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Ruska setzte eine Kausalkette in Gang

Es wurden noch andere Elektronenmikroskope entwickelt, alle auf dem Fundament von Ruskas Erfindung.

Neben den Transmissions-Elektronenmikroskopen gibt es Rastertunnel-, Rasterkraft-, Raster-Elektronen- und Raster-Ionen-Mikroskope, sowie einige Kombinationen und Abarten dieser Geräte.

Bild 1. Das Rastertunnel-Mikroskop, Aufbau und Arbeitsweise.

Bild 2. Das Rasterkraft-Mikroskop.

Bild 3. Die Cantilever-Messnadel des SFM und eine STM-Aufnahme.

Bild 4. Das Rasterelektronen-Mikroskop.

Bild 5. Eine spektakuläre REM-Aufnahme - Schneekristall bei -170°C.

Bild 6. Noch eine REM-Aufnahme: Verschiedene Pollen, nach der Aufnahme eingefärbt.

Bild 7. Das Rasterionen-Mikroskop, kombiniert mit einem Rasterelektronen-Mikroskop - eine Werkbank für den Nanomaßstab. Der FIB bearbeitet die Probe, das REM beobachtet das Ergebnis.

Bild 8: Die REM- und FIB-REM-Geräte.

Die Kausalkette der Mikroskopentwicklung – Licht, Elektronen, Durchstrahlung, Rasterung, Ionenstrahlen … Alle diese elektronenmikroskopischen Geräte fußen auf Ruskas Idee der praktischen Anwendung der Elektronenstrahlen. Von dem Erfinder des Lichtmikroskops, ob das nun Janssen, Galilei, Huygens oder Hooke gewesen ist (die Historiker streiten darüber) führt ein gerader Weg zu Ernst Abbe, der die physikalischen Grundlagen der Mikroskoplinsen schuf, zu Ernst Ruska, der "weiter nichts" tat, als die De Broglie-Theorie der Wellennatur der Elektronenstrahlen in die Praxis umzusetzen. Sein Gerät stieß noch viele Türen auf für die Weiterentwicklung der Elektronenmikroskopie. Das erste Elektronenmikroskop war ein Durchstrahlungs-Elektronenmikroskop und lieferte keine Bilder der Oberfläche, sondern „nur“ die Verteilung der Masse im Objekt. Das nahe liegend Mögliche war, das Prinzip auch für die Abbildung von Oberflächen zu benutzen, die Oberfläche „abzurastern“ (englisch scannen).

Das hochauflösende Rasterelektronenmikroskop, REM oder SEM (scanning electron microscope) wurde 1937 von Manfred von Ardenne erfunden. Von Abbe bis Ruska vergingen mehr als 60 Jahre bis die Zeit reif war für diesen Wechsel, die nächste Entwicklungsstufe kam sehr viel schneller. Die Objektoberfläche wird mit einem feingebündelten Elektronenstrahl im Hochvakuum abgetastet. Zwischen dem Elektronenstrahl und dem Objekt ergeben sich verschiedene Wechselwirkungen, deren Detektion Informationen über die Beschaffenheit des Objekts geben. Als meistgenutzte Informationsquelle dienen die Sekundärelektronen, die aufgrund ihrer niedrigen Energie nur aus den obersten Nanometern der Oberfläche stammen und somit die Topografie des Objektes abbilden. Die Detektion von vom Objekt zurückgestreuten Elektronen erlaubt Rückschlüsse auf die chemische Natur des Objektmaterials bzw. der Verteilung verschiedener Materialien. Des weiteren entsteht charakteristische Röntgenstrahlung, die Rückschlüsse auf die in der Probe enthaltenen Elemente liefert.

Das Rastertransmissionselektronenmikroskop, STEM (scanning transmission electron microscope) ist eine spezielle Variante des Transmissionselektronen-Mikroskops. Bei diesem Verfahren befindet sich der Detektor unterhalb der Probe. Es wird also die Streuung der Elektronen in der Durchstrahlung gemessen. Dazu muss die Probe sehr dünn sein (typischerweise zwischen 50 und 500 nm). Die mit einem Rasterelektronenmikroskop erzeugten Bilder sind Abbildungen der Objektoberflächen und weisen im Vergleich zu Bildern, die mit Lichtmikroskopen erzeugt werden, eine höhere Schärfentiefe auf. Die maximale theoretische Vergrößerung liegt etwa bei 1 000 000:1, während diese bei der Lichtmikroskopie bei etwa 2000:1 liegt.

Beim Rastertunnelmikroskop, RTM oder STM (scanning tunnel microscope) wird die Spitze zeilenweise über eine Oberfläche gerastert. Der Tunnelstrom ist die zentrale Messgröße. Die Ortskoordinaten x,y des Rasterfeldes sind ungeregelte Größen, während der Tunnelstrom von der z-Position und der angelegten Spannung abhängig ist. Der Abstand Spitze/Oberfläche ist dabei außerordentlich klein (Nanometer), aber nicht null. Die Potenzialbarriere zwischen ihnen wird nicht überwunden, wohl aber durchtunnelt, wodurch beim Anlegen einer kleinen Spannung ein Tunnelstrom entsteht. Dieser ist sehr empfindlich auf kleinste Abstandsänderungen. Die Höhe der Spitze über der Oberfläche wird mithilfe von Piezoelementen so geregelt, dass entweder der Abstand zur rauhen Oberfläche immer konstant, d.h. der Tunnelstrom konstant bleibt und das auf diese Weise gemessene Höhenprofil die Oberfläche im atomaren Maßstab darstellt. Oder es kann die absolute Höhe der Spitze konstant gehalten werden, wodurch der variierende Tunnelstrom eine Rekonstruktion der Oberfläche ermöglicht. Der Tunnelstrom beträgt 1 pA bis 10 nA, der Spitze/Probeabstand 0,5 bis 1 nm. Idealerweise fließt der Tunnelstrom nur über ein einziges, exponiertes Atom an der Spitze (!). Die Spitze besteht aus Gold, Platin oder Wolfram. Wenn die Probe nicht elektrisch leitend ist, muss sie mit einer sehr dünnen elektrisch leitenden Schicht bedampft werden, die am Rand der Probe Kontakt zur Probenhalterung hat. Im März 1981 haben die beiden Physiker Gerd Binnig (Deutschland) und Heinrich Rohrer (Schweiz), im IBM-Forschungslabor in Rüschlikon (CH) die ersten erfolgreichen Experimente durchgeführt. Sie haben das Rastertunnelmikroskop auch zum heute häufig benutzten Instrument gemacht und erhielten dafür 1986 den Nobelpreis für Physik, zusammen mit Ernst Ruska für dessen Erfindung des Elektronenmikroskops 1931.

Beim Rasterkraftmikroskop, SFM oder AFM (scanning force microscope, atomic force microscope), wird während der Messung eine nanoskopisch kleine Nadel, die an einer Blattfeder befestigt ist, in einem definierten Raster über die Probenoberfläche geführt. Die Rauheit der Oberfläche zwingt die Feder zu unterschiedlich starker Auslenkung, die von optischen Sensoren gemessen wird und ein Maß für die zwischen der Spitze und der Oberfläche wirkenden atomaren Kräfte ist. Die setzen sich einerseits aus anziehenden van-der-Waals- und Kapillarkräften zusammen und andererseits aus abstoßenden Pauli- und Coulomb-Kräften (Pauli-Prinzip: Fermionen, also Protonen und Neutronen, können nicht am selben Ort existieren). Durch das punktweise Aufzeichnen der Auslenkungen lässt sich eine Abbildung der Probenoberfläche erzeugen. Jeder einzelne Bildpunkt repräsentiert dann eine bestimmte physikalische oder chemische Messgröße. Die mögliche Bildauflösung wird durch den Spitzenradius bestimmt, er beträgt in der Regel 10 bis 20 nm, was je nach Rauheit der Probenoberfläche Auflösungen von 0,1 bis 10 nm erlaubt. Dies reicht aus, um im Idealfall sogar einzelne Atome abbilden zu können. Damit hat das Rasterkraftmikroskop zusammen mit dem Rastertunnelmikroskop die höchste Auflösung aller mikroskopischen Techniken. Das SFM wurde 1986 von Gerd Binnig Deutschland), Calvin Quate (USA) und Christoph Gerber (Schweiz) entwickelt.

Das Arbeitsprinzip des Rasterionen-Mikroskops, FIB (focussed ion beam) besteht darin, dass ein Gallium-Ionenstrahl statt ein Elektronenstrahl benutzt wird. Eine Flüssigmetallquelle dient zur Erzeugung des Ionenstrahls, der, da er aus geladenen Teilchen besteht, von elektrischen Spulen fokussiert und von Quadrupolen geregelt werden kann. Der Ionenstrahl wird analog dem REM in einem Punkt fokussiert und zeilenweise über die Oberfläche geführt. Dabei treten Sekundärelektronen aus der Oberfläche aus, die detektiert werden und eine Abbildung der Oberfläche ermöglichen. Es ist ein Gerät zur Oberflächenanalyse und Oberflächenbearbeitung. Damit kann Material abgetragen werden oder, als bildgebendes Verfahren, die Oberfläche abgetastet werden. Große Stromstärken werden für den „groben“ Materialabtrag (ion milling) genutzt, kleine Ströme aufgrund der besseren Auflösung, zum Feinpolieren und zur Abbildung. Werden Prozessgase über die Probe geleitet, können auch Strukturen aufgebaut werden. Neben Platin scheidet sich Kohlenstoff auf der Oberfläche ab. Auch selektives Ätzen ist möglich in Verbindung mit bestimmten eingeleiteten Gasen. Zweistrahl-Anlagen ermöglichen das gleichzeitige Beobachten und Bearbeiten von Materialien. Hiermit kann man zielgenau Defekte (z. B. in einzelnen Transistoren) oder interessante Punkte an einer Probe präparieren.

Es gibt noch eine Reihe von Elektronen basierten Mikroskopen, z.B. Feldionenmikroskop (FIM), Fotoemissions-Elektronenmikroskop (PEEM) und andere.

Anwendungsgebiete. Die „Zentraleinrichtung Elektronenmikroskopie“ (ZELMI) der TU Berlin, die Alma Mater von Ernst Ruska, verfügt über TEM, REM, HR-REM und FIB-REM-Geräte und bearbeitet damit die Themenfelder: Materialwissenschaften (Metalle, Keramiken, Polymere, Katalysatoren), Nanotechnologie, Physik, Optik, Photonik, Halbleiter, Solarzellen, Umweltanalytik, Geologie, Mineralogie, Aquatechnik, Biotechnologie, Medizintechnik, Pharmazie. Bedient werden alle Naturwissenschaften der TU, öffentliche Forschungseinrichtungen und mittelständische Unternehmen.

Das Ruska-Füllhorn. Ernst Ruska hat mit seiner Erfindung des Elektronenmikroskops ein wahres Füllhorn, eine Quelle der Erkenntnis aufgemacht, aus der die Nachfolgeerfindungen und Weiterentwicklungen nur so herausströmten. Die Grundidee Ruskas, Elektronen zu vergrößerten Abbildungen zu benutzen, animierte viele Forscher, auf diesem Gebiet weiterzuarbeiten, seine Idee in alle denkbaren Richtungen auszuweiten. Der Vorstoß in den Mikrokosmos mit Rastertunnel- und Rasterkraft-Mikroskopen, bis hinunter auf atomaren Maßstab, der auf quantenmechanischen Prinzipien beruht, ist atemberaubend und eröffnet ungeahnte Forschungsmöglichkeiten im Reich der kleinsten Teilchen. Der Drang des Menschen ist ungebremst, erkennen zu wollen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Wer weiß, wo der uns noch hinführt?

 

Bildnachweis.

Bild 1, links: Wikipedia, UrheberFrank Trixler, CC-BY-SA 3.0. Bild 1, rechts, Bild 7: Eigene Fotos, Lange Nacht der Wissenschaften 2012, TU Berlin, Physikalisches Institut, eigene Ergänzungen. Bild 2: Wikipedia, Urheber Atomic_force_microscope_block_diagram.svg Twisp, gemeinfrei. Bild 3 links. Wikipedia, Urheber secret disc, CC-BY-SA 3.0. Bild 3 rechts und Bild 8: Eigene Fotos, Lange Nacht der Wissenschaften 2012, TU Berlin, ZELMI (Zentraleinrichtung Elektronenmikroskopie), TU Berlin, 2012. Bild 4: Wikipedia, Urheber Rainer Ziel, CC-BY-SA 3.0 und Wikipedia, Urheber Schmitz Metallografie, CC-BY-SA 3.0. Bild 5: Wikipedia, Urheber Brian0918, public domain. Bild 6: Wikipedia, Dartmouth College, color by William Crochot, public domain.