Bild 1. August Borsig

Lokomotiv-Zar und Zimmermann.

 

Die Wettfahrt. Bei der Wettfahrt im Jahr 1841 zwischen Berlin und Jüterbog gegen das englische Modell von Stephenson versagte die neue Borsig-Dampflokomotive kläglich. Trotzdem wurde der schlesische Zimmermann August Borsig (*1804 Breslau, †1854 Berlin) preußischer Lokomotivkönig.

 

Bild 2. Die Wettfahrt - mitten auf der Strecke stehen geblieben. Ob der Herr im Zylinder August Borsig ist? Seine Mitfahrt ist nicht belegt.

Um die Wettfahrt ranken sich verschiedene Legenden; hier ist eine davon: vorausgegangen war ein persönliches Ersuchen Borsigs beim König Friedrich Wilhelm IV, ihm doch die Möglichkeit zu geben, die Überlegenheit seiner Lokomotive zu beweisen; denn er habe die Schwächen der amerikanischen Norris- und der englischen Stephenson-Lokomotiven erkannt und biete seiner Majestät die einmalige Chance, sämtliche Lokomotiven im Lande zu produzieren. Na, da nehme er den Mund aber zu voll, kann er mir einen Grund nennen, warum ich von den bewährten englischen Lokomotiven abgehen und auf sein unerprobtes Modell setzen sollte? Ja, Ihro Majestät, die Qualität und Überlegenheit meiner Maschine, der ersten in Deutschland gebauten Lokomotive! Bitte gehorsamst, Ihrer Majestät den Nachweis erbringen zu dürfen! Man einigte sich auf eine Wettfahrt. Und die Qualitäts-Lok von Borsig blieb auf halber Strecke liegen! Aus, Schluss, erledigt, finito !? Diese Worte kamen in Borsigs Vokabular nicht vor. Er ließ die Lok zerlegen, überprüfte jedes Teilchen und – entdeckte in einer Schiebersteuerung einen losen Schraubenbolzen, der dort nicht hingehörte! Ihro Majestät, der Sabotageakt ist entdeckt! Ach, was schwafelt er da, er will sich doch nur rausreden! Der geniale George Stephenson hatte schon 1822 die erste Lokomotivenfabrik der Welt gegründet, und seine Konstruktionen erwiesen sich allen anderen gegenüber als überlegen. Borsig hatte 1838 an einer Probefahrt auf einer „Adler“ von Stephenson von Potsdam nach Berlin-Zehlendorf teilgenommen, mit wachen Augen und Ohren. Die Berliner spotteten damals und hoben auch den moralischen Zeigefinger: Diese unnatürliche Fortbewegung sei eine Sünde, weil sie gegen Gottes Willen sei.

Bild 3. Der Durchbruch 1841: Die erste Borsig-Lok siegt in der Wettfahrt gegen die Stephenson-Lok.

Auf inständiges Bitten hin bekam Borsig eine zweite Chance. Und er gewann, mit großem Abstand! Die favorisierte englische Konkurrentin war besiegt und der Mythos englischer Überlegenheit im Lokomotivbau zerstört. 1844 erhielt er die Goldene Preismedaille auf der Berliner Gewerbeausstellung, und 10 Jahre später wurden von den 68 vom preußischen Staat bestellten Maschinen 67 bei Borsig produziert.

Der schlesische Zimmermann macht Karriere. Spielerisch war Johann Friedrich August Borsig in den Zimmermannsberuf seines Vaters hinein gewachsen. Schon in der Schulzeit in Breslau beherrschte er viele von Vaters Handfertigkeiten. Sein Vater und sein Meister schauten darauf, dass August sich so viel wie möglich fortbildete. So besuchte er in den letzten beiden Lehrjahren nebenher die „Königliche Provinzial-Kunst- und Bauhandwerks-Schule“ in Breslau. Perspektivisches Zeichnen mit Grund- und Aufriss, Planen, Entwerfen, Mechanik, Kunstgeschichte erweiterten seinen Horizont über das Zimmern hinaus. Für seine Abschlussarbeit, eine Konstruktionszeichnung einer Kuppel nach italienischem Vorbild, erhielt er eine Silbermedaille des Lehrinstituts (zwanzig Jahre später baut er die Kuppel der Potsdamer Nicolaikirche). Er musste nicht nur mit Holz, sondern auch mit Stein und Eisen arbeiten – ein Werkstoff, der ihn nicht mehr losließ. Recht bald sollte er den Zimmermannshobel gegen den Schmiedehammer vertauschen.

Zu Fuß von Breslau nach Berlin. Als er 1823, mit dem Gesellenbrief in der Hand, noch nachdachte, was denn nun der rechte Berufsweg wäre, enthob ihn ein Schreiben der niederschlesischen Provinzialregierung aller weiteren Überlegungen: Sie schickte den vielversprechenden jungen Mann auf Empfehlung seiner Lehrer mit einem Stipendium auf das „Königlich-Technische Gewerbeinstitut“ des Peter Christian Beuth in Berlin, in der Hoffnung, dass er mit seinem Können einmal seiner alten Heimatstadt von Nutzen sein könne. Die Hoffnung erfüllte sich nicht. Der 19-jährige August Borsig machte sich voller Zukunftserwartung auf den Fußweg in die aufstrebende Industriemetropole. Der Wandergeselle durchschritt das Frankfurter Tor, nachdem er dort seinen Taufschein vorgewiesen hatte. Ein völlig neuer Lebensabschnitt lag vor ihm, nichts deutete darauf hin, dass er dazu berufen war, in Berlin Industriegeschichte zu schreiben.

Er fliegt von der Schule – und gibt trotzdem nicht auf. Nach eineinhalb Jahren wollte man ihn im Gewerbeinstitut nicht mehr haben. Weil er in Chemie versagte, gab ihm Beuth zu verstehen, dass er für den Beruf eines Technikers absolut nicht geeignet sei, er solle lieber Schuster werden. Auch für den Militärdienst wurde er für untauglich befunden, er sei im Felde für immer unbrauchbar, weil er einen zu dicken Hals hat. Als Gescheiterter nach Breslau zurückkehren? „Aufgeben“ kam für ihn keineswegs in Frage. Magisch zog ihn das „Feuerland“, das Berliner Maschinenbauviertel am Oranienburger Tor an. In der Eisengießerei des Franz Anton Egells ließ er sich ab 1825 in der Praxis des Maschinenbaus ausbilden. Er machte so große Fortschritte, dass er schon 1827 von seinem Lehrherrn höchstes Lob beim selbständigen Aufstellen einer großen Dampfmaschine erhielt. In den acht Jahren als Betriebsleiter bei Egells arbeitete er schon planmäßig auf seine Selbständigkeit hin. Die Voraussetzung hierfür war 1836 der „Bürgerbrief der Haupt- und Residenzstadt Berlin, in dem er vor Gott, dem Allmächtigen, schwört, seiner Königlichen Majestät von Preußen unterthänig, treu und gehorsam zu sein“. Eines wusste er: Er wollte selber Maschinen bauen.

Seine eigene Fabrik. 1837 erfolgte der erste Guss in seiner neu gegründeten Gießerei mit mechanischer Werkstatt und Schmiede am Oranienburger Tor. Da Dampfmaschine und Gebläse für den Kupolofen noch fehlten, beschaffte er sich zwei große Blasebälge und kräftige Soldaten aus der benachbarten Kaserne des 2. Garde-Grenadierregiments zu Fuß, die die Dampfkraft ersetzten. Er bekam sofort einen Auftrag von 117000 Schrauben für die Schienen der Berlin-Potsdamer Eisenbahn. Es folgten Räder, Weichen, Kandelaber und die Löwen für die Löwenbrücke im Tiergarten. Er entwickelte die größte bis dahin in Preußen gebaute Dampfmaschine (mit damals unglaublichen 80 PS) für das Pumpwerk im maurischen Stil am Schloss Sanssouci, die bei der Eröffnung der Wasserkünste 1842 die Fontäne 36 m hoch ansteigen ließ. Es folgten weitere spektakuläre Aufträge: Die stählerne Dachkonstruktion des Hamburger Bahnhofs, die Kuppeln der Nicolaikirche Potsdam und des Stadtschlosses Berlin. Das Gespräch mit König Friedrich Wilhelm IV brachte die große Wende in seinem Leben als Fabrikherr, der keinen Fach- oder Hochschulabschluss hatte…

Bild 4 und 5. Werdegang einer Lokomotive in der Fabrik Berlin, Chausseestraße, die "Miese-Katze" ist dabei.

Seine erste Lokomotive, mit dem Mut eines Glücksritters. 1838, und das wurde jetzt sein ureigenstes Gebiet, erhielt er Reparaturaufträge für englische und amerikanische Lokomotiven. Er studierte die Konstruktionen und deren Schwachstellen bis ins Detail und baute mit dem Mute eines Glücksritters seine erste Dampflok im Jahre 1841, eine verbesserte Version einer Norris-Lokomotive aus Philadelphia. Er übernimmt von Norris so viel, wie gerade noch möglich ist, ohne die Patentrechte offen zu verletzen. Nach der erfolgreichen Wettfahrt kauft ihm die Berlin-Anhaltische Bahn die Maschine tatsächlich ab! Dafür, dass er als erster eine brauchbare Lok in einer preußischen Werkstatt hergestellt hatte, bekam er vom Hof den Roten Adler-Orden verliehen.

Borsig war danach sehr erfolgreich. 1854 hatten die preußischen Eisenbahnen 800 Lokomotiven in Betrieb, 481 von Borsig, 150 aus England, 11 aus USA, 55 aus Belgien. Vom Zimmermann zum Eisengießer - da gab es ein englisches Vorbild: Thomas F. Pritchard, ein gelernter Tischler, baute 1779 die erste gusseiserne Brücke der Welt über den Severn in Coolbrookdale, ein technisches Meisterwerk, das als Kunstwerk ausgezeichnet und in die Unesco-Weltkulturerbe-Liste eingetragen wurde. Die Brücke ist heute noch in Betrieb.

Er war seinem Vorbild sehr schnell entwachsen und hatte seine eigene, unverwechselbare Technologie entwickelt. Es waren sog. Schnellläufer, mit dem großen Treibrad in der Mitte, zwei außenliegenden Dampfzylindern und anfangs einem stehenden Kessel. Die weit hinten liegende Norris-Treibachse verlegte er in die Mitte, so dass sie das Gewicht des Stehkessels mitaufnahm und verlängerte den Kessel nach vorn. Durch diese ausgewogene Massenverteilung konnte seine Lok ein höheres Drehmoment auf die Schiene übertragen und damit höhere Leistung und Geschwindigkeit erreichen. Diesem Konstruktionsgrundsatz, der für ihn den Weg zum Erfolg bedeutete, blieb er von Anfang an treu. Die Steuerung für die Dampfverteilung in den Zylindern führte er nach englischem Vorbild aus. Später, unter seinen Nachfolgern, wurden die Borsig-Lokomotiven mit bis zu fünf Treibachsen ausgeführt. Andere Fabriken zogen nach mit dem Lokomotivenbau: Maffei/München 1841, Esslingen 1847, Henschel/Kassel 1848, Schwartzkopff/Berlin 1867, Krauß/München 1867.

Bild 6. 1847: Die erste Borsig-Fabrik vor dem Oranienburger Tor in Berlin. Die Lokomotive wird mit Pferden rausgezogen.

Eine nette Begebenheit am Rande: Beuth besuchte mit Studenten die Lokomotivfabrik. Borsig: Da kommt er und will sich ein erfolgreiches Unternehmen ansehen, und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte ich Schuster werden sollen! Er war aber nicht nachtragend: Seiner 24. Lok gab er ihm zu Ehren den Namen „Beuth“.

Vom Handwerksbetrieb zur Serienproduktion. Mitte der 1840er finanziert Borsig schon sämtliche Investitionen durch eigenen Profit. Er verstand sich sowohl als Patriarch seiner Arbeiter als auch als Kapitalist. Ich führe Verbesserungen ein, die nicht allein das Wohl der Arbeiter befördern, sondern auch das Fortbestehen der Anstalt sichern. 1846 wurde die 100. Lokomotive fertiggestellt. 1850 beschäftigte er schon 1800 Menschen. Serienproduktion löste Handwerksbetrieb und Manufaktur ab. Die Loks wurden schon nach einem modernen Baukastensystem hergestellt, d.h. aus standardisierten, bei allen Typen gleichen Teilen wurden die unterschiedlichen Kundenwünsche nach technischer Ausrüstung befriedigt. Das verlangte gebieterisch nach einer neuen Form der Arbeitsorganisation, nach voller Ausnutzung der Arbeitszeit und einer Spezialisierung der Arbeiter. Es fiel den nach herkömmlichen Methoden arbeitenden Menschen schwer, sich an diese neumodischen Sitten und an die Strenge ihres Prinzipals mit der genauen Einhaltung der Arbeitszeiten und seinem strikten Branntweinverbot während der Arbeit zu gewöhnen. Die persönliche Leistungsbereitschaft spielte schon bei der Bemessung des Lohnes eine Rolle, und es wurde zwischen qualifizierten und ungelernten Arbeitern unterschieden. So kam es, dass der Lohn zwischen drei und achtzehn Talern pro Woche schwankte. Der Anreiz, die höchste Lohnstufe zu erreichen war Ansporn für alle und ein probates Mittel zur Steigerung der Arbeitsproduktivität bei Borsig. Er lässt einen großen Speisesaal bauen, in dem man während der Pausen, außerhalb von Hitze, Lärm und Staub, Essen kaufen oder das Mitgebrachte verzehren kann. Die Angehörigen dürfen jetzt nicht mehr das Essen direkt in die Werkstatt bringen.

Er erwarb weiteres Gelände für den Bau seiner Dampfrösser und stationären Dampfmaschinen. Der steigende Bedarf an Stabeisen, Walzblechen und Schmiedestücken veranlasste ihn zur Errichtung eines eigenen Walzwerks und einer Kesselschmiede in Berlin-Moabit, womit er sich unabhängig von den englischen Importen machte. Deutsche Eisenbahnen benötigten nun keine ausländischen Lokomotiven mehr. Um aber auch die Steinkohlelieferungen aus England für seine Eisenerzeugung zu beenden, erwarb August Borsig 1854 drei Kohlegruben in Oberschlesien auf Erbpachtbasis.

Im Jahr 1854, kurz nach der Feier zur Vollendung der 500. Lokomotive war auch August Borsigs Leben mit nur 50 Jahren vollendet. Er starb an einem Schlaganfall, nachdem er noch am Vortag mit Zeichnen und Konstruieren beschäftigt war. Eine unübersehbare Menge von 10000 Menschen erwies dem Lokomotivkönig und Pionier des Industriezeitalters in Deutschland die letzte Ehre, an der Spitze der greise Alexander von Humboldt. Der Dorotheenstädtische Friedhof wurde August Borsigs Ruhestätte, ganz in der Nähe seiner vor 17 Jahren gegründeten ersten Fabrik.

Bild 7-9. Die Treibräder - 100 Jahre Entwicklung (rechts Julian,10 im Technik-Museum Berlin).

Bild 10. So hat eine Borsig-Fabrik 1875 ausgesehen (rechts unten: die Familie bringt das Essen). Bild 11. Eine stehende Borsig-Balancier-Dampfmaschine, Original-Zeichnung.

Bild 12. Vom Zimmermann zum Schmied: Borsig in der Mitte, für das Militär war der Hals zu dick.

Berlin - von der Residenzstadt zur Industriemetropole, auch Borsigs Verdienst. Borsig, das war eine der Quellen, aus denen sich Preußens und Deutschlands Aufstieg speiste. Vorher ist Berlin eine biedermeierliche Residenzstadt mit ein bisschen Manufaktur, an deren Stelle dann der Unternehmer tritt, der selbst die Lokomotive des Fortschritts darstellt, der Berlin zur Industriemetropole mitten in der Ressourcenlosigkeit der märkischen Streusandbüchse macht. Der unternehmerische Weitblick: Errichtung eigener Kohlegruben und Hüttenwerke in Schlesien, aus denen mit eigenen Lokomotiven die Rohstoffe herangeschafft werden, aus denen neue Lokomotiven gebaut werden. Borsigs Dampfrösser eroberten Schlesien ein zweites Mal für Preußen. So zog sich Berlin an den eigenen Haaren aus der Rüben- und Roggenwelt, mit der Dynamik seiner Unternehmer-Familien Borsig, Siemens, Rathenau und mit einer hochqualifizierten Arbeiterschaft. Borsig-Lokomotiven wurden in alle Welt exportiert (Der Autor, 35 Jahre lang Maschinenbau-Ingenieur bei der Firma Borsig in Berlin-Tegel, war 1978 in Shanghai, um die Chinesen von der bewährten Technologie der Borsig-Turboverdichter zu überzeugen. Die Überraschung: Borsig? Kennen wir längst! Borsig-Dampflokomotiven sind doch bei uns immer noch im Einsatz! Und das im Jahr 1978!).

Bild 13 und 14. Ganz schön groß: Die Borsig-Fabriken am Oranienburger Tor (links) und ab 1850 in Moabit (rechts), im Vordergrund August Borsigs prächtige Villa.

 

Bilder 15-18. So ging es bis 1935 weiter: 100 Jahre Eisenbahnen in Deutschland. 1835: Der englische "Adler" war die erste. Sechs Jahre später kam August Borsig. 25er Marke: Fliegender Hamburger von 1933, dieselelektrisch, 160 km/h. 40er Marke:  Die berühmte Borsig-Dampflok Baureihe 05 von 1935, Weltrekord 1936, 200,3 km/h.

Visionär August Borsig ließ sich durch Rückschläge nicht vom Ziel abbringen, legte den Grundstein für ein effizientes, vom Ausland unabhängiges Verkehrs-System, wies den Weg von der Manufaktur zur Serienfertigung, war Mitbegründer des Qualitätslabels „made in Germany“ und war damit einer der Vorreiter für Deutschlands Weg in eine entwickelte Nation, deren technologisch-industrielle Basis ein Bruttoinlandsprodukt erzeugte, das unseren Sozialstaat erst möglich machte.

Bilder 19-24. So ging es bis 1975 weiter. Leider machte Deutschland nicht den logischen, nächsten Schritt zur Magnetschwebebahn, sondern verkaufte die Technologie an die Chinesen, ein Armutszeugnis.

Bild 25. Die Borsig-Lok Nr. 12000 im Jahr 1925. Typ 2C1, d.h. 2 Führungsachsen vorn, 3 Treibachsen (Buchstabe C), 1 Nachlaufachse hinten.

 

Bild 26. Auch heute noch Faszination: Dampfloks  - als Museumsstücke. Bild 27. Diese Medaille bekamen alle Mitarbeiter  der Firma Borsig 1987 zum 150-jährigen Firmenjubiläum.

Was kommt nach der Dampflokomotive? Das Unternehmen war 100 Jahre alt, als das Dampflokomotiven-Zeitalter zu Ende ging. 1939 verließ die letzte Borsig-Lok mit der Fabrik-Nr. 14 806 das jetzt das Werk in Hennigsdorf. Vorher gab es noch mal ein richtiges Aufbäumen der Dampf-Lok, um die Dominanz gegenüber den auf den Markt drängenden Elektro- und Dieselloks zu unterstreichen. Aus den Hallen des Werks kam eine der schönsten Dampf-Loks, die 1936 den Weltrekord von 200,3 km/h auf der Strecke Hamburg-Berlin erreichte, die 002 der Baureihe 05 mit der Fabrik-Nr. 14553. Der Gigant hatte 127 t Dienstgewicht ohne Tender, drei Treibachsen mit 2,30 m hohen Rädern, je zwei Führungsachsen vorn und hinten und um das Ganze eine windschlüpfrige Stromlinienschale. Es wurden nur drei Stück gebaut, da die Deutschen drei Jahre später den größten Krieg der Weltgeschichte vom Zaun brachen und die Borsig-Fabrik unter dem neuen Namen „Rheinmetall-Borsig“ zu einer der Waffenschmieden des dritten Reiches umfunktioniert wurde.

Bild 28. So funktioniert die Steuerung eines doppelt wirkenden Dampfzylinders. Die Dampfkraft wirkt nacheinander auf beide Seiten des Kolbens. Dies wird durch die Steuerung des Schieber-Ventils ermöglicht, das, synchron mit der Umdrehung, die Vorder- oder Rückseite des Kolbens für den Zutritt des Frischdampfes freigibt. Die Kolben-Stange überträgt die Kraft über einen Kreuzkopf und einen Kurbeltrieb auf die gekoppelten Treibräder der Lokomotive. Auch die Schieberstange ist mit dem ersten Treibrad über einen separaten Kurbeltrieb verbunden.

Die Nachkriegszeit. Nach dem Krieg rappelte sich das Borsig-Werk in Berlin-Tegel wieder hoch aus Bombentrümmern und aus dem, was die Demontage der Sieger übrig gelassen hatte. Es wurden Dampfturbinen, Kolbenverdichter, Kälteanlagen, Kraftwerkskessel, Schiffs-Dieselmotoren, Rohrleitungen, Armaturen, Wärmetauscher und ab 1955 Turboverdichter gebaut. Das war eine Grundlage, im deutschen Wirtschaftswunder eine gute Rolle mitzuspielen. Unter dem alten Namen werden heute in Tegel Hochdruck-Wärmetauscher gefertigt und, an gleicher Stelle, unter dem Dach von MAN, der Nachfolge-Firma des Borsig-Maschinenbaus, Prozess-Turboverdichter für die Öl- und Gasfelder; beide Firmen sind sehr erfolgreich und auf dem Weltmarkt von den Kunden hochgeschätzt.

Bild 29, 30. Borsig/MAN Turbo heute, Büste August Borsig, Firmengründer.

Die 4.Generation, Conrad und Ernst von Borsig mussten 1933 das Familienunternehmen in Staatshand überführen; doch das ist eine andere Geschichte. Ihr Urgroßvater hat wahrlich unser Leben verändert. Aber ob er jemals vorausgesehen hat, dass seine schönen Lokomotiven einmal „Triebköpfe“ heißen werden?

Bild 31. August Borsig in der Ruhmeshalle im Deutschen Museum München - siegreicher Wettlauf der deutschen Technik. Er hat den Ehrenplatz wahrlich verdient. Bild 32. Der ICE  - Neueste Generation, Flaggschiff der Deutschen Bahn. Triebkopf statt Lokomotive. Wäre August Borsig mit dieser modernen Bezeichnung der Technokraten einverstanden?

Bild 33. Der Autor am Borsig-Tor von 1898 in Berlin-Tegel (2011). Dahinter das alte Verwaltungsgebäude, das Ernst und Conrad von Borsig 1898 bezogen. Das Werk in Tegel war ein bevorzugtes Bombenziel der Alliierten und wurde von den Siegermächten ausgeplündert. Bild 34. Eine Borsig-Lokomotive in voller Fahrt, Zeichnung von J.C. Turner - aus einer Borsigzeitung für Werksangehörige 1927.  

Bilder 35-39. Am Anfang war Borsig... die Romantik des Reisens mit der Eisenbahn, aus Werbeplakaten der Eisenbahn 1930 bis 1950. German Railroads: Herausgegeben zu den Olympischen Spielen Berlin 1936. Die High-Tech-Bahnen fahren sogar hoch hinauf in die Berge, und im Kino gibt es jetzt sogar den Mord auf Schienen - im Orientexpress.

 

 

 

 

 

 

  

 

Bild 40. Nachtrag zu Bild 9: Besuch im Deutschen Technikmuseum Berlin: 2015: Julian 10 Jahre später.

 

Bildnachweis.

Bilder 1, 3(unten), 5, 6, 25: Aus "150 Jahre Borsig", Werksveröffentlichung, 1987. Bilder 3(oben), 7, 8, 9: Eigene Fotos Technik-Museum Berlin. Bilder 4, 15-24, 32: Public domain. Bilder 10, 11, 12: Foyer Borsig/MAN Turbo Berlin-Tegel. Bilder 13, 14: Eigene Fotos Borsig-Gut Groß-Behnitz, 2011. Bild 26: Mainpost 8.4.2010. Bilder 27, 29, 30, 33: Eigene Fotos, 2011. Bild 28: Eigene Zeichnung. Bild 31: Eigenes Foto am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011. Bild 34: Aus der Borsigzeitung für Werkangehörige, 1927. Bilder 35-39: Eigene Fotos auf der Ausstellung "Safety, Speed, Comfort", Werbung für Fernreisen, Zeitlos, Berlin, Kantstraße 18, 19.10.2012. Bild 2: Eigenes Foto, Ausstellung 175 Jahre Borsig, Borsig-Hallen, 27.10.2012. Bild 40: eigenes Foto.