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Bild 2. Das geheimnisvolle Gerät auf der Hohenzollernbrücke in Köln: Telemobiloskop, Hülsmeyers Rückstrahlmelder

Wir schreiben Mai 1904. Der 23-jährige Ingenieur Christian Hülsmeyer (*1881 Eydelstedt, †1957 Ahrweiler) befestigt ein geheimnisvolles Gerät am Geländer der Hohenzollernbrücke in Köln. Er ist von Neugierigen umgeben, die nicht wissen, was hier überhaupt los ist. Ein Holztisch mit zwei Kästen mit je einem Metallstab, das ist alles, was sie sehen. Hülsmeyer, selbst in größter Anspannung, ob sein Experiment gelingen würde, kann den bohrenden Fragen nicht ausweichen und erklärt voller Begeisterung: mein „Telemobiloskop“ wird selbsttätig ein herannahendes Schiff melden, und zwar durch eine ausgestrahlte elektrische Welle, die von den metallischen Aufbauten des Schleppers zurückgeworfen und in meinem Empfänger einen Klingelton auslösen wird. Er richtet die Antennen aus und dreht nervös an Knöpfen, das Schiff rauscht heran, noch 100m entfernt … da: ein lautes Klingelzeichen zehn Sekunden lang, dann ist das Fahrzeug unter der Brücke verschwunden. Der junge Mann strahlt, Demonstration gelungen, Beifall. Seine Idee funktionierte nicht nur auf dem Papier. Sein Telemobiloskop war die Urform des später als RADAR bezeichneten Funkwellen-Echo-Verfahrens.

Bild 3. Der Beweis für seine Urheberschaft: Die Patentschrift Nr. 165546.

Er erhielt 1904 vom Kaiserlichen Patentamt die Patentschrift Nr.165546 für das von ihm entwickelte „Verfahren, um entfernte metallische Gegenstände mittels elektrischer Wellen einem Beobachter zu melden“. Doch die Industrie zeigte keinerlei Interesse, seine Idee in die Praxis umzusetzen. Wo waren die Visionäre, die das enorme Potenzial voraussahen, wo der Fabrikherr, der aus der Erfindung ein geschäftsreifes Produkt zu machen bereit war? Die Nichtbeachtung sollte Jahrzehnte später ungeahnte Folgen für Deutschland haben.

Hülsmeyer bekam eine Meldung, messen konnte er noch nicht, weder Entfernung noch Richtung. Fachleuten führt er das Wunderding vor, sie sagen: ah, eine nette Idee, aber nur Spielerei und nicht von praktischem Nutzen! Reaktion der Kriegsmarine: Dampfpfeifen sind über eine größere Entfernung hörbar als Schiffe vom Telemobiloskop entdeckt werden können. Hatten die keine Leute mit Weitblick?

Hätten sie mal ein bisschen weiter gedacht, dann wäre die Titanic-Katastrophe neun Jahre später vermieden worden! Mit welchem enormen technologischen Vorsprung hätten die Deutschen der Schifffahrt Sicherheit geben können! Lilienthals Fluggerät machte zu Anfang auch nur Hopser, Diesels Motor zerstörte sich selbst, und Reis´ Fernsprecher funktionierte nur über 50 m. Hülsmeyers bahnbrechende Idee geriet in Vergessenheit, und sie musste von denen, die das „Radio Detecting and Ranging“ in der Mitte der 1930er entwickelten, mit großem Aufwand wiederentdeckt werden.

Rückblende: Auf der Dorfschule erkannte der Lehrer Christians Begabung und ermöglichte ihm das Studium am Lehrerseminar in Bremen. Hülsmeyer war fasziniert von der Physik und besonders von den Wirkungen der elektromagnetischen Wellen, die Heinrich Hertz erforscht hatte. Im Physiksaal kam er auf eine Idee, die für die Radartechnik entscheidend sein sollte. Er stellte fest, dass von einem Sender ausgesandte und von Metallflächen zurückgeworfene elektrische Wellen zur Bestimmung der Entfernung von Schiffen herangezogen werden konnten. Nach Abschluss des Seminars ergriff er gegen den Willen seiner Eltern nicht den Lehrerberuf, sondern machte eine Ausbildung als Elektrotechniker bei Siemens in Bremen. 1902 zog er nach Düsseldorf und gründete dort zusammen mit einem Geldgeber eine eigene Firma, "Telemobiloskop Gesellschaft", um sein Gerät weiterzuentwickeln, herzustellen und zu vermarkten. Nach seinem erfolgreichen Versuch auf der Hohenzollernbrücke in Köln trug er voller Begeisterung seine Erfindung den Schifffahrtslinien, der Schiffbauindustrie und der Kriegsmarine vor; und sie zeigten keinerlei Interesse. Die Firma Telefunken teilte ihm mit, dass sie für das Patent keine Verwertungsmöglichkeit sehe. Er verstand die Welt nicht mehr, das ist doch das Gerät, um Schiffszusammenstöße zu vermeiden! 1905 beendete er daher seine Bemühungen, das Grät zu vermarkten, ließ seine Firma aus dem Handelsregister streichen und wandte sich anderen Aufgaben zu. Ja, so kann es gehen; nachdem er alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, zieht sich der Erfinder enttäuscht zurück, weil die Öffentlichkeit seine "Augen durch Nacht und Wolken" in ihrer riesigen Bedeutung überhaupt nicht erkennt. Er gründete zwei Jahre später eine Firma für Kessel- und Apparatebau, seine Erfinderfreude war ungebremst, und er bekam, sage und schreibe, 180 Patente auf seine Ideen und wurde durch die Lizenzen ein wohlhabender Mann. Für seine bahnbrechende Erfindung des Funkwellen-Echo-Verfahrens jedoch war die Zeit offensichtlich noch nicht reif, und er war in seinem Zukunftsbild, das sich als richtig erweisen sollte, seiner Zeit weit voraus. So mussten 30 Jahre später, unter dem Zwang der Ereignisse, seine Entwicklungen mühsam noch einmal gemacht werden, mit viel Gehirnschmalz, Zeit und Geld.

Bild 4. Prinzip der Radarortung (Beispiel)

Der Krieg erzwingt die Wiederentdeckung. Mitte der 1930er, als die durch Deutschland verursachten Spannungen in Europa zunahmen, stellten die Wissenschaftler in Deutschland und Großbritannien Untersuchungen an, wie man ein feindliches Flugzeug orten könne. Die einzige Erfolg versprechende Methode schienen Radiowellen zu sein! Kurze Impulse dieser Wellen auf ein Flugzeug schießen und die Zeit bis zur Ankunft des Echos auf dem Leuchtschirm eines Kathodenstrahlrohrs messen. Da alle elektromagnetischen Wellen sich mit der Lichtgeschwindigkeit von c = 300 000 km/s ausbreiten, kann man ganz einfach die Entfernung des Objekts bestimmen: der für Hin- und Rücklauf zurückgelegte Weg der gebündelten Radiowellen lässt sich mit einer ganz einfachen Multiplikation ausrechnen (s. Kasten!). Wenn die Impulse ständig ausgesandt werden, z.B. 1000 pro Sekunde, kann das Echo ebenso oft empfangen und damit der Weg des Objekts verfolgt werden.

Der Mensch will die natürlichen Grenzen, die ihm seine Sinnesorgane setzen, überschreiten, er will etwas sehen und erfassen, was über das Vermögen seiner unzureichend entwickelten Sinne hinausgeht. Er will sich künstliche Zusatz-Augen schaffen, die weiter blicken und Nacht und Wolken durchdringen können. Hülsmeyer war der Vater, und der drohende Krieg wird als übermächtiger Motor die Entwickliung des RADAR in atemberaubendem Tempo vorantreiben. 1933 war in Deutschland  die Zeit reif, die Radar-Story geht ohne Hülsmeyer weiter. Der wissenschaftliche Leiter der Nachrichtenmittel-Versuchs-Anstalt der Marine, Dr. Rudolf Kühnhold setzte 1934 in der Lübecker Bucht einen ersten Markstein der deutschen Funkmesstechnik: mit einer kombinierten Sende- und Empfangsröhre erhielt er mit einer gerichteten Funkwelle von 50 cm Länge ein Echo von der Bordwand eines Versuchsbootes in 12 km Entfernung; auch von einem zufällig durch den Sendestrahl fliegenden Flugzeug wird ein Rückstrahl empfangen!

Das war die Geburtsstunde des „Funkmess“, wie man das System in Deutschland damals nannte. Man hatte der Natur ein weiteres Geheimnis entlockt. RADAR sollte zur größten Revolution auf See führen. Und als Flugzeugortungs- und Flugzeugleitsystem sollte es über Sieg oder Niederlage entscheiden!

Bald leuchten in den Labors die grünen Augen auf, die Nacht und Nebel durchdringen. Je kürzer die Wellen sind, desto schärfer lassen sie sich mit gitterartigen Antennen bündeln, desto schmaler und gerichteter wird die „Sendekeule“ (im Gegensatz zum „Rund“funk, dessen Sendungen ja ringsum zu hören sind). Der Richtfunk ermöglicht einen Rückstrahl beim Aufprall am Ziel und darüber hinaus das Aussenden von Informationen in eine ganz bestimmte Richtung. Die größte Schwierigkeit liegt darin, die Röhren-Sendeleistung zu erhöhen, die entscheidend für die Sendeweite und den Empfang eines Echos ist; denn ein großer Anteil der Energie geht beim Aufprall am Ziel verloren.

Bild 5. Bündelung der Meter-Funkwellen durch eine Tannenbaum-Antenne. Bild 6. Bündelung der Zentimeter-Wellen durch einen Parabolspiegel.

Bild 7. Parabolspiegel - Einzelheiten.

Die Schnelligkeit der Entwicklung ist Atem beraubend: 1935 steigt eine Ju 52 auf 5 km Höhe und wird mit einem 50-cm-Gerät erfasst mit nur 5 Watt Leistung; ganz neue Perspektiven tauchen auf: feindlichen Flugzeugen den Eintritt in den deutschen Luftraum verwehren erscheint nicht mehr als Utopie. Im selben Jahr erhält ein Schiff ein Funkmess und sieht zum ersten Mal mit Radaraugen auf 20 km Entfernung. Das mit 2,40-m-Wellen sendende Gerät „Freya“ ortet 1936 ein Flugzeug in 80 km Entfernung … und ein Sender im Flugzeug beantwortet den Radarbeschuss mit einem Kennzacken auf dem Leuchtschirm des Empfängers, das Flugzeug als eigenes ausweisend. Martini, Nachrichtenchef der Luftwaffe: wer in dieser Technologie führt, ist dem Gegner entscheidend überlegen! Gerade diese Erkenntnis wird von der Führungsclique vor und im Krieg sträflich vernachlässigt und sollte fatale Folgen für die Menschen in Deutschland haben. 1939 wird der Prototyp des „Würzburg“-Gerätes auf der 50-cm-Welle erprobt, das nicht nur Entfernung und Richtung, sondern auch die Höhe des Flugobjekts misst. Die Deutschen sind der Meinung, dass sie einen riesigen Vorsprung gegenüber den Briten haben; sie glauben das zumindest noch eine Weile…

Bild 8. Funkmessgerät Würzburg-Riese, Wellenlänge 53,6 cm, Reichweite 70 km, Durchmesser 7,4 m, Leistung 8 kW, Höhe 10 m,  Bedienung 6 Mann. Bild 9. Gitternetz des Parabolspiegels, Maschenweite kleiner als 5,3 cm (10% der Wellenlänge). 

Die häufigste Form in der Radartechnik ist die Parabolantenne. Sie besteht aus einem von einem Hohlkörper gespeisten Primärstrahler, der die Strahlen auf den aus einer Rotationsparabel bestehenden Sekundärstrahler wirft. Die reflektierten Radarstrahlen, die eigentlich alle parallel verlaufen sollen, haben aber wegen der Fertigungsungenauigkeiten eine leichte Divergenz, und da die äußeren Strahlen geringere Energie (=Reichweite) haben, kommt es statt zu einer Bleistift- zu einer Keulenform, die umso schärfer gebündelt ist je kleiner die Wellenlänge ist. Der Parabolspiegel besteht meist aus einer Gitter-Rahmenkonstruktion, wobei die Gitterabstände kleiner als ein Zehntel der Wellenlänge betragen müssen. Objekte am Rande der Sendekeule ergeben ein schwächeres Signal als solche in der Mittelachse der Keule.

Bild 10, links. Rudolf Kühnhold - Wiederentdecker des Radar in Deutschland. Bild 11, rechts. Robert Watson-Watt - Wiederentdecker des Radar in Großbritannien.

In England ist ein Genie auf eben demselben Gebiet tätig, Robert Watson-Watt, der Gegenspieler Kühnolds, der Vater des englischen RADAR. Zwischen beiden wird ein technologisches Wettrennen ausgetragen; und der Ausgang dieses Fernduells entscheidet über Leben und Tod von Millionen von Menschen. 

Bild 12. Hawker Hurricanes im Formationsflug. England gewinnt die Luftschlacht über England 1940 - mit Hilfe des Radar.

RADAR entscheidet die Luftschlacht über England. Die britische Radarentwicklung beginnt ein Jahr später als in Deutschland im Jahr 1935. Watson-Watt definiert mit seltener intellektueller Klarsicht die einzelnen Entwicklungsschritte, die im Luftfahrtministerium sofort akzeptiert werden. Im Gegensatz zur engstirnigen deutschen Führung erkennt man hier sofort das entscheidende Potenzial zur Landesverteidigung und gibt ihm alle benötigten Mittel an die Hand. Der erste Wurf des RDF = Radio Direction Finding (die damalige Bezeichnung des englischen RADAR) vereinigt in sich gleich vier Messmethoden: Richtung, Entfernung, Höhe und Freund-Feind-Erkennung. 1939 ist die Radar-Luftverteidigung komplett; 18 Stationen überwachen die englische Ostküste, jagen Milliarden Impulse in den Himmel und lassen kein feindliches Flugzeug unbemerkt in den britischen Luftraum eindringen. Und es gelingt Watson-Watt 1937, das sehr genau auf der 1,50-m-Welle arbeitende Gerät im Gewicht so zu minimieren, dass es in Jagdflugzeuge eingebaut werden kann. Mit all dem haben sie schon einen Vorsprung. Das ASV – „Airborne Search for Surface Vessel“, das gegen See- und Luftziele eingesetzt wird, kombinieren sie mit einem Peilzeichen des eigenen Flugzeugs, führen es dann mit Hilfe des Bodenradars an die feindliche Maschine heran, und der eigene Pilot hat dann leichtes Spiel mit seinem Gegner. Mit diesem ausgeklügelten System gewinnen sie 1940 die 5-wöchige mörderische Luftschlacht über England. 1:0 für England! Watson-Watt, der Vater der magischen Augen wurde zum Retter des Vaterlandes.

Die unangenehmste Überraschung für die Deutschen: sie besitzen das Geheimnis nicht allein! Sie finden in Dünkirchen ein intaktes RDF-Grät, und sie finden heraus, mit welcher ausgefeilten Methode die englischen Jäger funkgesteuert und dass ihre eigenen Me 109- und Ju 88-Verbände längst von der lückenlosen RDF-Chaine-Home entdeckt wurden bevor sie überhaupt die Insel erreichten. Nach diesem Schock müssen sie sich nun ernsthaft überlegen, wie sie ihren Luftraum vor dem nun zu erwartenden ferngesteuerten Massenangriff zu schützen gedenken. Sie brauchen eine Weile, um von Angriffs- auf Verteidigungsdenken umzuschalten. Die elitäre Luftwaffe weigert sich lange, mit einem Antennengestrüpp am Flugzeugbug zu fliegen und ihre Entscheidungsfreiheit im Luftkampf an eine Bodenleitstelle abzutreten: wir sind freie Jäger! Borniertheit, fehlendes Gespür für Funkmess, Dünkel, Kompetenzgerangel. Sie müssen sich aber letztendlich dem Diktat der Fakten beugen. Nicht der bessere Flieger, sondern der mit den besseren Apparaten ausgerüstete Jäger gewinnt den Zweikampf am Himmel.

Bild 13. Bordradar Lichtenstein an einer Ju88 - die freien Jäger mussten das "Hirschgeweih" akzeptieren.

Der Würzburg, entwickelt bei Telefunken von Dr. Wilhelm Runge, wird entscheidend verbessert durch Einbau eines rotierenden Dipols. Damit wird die Sendekeule 25 mal pro Sekunde kreisförmig herumgewirbelt, erfasst das Flugobjekt zweimal, einmal stark und einmal schwach und kann durch Drehung des Apparats die Höhe der beiden Leuchtamplituden egalisieren und damit die genaue Richtung zum Flugzeug bestimmen. Die Kombination mit der Flugabwehrkanone steigert die Trefferquote erheblich, auch bei Nacht und Wolken. Mit dem „Freya-AN“-Verfahren wird der Leuchtpunkt des eigenen an den des feindlichen Flugzeugs auf dem Boden-Bildschirm herangeführt, und mit dem „Lichtenstein“ haben die Deutschen 1941 nun endlich ein bordeigenes Suchgerät. Die Deutschen beherrschen ihren Luftraum wieder. Die britische Luftoffensive muss stark eingeschränkt werden. Mitte 1941 steht der Kampf im Hochfrequenzkrieg jetzt 1:1.

RADAR als Angriffswaffe. Doch das britische Ideenreservoir Watson-Watt & Co. ist unerschöpflich. RADAR hatte ihre Heimat geschützt, wie kann man es angriffstauglich machen? Ein festes Funknetz über Westeuropa bis ins Ruhrgebiet hinein, in die deutsche Waffenschmiede? Keine Wellen, die von den eigenen Flugzeugen Echos zurückwerfen, also kein RADAR, sondern die dem Piloten die genaue Entfernung und Richtung vom Hauptsender in England mitteilen. Das wär´s doch! Das unsichtbare „Gee“-Netz wird ausgeworfen und ab 1942 bildet es den Auftakt für die Massenangriffe auf deutsche Städte; es kann von Hunderten von Bombern gleichzeitig abgelesen werden, und sie finden des Nachts mit Sicherheit jetzt jede Stadt im Westen Deutschlands. Der 1000-Bomber-Angriff auf Köln am 31.5.1942 ist das Werk von Gee.

Auch der Seekrieg wird mit RADAR geführt. Die deutschen Schlachtschiffe, z.B. die Bismarck ist mit „Seetakt“ ausgerüstet, einem Übersichtsgerät mit 25 km Reichweite, das keine sicheren Treffer ermöglicht. Anders dagegen die britischen Kreuzer, z.B. die Norfolk, deren „Marine Type 284“ ein Feuerleitgerät ist mit scharf gebündeltem Strahl mit 50 cm Wellenlänge, aber geringerer Reichweite. Vom Objekt liefert es schon für gezieltes Feuer geeignete Messwerte. Das ist die Ausgangslage am 23.5.1941. Nachdem die „Bismarck“ die „Hood“ versenkt hat, sehen sich die Funker im britischen Radarnetz gefangen, aus dem ein Entkommen nicht möglich ist. Drei Tage später fügen ihr Torpedoflugzeuge, die mit ASV ausgestattet sind, die entscheidenden Treffer auf die Ruderanlage zu. Die Bismarck, der Stolz der deutschen Marine, 45 000 t Wasserverdrängung, sinkt 1000 km westlich von Brest, neun Monate nach der Indienststellung, 1947 Tote hinterlassend. Sie fällt dem überlegenen britischen RADAR zum Opfer. 2:1 für England durch „Gee“ und „ASV“.

RADAR – der schlimmste Feind des U-Boots. Wie das denn? Radarstrahlen dringen doch nicht ins Wasser ein! RADAR vermag dem U-Boot nicht zu folgen, sobald der Stahlleib vollständig untergetaucht ist. Den Briten musste etwas Wirksames gegen die starke deutsche U-Bootwaffe einfallen; denn die „grauen Wölfe“ hatten schon manchen lebenswichtigen Geleitzug von Amerika nach Großbritannien versenkt. Und im Jahr 1941 laufen in Deutschland zehn und mehr Unterseeboote pro Monat vom Stapel. So paradox sich das anhört: das U-Boot ist keineswegs ein Unterwasserfahrzeug, nur an der Oberfläche kann es eine Geschwindigkeit von 16 Knoten aufnehmen und in eine günstige Schussposition kommen. Nur im Notfall und für begrenzte Zeit weicht es unter Wasser aus und muss dort mit 5 Knoten dahinschleichen. Der graue Wolf muss wieder heraus aus seinem Versteck, den Turm aus dem Wasser stecken um Luft zu holen. In diesem Moment nimmt ihm das verbesserte Gerät „ASV Mark II“ der britischen Jäger und Schiffe seine Unsichtbarkeit; es kann diesen kleinen Turm in der Wasserwüste einwandfrei erkennen und packt ihn gnadenlos an dieser Achillesferse. Im März 1941 werden U 100 und U 99 innerhalb einer Stunde vernichtet, weil sie keinen Empfänger haben. Hinzu kommt noch das neue englisch-amerikanische Sichtpeilverfahren „Huff-Duff“, das, sobald der U-Bootfunker einen Augenblick seine Taste drückt, die Richtung zu dem Boot anzeigt. Die deutsche Marine ist wie vor den Kopf geschlagen, sie hat der geballten Bedrohung überhaupt nichts entgegenzusetzen, Jahre sind vertan, um ihr zu begegnen. Der Hochfrequenzkrieg im Atlantik hat die Wende im Atlantik erzwungen. Die Deutschen sind in die Abwehr gedrängt. Wieder ein Schlag gegen die Aggressoren und Weltenbrandstifter, man könnte heute noch applaudieren, wenn nicht so viele junge Leute geopfert worden wären. Das Nazi-Regime ist nicht nur eine verbrecherische, sondern auch eine engstirnige und geistig beschränkte Bande. Auf jeden Fall 3:1 für England.

Bild 14. Wellenlänge und Frequenz.

Radarleitsysteme für britische Bomber. Unablässig spucken die innovativen englischen Ingenieure neue Ideen aus um dem frechen Kriegstreiber das Handwerk zu legen. A.H. Reeves vom Radarforschungszentrum Malvern College hat eine; zwei Jahre hat er daran gearbeitet. Sie funktioniert so: die Entfernung von Dover zu einem festen Landziel, z.B. Krupp in Essen ist fast bis auf den Meter genau bekannt, nämlich 422 km. Er zieht nun einen Funkstrahl mit diesem Radius um Dover herum, wo der Sender steht; vier leichte, schnelle Mosquito-Flugzeuge ziehen 1943 mit ihrer Bombenlast auf eine Höhe von 10 000 m, unerreichbar für die deutsche Abwehr; irgendwo in Holland haben sie den Kreisbogen erreicht und werden nun auf diesem per RADAR entlanggeführt in Richtung auf die Waffenschmiede Krupp bis zu dem Punkt, der der errechneten Wurfparabel der Bomben entspricht. Präzise werden sie ausgeklinkt, und der für die Piloten völlig blinde Bombenabwurf trifft mit unglaublicher Präzision, so auch die Werke von Thyssen, Rheinstahl, Rheinmetall, Hoesch. Sie kommen bei Tag und Nacht, bei Sonne, Wolken und Nebel. Legt diesen Stechmücken das Handwerk! lautet der Aufschrei, die Deutschen können wieder nur reagieren. Wenig später treffen auch die britischen Bomberschwärme haargenau, die Bomben werden alle gleichzeitig abgeworfen und treffen eine eng begrenzte Fläche. Und über den Orten des Grauens ziehen die Mosquitos unbeirrt ihre Bahn und leiten die Pulks der schweren Halifax-Bomber über die deutschen Städte.

Erst Ende 1943 haben die Deutschen mit ihrer FuMB – Funk-Mess-Beobachtung alles herausgefunden. Sie können nun die auf 1,25-m-Wellenlänge geführten Mosquitos massiv stören und…Großbritannien reagiert sehr schnell mit Umschaltung auf eine Wellenlänge von sage und schreibe 9 cm, mit der jetzt die Bomber geleitet werden, und das mit weit größerer Genauigkeit, die den superkurzen Wellen innewohnt. Darauf gibt es keine Antwort. Die Ingenieure durften gemäß oberstem Befehl diese Technologie nicht entwickeln, weil die Zeit dazu mehr als ein Jahr in Anspruch genommen hätte. Die Briten haben mehr als drei Jahre systematisch und zielstrebig daran gearbeitet, eine Röhre mit der sehr hohen Sendeenergie von 50 kW auf ganz niedriger Wellenlänge von 9 cm zu schaffen; extrem starker Elektromagnet zentrifugiert die Elektronen durch eine geschlitzte Hohlanode, das war die Technologie. Ergebnis: äußerst scharf bündelndes Zentimeterradar. 4:1 für England. Dieses jüngste Kind der Engländer heißt H2S – Home Sweet Home. Ein gering beschädigter Zauberkasten fällt den Deutschen beim Abschuss eines Bombers in die Hände. Jetzt wissen sie es: die Briten haben einen jahrelangen Vorsprung! Sie probieren es in einer He 111 aus, und es fällt ihnen wie Schuppen von den Augen. Das Gerät liefert keine Einzelreflexe mehr, sondern es zeichnet ein Gemälde der ganzen Stadt Berlin unter ihnen: da ist der Müggelsee, die Havel, Umrisse von Straßen, Gebäuden, alles zu erkennen! Innerhalb von 1943 haben sie H2S nachgebaut unter dem Namen „Naxos“ und rüsten die schwer gefährdeten U-Boote damit aus. Die Briten stören jetzt auch die deutsche Radarabwehr mit Millionen von abgeworfenen Metallstreifen, die elektromagnetische Wellen reflektieren, wenn sie halb so lang sind wie die Radarwellen, also 25 cm bezogen auf die „Würzburg“-Strahlung. Auf den Bildschirmen ist nur noch „Nebel“ zu sehen. Im Schutze dieses Nebels beginnen Mitte 1943 die schweren Angriffe auf Berlin. Die Deutschen erfinden zwei Gegenmittel: Ausnutzung des Dopplereffekts, d.h. des Geschwindigkeitsunterschieds zwischen dem langsamen Metall und den schnellen Bombern und ein wesentlich verbessertes „Lichtenstein“, wodurch die Abschussquote der eingedrungenen britischen Bomber auf 10% gesteigert wird. Das ist den Briten zu viel; sie beenden im März 1944 ihre Angriffe abrupt.

Bild 15. Das Andenken an Watson Watt wird in England hochgehalten - Denkmal bei Daventry/Northhamptonshire.

Von der Führung des Regimes gnädig gestattet, stürzen sich die deutschen Wissenschaftler hektisch in die Entwicklung des Zentimeterradars, sie haben partielle Erfolge, die zu spät, viel zu spät kommen. Ihre Monate langen Anstrengungen können durch den Wink eines britischen Luftmarschalls in Minuten zunichte gemacht werden. Der Vorsprung ist nicht einzuholen. Wie soll man den Hochfrequenzwettlauf zwischen England und Deutschland zum Schluss bewerten, mit 5:1 oder 6:1?

Eine deutsche Erfindung – und was haben die Deutschen daraus gemacht? Der Krieg ist zu Ende, die Zivilisation hat gegenüber der Barbarei den Sieg davon getragen, die hochfrequenten Wellen kommen zur Ruhe. Der in Freiheit forschende Geist ist dem unter diktatorischem Zwang arbeitenden überlegen.

Was haben die Deutschen bloß aus der zukunftsweisenden Erfindung Christian Hülsmeyers gemacht? Warum haben sie das mächtige Potenzial nicht im entferntesten erkannt? Warum haben sie 30 Jahre ungenutzt verstreichen lassen? Warum haben sie 1934 Rudolf Kühnholds kühne Ideen nicht konsequent umgesetzt? Es war die Unfähigkeit der deutschen Führungsclique, die den Geist der Wissenschaftler gering schätzte und durch selbstherrliches Gehabe ersetzen zu können glaubte, die sie sogar daran hinderte, die Entwicklung auf den einzig richtigen Weg zu bringen. Wieviel Menschenleben hätten gerettet und wie viele Städte hätten vor Schutt und Asche bewahrt werden können? Große Erfindung, damals von der Marine lächerlich gemacht, verkannt, und, als es darauf ankam, nur mit halber Kraft daran gearbeitet, und zum Schluss, als es längst zu spät war, mit Hektik versucht, den Vorsprung der Anderen aufzuholen.

Bild 16. Traffic Controller am Radarschirm auf dem atomgetriebenen US-Flugzeugträger George Washington. Bild 17. Das magische Auge der Schiffsradar-Anlage: Schiffe, Hafenanlagen und Gebäude sind sichtbar.

RADAR im Frieden. Obwohl RADAR im Krieg unter dem Zwang der Ereignisse die rasanten Fortschritte machte, hat es seitdem bewiesen, dass es eine segensreiche Entwicklung war. Anstatt Schiffe und Flugzeuge zu zerstören ging es jetzt daran, sie vor Gefahren zu warnen und sie zu schützen. Auf dem Dach des Flughafen-Towers kreist die große Rundsichtanlage und wirft die leuchtenden, jeweils von einem Flugzeug stammenden Radarechopunkte auf den großen Bildschirm und sagt den Fluglotsen jederzeit, wie es auf dem Rollfeld und in einem Umkreis von 10 km aussieht, ob sich Flugzeuge auf einem gefährlichen Annäherungskurs befinden.

Auf See liegt das zweite große Anwendungsgebiet des RADAR. Nicht nur Ozeanschiffe, sondern auch kleinere Küsten- und Flussschiffe, Fischdampfer, Hafen-, Segel- und Motorboote bedienen sich der elektromagnetischen Augen, um ihre weitere und nähere Umgebung beobachten zu können.

Bild 18. Eine Boeing 737 mit Wetterradar.  Bild 19. Wetter-Radar-Karte

Das Wetterradar ist zu einem begehrten Hilfsmittel der Meteorologen geworden. Wie geht das denn, RADAR durchdringt doch die Wolken? Die Verwendung immer kürzerer Wellenlängen hat gezeigt, dass Radarstrahlen von 1 bis 10 cm Länge ein wenig von Regentropfen, Schnee und Hagel reflektiert werden, umso mehr, je dichter das Niederschlagsgebiet ist. Die zehn Wetterradar-Standorte in Deutschland mit je einem Erfassungsradius von 200 km zeichnen wirklich Wolken, vor allem das Zentrum des Gewitters auf den Bildschirm. Auch Flugzeuge haben ein Wetterradargerät in der Nase, um gefährlichen Gewitterfronten ausweichen zu können.

RADAR hat sogar die Grenzen der Erde überschritten. Satelliten beobachten per RADAR das globale Wetter auf unserem Planeten, wie z.B. Taifune. Mit riesigen Parabolspiegeln hält RADAR Ausschau nach Asteroiden, die der Erde zu nahe kommen könnten. Ein künstlicher Mars-Satellit untersucht per RADAR die Marsoberfläche, die Strahlung dringt sogar auf der Suche nach Wasser mit verminderter Geschwindigkeit in den Marsboden ein.

Zur (ungeliebten) Geschwindigkeitsüberwachung von Autos werden Radargeräte eingesetzt, die entweder nach dem Doppler-Verfahren arbeiten, d.h. die Änderung der Frequenz des Reflektionsstrahls oder die die Echo-Zeit von Impulsen einer Laserpistole messen.

Geologen, Glaziologen, Paläoanthropologen, Archäologen und Landminensucher benutzen das Ground-Penetrating-Radar (GPR). Sie können damit im Eis einige hundert Meter, in Granit und Sandstein 15 m und im Lehmboden einige Zentimeter in die Tiefe schauen. Bodenbestandteile, Hohlräume, Gegenstände, antike Strukturen werden sichtbar durch die Änderung der elektrischen Isoliereigenschaften verschiedener Materialien, die dann eine Änderung des Reflektionssignals ergeben. Längerwellige Radarstrahlen dringen tiefer ein, kurzwellige ergeben eine bessere Auflösung. Weitere Anwendungen: Altlastenerkundung, Aufspüren historischer Grabstätten, Baugrunderkundungen, Untersuchung von Dämmen, zerstörungsfreie Prüfung von historischen Bauwerken, z.B. der Kuppel und Hauptpfeiler der Hagia Sophia in Istanbul, Prüfung der Bewehrung im Spannbeton, kriminalpolizeiliche Suche nach Leichen.

Bild 20. Späte Anerkennung für Hülsmeyer 1953. Bild 21. 1953: Waren Gegner im Radarkrieg: Sir Watson-Watt und General a.D. W. Martini, deutsche Luftabwehr.

Ist nun Christian Hülsmeyer, dessen bahnbrechende Erfindung der „magischen Augen“ unser aller Leben auf der Erde, im Wasser und in der Luft erst sicher gemacht hat, für diese großartige geistige Leistung angemessen gewürdigt worden? Nach dem Krieg, der die Bedeutung des Radar glasklar gemacht hatte, las man in Deutschland britische Pressemeldungen, wonach Winston Churchill Mr. Watson-Watt für die Erfindung des Radars den Adelstitel "Sir" verleihen wollte. Nanu, da war doch ein Deutscher, der schon 1904 das Radar erfunden hatte, wie hieß er noch gleich? Es begannen Diskussionen bis in hohe deutsche Regierungskreise, wie man die "deutsche Ehre" der Urheberschaft, die man ja 30 Jahre lang mit Füßen getreten hatte, noch retten könne, und man grub Christian Hülsmeyer, der noch lebte, aus der Erinnerung wieder aus. Er wurde 1953 zu der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Ortung & Navigation in Frankfurt/M. eingeladen. Dort erlebte er die Genugtuung, dass er Sir Robert Watson-Watt als der Pionier und Erfinder des Ur-Radars vorgestellt wurde. Bei dieser Gelegenheit wurde die Formulierung gefunden, dass Robert Watson-Watt mindestens nicht der alleinige Begründer des Radars sei. Ein Jahr später wurde Hülsmeyer die offizielle Ehrung und volle Würdigung seiner Erfindung in Essen anläßlich des 50-jährigen Bestehens des RADAR zuteil. Zum 75. Geburtstag erhielt er zahlreiche Glückwünsche, Anerkennungen und Würdigungen von Wissenschaftlern und vom Wirtschaftsminister Ludwig Erhard für die auf dem Gebiet der Funkmesstechnik geleistete Pionierarbeit. Der Brockhaus Enzyklopädie von 1996 war er jedoch keine Eintragung wert, und auch die Deutsche Post hat der wegweisenden Erfindung noch keine Briefmarke gewidmet. 1957 starb Christian Hülsmeyer im Ahrweiler und wurde in Düsseldorf auf dem Nordfriedhof beerdigt.

 

Bildnachweis

Bild 1: Eigenes Foto am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011 und Website Eydelstedt. Bild 2: Eigenes Foto am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011 Bild 3: Copyright abgelaufen. Bild 4-7: Eigene Zeichnungen. Bild 8 u. 9: Eigene Fotos Luftwaffenmuseum Berlin-Gatow. Bild 10: Aus Cajus Bekker: "Augen durch Nacht und Nebel", Heyne-Verlag, 1979. Bild 11: Public domain. Bild 12: Popperfoto/Getty Images. Bild 13: Foto by US Forces, gemeinfrei. Bild 14: Eigener Text. Bild 15: GNU Free Documentation License, attributed to Kintak. Bild 16: Gemeinfrei. Bild 17: GNU Free Documentation License, Urheberrechtsinhaber namentlich nicht bekannt. Bild 18: Creative Commons Lizenz, Urheber Kim-Marvin. Bild 19: ZDF, Wetterkarte. Bild 20: Aus Radiomuseet, Göteborg. Bild 21: Aus Cajus Bekker: "Augen durch Nacht und Nebel", Heyne-Verlag, 1979.