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Oskar Barnack - Jugend und Werdegang

Volksschule - Mechanikerlehre - Wanderschaft als Handwerksbursche

Bild 1. Oskar Barnacks Geburtshaus, der Bauernhof seiner Eltern in Lynow/Mark Brandenburg, Merzburger Straße.

Geboren in Brandenburg, Schule in Berlin. Geboren wurde er 1879 in Lynow, gelegen im Baruther Urstromtal, 40 km von der südlichen Berliner Stadtgrenze entfernt. Seine Eltern bewirtschafteten einen kleinen Bauernhof, der nicht viel hergab, weil das Land karg und sandig ist. Das ist auch der Grund, warum die Familie 1882 nach Berlin-Lichterfelde umzog. Der Vater betätigte sich als Heilkundiger und betrieb technische Basteleien.Oskar sah ihm fasziniert zu, bekam so seine ersten Anregungen, und eine erste Weichenstellung hin zu einem technischen Beruf ist unverkennbar. 1885 kam er in die noch heute existierende Giesensdorfer Schule, in deren Nähe 1959 eine Straße ihm zu Ehren in "Barnackufer" umbenannt wurde. Das Kraftwerk Lichterfelde am Teltowkanal ist ganz in der Nähe.

Bilder 2-7. Die Zeit um 1890 - große Dinge taten sich in Berlin. Sie blieben nicht ohne Einfluss auf den jungen Oskar Barnack.

Bild 8. Schulbänke anno 1890 - Schiefertafel, Griffel und Schwamm.

Feinmechanikerlehre. Es war die große Zeit der Technik-Begeisterung, und da ist es kein Wunder, dass Oskar in der Volksschule (heute Grundschule) schon für Mathematik und die Naturwissenschaften eine besondere Neigung entwickelte. Hermann von Helmholtz, der Reichskanzler der Physik, hielt eine große Rede auf Joseph von Fraunhofer. Es wurde die Physikalisch-Technische Reichsanstalt gegründet, Siemens & Halske, AEG machten von sich reden, auch Otto Lilienthal und Robert Koch. Überall gab es Vereine von Anhängern wissenschaftlicher Erkenntnisse. Oskar machte es nichts aus, dass die Schulbänke hart, die Lehrer streng waren und die Schüler forderten. Mit 14 machte er seinen Volksschulabschluss und begann mit Lust und Liebe eine Feinmechanikerlehre beim Meister Julius Lampe in der Boothstraße, ganz in der Nähe.

Fotografie - ein erster Funke zündet. Von der Ausbildung wird berichtet, dass sein Meister ihm ein halbes Jahr von den vier Lehrjahren erlassen hat, weil er alles schon beherrscht habe. Es war während seiner Lehre, dass Oskar Interesse für die Fotografie und deren Technik entwickelte, als er davon hörte, dass Ottomar Anschütz einen Projektor für bewegte Bilder erfunden hat, die sich die Leute für einen Groschen anschauen konnten. Auch Lilienthals Flugversuche in Lichterfelde wurden von Anschütz fotografisch festgehalten. Davon hat Barnack sicherlich erfahren, da er später Fotografie und Luftfahrt gut verbinden konnte.

Bild 9. Oskar in jungen Jahren.

Als Handwerksbursche zu Fuß bis Südtirol. Im Jahre 1897 zog er auf Wanderschaft; das war ein alter Brauch für Handwerksburschen, um die Welt kennenzulernen und neue Berufserfahrungen zu sammeln. Sie sprachen bei einem Meister vor: Meister, wir sind auf der Walz, hast du Arbeit für uns? Oskars Weg führte zuerst nach Bozen, wo er etwas gegen sein Asthma tun wollte, dann nach Wien bis nach Dresden, wo er in einer Feinmechaniker-Werkstatt eine Rechenmaschine auseinander nahm, reinigte, wieder zusammen setzte und neu justierte - sehr zum Erstaunen des Meisters. Er geht nach Berlin zurück, lehnt aber das Angebot seines alten Meisters Lampe ab, die Werkstatt zu übernehmen.

Nächste Station: Jena. Die Stadt, in der Ernst Abbe und Carl Zeiss die Herstellung von Mikroskopen, Fernrohren und Foto-Linsen auf eine exakte, wissenschaftliche Grundlage stellten. Durch Anwendung der pysikalischen Gesetze der Wellenoptik konnten hier optische Instrumente von bis dahin ungeahnter Präzision angefertigt werden. Carl Zeiss hatte 1902 Arbeit für Oskar Barnack, jetzt 22 Jahre alt, in der Mikroskop-Fertigung, die höchste feinmechanische Präzision erforderte. Hier lernte er den Ingenieur Emil Mechau kennen, der bei Zeiss einen Filmprojektor entwickeln wollte, aber mit seiner Idee kein Gehör fand und 1908 zu den Optischen Werken Ernst Leitz nach Wetzlar ging. Ihm folgte Barnack zwei Jahre später. Aber zunächst heiratete er 1903 seine Jugendfreundin Emma Leopold in Berlin-Lichterfelde. Sie bekamen zwei Kinder 1906 und 1908.

Seit Ende der 1890er ging Barnack seinem Hobby als Fotograf nach. Er nannte eine 13x18-Plattenkamera sein eigen, die er aus einer 9x18-Stereo-Kamera umgebaut hatte. Er war immer ein Bastler und Tüftler, der auch bei Zeiss immer bemüht war, die Erzeugnisse zu verbessern, auch wenn sie nicht in sein Arbeitsgebiet fielen. So baute er für seinen Freund August Leistenschneider den Montblanc-Druckbleistift "Pix". Er bemühte sich um eine Verbesserung seines sehr oft gebrauchten Schreibwerkzeugs, ein Druck auf den Kopf, die Mine kam ein Stück heraus, und das umständliche Anspitzen konnte er sich sparen. So erdachte er einen automatischen Brötchen-Fahrstuhl, der das frische Gebäck zu ihm in den zweiten Stock beförderte, sobald der Bäckerjunge die Ware in den Korb gelegt hatte. So enttarnte er einmal einen jungen Mann, der ihm ständig Schokolade aus der Tischschublade klaute. Er verband die Schublade über einen Schnurzug mit dem Auslöser einer versteckten Kamera - und der Dieb fotografierte sich selbst.

Bild 10. Eine Plattenkamera, ähnlich wie diese, schleppte Barnack in den Thüringer Wald, um Naturaufnahmen zu machen. Da wurde der Wunsch nach einer Kleinbildkamera immer stärker.

Er ist bei Zeiss jetzt auch in der Produktion von Fotoapparaten tätig. Da macht der Rollfilm von Kodak seine ersten Gehversuche, im Format 6x18 cm! Barnack versucht, daraus eine Kleinbildkamera zu machen, nach der Devise kleines Negativ, großes Bild. Aber die Körnung des Kodak-Films lässt es nicht zu. Zeiss hatte ab 1909 keine eigene Kamerafertigung mehr (Zeiss-Ikon wurde erst 1926 gegründet), die Firma konzentrierte sich ganz auf die Optik-Herstellung. Da Barnacks Interesse an der Fotografie ungebrochen war, schien es für ihn an der Zeit zu sein, den Arbeitgeber zu wechseln. Während seiner Ausflüge in den Thüringer Wald, auf denen er eine schwere Zeiss-Palmos-Plattenkamera mit schwerem Stativ mitschleppte, wo ihm sein Asthma schwer zu schaffen machte, ließ ihn die Idee, eine kleine Kamera für die Hosentasche zu bauen nicht los.

Bei Ernst Leitz in Wetzlar. Trotz seiner angeschlagenen Gesundheit durch den chronischen Bronchialkatarrh wagte Barnack 1911 den Schritt nach Wetzlar. Er fand bei Ernst Leitz sen. volles Verständnis für seine Lage, und es entwickelte sich fast ein Vater-Sohn-Verhältnis zwischen dem 68-jährigen und dem 31-jährigen, sogar mit gemeinsamem Urlaub im Schwarzwald. 1963, anlässlich eines Firmenjubiläums, wurde das bei Leitz so geschildert: Aus der Mark Brandenburg kam Oskar Barnack zu uns, auf dem Umweg über Jena. Seine Leistungen waren uns schon gut bekannt. Er war ein feiner, hochbegabter, bescheidener Mann. Dass er trotz seiner schwachen Gesundheit die für uns so bedeutende Entwicklung zu Ende bringen konnte, verdanken wir der liebevollen Betreuung durch Großvater Leitz. Er tat alles, um ihn bei Kräften zu halten und ihn glücklich zu machen. In Jena hatte Barnack die Erfahrungen erworben, die in Wetzlar gebraucht wurden.

Ernst Leitz I hatte die optische Werkstatt 1869 von einem Vorgänger übernommen, mit 7 Optikern und 10 Mechanikern. 1910 hatte die Firma "Optische Werkstätte Ernst Leitz Wetzlar" 947 Arbeitnehmer. Es gab eine mechanische und eine optische Werkstatt. Besonders die Leitz-Mikroskope hatte einen sehr guten Ruf. Robert Koch in Berlin bekam in Anerkennung seiner bahnbrechenden Arbeiten in der Bakteriologie das Mikroskop Nr. 100 000 von Leitz als Geschenk. Es wurden auch Untersuchungsapparate für Medizin, Mineralogie, Ferngläser, Projektionsapparate und Foto-Objektive hergestellt. Ab Januar 1911 leitete Barnack die Versuchsabteilung der Mechanischen Werkstatt. Entwicklung einer Linsenschleifmaschine, Justiereinrichtung für Feldstecher, Entwurf einer Tubendrehbank, Verbesserung diverser Werkzeugmaschinen, Mikroskopstative, Gasanzünder, Filmführung für Mechaus Filmkamera, Kompass für Panoramakamera... das sind seine ersten, in großem Tempo durchgeführten Arbeiten.

Die Welt war um die Jahrhundertwende sehr stark von dem Wunsch erfasst, alles Sichtbare fotografisch zu erfassen: Nah- und Fernaufnahmen, Luftaufnahmen vom Ballon oder Zeppelin. Auch die Bildjournalisten wollten das Zeitgeschehen dokumentieren. Die Zeit der schweren Plattenkameras mit Stativ drängte förmlich dem Ende entgegen. Oskar Barnacks Idee einer kleinen, überall einsetzbaren Kamera entsprach voll und ganz dem Wunsch sehr vieler Leute. 1913 war seine Idee einer kleinen, handlichen Kamera weit gediehen, er hatte das handwerkliche Zeug dazu, und er wurde in diesem privaten Vorhaben von Ernst Leitz wohlwollend unterstützt. Jawohl, er bekam von ihm nicht den offiziellen Auftrag: entwickle die Kleinbildkamera, sondern er stürzte sich zu Hause, neben seiner Arbeitszeit in dieses Vorhaben.

 

Die Kleinbildkamera - die ganze Geschichte

Was wurde aus der Leica?

 

 

Bildnachweis

Bild 1, 9: eigene Fotos 6-2013, mit freundlicher Genehmigung Barnack-Museum, Lynow, Landkreis Teltow-Fläming. Bilder 2-7: public domain. Bild 8: eigenes Foto 2005, alte Schule in Reckahn, Brandenburg. Bild 10: Eigenes Foto am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011.