist der Impuls bekannt, d.h. delta(mv) klein, ist der Ort schwer feststellbar, d.h. delta(x) groß. In die klassische Physik übertragen: eine auf dem Tisch rollende Billardkugel hat zu einem bestimmten Zeitpunkt einen bekannten Ort und eine bekannte Geschwindigkeit und deren Richtung, woraus sich x und v im nächsten Augenblick bestimmen lassen. In der Quantenphysik jedoch ist dieser Kausalzusammenhang zwischen Ursache und Wirkung aufgehoben. Quantenobjekte sind nicht zu orten, sind an allen Orten gleichzeitig und nirgends. Sie haben keinen bestimmten Aufenthaltsort bzw. keine bestimmte Richtung und Geschwindigkeit.
Bild 10. Das ist kein Herd mit Gasflammen, sondern ein Ring (Quanten-Corral) von 75 Eisenatomen auf einer Kupferoberfläche, sichtbar gemacht mit einem Rastertunnel-Mikroskop der 4. Generation. Auch mit dem besten verfügbaren Messinstrument kann man ein einzelnes Atom nicht lokalisieren; es hält sich irgendwo in der blauen Wahrscheinlichkeits-Pyramide auf; an der Grundfläche ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dort befindet groß, an der Spitze klein. Diese Heisenbergsche Unschärfe wird auf diesem Bild sehr deutlich.
Die Unsicherheit der Bestimmung eines der beiden hat nichts mit der bei allen physikalischen Messungen vorhandenen Messungenauigkeit zu tun, die von der Art der Messgeräte abhängt und immer da ist, auch wenn man noch so genaue Geräte verwendet. Die quantenmechanische Unschärfe ist ein von Heisenberg entdecktes Naturgesetz. Der Ort des Quantenobjekts kann nur durch eine von Schrödinger beschriebene Aufenthalts-Wahrscheinlichkeitswelle mathematisch angenähert werden. Im Falle einer „Messung“, d.h. Beobachtung, kommt es zum Zusammenbruch der Wellenfunktion, der Überlagerungszustand Welle/Teilchen ist beendet, ein klassisches Teilchen erscheint. Das ist die 1927 von Heisenberg und Bohr ausgearbeitete „Kopenhagener Deutung“.
Bild 11. EPR-Teilchen, verschränkt in einem Bariumborat-Kristall: das eine wird gekitzelt...da lacht das andere. Angriff auf den gesunden Menschenverstand... Da hilft nur Glauben.
Wer war Werner Heisenberg? Er war der Sohn des Byzantinisten August Heisenberg, besuchte das Maximiliansgymnasium in München und hatte ein besonderes Interesse an Mathematik, so wie sie ihm zur Beschreibung der Gesetzmäßigkeiten in der modernen Physik notwendig erschien. Sein Physik-Studium in München schloss er schon nach drei Jahren ab, machte seine Doktorarbeit auf dem Gebiet der Strömungslehre, wurde 1924 Assistent von Max Born in Göttingen und arbeitete mit Niels Bohr in Kopenhagen. 1927, mit nur 26 Jahren wurde er zum Professor für theoretische Physik in Leipzig berufen. An seinem Institut gab sich die internationale Physiker-Elite die Klinke in die Hand.
Bevor er seine neue Stellung in Leipzig antrat, ging er für ein Jahr in die USA, um dort über die neue Quantenmechanik Vorträge zu halten. Die Amerikaner gehörten nicht zur ersten Generation dieser neuen Physik. Heisenberg schreibt in seinen Erinnerungen Der Teil und das Ganze, dass sie die neue Betrachtungsweise ohne Schwierigkeiten akzeptierten, ohne sie so heftig und leidenschaftlich wie in Europa zu diskutieren. Sie sahen die Tatsache, dass ein Elektron einmal als Welle, einmal als Partikel erscheint, als eine Erweiterung der Newtonschen Physik an und sprachen von "Wellikel" (englisch also "wavicle"), und die Quantenmechanik war für sie lediglich eine mathemathische Beschreibung des Wellikels.
Von 1942 bis 45 leitete Heisenberg das Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik in Berlin-Dahlem und lehrte an der Berliner Universität. Im Dritten Reich sah er sich starken Angriffen von Seiten der "deutschen Physiker", besonders von Johannes Stark, ausgesetzt, die behaupteten, Quantenmechanik und Relativitätstheorie seien "jüdischen" Geistes und daher falsch und strikt abzulehnen. Stark bezeichnete Heisenberg als "Weißen Juden in der Wissenschaft". Heisenberg war ansonsten nicht politisch engagiert und hatte mit den Nazis nichts am Hut.
Im privaten Leben war Heisenberg ein großer Naturfreund, in seiner Jugend Pfadfinder, hatte Freude am Bergsteigen, Skilaufen, Radfahren, Segeln. Er liebte Wettbewerbe, sowohl im Sport als auch bei der Lösung mathematischer Aufgaben, und er war auch musisch begabt, spielte sehr gut Klavier. Er war seit 1936 verheiratet und hatte mit seiner Frau Elisabeth, geb. Schumacher sieben Kinder. 1933 verbrachte er mit Niels Bohr und Carl Friedrich von Weizsäcker ein paar sportlich und geistig ergiebige Wochen beim Skilaufen und Diskutieren in einer Skihütte in den Bayrischzeller Bergen bevor die große Katastrophe über Deutschland hereinbrach.
1945 wurde er mit den anderen führenden Atomphysikern Nazi-Deutschlands in Farm Hall in England interniert und erlebte im Radio die Schreckensmeldung der amerikanischen Atombombenabwürfe in Japan. Nach dem Krieg fühlte er sich Bundeskanzler Konrad Adenauer verbunden, setzte sich für die Kernforschung ein, war jedoch strikt gegen eine militärische Nutzung der Kernenergie. Er gehörte zu den 18 Unterzeichnern des Göttinger Manifests, das eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr ablehnte. 12 Jahre war er Direktor des Max-Planck-Instituts in Göttingen, danach nochmals 12 Jahre in gleicher Funktion in München. Als die 1968er Studenten auch sein Institut in München besetzten, reagierte er gereizt und ablehnend und verglich das mit der nationalsozialistischen Studentenbewegung.
Verschränkte Quantenteilchen - unser Verstand ist am Ende. Es kommt noch verrückter: Die Verschränkung von Quanten ist bis heute der Frontalangriff auf unseren gesunden Menschenverstand. Sie geht auf ein Gedankenexperiment von Einstein, Podolsky und Rosen (EPR) im Jahr 1935 zurück, mit dem sie eigentlich die Widersinnigkeit der Verschränkung beweisen wollten. Einstein damals: Gott würfelt nicht! Worum geht es? In einer Apparatur mit halbdurchlässigen Spiegeln wird über einen nichtlinearen optischen Bariumborat-Kristall aus einem Photon ein "verschränktes" Photonenpaar EPR mit um 90° verdrehten Polarisationsebenen erzeugt und separat mit Lichtgeschwindigkeit in den Raum geschickt. Wird nun am Photon A die Polarisationsebene z.B. zu alpha = 0° gemessen, zeigt Photon B augenblicklich (ohne jede Verzögerung) alpha = 90° an und umgekehrt, auch wenn der Abstand der Teilchen inzwischen Lichtjahre beträgt! Die Teilchen sind körperlich getrennt und nicht durch Informationsübertragung verbunden, sondern lediglich durch die gemeinsame Aufenthalts-Wellenfunktion beschrieben. Das Geheimnis der Verschränkung von EPR-Teilchen: noch in makroskopischer Entfernung benehmen sie sich wie siamesische Zwillinge, quasi mit einem simultan agierenden Gehirn. Quantenphysiker Jeff Kimble vom California Institute of Technology: Verschränkung ist, wenn das eine Teilchen gekitzelt wird und das andere lacht. Und ER würfelt doch! Nobelpreisträger Richard Feynman: Ich kann mit Sicherheit sagen, niemand hat die Quantenmechanik verstanden.
Bild 12. Verschränktheit - übertragen ins tägliche Leben: Zwei gleiche Münzen rotieren auf je einem Tisch. Münze A fällt zufällig auf „Max Planck“. Wären es verschränkte „Quanten-münzen“, fiele Münze B sofort auf „Adler“; B kann nicht unabhängig von A umfallen. Die Verschränkung bleibt bestehen, auch wenn die Tische Lichtjahre voneinander entfernt sind!
Das unfassbare Phänomen der Verschränkung hat das bis dahin feste Gebäude der Physik ins Wanken gebracht, und das war ja geprägt durch das scheinbar unumstößliche Prinzip von "Ursache und Wirkung", tue irgend etwas mit einem Körper, einem Strahl, einer Welle, einem Strom, und es wird sich eine vorausberechnete Wirkung einstellen. Danach blieb auch ein Teilchen ein Teilchen, eine Welle eine Welle, und eine geisterhafte "Überlagerung" beider schien undenkbar. Nach der Entdeckung der verschiedenen Merkwürdigkeiten der Quantenmechanik ist heute nichts mehr wie es mal war. Die Verschränkung ist heute anerkannt, aber man versuchte bisher vergeblich hinter das Geheimnis der augenblicklichen Reaktion des zweiten Teilchens zu kommen, wenn am ersten eine Messung vorgenommen wurde. Augenblicklich heißt augenblicklich und nicht erst nach Aussendung eines Lichtstrahls von Teilchen A und Ankunft des Strahls bei B. Also gibt es doch eine Informationsübertragung, die schneller ist als das Licht? Nein, bei diesen Quantenzwillingen handelt es sich nicht um Informationsübertragung, denn die maximal mögliche Geschwindigkeit ist die Lichtgeschwindigkeit, und die ist endlich, zwar mit 300 000 km/s unverstellbar groß, aber doch nicht unendlich groß. Die Quantenzwillinge sind "lediglich" an die gemeinsame Wellenfunktion gekettet.In der Natur existieren also Beziehungen zwischen Systemen, die unabhängig von Raum und Zeit sind (das sind die spukhaften Fernwirkungen, mit denen Einstein zeit seines Lebens unzufrieden war; er konnte sich nicht mit dem Wahrscheinlichkeitscharakter der Quantentheorie abfinden).
John Bell gelang 1964 der theoretische Nachweis, dass A u. B miteinander verschränkt sein können. 1982 wies Alain Aspect auch im Experiment die Fernwirkung nach.
Trotz ihres auffälligen Benehmens sind die Quanten Grundlage vieler nützlicher Erfindungen. Bis etwa 1970 haderten die Väter der Quantenmechanik und hatten damit zu tun, die schwere Kost zu verdauen. Dann jedoch begann die Morgenröte des positiven Pragmatismus, neues Leben zog in die verrückte Quantenwelt ein, jetzt begann sie unser aller Leben zu verändern. Die neue Generation von Experimentatoren spielt mit Quanten wie mit Bällen eines genialen Irren und haut die klassische Physik lustvoll in Stücke. Sie kümmern sich nicht mehr um die Ungereimtheiten der Quantenphysik, sie fragen nur, was können wir mit ihr in der Praxis anfangen? Und siehe da, ein wahres Füllhorn tat sich auf! Mit Halbleiter-Elektronik, Mikroprozessoren, Laser, Nanotechnologie fingen sie an; z.B. auch der neue superfest-elastische TWIP-Stahl (Twinning Induced Placidity) basiert auf Quanten-Prinzipien. Aber jetzt geht es erst richtig los: Quanteninformatik, Quanten-Kryptografie, Quanten-Teleportation, Quanten-Computer... Der gravierende Unterschied zur klassischen Information (Information ist Mitteilung, Nachricht, Auskunft über etwas oder jemanden) mit dem digitalen Bit als Träger ist die von einem Quantenobjekt getragene Informationseinheit Qubit (sprich kjubit).
Bild 13. Mit Qubits: Geheimes zwischen Bob und Alice. "Bob" und "Alice" sind sinnverwandte Wörter (Synonyme) für Sender und Empfänger einer Nachricht; verwendet auf dem Gebiet der Verschlüsselung geheimen Informations-Austauschs (Kryptografie).
Quanten-Kryptografie. Zum Austausch geheimer Nachrichten zwischen Bob und Alice wird ein vereinbarter Schlüssel mit Qubits verteilt, Bob schickt einzelne polarisierte Photonen; Messungen der Spionin Eve verändern den Polarisations-Zustand und werden von Alice und Bob bemerkt; die Verschlüsselung ist nicht zu knacken. Das geht in sehr grober Vereinfachung wie folgt: Alice benutzt zwei in Polarisation verschränkte Photonen A+B aus einer EPR-Quelle. Sie lässt ein drittes Photon T (das Photon, das sie zu Bob teleportieren will) mit A interagieren, dann ändert sich B bei Bob. B hat jetzt den Quantenzustand von T, d.h. die Polarisationsrichtung. T verlor sie unwiderruflich. B ist perfekt zu T ohne geisterhaften Materietransport geworden.
Bild 14. Die Prozedur der Teleportation.
Teleportation. Die bekannte Anweisung von Captain Kirk an seinen Bordingenieur „Beam me up Scotty“ in der TV-Serie Star Trek (deutsch: Raumschiff Enterprise) meint den körperlichen Transfer eines Menschen auf einen anderen Himmelskörper. Soweit werden wir nie kommen. Aber einzelne Quanten sind schon mehrmals erfolgreich von einem zum anderen Ort gebeamt, d.h. teleportiert worden.
Quanten-Teleportation ist die Übertragung eines Quantenzustandes, z.B. der Polarisationsrichtung des Lichts, über beliebig große Entfernungen. Ein anfängliches Photon T trägt eine Polarisation, die übertragen werden soll. Es wird mit einem von zwei verschränkten Photonen A einer Messung unterzogen, so dass das zweite des verschränkten Photonenpaares B die Polarisation des anfänglichen Photons annimmt und perfekt zu T wird. Das letztere kann von dem anfänglichen Photon beliebig weit weg sein. Quantenteleportation wird der wichtigste Baustein eines Quantencomputers sein.
Bild 15. Quanten im Abwasserkanal: Professor Zeilinger von der Uni Wien beamt 2004 Photonen durch einen Kanal vom Prater auf die Donauinsel. Alice im Vergnügungspark, Bob auf der Insel.
Bild 16. Mr. Beam Superstar Zeilinger. Er bewies, dass Einsteins spukhafte Fernwirkung tatsächlich existiert: verschränkte Lichtquanten kommunizieren miteinander ohne Zeitverzögerung, egal wie weit sie voneinander entfernt sind.
Hier sind die Meilensteine der Teleportation: 1982: Alain Aspect, Uni Paris, erzeugt im Experiment polarisiert verschränkte EPR-Photonen. 1997: Anton Zeilinger, Uni Innsbruck, erste experimentelle Teleportation verschränkter Photonen, Abstand A-B 50 cm. 2004: Zeilinger, jetzt Uni Wien, beamt Photonen über Glasfaser im Abwasserkanal vom Prater auf die Donauinsel, Abstand 630 m. 2005: Zeilinger teleportiert Photonen durch die Atmosphäre von der Kuffner-Sternwarte zum Milleniumstower, Abstand 7,8 km. Zeilinger, jetzt „Mr. Beam Superstar“ genannt, erzeugt vier verschränkte Photonen ("Quantencluster"). 2005 wurde er von der englischen Wochenzeitung New Statesman zu einem der "10 people who could change the world" gewählt.
Quantencomputer (QC). mit Hilfe der Quanten-Teleportation lassen sich völlig neuartige Computer auf der Basis Qubit statt Bit konstruieren. Ein herkömmliches Bit trägt die Information 0 oder 1, d.h. „tu entweder dies oder das!“ (das ist wie eine „Solostimme“). Ein Qubit im Überlagerungszustand trägt die Information 0 und 1 gleichzeitig, z.B. Polarisationsrichtung, d.h. „tu sowohl dies als auch das!“ (das ist wie eine „Symphonie“). Mehrfach verschränkte EPR-Teilchen ermöglichen Prozesse auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig. 2 Qubits nehmen alle gleichzeitig die Zustände 00, 01, 10 und 11 an.
Bild 17. Die unermesslichen Möglichkeiten des Quantencomputers - reale, absehbare Zukunft.
Der QC speichert die Information in Elementarteilchen, d.h. im Innern der Materie, nicht auf der Oberfläche. Er kann durch parallel arbeitende Algorithmen die Berechnungszeit unermesslich verkürzen. Es gibt jedoch noch schwer wiegende Probleme bei der praktischen Umsetzung des theoretischen Konzepts, wie z.B. Störung der Verschränkung durch die Umgebung, Kollaps der Überlagerung durch Auslesung, Betriebstemperatur vermutlich nur nahe am absoluten Nullpunkt… Daher wird der QC kaum vor 2015...2020 (?) einsatzfähig sein.
Verknüpfung mit der Relativitätstheorie? Die Quantenmechanik wird auch bei der Verknüpfung mit der Relativitätstheorie, der „Quantengravitation“, dem heiligen Gral der modernen Physik, eine tragende Rolle spielen. Urknall und schwarzes Loch: gigantische Massen auf kleinstem Raum: hier versagen beide Theorien für sich allein, das ist dann ein Fall für eine Kombination beider Säulen, allgemeiner Relativitätstheorie und Quantenmechanik. In dieser TOE, theory of everything, verschmilzt das ganz Große mit dem ganz Kleinen, das Gigameter (109 m) mit dem Nanometer (10-9 m), die Galaxien mit den Quanten. Es gibt keine Trennung mehr zwischen Kosmologie und Teilchenphysik, es gibt nur noch Astroteilchenphysik. Wer, wie die Forscher am Large Hadron Collider beim CERN in Genf, wissen will, was die Welt im Innersten zusammen hält, findet die Antworten, wenn er sich mit dem Anbeginn des Universums befasst; denn die Teilchen und die sie bindenden Kräfte entstanden unter den extremen Bedingungen, wie sie in den Sekunden-Bruchteilen nach dem Urknall herrschten.
Bild 18. Ehrung in der Ruhmeshalle des Deutschen Museums für Werner Heisenberg. Bild 19. ...und auf Helgoland, wo ihm 1925 der Durchbruch in der Formulierung der Quantenmechanik gelang.
Bild 20. 1927: Werner Heisenberg brachte die Unschärfe in die Quantenmechanik und erklärte damit viele Ungereimtheiten. Dafür gab es den Nobelpreis... und 2001 eine schöne Sonderbriemarke der Deutschen Post zu seinem 100. Geburtstag.
Ehrungen für Werner Heisenberg. 1932 Nobelpreis für Physik, 1933 Max-Planck-Medaille, 1943 Kopernikus-Preis der Uni Königsberg, 1964 Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland mit Stern und Schulterband, 1973 Romano-Guardini-Preis, Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste, Bayerischer Verdienstorden, Niels-Bohr-Medaille, Ehrendoktor zahlreicher Universitäten.
Was haben die Quantenphysiker herausgefunden? Die kleinsten Teilchen wollten die Quantenphysiker erkunden, allen voran Werner Heisenberg, sozusagen „the heart of the matter“. Sie stießen auf Atome, Quarks, Elektronen, Photonen. Sie fanden, dass im Mikrokosmos nichts absolut ist, sondern „unscharf“, während in der Relativitätstheorie alles relativ ist. Quantenobjekte sind scheu, schemenhaft, geisterhaft, überall und nirgends, sie halten sich in einem Überlagerungszustand in einer Aufenthaltswahrscheinlichkeitswelle auf, sind Weder-Noch-Objekte, unfassbar in ihrer Doppelbedeutung. Sie führen ein Doppelleben: Materie-Teilchen sind Wellen, Lichtwellen sind Teilchen. Wenn man sie beobachtet, bricht ihre Doppelnatur in sich zusammen. Der objektive Zufall ersetzt Ursache / Wirkung, wie wir sie aus dem täglichen Leben und aus der klassischen Physik kennen. Fassungs- und verständnislos stehen wir vor dem Geheimnis der Verschränkung: EPR-Teilchen handeln noch in Lichtjahren Entfernung wie siamesische Zwillinge, quasi mit „einem simultan agierenden Gehirn“.
Albert Einstein: Falls Gott die Welt geschaffen hat, war seine Hauptsorge sicherlich nicht, sie so zu machen, dass wir sie verstehen können.
Nachtrag
Jérôme Ferrari hat Werner Heisenbergs Leben in seinem Roman "Das Prinzip" literarisch beschrieben. Er las daraus vor am 5.5.2015 in der Buchhandlung Wist in Potsdam. Hier meine persönliche Zusammenfassung.
Jérôme Ferrari: DAS PRINZIP (erschienen 2015).
Es begann 1989, als der 1968 geborene französische Autor und Goncourt-Preisträger an der Uni seine letzte mündliche Prüfung in „Physik und Philosophie“ ablegen muss. Die Dozentin konfrontiert ihn mit Werner Heisenbergs Unschärferelation und ihren philosophischen Implikationen. Ferrari glänzt durch absolute Ahnungslosigkeit, weil er nie einen Fuß in ihr Seminar gesetzt hatte (er bedauert es jetzt, weil er sieht, dass sie schön ist und merkt, dass ihn erotische Gedanken durchzucken). Sie lässt ihn durchs Examen rasseln, demütigt ihn, aber seine Neugier ist erwacht: Wer war Heisenberg, was hat er entdeckt?
Aus der langen Liste deutscher Namen entpuppt sich Heisenberg als der, dem es vergönnt war, Gott über die Schulter zu schauen, in einer schlaflosen Nacht 1925 auf Helgoland, nach der nichts mehr so sein sollte wie vorher in der Physik. Unter dem Sternenhimmel das einsame Genie, das der Weltformel nahegekommen ist.
Jetzt wird der Name Heisenberg das Objekt seiner Begierde, und Ferrari führt mit Heisenberg einen (fiktiven) Dialog in direkter Rede, der in dem 130-Seiten-Büchlein kulminiert: Ihnen hat man also das Prinzip der Unschärferelation zu verdanken, welches besagt, dass man nicht zugleich die Position und die Geschwindigkeit eines Elementarteilchens kennen kann. Stellt man den Ort eines Teilchens fest, weiß man nichts über die Geschwindigkeit, misst man seine Geschwindigkeit, kennt man seinen Ort nicht. Wissen Sie, Herr Heisenberg, dass Sie damit den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung aufgehoben und die Gesetze der klassischen Physik aus den Angeln gehoben haben? Dass die Grundbausteine unserer Materie eitle Trugbilder sind, niemals feststellbar, überall und nirgends? Das schöne klassische Atommodell – Elektronen umkreisen den Kern in der Mitte auf sauberen Bahnen – eine Illusion? Das Atom hat sich aufgelöst, in eine Aufenthaltswahrscheinlichkeitswolke verwandelt. Die ganze Welt entgleitet uns, gerät außer Kontrolle, wir bewegen uns auf schwammigem Boden. Sie haben ein Feuer entzündet, das sich zum Flächenbrand auswuchs, das Allerheiligste verwüstete, indem Sie uns den objektiven Seinsgrund entzogen.
Die Reaktion der Nazi-„Wissenschaftler“ lässt nicht auf sich warten: Sie, als „weißer Jude“ beschimpft und Einstein werden einer widerlichen, typisch jüdischen Physik bezichtigt, die dem gesunden Menschenverstand widerspreche, nur unbegründete theoretische Vermutungen mit nebulöser Mathematik ausspreche, die mit ihrer jüdischen Korruption die „Deutsche Physik“ verpeste, damit sich die arglose Gutmütigkeit der Arier darin verirre, alles eine Verschwörung des Weltjudentums. Sie bleiben trotzdem in Deutschland, um im Einvernehmen mit Planck „Inseln des Bestands“ zu sichern, um nach der Katastrophe schneller aufbauen zu können, was jetzt schon zerstört ist.
Statt in den Krieg steckt man Sie in das Heereswaffenamt, um Otto Hahns Entdeckung der Atomkernspaltung als mögliche Waffe zu untersuchen – den Nuklearreaktor zur Erzeugung von Energie, und dabei so viel jüdische Physik wie nötig zu verwenden (!). Wie gingen Sie damit um? Der reinen Wissenschaft dienen, Waffenentwicklung ausbremsen, verzögern? Aber Sie wissen doch, dass Sie eine, den Ausgang des Krieges entscheidende Bombe konstruieren sollen und dass Ihre nach USA emigrierten Kollegen das auch wissen? Auch hier geht es um Elementarteilchen, nicht lokalisierbar, doch miteinander in Wechselwirkung, riesige Energien freigebend.
Am 6. August 1945 war der Schneeballeffekt bewiesen, dass jeder Urankernbeschuss durch Neutronen neue Neutronen gebiert, die wiederum Urankerne spalten und damit eine ungeheure, bisher nicht gekannte, multiple Energie entfachen, die die Menschen in Hiroshima in Schattenbilder an Häuserwänden verwandeln. Diese Schockwelle erreicht Sie, Herr Heisenberg und neun weitere deutsche Atomwissenschaftler in der Internierung in Farmhall/England. Ungläubigkeit, Schrecken, Erleichterung, Neugier, Enttäuschung – und Gekränktheit, dass es den Amis gelungen ist, schamlos eine deutsche Erfindung auszubeuten. Die Mikrofonwanzen zeichnen alles auf: Warum heulen sie? Weil die Amis besser waren? Oder sind es Freudentränen, weil sie die Bombe nicht gebaut haben? Die Bombe – das Schicksal der Physik, ihre Entwürdigung, ihr Triumph und ihr Ruin. Auch Robert Oppenheimer, der Vater der Bombe hat Recht: Die Physiker haben die Sünde erfahren.
Das Unschärfeprinzip, le principe d´incertitude – eine ungewöhnliche, sehr gute literarische Verarbeitung des schwierigsten Kapitels der Physik, der Quantenmechanik, mit reinem Genuss zu lesen und zu verstehen. Komplizierte Fragen der Naturwissenschaft durch Literatur begreiflich gemacht. Wunderbare Sprache, gute Übersetzung. Eine Geschichte Heisenbergs, des tragischen Helden in Deutschlands dunkelster Zeit, Nobelpreisträgers, Atomforschers, Gegners der Atombewaffnung, des Antipoden Einsteins. Faszinierend, wie Ferrari das „Prinzip“ auf andere Bereiche des Lebens und des Wesens unseres Daseins ausdehnt. Ich stellte ihm nach seiner Lesung am 5. Mai 2015 in Potsdam die Frage, warum er als Physiker zur Schriftstellerei gewechselt ist. Antwort: Ich bin nicht Physiker, habe lediglich Philosophie und Wissenschaftsgeschichte studiert, die Geschichte Heisenbergs, der Gott über die Schulter geschaut hat, zog mich in ihren Bann.
Moi, j´en suis enchanté. K.L.
Bildnachweis.
Bild 1: CC-Lizenz, Bundesarchiv Bild 183-R57262/CC-BY-SA. Bild 2, 3, 6: Public domain. Bild 4, 5, 7: Eigener Entwurf. Bild 8, 9: Aus J. Audretsch "Verschränkte Welt", Wiley-VCH, 2002. Bild 10, 18: Eigene Fotos am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011. Bild 11: Eigene Zeichnung. Bild 12: Public domain. Bild 13: Wiki creative commons attribution share alike3.0,CC-BY SA. Bild 14: Eigene Zeichnung. Bild 15: Doc. Lic. under CC-by-sa. Bild 16: CC-BY SA Lizenz Quelle Zeilinger, Urheber Jaqueline Godany. Bild 17: Eigener Entwurf. Bild 19: CC-BY SA Lizenz Timo Kamph. Bild 20: Public domain.