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Bild 1. Hans Joachim Pabst von Ohain - hatte als 24-Jähriger eine Idee....den Kolbenmotor durch ein Düsentriebwerk zu ersetzen. Das war 1935.

Eine neue Epoche der Luftfahrt. Am Beginn einer neuen Ära in der Luftfahrt standen zwei innovationsfreudige Persönlichkeiten: Hans-Joachim Pabst von Ohain (* 1911 Dessau, † 1998 Melbourne/Florida) und Ernst Heinkel (1888 Grunbach, † 1958 Stuttgart), die die Vision hatten, den konventionellen Propellerantrieb der Flugzeuge durch ein Strahltriebwerk zu ersetzen. 1935, als 24-jähriger Physik-Doktorand an der Universität Göttingen, trat Pabst von Ohain zum ersten Mal mit seinen Ideen zum Düsenantrieb hervor.

Bild 2. Pabst von Ohains Idee: Die 4 Takte des Verbrennungsmotors durch einen fortlaufenden Prozess ohne Unterbrechungen ersetzen - das Düsentriebwerk ist geboren.

Um Leistung, Geschwindigkeit, Wirkungsgrad und Aktionsradius von Flugzeugen zu steigern, bedurfte es eines grundlegenden Wandels der 30 Jahre alten Antriebstechnologie mit Kolbenmotor und Propeller. Die hin- und hergehende Bewegung der Kolben und Kurbelstangen mit ihren wechselnden Druck- und Massenkräften und Schwingungen setzten diesen Bemühungen Grenzen. Beim Kolbenmotor laufen die vier Takte "Ansaugen, Verdichten, Zünden+Arbeiten, Ausschieben" in demselben Raum, dem Zylindervolumen ab, und zwar nacheinander, so dass erst ein Takt beendet werden muss bevor der nächste beginnt; es ist also ein Ablauf mit Unterbrechungen, man sagt hierzu "diskontinuierlich" oder "intermittierend".

Seine Idee war nun diese, und er ging hier ganz systematisch vor: Die angesaugte Luft und der zugemischte Treibstoff sollen die Verbrennungskraftmaschine fortlaufend ohne Pausen durchströmen, also "kontinuierlich". Die vier Arbeitstakte müssen selbstverständlich beibehalten, aber auf vier getrennte Komponenten verteilt werden, aus dem hin und her gehenden Kolben werden ein Turboverdichter und eine auf derselben Welle montierte Gasturbine, die mit ihren beschaufelten Laufrädern die Verdichtungsarbeit und die dazu nötige Kraft leisten. Das sind Strömungsmaschinen, die nicht mehr nach dem Verdrängungs-, sondern nach dem dynamischen Prinzip funktionieren.

Bild 3. Die Thermodynamik (d.h. Energieumsetzung) des Strahltriebwerks, der sogenannte Joule-Prozess. Das Enthalpie-Entropie-Diagramm zeigt: vom Verdichter verbrauchte Arbeit hv, von Turbine abgegebene Arbeit hT (beide müssen natürlich gleich sein), die Geschwindigkeits-Energie c52/2 (d.h. Schubenergie) und die mit dem Treibstoff zugeführte Energie QB. Enthalpie: Im Gas enthaltene Energie (Druck und Temp.!).

 

Bild 4 (unten). Das Schema zeigt die Wirkungsweise eines einfachen Strahltriebwerks: Gasturbine und Luftverdichter auf einer Welle, Brennkammer mit der Brennstoff-Zufuhr, Schubdüse, durchströmt vom Abgas der Turbine.

Und so geht es: Der Tuboverdichter saugt mit seiner axialen ersten Stufe die Luft an, diese leitet sie an die radiale zweite Stufe weiter. Mit erhöhtem Druck strömt die Luft durch die halbkreisförmigen Umlenkkanäle (links) in die axiale Ringkammer, wo der Treibstoff in Form von Wasserstoff eingespritzt wird. Die stark erhöhte Temperatur des Verbrennungsgases liefert für die von außen nach innen durchströmte Turbine die Energie für den Antrieb des Verdichters. Aber es bleiben noch soviel Druck und Temperatur am Austritt der Gasturbine übrig, so dass das Gas die Schubdüse mit großer Geschwindigkeit verlässt. Der Massenstrom, d.h. Gasmasse pro Sekunde mal Gasaustrittsgeschwindigkeit ergibt die nach hinten gerichtete Kraft dieses Gasstrahls. Nach dem physikalischen Gesetz der Erhaltung des Impulses wirkt auf das Flugzeug nun die gleiche nach vorn gerichtete Kraft und verleiht dem Gerät eine erheblich höhere Geschwindigkeit als bei mit Kolbenmotoren angetriebenen Fliegern.

Bild 5. Das erste Düsentriebwerk der Welt: HeS-3B. Von links nach rechts sind zu sehen: axialer Lufteintritt, Axialverdichter-Schaufeln, Radialverdichter mit gekrümmten Schaufel-Eintrittskanten, Radialdiffusor, Umlenkkanal, diagonale Rückführ-Schaufeln, 180°-Krümmung zur axial liegenden Brennkammer, Radialturbine mit Eintritt von außen nach innen, auf gemeinsamer Welle mit Verdichter und ganz rechts Schubdüse. Der Prototyp lief das erste Mal im Februar 1937.

Ernst Heinkel, Chef der Heinkel-Flugzeug-Werke in Rostock, Typus eines  dynamischen Erfinder-Unternehmers, verfolgte eine Firmenstrategie, in forschem Tempo immer neue Hochleistungsflugzeuge auch nach revolutionärem Konzept zu bauen. Er erkannte in Ohains Erfindung das ungeheure Potenzial und fand in ihm den richtigen Visionär, stellte ihn als Chefingenieur an, und dieser entwickelte mit seinem Team das Heinkel HeS-3B, das erste Strahltriebwerk der Welt, dessen Prototyp im Februar 1937 zum ersten Mal erfolgreich auf dem Prüfstand lief. Es war das Geistesprodukt eines jungen deutschen Wissenschaftlers, der gerade mal 25 Jahre alt war, als er Luftfahrtgeschichte schrieb.

 

Bild 6 (oben). Das Triebwerk liegt in der Mitte des Rumpfes, der Pilot sitzt über dem Ansaugkanal.  Bild 7 (unten). So sieht das erste Düsenflugzeug der Welt aus: die He178 in Rostock, Spannweite 7,20 m, Schub 4400 N.

Beeindruckt von den Versuchsergebnissen schuf Heinkel mit seinem Chefkonstrukteur Siegfried Günter die um das Triebwerk herum gebaute Flugzeugzelle. Der Pilot saß vor dem Gerät über dem in einem Bogen ausgelenkten Ansaugrohr. Die He 178, das erste (nicht militärische!) Düsenflugzeug der Welt, der Bahnbrecher des Düsenzeitalters, hob am 27. August 1939 vom Heinkel-Werkflughafen Rostock-Marienehe ab.

Hier ist der Bericht von Heinkels Testpilot Erich Warsitz: Die Maschine wurde zum Start geschleppt. Ich überprüfte nochmal alle Ruder auf Gängigkeit, kontrollierte die laufende Turbine auf verschiedene Drehzahlen, die Pumpendrücke, Temperaturen und noch vieles mehr und gab das Zeichen, die Kanzel zu schließen...Nach einer Startstrecke von 300 m holte ich rasch Fahrt auf, und dann hob sie ab. Sie flog! 660 km/h zeigte jetzt mein Fahrtmesser an und schneller sollte ich auf keinen Fall fliegen. Ich mußte also drosseln. Ich war jetzt 6 Minuten in der Luft und mußte zur Landung ansetzen. Ganz gehorsam reagierte die Turbine auf meinen Gashebel, obwohl eine Brennstoffpumpe ausgefallen war, wie ich an meinen Instrumenten feststellen konnte. Ohne einen Sprung zu machen setzte die Maschine glatt auf, rollte genau in Landerichtung aus und unmittelbar vor Dr. Heinkel und seiner Gruppe brachte ich sie zum Stehen.

Wer war Hans-Joachim Pabst von Ohain? Der Sohn eines deutschen Offiziers hatte auf dem Gymnasium Latein, Griechisch, Mathematik und Physik als Lieblingsfächer, weil sie alle folgerichtiges Denken erforderdern. 1930 begann er ein Studium an der Universität Göttingen, wo er 1936 Doktor der Physik wurde. Sein Thema: Wellentheorie von Licht und Schall. Er war Mitglied in der Segelfliegergruppe der Universität. Im Alter von 20 Jahren machte er einen Linienflug mit einem Kolbenmotorflugzeug und war enttäuscht wegen der Vibrationen und des Lärms der Motoren. Ihm fehlte die Eleganz des Fluges, das lautlose Dahingleiten des Segelflugzeuges. Die Aerodynamik des Fliegens faszinierte ihn; Göttingen war berühmt durch seine aerodynamische Versuchsanstalt (AVA).

Sein Interesse an Luftfahrtantrieben resultierte direkt aus seinen Kenntnissen der Aerodynamik. Er wusste, dass mit den modernen aerodynamischen Formen der Flugzeugzelle und der Tragflügel  Geschwindigkeiten weit oberhalb von 480 km/h möglich wären. Aber das System "Kolbenmotor/Propeller" erlaubte keine höheren Geschwindigkeiten, die Erhöhung der Kolbengeschwindigkeit erzeugte Kräfte, die vom Material nicht beherrscht und deren Vibrationen vom Menschen nicht ertragen werden konnten.  Also dachte er über eine „neue und elegantere“ Methode des Flugantriebs nach. Von Ohain war davon überzeugt, daß ein aerodynamisch fortlaufender Antriebsprozeß ohne Unterbrechungen zwischen den Arbeitstakten ein großes Potenzial für einen starken, gleichmäßigen und leichten Antrieb sorgen würde. Und das wäre möglich durch Turbomaschinen, die als Rotationsmaschinen keine hin und her gehenden Teile mehr haben. Die Energie für den Antrieb des Turboverdichters sollte aus dem expandierenden Abgas kommen, das die Gasturbine antreibt. Bei gegebener Triebwerkmasse eine viel höhere Leistung für solch ein Vortriebssystem für hohe Geschwindigkeiten - das ergaben seine Berechnungen im Jahr 1933.

Die Technik, erste Tests, Einbau in ein Flugzeug. Als erste Komponenten wählte er einen Radialverdichter aus, weil dessen Theorie zu der Zeit schon gut bekannt und die Auslegungsberechnung zuverlässiger als bei Axialverdichtern war. Als Antrieb nahm er eine Radialturbine, die ihm besser auf den Verdichter abgestimmt erschien, da er darauf bedacht war, die Risiken zu minimieren. Ein radialer Turboverdichter fördert die Luft nach dem Zentrifugalprinzip von innen nach außen (wird im Englischen "Centrifugal Compressor" genannt), eine radiale Turbine wird nach dem Zentripetalprinzip von dem Verbrennungsgas von außen nach innen durchströmt (im Englischen mit "Radial Inflow Turbine" bezeichnet).

Am Ende des Jahres 1934 meldete er ein Patent auf seine Erfindung an. Erste Tests mit einer Demonstrationsmaschine waren vielversprechend. Er wandte sich an Ernst Heinkel, den Chef einer Flugzeugfabrik, der für seine Begeisterung für Hochleistungsflugzeuge bekannt war. Heinkel lud ihn ein und besprach mit ihm und seinen Ingenieuren die Ideen. Kurz darauf wurde Pabst von Ohain mit 24 Jahren bei Heinkel in Rostock-Marienehe eingestellt.

Das entwickelte He S-1 lief erstmals im März 1937. Wegen schlechter Erfahrungen mit Benzin als Brennstoff entschieden sich von Ohain und Heinkel für den gasförmigen Wasserstoff. Die Entscheidung erwies sich als wahrer Glücksgriff. Heinkel war ehrgeizig und ungeduldig und hatte schon ein Testflugzeug, die He 178, entwickeln lassen. 1939 wurden erste Flugversuche mit dem Triebwerk He S-3 unternommen, welches an einer He 118 befestigt war und im Flug zugeschaltet wurde. Der sensationelle Erstflug eines Düsenflugzeuges fand am 27. August 1939, vier Tage vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges, statt. Das Flugzeug wurde allein durch ein Strahltriebwerk angetrieben – es war der Wegbereiter einer ganz neuen Ära der Fluggeschichte, die neue Technologie funktionierte, der Beweis war erbracht. Das Flugzeug erreichte eine Geschwindigkeit von 700 km/h. Das war das starke Heureka-Erlebnis von Pabst von Ohain und Heinkel.

Auch in England wird ein Düsentriebwerk entwickelt. Was sie offensichtlich nicht wussten: in Großbritannien entwickelte auch Frank Whittle ein Düsentriebwerk. 1941 startete das erste britische Militär-Düsenflugzeug Gloster E.28/29 mit Whittles Triebwerk W.1. Das Militärflugzeug hatte eine Spannweite von 8,8 m, der Schub war 3800 N, die erreichte Geschwindigkeit 545 km/h. Im Gegensatz zu Ohains Triebwerk hatte der Verdichter einen zweifachen, sog. doppelflutigen radialen Lufteintritt (Ohain: einflutig axial) und eine Axialturbine (Ohain: Radialturbine) und am Umfang einzelne rohrförmige Brennkammern (Ohain: eine Ringbrennkammer).

Bild 8. In Großbritanien: das Strahltriebwerk W.1U, 1939 von Frank Whittle entwickelt für das militärische Flugzeug Gloster E.28/39. Es lief zum ersten Mal auf dem Prüfstand im April 1937, gerade mal 2 Monate nach dem erfolgreichen Probelauf des HeS-3.

Bild 9 (oben). Frank Whittles Strahltriebwerk W1, erhaltenes Original. Bild 10 (unten). Das britische Militärflugzeug Gloster E 28/39. Auch hier ist das Triebwerk im Rumpf untergebracht, die angesaugte Luft wird ebenfalls um das Cockpit herum geleitet.

 

Bild 11. Die Gloster E 28/29, der britische Meilenstein des Düsenverkehrs. Whittles Technologie wurde in die USA weiter gegeben.

 

 

Bild 12. Frank Whittle (links) und Hans-Joachim Pabst von Ohain - 50 Jahre nach ihren bahnbrechenden Erfindungen - Ehre und Preisverleihung.

 

Pabst von Ohain und Whittle sind als Co-Erfinder des Strahltriebwerks anerkannt. Jeder führte seine Entwicklung durch, ohne definitiv von den Errungenschaften des Anderen zu wissen (wie sollten sie auch unter den Spannungen zwischen beiden Ländern im Angesicht des heraufziehenden Krieges?). Dennoch sind ihre Maschinen ziemlich ähnlich, nicht nur im Konzept, sondern auch in Einzelheiten. Beide erhielten 1992 von der National Academy of Engineering den amerikanischen "Charles Stark Draper Prize", die höchste Ingenieur-Auszeichnung, für ihren Beitrag zu "Aviation and Humanity".

 

Bild 13 und 14. Dr. Anselm Franz von den Junkers-Flugzeug- und Motorenwerken in Dessau, der Schöpfer des Strahltriebwerks in Axialbauweise: des legendären Jumo 004B, von dem 6010 Stück  hergestellt wurden, mit einem Schub von 8800 N. Jeweils zwei trieben den Düsenjäger Messerschmitt Me 262 und den Bomber Arado Ar 234.

Zweiter Schritt: Das Triebwerk in Axialbauweise, die Me 262. Eine weitere Leistungssteigerung war nur möglich durch Umstieg auf komplette Axialbauweise sowohl beim Verdichter als auch bei der Turbine. Damit wird die radiale Durchströmung beider Turbomaschinen durch eine axiale ersetzt, und statt einer kurzen Baulänge mit großem Durchmesser erhält man ein längeres, schlankes Triebwerk, von dem je eines unter den Tragflächen montiert werden konnte.

 

 

Bild 15 und 16 (obere Reihe). Jumo 004B-Original-Exemplar an einer Me 262, die 1945 in der Schweiz landete und 1957 an die Bundesrepublik zurück gegeben wurde.  Der Erstflug der Me 262 wird im Juli 1942 in Leipheim vorbereitet.  Bild 17 und 18 (mittlere Reihe). Eine US-Firma hat in Seattle fünf Me 262 nach Original-Unterlagen nachgebaut, die Messerschmitt-Stiftung hat eine gekauft und führt sie auf der ILA 2006 in Berlin vor: Im Flug am blauen Brandenburger Himmel und Nahaufnahme mit Julian (11).  "Flugzeug Classic" schreibt: Die Me 262 mit dem Rufnamen "Tango Tango" war der Star auf der ILA. Bild 19 und 20 (untere Reihe). Der Nachbau lässt die legendäre Stromlinienform des Flugzeugs erkennen. Die Nachbau-Triebwerke sind von General Electric, Typ CJ-610-9 mit je 13800 N Schub. Erstflug der Maschine 15.8.2005 in Seattle. Der Initiator dieses Projects in USA schreibt: This masterpiece of technology and innovation forever changed the face of aviation when it first appeared in the skies over Europe in 1944.

Das war dann das Messerschmitt-Jagdflugzeug Me 262 mit dem Triebwerk Jumo 004B mit 2 x 8800 N Schub. Die Geschwindigkeit von 870 km/h machte es zum schnellsten Jäger des Krieges und zum ersten mit 1433 Stück serienmäßig hergestellten Düsenflugzeug der Welt. Das Wunderding flog im Juli 1942 zum ersten Mal, konnte aber nicht mehr kriegsentscheidend sein. Der Autor dieser Website sah des öfteren im Frühjahr 1945 diesen Wunderjäger im bayrischen Landkreis Landshut; er wurde "Turbinenflieger" genannt, flog vergleichsweise schnell mit einem ganz ungewöhnlichen singenden, pfeifenden Hochfrequenz-Geräusch, an dem er sehr gut zu erkennen war.

Bild 21-24. Ein Vergleich der beiden Jagdflugzeuge Me Bf 109 G-6 und Me 262 und ihrer Antriebe: Bf 109 G-6: 29600 Stück gebaut, max. Geschwindigkeit 650 km/h, Reichweite 560 km, Fluggewicht 3200 kg, 1 Motor DB 605A mit 12 Zylindern, Leistung 1085 kW, 720 kg schwer.  Me 262: 1433 Stück gebaut, max. Geschwindigkeit 870 km/h, Reichweite 1050 km, Fluggewicht ca. 5000 kg, 2 Triebwerke Jumo 004B, zusammen 1500 kg Gewicht, Schub zusammen 17600 N .

Der Vergleich der beiden Jagdflugzeuge Bf 109 und Me 262 lässt die enorme Steigerung der Geschwindigkeit und der Reichweite erkennen. Das weist auf die Bedeutung des Strahlantriebs für die Zukunft hin, auch für die zivile Luftfahrt nach dem Krieg. Die Überlegenheit gegenüber dem Kolbenmotorantrieb war damit eindeutig bewiesen.

Bilder 25-29. Diese Kolben-Flugmotoren sollen nochmal als Vergleich dienen mit dem Strahltriebwerk. Die Steigerung der Leistung brachte wahre Monster-Motoren hervor, die mit ihren vielfach gekröpften Kurbelwellen, Pleuelstangen und bizarr angeordneten Zylindern gegenüber dem eleganten, kompakten Leistungspaket eines Strahltriebwerks sehr antiquiert und "untechnisch" aussehen.  Obere Reihe: BMW 132 mit 9 Stern-Zylindern, 400 kW, 21000 Stück gebaut von 1933-45, z.B. für die Ju 52 (rechts daneben).  Mittlere Reihe: DB 603, 12-Zylinder-V-Motor, 1000 kW, 8750 Stück, 1941-44.  Pratt & Whitney Wasp Major R-4360, 28 Zylinder (!), angeordnet in 4 hintereinander versetzten Sternen mit je 7 Zylindern, 2400 kW, 5000 Stück, 1947-55 für Bomber B 50 und Boeing C 97 u.a. Auch der technisch nicht so Bewanderte sieht, dass diese Kolosse am Endpunkt ihrer Entwicklung angekommen waren, jedenfalls für große Flugzeuge und Reichweiten. Deren Zukunft, sowohl militärisch als auch zivil, gehörte eindeutig den Strahltriebwerken.  Unten: Jumo 004B, schlanke, "natürliche" Technik.

Kann die Me 262 Deutschlands Niederlage verhindern? Doch zurück zum deutschen Düsenjäger Me 262 und dessen Schicksal. Zunächst benutzen die Deutschen diese geniale Erfindung für mörderische Kriegseinsätze, und die Nazi-Verbrecherclique hegt die trügerische Hoffnung, mit dem massenhaften Einsatz der Me 262 die totale Überlegenheit der alliierten Lufteinsätze gegen Deutschland zu stoppen. Der Wunschtraum erwies sich als Hirngespinst. Dafür gab es nicht weg zu diskutierende Gründe: Das Flugzeug wurde erst Mitte 1944 in größeren Zahlen an die Luftwaffe ausgeliefert, da war die konventionelle Luftverteidigung schon zusammen gebrochen. Die Me 262 war auch bis zum Schluss noch nicht ausgereift, technische Mängel, Bedienungsfehler, mit dem neuen Gerät noch nicht vertraute Piloten, mindere Stahlqualität bei Turbinen- und Verdichterschaufeln durch fehlendes Chrom, Vanadium, Molybdän, massive Bombardierung der Fertigungsstätten, Treibstoffmangel... all dies lies die neue Wunderwaffe ziemlich stumpf werden.

Bei einem Kräfteverhältnis von 1:50 gelang den tollkühnen Me-262-Piloten immerhin eine Reihe von spektakulären Schlägen gegen die zu Abertausenden anrückenden amerikanischen und britischen Luftverbände. So schossen sie z.B. mit ihren Me 262 im März 1945 135 viermotorige Bomber und 25 Jagdflugzeuge ab. Hier die Aussage von Col. William C. Clark, Kommandeur der 339. US Fighter Group nach dem Krieg: Im Kampf Flugzeug gegen Flugzeug hatten unsere Piloten nicht die geringste Chance gegen eine Me 262. Die Maschine war einfach zu schnell. Wir setzten der überlegenden Geschwindigkeit unsere zahlenmäßige Übermacht entgegen. Die feindlichen Piloten hatten also vor dem schnellsten und bestbewaffneten Jäger des Krieges den allergrößten Respekt.

Am 9. April führte dann die 8. US Air Force einen vernichtenden Schlag gegen die "Düsenjäger-Pest" aus: 3000 Bomber und 2000 Jäger schmissen 3100 Tonnen Bomben auf die vermuteten Jet-Plätze Fürstenfeldbruck, Oberpfaffenhofen, Neuburg, München-Riem, Lechfeld, Leipheim, Memmingen und Landsberg. Einen Tag später nehmen sie sich die norddeutschen Ziele Brandenburg-Briest, Rechlin-Lärz, Oranienburg, Neu-Ruppin, Burg und Parchim vor. Die Verluste der beiden Tage waren so hoch, dass die Wunderwaffe ihre entscheidende Niederlage erlitt. Der Abwehrkampf im Großraum Berlin war damit zum Erliegen gekommen.

Bei „Junkers Motorenbau“ in Dessau hatte der Österreicher Anselm Franz 1939 auf frühere Entwicklungen von Herbert Wagner, auch aus Österreich, zurückgegriffen und wurde damit der Vater dieses ersten Triebwerks in Axialbauweise. Und dieses Jumo 004B wurde die Mutter aller späteren Strahltriebwerke in aller Welt. Der Prototyp wurde erstmals Ende 1940 erfolgreich getestet. Der fortschrittlichste, von einem Jumo 004B angetriebene Messerschmitt-Jäger Me P.1101 erreichte 1100 km/h mit Pfeilflügeln, die ebenfalls eine deutsche Erfindung sind und bei Überschallgeschwindigkeit den Widerstand entscheidend herabsetzen. Bei den Junkers-Werken ist Wagner auch der Erfinder des Propeller-Turbinen-Luftstrahl-Triebwerks (PTL oder Turboprop), bei dem mit der Überschussenergie der Gasturbine kein Schub, sondern auf einer Extra-Welle ein Propeller angetrieben wird. Wagner hielt auf beide Typen ein Patent. Das bekannteste Turboprop-Flugzeug ist heute die neu entwickelte A 400M von Airbus, die die älteren Hercules- und Transall-Typen als Transporter ablösen soll.

Bild 30. Eine Variante des Strahltriebwerks: Das Propeller-Turbinen-Luftstrahltriebwerk PTL. Die Verdichter-Antriebsturbine liefert das Abgas nicht direkt in die Schubdüse, sondern in eine zweite Turbine, die über eine zweite Welle und ein Untersetzungsgetriebe den Propeller antreibt. Das Abgas dieser Turbine wird zu einer kleinen Schubdüse geführt. Der Propeller liefert 90%, die Schubdüse 10% der Vortriebsenergie.

Deutsche Technologie wird erbeutet ... und dadurch verbreitet. Unter den Verhältnissen der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 war der schnellen Verbreitung dieser deutschen Spitzentechnologie keine Grenze gesetzt. Die Beutezüge der Sieger waren sehr erfolgreich, und die Übernahme von Blaupausen, theoretischen Unterlagen, Herstellungsverfahren, Fluggerät, Düsentriebwerken, Werkzeugmaschinen, ja ganzen Fabriken, Wissenschaftlern, Ingenieuren, Facharbeitern ging zügig vonstatten, so dass die Sieger schon bald die Früchte fremden Geistes ernten und eigene lange Entwicklungsjahre einsparen konnten.

Nach dem Ende des Krieges kamen diverse intakte Me 262 in die Hände der Sieger. Die Russen erbeuteten einige in Prag und flogen sie, das Hakenkreuz hatten sie mit dem roten Stern übermalt. Die Tschechen bauten sie unter dem Namen "Avia" nach. Die Amerikaner "übernahmen" vollständige Me-262-Flugzeuge sowie Bauteile und Konstruktionspläne als Beutegut. Die Me 262 beeinflusste auf diesem Wege die Weiterentwicklung der Strahl getriebenen Flugzeuge nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich.

So wurde die Me P.1101 in die USA transportiert und unter der Bezeichnung Bell X-5 nachgebaut. Sie war auch Vorbild für die F-86 Sabre in USA, die sofort von Gerad- auf deutsche Pfeilflügel umgestellt und mit den Tragflächenprofilen der Me 262 ausgerüstet wurde. Die frappierende Ähnlichkeit zur MiG-15 ist kein Zufall, stammt doch diese ebenfalls von einem deutschen Konstrukteur, Siegfried Günter (der schon die He 178 in Rostock konstruierte), nach 1945 zwangsverpflichtet nach Russland, der bei Mikojan die MiG-15 und die MiG-17 entwarf . Das Auftauchen der MiG-15 im Koreakrieg 1950-53 war für die Amerikaner ein Schock, da sie der F-86 überlegen war. Ironie der Geschichte: in Korea kämpfen zwei zum Verwechseln ähnliche Jäger deutscher Technologie gegeneinander! 3500 deutsche Wissenschaftler und Ingenieure des Raketen-, Flugzeug- und Triebwerkbaus wurden im Rahmen der Operation „Paperclip“ in die USA geholt, darunter auch Hans-Joachim Pabst von Ohain (wurde Chef im Aero Propulsion Laboratory), Anselm Franz (wurde Vice President der AVCO Lycoming), Alexander Lippisch (sein Raketenjäger Me 163 mit Deltaflügel wird als Northrop X-4 kopiert). Gerhard Neumann, der Automechaniker aus Frankfurt/Oder, genannt „Herman the German“, kam 1948 in die USA, wurde Chef von General Electric und war verantwortlich für die Entwicklung aller Düsentriebwerke. Das erfolgreichste war das J79, eingebaut in Convair-, Phantom- und Starfighter-Flugzeugen. Mit der Weiterentwicklung zum zivilen Gerät CF6 für Airbus und Boeing wurde GE zum führenden Hersteller von Düsentriebwerken.

Die Russen verstanden es am besten, im wissenschaftlichen Beutegut der Deutschen zu lesen. Im Oktober 1946 deportierten sie zwangsweise 6000 deutsche Wissenschaftler, Ingenieure, Elektroniker des Raketen- und Flugzeugbaus. Das Inventar der Junkers-, Siebel-, Heinkel- und Messerschmitt-Werke mit Werkzeugmaschinen, Konstruktionsbüros, Prüfständen rollt nach Podberesje und Kuibyschew. Die gesamten Junkers-Fabriken wurden demontiert und im Osten genau so wieder aufgebaut, so dass die Deutschen „wie gewohnt“ weiterarbeiten konnten, nur „dienstverpflichtet“ für andere „Auftraggeber“. Erbeutete Düsen- und Raketen-Jagdflugzeuge, Großbomber und deren Triebwerke von Junkers und BMW gaben sich in Russland ein Stelldichein. Heinkel-Konstrukteur Siegfried Günter und Junkers-Chef Brunolf Baade entwickelten die roten Düsen-Kampfflugzeuge MiG-15, MiG-17, den Düsenbomber TU-95, das größte Düsen-Verkehrsflugzeug TU-114, den Riesen-Transporter An-22. Die großen Flieger hatten alle die (unversehrt erbeutete) Ju-287 mit ihren 4 Jumo 004B- oder 6 BMW 003-Triebwerken zum Vorbild. Der österreichische Junkers-Spezialist Ferdinand Brandner entwickelte das bis heute leistungsfähigste PTL-Triebwerk „Kusnezow NK-12“ mit 12 000 PS, das die Großmaschinen mit jeweils vier Stück antrieb.

Bilder 31-36. So ging es dann weiter: aus dem mörderischen Kriegsgerät erwuchsen die großen Flugzeuge des Welt umspannenden zivilen Luftverkehrs (v.l.n.r., technische Daten in der Tabelle unten).

Bild 37. 19.1.2005, Toulouse: Der Rollout des A 380, des größten Passagierflugzeugs der Welt. 236 Stück sind bestellt, 55 ausgeliefert (2011).

Bild 38. Ein Vergleich der größten Zivilflugzeuge der Welt: Boeing 747-8, Airbus A 380-800, Antonow An-225 (nur 2 Stück gebaut), Hughes H-4 (letzteres nur ein Prototyp von 1947).

Bilder 39-41. Und so ging es mit den Verkehrsflugzeugen mit Turboprop-Antrieb in Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika (PTL-Triebwerke) weiter (v.l.n.r.): Bristol Britannia, Vickers Viscount, Lockheed Electra (Daten Tabelle unten).

 

Bild 42. Das modernste und stärkste Turboprop-Triebwerk TP 400-D6, ausgestellt auf der ILA September 2012, auf dem Stand von MTU. Der Website-Autor schaut es sich genau an. Es wurde gemeinschaftlich entwickelt von Spanien, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien. Die Auslieferung wird verzögert durch bisher nicht behobene Probleme im Getriebe, das in zwei Varianten mit Links-/Rechtsdrehung des Propellers vorliegen muss, damit auf einer Tragflächenseite die Drehmomente ausgeglichen werden. Ganz oben ist die Propellerwelle zu erkennen, dahinter das klobige Gehäuse mit dem Stirnrad-/Planetengetriebe, darunter die nierenförmige Ansaugöffnung, die über einen geschwungenen Kanal die Luft dem Mitteldruckverdichter zuführt. Die Schubdüse ist leicht nach abwärts gerichtet. Die Propellerblätter bestehen aus verwobenen Faserverbundwerkstoffen. Das russische PTL-Triebwerk Kusnezow NK-12 ist 25% stärker und wurde von dem Junkers-Ingenieur Ferdinand Brandner ab 1953 entwickelt, es hat auf der Turbinenwelle zwei gegenläufige Propeller und ist daher im Drehmoment ausgeglichen. Seine Technologie ist veraltet.

Bild 43. So ist das TP400-D6 aufgebaut, mit der Propeller-Welle insgesamt 4 Wellen mit Drehzahlen von 840 bis 18400 1/Min,  2 Turbinenstufen treiben 11 Verdichterstufen an, die die Luft auf 25 bar verdichten, 3 Turbinenstufen treiben den Propeller mit einer Leistung von 8200 kW an. In einem aufwändigen kombinierten Stirnrad-/Planetengetriebe wird die Turbinendrehzahl von 8300 auf 840 1/Min heruntergesetzt. Der Propeller hat verstellbare Blätter, die bis zur Schubumkehr verdreht werden können. Das Schema wurde aus div. Angaben in Prospekten u. dgl. rekonstruiert, daher besteht keine Gewähr für seine Richtigkeit.

Bild 44 und 45. Vier der TP400-D6-Triebwerke machen den neuen Super-Transporter Airbus A400M effizient, extrem manövrierfähig, tiefflug- und lastabwurffähig. Flughöhe 12 km, Geschwindigkeit im Mittel 700 km/h, max. Nutzlast 37 t, Reichweite 3000 bis 8000 km je nach Nutzlast.

Das Flugzeug A400M, das die alten Transall- und Hercules-Transporter ablösen soll, wurde auf der ILA 2012 in Berlin vorgeführt und beeindruckte durch seine enorme Steig- und Sinkfähigkeit und seine außergewöhnlichen Kurvenflugeigenschaften. 174 Maschinen sind von 8 Ländern bestellt (Stornierungen berücksichtigt). Es gab erhebliche technische Probleme beim automatischen Tiefflug und beim sehr steilen Landeanflug (dem sog. Sarajewo-Approach), der Propeller-Flattern verursacht, sowie mit dem Triebwerk-Getriebe. Diese führten zu erheblichen Mehrkosten und einer Verzögerung von ca. 4 Jahren. Ab Nov. 2010 steht die Finanzierung jedoch wieder. Die Länder haben die Mehrkosten teilweise durch Abbestellung einiger Flugzeuge kompensiert.

Bild 46 und 47. Eines der fortschrittlichsten Düsentriebwerke: Das EJ200 dient als Antrieb für den Eurofighter "Typhoon", eine Gemeinschaftsentwicklung von Großbritannien, Deutschland, Italien, Spanien. Es ist ein 2-Wellen-ZTL-Triebwerk mit einem relativ kleinen Bypass-Verhältnis von 0,4. Druckverhältnis 26:1 in 8 Verdichterstufen, Fan-Druckverhältnis 4,2:1, 2 Turbinenstufen. Schub 60 kN, mit Nachbrenner 90 kN. Bild 48. Das Mehrzweckkampfflugzeug "Eurofighter" im fast senkrechten Steilflug mit eingeschaltetem Nachbrenner. Maximale Geschwindigkeit 2,35 Mach (das sind ca. 2500 km/h), minimale Geschwindigkeit 200 km/h, Dienstgipfelhöhe 16,7 km, maximale Höhe 19,8 km, maximale Steigleistung 315 m/s.

Bild 49. Jürgen Lüdtke, Bruder des Website-Autors, auf seinem letzten Flug als Flugkapitän, 1993 nach 20000 Stunden am Himmel. Bild 50. Jürgen Lüdtke nimmt beruflichen Abschied von "seiner" 747: 1993 auf dem Flughafen Frankfurt/M.

Technik und Verantwortung. Wie können Ingenieure in den Dienst diktatorischer Herren treten, die von ihnen todbringende Waffen fordern? Haben sie kein moralisches Gewissen, passen sie sich prinzipienlos der jeweiligen Lage an? Wie ticken Ingenieure? Nun, sie sind im allgemeinen unpolitische Technik-Narren, die die größte Befriedigung darin haben, die von ihnen erdachten Theorien in möglichst kurzer Zeit in der Praxis bestätigt zu sehen. Autoritäre Regime stellen ihnen dazu optimale Arbeitsbedingungen, Ressourcen zur Verfügung. Da es nicht auf Kosten, sondern nur auf den Erfolg ankommt, ist die Zeitspanne zwischen Idee und praktischem Ergebnis minimal, und das ist es, worauf es ihnen ankommt. Die Heinkel- und die Messerschmittwerke beschäftigen in großem Umfang Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge an ihren vielen Standorten. Sie wurden durch Arbeit und Unterernährung systematisch zu Grunde gerichtet. Das ist völlig inakzeptabel. Ernst Heinkel und Willy Messerschmitt sind dafür verantwortlich. Sie hatten dafür die uneingeschränkte Rückendeckung der verbrecherischen Nazi-Führungsclique, die in ihrer Kleinhirnigkeit nicht zu der Erkenntnis kam, dass schon 1943 der Krieg für Deutschland verloren war. 1944 befinden sich unter den insgesamt 54000 Belegschaftsangehörigen des Heinkel-Konzerns Tausende Zwangsarbeiter, von denen etwa 10000 KZ-Häftlinge sind. 2000 von ihnen überleben Hunger und Ausbeutung nicht. Im April 1945 treibt die Wachmannschaft die Häftlinge auch noch zu einem Todesmarsch, ja wohin eigentlich und um alles in der Welt, und wozu denn? Spuren ihrer Verbrechen konnten doch in den letzten Kriegstagen auf die Schnelle sowieso nicht mehr verwischt werden!

Wie ist nun die Rolle Pabst von Ohains im Dritten Reich zu bewerten? Hierzu gibt es ein Vernehmungsprotokoll vor einem Militärgericht 1944. Danach bezichtigt ein Mitarbeiter Ohains, ein fanatischer Nazi, den Erfinder des Triebwerks der Sabotage. Er habe den Kriegseinsatz der Triebwerke HeS 8 und HeS 11 verzögert und habe schon 1943 gesagt, dass sein Triebwerk nicht mehr zum Kriegseinsatz kommen und Deutschland den Krieg verlieren werde. Der Denunziant sagte auch, Ohain habe die Weiterentwicklung der Triebwerke aus wissenschaftlichen und religiösen Gründen hintertrieben, schließlich sei er ja Katholik. Tatsache ist, dass Ohain in erster Linie Physiker war, interessiert an der theoretischen Grundlagenforschung und weniger an einem übereilten Kriegseinsatz seiner Erfindungen. Daher gelangte keines seiner Geräte in die Serienfertigung, im Gegensatz zum Jumo 004B der Junkerswerke, sehr zum Verdruss des dynamischen Parteigenossen Ernst Heinkel. Es gibt starke Indizien, dass dies Ohains Absicht war. Ganz offensichtlich war er also in Deutschlands dunkelster Zeit ein wissenschaftlich klar denkender Mann mit hohem Verantwortungsbewusstsein und einem festen christlichen Wertesystem. Eine Ausnahme unter den angepassten Ingenieuren in der Kriegswirtschaft. Hans-Joachim Pabst von Ohain und Anselm Franz gingen nach dem Krieg im Rahmen der Aktion "Paperclip" in die USA und arbeiteten dort weiter in der Triebwerk-Industrie.

 

Bild 51. Der Flughafen Rechlin an der Müritz/Mecklenburg-Vorpommern. Am 10.April 1945 vernichtender Schlag gegen die Wunderwaffe Me262, die Luftverteidigung war damit total zusammen gebrochen.  Bild 52. Heute sieht es an derselben Stelle so aus: Der marode Charme eines einstigen Hightech-Centers der deutschen Luftwaffe. Auch das seit der Wiedervereinigung bestehende Luftfahrtmuseum ist verfallen und bietet einen trostlosen Anblick.

Nach Heraklit war dieser mörderische, von Deutschland vom Zaun gebrochene Krieg zweifellos der Vater der Strahltriebwerke, Düsenjäger, Düsenbomber und all der dazugehörigen Fluginstrumente und Materialien. Aber über den Krieg hinaus erwuchsen aus ihnen unzählige zivile Verkehrsflugzeuge, ohne die unsere heutige Wirtschaft mit ihrer Bewegungsfreiheit und Schnelligkeit im Luftverkehr undenkbar wäre. Von Pabst von Ohains He 178 mit 5 kN Schub zu den vier Triebwerken des Airbus A380 mit je 320 kN Schub: Was für ein Weg in 70 Jahren und welche radikale Veränderung unseres Lebens! Wie sagen die Amerikaner? We came a long way.

Nachtrag. Die neue Generation des Airbus A320, genannt A320neo ("neo" steht für "new engine option"). Pressemitteilung vom 28.2.2015: Die A320-Familie, vom A318 bis A321, verkörpert einen der erfolgreichsten Kurz- und Mittelstrecken-Jets. 6157 Maschinen sind derzeit im Einsatz, und weitere 5000 stehen in den Auftragsbüchern. Der Neo fliegt in einer Testversion seit September 2014. Planmäßig soll der erste Ende 2015 ausgeliefert werden. Im Rahmen des Projekts ist auch eine neue Langstreckenversion, der A321neo entstanden. Derzeit werden 42 Flugzeuge der 320er-Familie pro Monat gebaut, in Hamburg-Finkenwerder gut jede zweite Maschine. Von Hamburg aus werden auch die Baugruppen zu den Endmontagewerken in Tianjin/China und in Mobile/Alabama verschifft.

Bild 53. Die dritte Generation: das GTF (Geared Turbofan-Triebwerk), schematisch. Hier das PW1000G von Pratt & Whitney für den Airbus A320neo. Neu ist vor allen Dingen das Planetengetriebe, das die Fan-Drehzahl optimiert. 147 kN Schub, Fan-Durchmesser 2,05 m, 3 ND-Verdichterstufen, 8 HD-Verdichterstufen, 2 HD - Turbinenstufen, 3 ND - Turbinenstufen, 2 Wellen. Das Bypass-Verhältnis ist auf 12:1 gesteigert worden. Ergebnis: Kraftstoffverbrauch -15%, Lärmemission -20 dB, Schadstoffemission -50%, weniger Verdichter- und Turbinenstufen gegenüber einem normalen ZTL-Triebwerk ohne Getriebe.

 

Bildnachweis.

Bild 1: Hiervon gibt es im Web viele Kopien, ein Urheberrecht ist nicht feststellbar. Bild 2: Eigene Zeichnung. Bild 3,4: Eigene Zeichnungen. Bild 5,6: Aus: W. Kaiser: Erfindung und Innovation des Strahltriebwerks, RWTH Aachen, 2001. Bild 7: gemeinfrei, USAirforce Foto. Bild 8: Aus IMechE Proceedings 1945, Vol. 153, Reprint 1956. Bild 9: Lone Star Flight Museum Texas. Bild 10: Meteorflight.com. Bild 11: GNU free documentation licence, Jet Age Museum, Gloucestershire. Bild 12: web.mit.edu. Bild 13: Aus scientistsandfriends.com. Bild 14: Aus M. Boehme: Chronik Jagdgeschwader 7, Motorbuch-Verlag, Stuttgart, 2009. Bild 16: Aus P.M. 7/2002, EADS-Archiv. Bild 17-21, 23: Eigene Fotos, ILA 2006. Bild 22: Eigenes Foto, Technik-Museum Berlin, 2011. Bild 15, 24-28: Eigene Fotos am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011. Bild 29: Museum Laatzen, GNU free documentation licence, Benutzer Stahlkocher Wikimedia Commons. Bild 30: Eigene Zeichnung. Bild 31: GNU free Documentation, Quelle Het Brain. Bild 32-34: Public domain. Bild 35, 36: Eigene Fotos, ILA 2006. Bild 37: GNU free Documentation, Benutzer Xeper. Bild 38: Wikimedia Commons, freely licensed media. Bild 39: gemeinfrei by arpingstone, Urheber adrian pingstone. Bild 40: Public domain. Bild 41: GNU free Documentation, Urheber Xenomorph at de.Wikipedia. Bild 42, 44, 45: Eigene Fotos. Bild 43: Eigene Zeichnung. Bild 46, 47: Eigene Fotos ILA 2012. Bild 48: Aus Wikipedia, CC-BY-SA Unported 3.0, Urheber Bjoern.Bild 49, 50: Fotos Jürgen Lüdtke 1993. Bild 51: Foto der USAF, daher gemeinfrei. Bild 52: Eigenes Foto April 2012. Bild 53: Aus Wikipedia, GNU free Doc. License, Urheber Tosaka, eigene Ergänzungen.