Im April 1876 kam der 33-jährige Landarzt Dr. Robert Koch (*1843 Clausthal, †1910 Baden-Baden) nach einer langen nächtlichen Postkutschenfahrt von Wollstein in Westpreußen frühmorgens in Breslau an. Er hatte eine ungewöhnliche Reiseausrüstung dabei, die er in das Universitätsinstitut hinein schleppte: Koffer, Kisten und Käfige mit weißen Mäusen und ein Mikroskop. Er war vom Institutsdirektor aufgefordert worden, über seine Forschungen zu berichten. Kaum hatte er vor ein paar Leuten, die aus Höflichkeit gekommen waren, begonnen in einfachen, klaren Worten seine Experimente zu erläutern, da sprang der Professor hoch, verließ den Saal, holte seine Assistenten: Lassen Sie alles liegen, kommen Sie sofort mit, hier ist ein Mann, der eine großartige Entdeckung gemacht hat, vielleicht die größte auf dem Gebiet der Mikroorganismen! Alle eilten in den Lehrsaal, darunter der junge Paul Ehrlich, der später einmal einer der berühmtesten Schüler Kochs werden sollte - und es blieb ihnen der Mund offen stehen. Kochs Thema lautete: Die Ursache der Milzbrandseuche.
Bild 1. Robert Koch im Jahr 1880, Begründer der modernen Bakteriologie. Bild 2 (unten). Der tückische Milzbranderreger - er kam ihm auf die Spur.
Viele hatten darüber schon geschrieben, aber keiner hatte so genau und systematisch experimentiert und beobachtet wie der kleine Landarzt, der aus keiner Ärztedynastie kam, der auch nicht in Paris oder London arbeitete, sondern als Hausarzt in der Provinz Posen. Und das mit wenig Erfolg: Mehrmals musste er aufgeben, weil er pleite war. Es gelang ihm, dem geladenen Kreis von Gelehrten glasklar nachzuweisen (seine Veröffentlichung hatte er ja vorher der Universität eingeschickt), dass er zweifelsohne den Milzbranderreger gefunden und damit die Grundlage für die Bekämpfung einer der schlimmsten Tierseuchen geschaffen hatte. Die Seuche raffte in seinem Bezirk von heute auf morgen Rinder, Schafe, Pferde, Schweine hinweg, egal, ob sie einem Großgrundbesitzer mit gutem Weideland oder einem armen Tagelöhner gehörten. Und manchmal wurden auch Menschen befallen.
Rückblende: Robert Koch leitet sein epochales Forschungswerk ein. Das Genie Robert Koch, immer getrieben von seinem Wahlspruch "nunquam otiosus", hatte sich ans Werk gemacht, in dem abgelegenen Städtchen, ohne Gedankenaustausch mit den Wissenschaftlern der Welt. Es müsste doch möglich sein, die im Blut an Milzbrand verendeter Tiere sichtbaren Bakterien als Krankheitserreger zu identifizieren! Die verheerende Tierseuche Milzbrand, lateinisch Anthrax, verursachte in der ganzen Welt große Tierverluste und übertrug sich auch auf Menschen, weil die Übertragungswege unbekannt waren. 1617 starben in Südeuropa 60 000 Menschen und 1864 fielen in Russland 1000 Menschen der Seuche zum Opfer. Koch sah, dass sie in seinem Amtsbezirk zahlreiche Rinder, Schafe und Schweine dahinraffte und dass alle Versuche, dagegen anzugehen, fehlschlugen. Die meisten Menschen, nicht nur in Wollstein, glaubten damals, dass böse Geister ansteckende Krankheiten verursachen, oder dass sie von verseuchten Böden oder Ausdünstungen und giftiger Luft übertragen werden. Ab und zu hatte ein schlauer Mensch dafür winzige Lebewesen verantwortlich gemacht. Robert Koch war nicht abergläubisch und glaubte nicht an Geister und Gespenster, für ihn zählten nur beweisbare Tatsachen, und er beschloss, den Geheimnissen der ansteckenden Krankheiten auf den Grund zu gehen. Wie begann er seine Jagd auf die winzigen Organismen, die Mikroorganismen, die vermutlich den Milzbrand verursachten, wie fand er die Beweise?
Das Abenteuer mit den Milzbrandbakterien. Hier sind die einzelnen Schritte seiner abenteuerlichen Forschungsreise in dem abgelegenen Provinznest Wollstein. Schritt 1: Er fuhr von Bauernhof zu Bauernhof und sammelte das Blut verendeter Tiere. Er fand unter dem Mikroskop zwischen den Blutkörperchen die stäbchenartigen, aneinandergehefteten Gebilde von 1/10000 mm, also 0,1 μm Größe, nicht jedoch im Blut gesunder Tiere. Aber leben diese Gebilde? Schritt 2: Er bestrich einen muldenförmigen Objektträger am Rand mit Vaseline, dann gab er Milzbrandbazillen auf ein Glasplättchen und drückte dieses umgekehrt in die Vaselineschicht, so dass der luftdicht abgeschlossenen Tropfen in der Mulde hing. Er stellte fest, dass die Stäbchen, unbeeinflusst von anderen Bakterien, sich vermehrten. Sie lebten! Schritt 3: Er züchtete in einem selbst gebauten Brutschrank in Reinkultur acht Bazillengenerationen auf einem aus Kammerwasser eines Ochsenauges bestehenden Nährboden. Übertrug sie auf gesunde Tiere, die alle erkrankten. Schritt 4: Aber wie steckte sich der Hirsch im Wald an, in dessen Blut er Anthrax entdeckt hatte? Er fand nach vielen Beobachtungen sporenartige Gebilde in den Stäbchen. Er ließ sie austrocknen und betropfte sie nach einem Monat mit Nährlösung, und siehe da, diese widerstandsfähigen Dauerformen waren Sporen, die in der freien Natur überleben, und bei Aufnahme in den Tierkörper sich in die todbringenden Bakterien zurückverwandeln.
Die Live-Vorführung in der Universität Breslau. Hatte er alles bedacht, keinen Fehler gemacht? Er schickte ein Gesuch an Prof. Cohn vom Pflanzenphysiologischen Institut Breslau, ihm die Möglichkeit zu geben, im Institut die Experimente während einiger Tage vorzuführen. Cohn war sehr skeptisch, da er es schon oft mit Möchtegernentdeckern zu tun hatte. Nach einigem Zögern willigte Cohn ein. Nach sehr beschwerlicher Reise traf Koch am 30. April 1876 in Breslau ein, beladen mit Apparaten, Reagenzien, Versuchstieren und begann mit seiner Demonstration. Die Skepsis der Anwesenden wich bald einer großen Begeisterung. Sie erkannten, dass mit diesen Forschungsergebnissen die moderne Bakteriologie begründet war. Von nun an trat auch eine Wende in Kochs Leben ein, er hatte nun ständigen Kontakt zu Fachkollegen, eine absolute Notwendigkeit für weitere Forschungen. Er veröffentlichte seine Versuchsergebnisse unter dem Titel Die Ätiologie der Milzbrandkrankheit. Eine Arbeit von fundamentaler Bedeutung für die Seuchenbekämpfung. Koch schrieb, dass es jetzt auch möglich erscheint, Versuche mit Typhus- und Cholera-Erregern anzustellen.
1876, nach seinem Breslauer Besuch, bestellte Robert Koch bei Zeiss einen mikrophotographischen Apparat nebst Kondensor und Beleuchtungsapparat. Es ist mir nämlich gelungen, schrieb er an Carl Zeiss, die Bakterien mit Anilin zu imprägnieren, das ihre Form nicht verändert und sie ganz außerordentlich deutlich erscheinen lässt.
Mit Ungeduld erwartete Robert Koch die Lieferung: Als der Apparat nach elf Wochen ankam, gefielen dem Forscher „die Konstruktion und die Arbeit sehr“. Da er „so viel Rühmliches“ über die Zeissschen Objektive gehört hatte, bestellte er für seine Untersuchungen auch ein Mikroskop in Jena. Im Februar 1878 schrieb er an Carl Zeiss: Mit Hilfe dieses Instrumentes ist es mir gelungen, nicht unwichtige Entdeckungen zu machen und, um was es mir hauptsächlich zu tun war, eins der schwierigsten mikroskopischen Objekte durch photographische Abbildungen weiteren Kreisen zugänglich zu machen...Auch in Form der Papierabdrücke haben meine Photogramme vielen Beifall gefunden und manches Lob eingetragen. Beim Arbeiten habe ich die Überzeugung gewonnen, dass die photographischen Systeme vorzügliche Leistungen Ihrer Kunst sind.
Bild 3. Das Zeiss-Mikroskop (hier ein Exemplar von 1879) wurde Kochs wichtigstes Arbeitsgerät, durch Anwendung der physikalischen Gesetze der Lichtbrechung mit höchster Präzision von Ernst Abbe berechnet und mit größter Qualität von Carl Zeiss hergestellt.
Auf diese Mitteilungen erhielt Robert Koch neue Linsensysteme. Wahrscheinlich handelte es sich bereits um die homogene Ölimmersion. Jedenfalls hat der Gelehrte im September 1878 auf der Versammlung der Deutschen Naturforscher und Ärzte in Kassel mitgeteilt, wie er mit Hilfe der neuen Technik die Schwierigkeiten meistern konnte: Mit dem Abbeschen Condensor und den Ölimmersions-Systemen änderte sich die Sachlage vollständig. An den Präparaten, in denen vorher gar keine oder wenig charakteristische Bakterien zu sehen waren, zeigte dieses neue Verfahren eine solche Klarheit und Schärfe des Bildes, dass sie mit Leichtigkeit zu erkennen und von anderen gefärbten Objekten im Präparat ganz sicher zu unterscheiden waren.
1878 hatte Robert Koch zum ersten Mal ein Abbesches Ölimmersions-Mikroskop erprobt und sich von dem gewaltigen Fortschritt überzeugt, der, wie er schrieb, der optischen Werkstätte von Carl Zeiss unter Professor Abbes genialem Beirat gelungen war. Seit dieser Zeit bevorzugte der Forscher die Zeisss-Mikroskope, und es gibt kaum einen Zweifel, dass er die Tuberkelbazillen 1882 wie die Erreger der Cholera 1883 mit Zeiss-Mikroskopen entdeckt hat (siehe hierzu auch den Link "Die moderne Optik"). Schon 1847 sagte der preußische Medizin-Pabst Rudolf Virchow: Das Mikroskop in der Hand des Forschers wird das Dunkel durchdringen und eine Waffe zur Verteidigung des Lebens werden.
Voller Hoffnung besuchte Koch den Halbgott Virchow in Berlin im August 1878, um ihm die Untersuchungsergebnisse über den Milzbrand zu zeigen. Der autokratische Virchow verweigerte Koch die Anerkennung, wies seine Schlussfolgerungen als äußerst unwahrscheinlich zurück. Sein auf Selbstbehauptung ausgerichteter Charakter ließ grundsätzlich medizinische Forschungsergebnisse anderer nicht gelten (so verfuhr er auch mit dem Neandertaler-Fund von 1856, den er als eine krankhafte Deformation eines in den napoleonischen Kriegen zurückgebliebenen Kosaken bezeichnete und die These eines 40000 Jahre alten Urmenschen verwarf). Mit Bitterkeit im Herzen fuhr Koch nach Wollstein zurück. Auch der große Louis Pasteur in Paris bestritt Kochs Schlussfolgerungen über den Milzbrand; nach seiner Meinung wurden die Keime durch Regenwürmer auf den Weiden auf das Vieh übertragen. Wie sollten sich Männer mit großen Namen irren!
Der Kampf gegen die Volksseuche "Tuberkulose" beginnt. 1880 waren Kochs miserable Arbeitsverhältnisse endlich zu Ende, als er eine Berufung zum Kaiserlichen Gesundheitsamt in Berlin in Händen hielt. Der scheue, bescheidene Koch erhielt völlige Freiheit für seine Arbeit, und das war für ihn die beste Voraussetzung für erfolgreiches Forschen. Systematisch, logisch, ausdauernd und präzise entwickelte er seine Arbeitsmethoden weiter zur Entdeckung weiterer Bakterien, stets die Not der Kranken vor Augen, denen er helfen wollte. 1881 begann er den Kampf gegen die Volksseuche Lungenschwindsucht, die Tuberkulose, an der damals jeder siebente in Europa starb. Die Statistik besagte, dass diese heimtückische Geißel der Menschheit besonders unter Menschen wütete, die in erbärmlichen Verhältnissen wohnten und arbeiteten. Die Sterblichkeitsrate von unter Tuberkulose leidenden Arbeitern betrug 40 bis 80%. Koch ahnte, dass die Auffindung des Erregers viel schwieriger und gefährlicher sein würde als seine Anthrax-Versuche.
Bild 4. Ein Blick in die Welt der kleinsten Lebewesen. Hier sind sie, die Tuberkulose verursachenden Mykobakterien. Koch fand sie 1881 in seinem 271. Präparat.
Der Weg, die TBC-Bakterien aufzuspüren ist sehr mühsam. Er machte Tierversuche und unternahm gleichzeitig alle Anstrengungen, den Erreger direkt unter das Mikroskop zu bekommen. Er besorgte sich von an der Krankheit Gestorbenen alles tuberkulöse Material, dessen er habhaft werden konnte, färbte die Präparate mit den verschiedensten Chemikalien bei unterschiedlichen Temperaturen, ließ sie in diversen Nährlösungen liegen, fand wochenlang keinerlei Gebilde, die Bazillen ähnelten. Wurde brummig, einsilbig, übellaunig, kümmerte sich nicht um Frau und Tochter, fuhr planlos durch Berlin. Dann, im 271. Präparat fand er, was er suchte: Spindelförmige Stäbchen, geschichtet wie Baumstämme beim Flößen, in Kurven ausgerichtet, wie Zigarettenpakete, strahlend blau gefärbt. Ist das der Tuberkelbazillus, der Killer? Das musste er beweisen. Er musste in jedem Krankheitsfall anzutreffen sein. Und er musste die Bazillen in Reinkulturen auf Nährböden züchten, 60 Tage lang, fünf Generationen, wozu er sich Rinderblut aus dem Schlachthof besorgte. 14 Tage Wartezeit, Übertragung von Teilen davon auf frische, keimfreie Nährböden, Mikroskopieren: Da waren sie, die blauen Stäbchen! Letzter Schritt: Übertragung der isolierten Bazillen auf gesunde Meerschweinchen. Die nach zwei Monaten gestorbenen Tiere waren mit Tuberkulose infiziert! Noch Dutzende weiterer Wiederholungen dieser Experimente, um ganz sicher zu gehen. Wie sind die Ansteckungswege? Dazu blies er ein Spray mit Bazillen in den Käfig. Die Tiere erkrankten. Also war Tröpfcheninfektion ein Ansteckungsweg. Wie durch ein Wunder steckte er sich nicht selbst an. Die Beweise waren vollständig erbracht.
Bild 5. Berlin-Mitte, Luisenstraße 57. Durchbruch bei der Tuberkulose.
24. März, 1882: Der Vortrag in der Physiologischen Gesellschaft Berlin "Über Tuberkulose", ein Dutzend Mikroskope waren aufgestellt, alle Präparate waren richtig eingestellt, der Saal bis auf den letzten Platz besetzt. Hermann von Helmholtz, Paul Ehrlich waren anwesend. Virchow war nicht da. Er und seine Anhänger in der Berliner Medizinischen Gesellschaft bekämpften Koch auf das heftigste. Koch machte sich auf einen jahrelangen Kampf um die Anerkennung seiner Arbeiten gefasst. Sein Vortrag: genau, einfach, streng logisch, überzeugend, seine Beweise erdrückend. Atemlose Stille, kein Kritiker meldete sich zu Wort, es gab nichts zu kritisieren, es war alles eindeutig bewiesen. Paul Ehrlich sagte später: Es war mein größtes wissenschaftliches Erlebnis. Virchow war nicht überzeugt, sprach noch jahrelang vom "sogenannten Tuberkelbazillus". Der Ruhm Kochs durcheilte die ganze Welt.
Cholera - der Schrecken des 19. Jahrhunderts. Im Juni 1883 brach in Ägypten die Cholera aus, eine der gefürchtetsten Seuchen der Welt. Keiner wusste, woher sie kam und was man dagegen tun sollte. Die abenteuerlichsten Theorien darüber wurden verbreitet, auch von deutschen Ärzten. Koch waren alle geäußerten Behauptungen zuwider, er hasste ausposaunte "Wahrheiten", ohne Beweise in der Hand zu haben.
Bild 6. 1883, deutsche Cholera-Expedition in Ägypten. Koch (3.v.r.) im Kampf mit seinen Gegnern, den Infektionskrankheiten. Die Gewehre und Patronengürtel dienten sicherlich dazu, Banditen abzuschrecken.
Bild 7. Das sind die Killerparasiten, Vibrio cholerae, die Komma förmigen Cholerabazillen, 2 μm lang - Durchfall, Erbrechen, Austrocknung.
Zwei Monate später wurde er zum Leiter der deutschen Choleraexpedition ernannt. Mit Instrumenten und Versuchstieren ausgerüstet machte sie sich auf den Weg nach Ägypten. Für Koch ging ein alter Jugendtraum in Erfüllung: In fremde Länder reisen und mit seiner beruflichen Passion verbinden. Ein paar Stunden nach Ankunft sezierte er schon mit Gründlichkeit, Systematik und Vorsicht im Hospital in Alexandria frische Choleraleichen, fand in der Darmwand kommaförmige Gebilde und dieselben auch in anderen Cholerakranken. Er züchtete Reinkulturen, konnte aber die Versuchstiere damit nicht infizieren. Da die Seuche abflaute, erwirkte er von seinem Minister in Berlin die Erlaubnis, nach Indien weiterreisen zu dürfen. Er war wie ein Tiger auf dem Sprung, das Geheimnis dieser Infektionskrankheit zu lösen. Vorher untersuchte er noch die ägyptische Wasserversorgung, das Begräbniswesen. Er besuchte noch schnell die Cheops-Pyramiden und war im Dezember in Kalkutta schon dabei, 32 Choleraleichen und 16 Kranke zu untersuchen. Die Spitäler waren mit Cholerakranken überfüllt. Der Infektionsweg wurde ihm klar, als er im Armenviertel in schäbige Hütten kroch, in denen sehr viele erkrankt waren. In einem nahegelegenen sumpfigen Teich wurde gebadet, Wäsche gewaschen und Trinkwasser geschöpft... Für ihn selbst gab es große Ansteckungsgefahren, aber er kam durch. Der Tierversuch, das letzte Beweisstück, klappte hier in Indien doch noch. Meerschweinchen, mit einer starken Cholerakultur infiziert, starben innerhalb von 24 Stunden. Die Kausalkette der Infektion: Choleraerreger isst und trinkt man! Aber bei dieser Krankheit wurde auch klar, dass nicht jeder, der Cholerabazillen im Darm hat, daran erkrankt.
Bild 8. Koch im Labor in Kimberley, Südafrika, 1896.
In Berlin wurde Robert Koch wie ein siegreicher Feldherr empfangen, erhielt aus der Hand Kaiser Wilhelms I den Kronenorden am Bande mit Stern. Koch trug diesen Kriegsorden am liebsten, denn er hatte wahrlich eine Schlacht gewonnen. Selbst Rudolf Virchow erwies ihm jetzt höchste Anerkennung.
Koch wurde 1885 zum Professor der Hygiene an der Berliner Universität ernannt. Er bereitete sich immer genau auf seine Vorlesungen vor, da er kein begnadeter Redner war, trotzdem kamen Ärzte und Studenten zu ihm in die Vorlesung, um den Meister der Bakteriologie zu hören. Seine Arbeitskraft war unerschöpflich.
Kochs Heilmittel gegen Tuberkulose - ein Misserfolg. Nach Abschluss der Arbeiten mit der Cholera wandte sich Koch wieder dem Forschungsthema "Tuberkulose", das ihn weltberühmt gemacht hatte, zu. In einem Vortrag auf dem Internationalen Medizinischen Kongress in Berlin im August 1890 drückte er seine Hoffnung aus, dass die Bakteriologie ein Heilmittel gegen TBC finden werde. Er wich aber von seiner Gewohnheit ab, über Versuche mit dem "Tuberkulin" zu berichten, dessen Erprobung noch nicht abgeschlossen war. Man darf die beschriebene Impfmethode noch nicht am Menschen anwenden, sondern erst, wenn die geplanten Tierversuche erfolgreich abgeschlossen sein werden. Es kam, was kommen musste: Eine ungeheure Begeisterung ergriff Patienten und Ärzte, Koch wurde das Großkreuz des Roten Adlerordens verliehen, er wurde mit Ehrungen überschüttet. Doch dann kamen die Hiobsbotschaften, überall Misserfolg! Die Anfeindungen trafen den bescheidenen Mann tief, dabei hatte er eindeutig seine Anweisungen gegeben. Der bissige Virchow wetterte wieder gegen Koch. Aber dessen Fehler war natürlich, über ungelegte Eier berichtet zu haben. Er stürzte in eine tiefe depressive Krise. Er machte sich schwerste Vorwürfe, Gewissensbisse plagten seinen auf Hochtouren arbeitenden Geist. Er hielt es in Berlin nicht mehr aus und floh nach Ägypten, um sich von diesen Stürmen zu erholen.
Bild 9. Das Robert-Koch-Institut. Heute das Bundesinstitut für Infektionskrankheiten in Berlin. Zentrale Überwachungs- und Forschungs-Einrichtung der Bundesrepublik Deutschland.
Das Robert-Koch-Institut. 1891 bat er um Entbindung von seinem Lehramt und übernahm als Direktor das Institut für Infektionskrankheiten mit einem großen Mitarbeiterstab, darunter Emil Behring. Es bestand aus einer wissenschaftlichen und einer Krankenabteilung. Das 120-Jahre alte Backsteingebäude besteht heute noch in Berlin-Mitte, Nordufer. Koch war jetzt wieder der Alte. Es wurde bakteriologisch geforscht, mikroskopiert, obduziert. Forschung und Krankenbehandlung waren eng verbunden, und diese Kombination erwies sich als Glücksfall. Koch ging stets direkt vom kranken Menschen aus, von der Praxis, vom Wirken der Seuche. Krankenstation, wissenschaftliche, chemische, serologische Abteilungen sowie Stationen für besonders gefährliche Krankheiten, wie Tollwut, Pocken und eine Tropenabteilung - das war die richtige Mischung für erfolgreiches Arbeiten.
Bild 10. Die Hamburger Presse berichtet über die Elendsquartiere, wo die Cholera ihre Brutstätten hat.
Bild 11. Die Warnung des Hamburger Senats. Die Wasseraufbereitung war noch ungenügend.
Das Institut wurde von ihm sofort in den Dienst der Seuchenbekämpfung gestellt, als ein Jahr nach der Gründung in Hamburg die Cholera ausbrach. Die Seuche wurde von Indien über Persien auf dem Seeweg nach Hamburg eingeschleppt. 17000 schwere Erkrankungen und 8000 Todesfälle. Es gelang Koch, in kurzer Zeit die Infektionsquelle ausfindig zu machen: Fehlerhafte Filtrieranlagen für das aus der Elbe entnommene Trinkwasser. Er wandte seine in Indien erlangte Erfahrung an, indem er die Hamburger Abwässer mit einem Säure haltigen Desinfektionsmittel aufbereiten ließ. So wurden auch die Choleravorstöße 1905 und 1910 erfolgreich abgewehrt. Das Reichsseuchengesetz von 1900 basierte auf Kochs Grundsätzen. Ihm ist es zu verdanken, dass seit 1926 Europa cholerafrei ist.
Es blieb nicht aus, dass bei seinem ungebremsten Schaffensdrang im Kampf gegen seine Feinde, die Krankheitserreger, seine Ehe zerrüttet wurde. 1893 heiratete er zum zweiten Mal; die um 30 Jahre jüngere Frau unterstützte ihn bei allen seinen Vorhaben.
Bild 12. Eine Collage der Schlafkrankheits-Expedition in Ostafrika 1905.
Bild 13. Die Tsetsefliege übertägt die Trypanosomen, die Erreger der Schlafkrankheit.
Bild 14. Koch experimentierte im Labor, analysierte am Schreibtisch und jagte die Krankheitserreger auf allen Kontinenten; hier auf einer Expedition in Afrika 1898. Bild 15. Koch erforschte auch die Malaria-Krankheit, die durch Plasmodium-Parasiten verursacht wird, übertragen von der Malaria-Stechmücke Anopheles gambiae. Er machte 1899-1900 eine Expedition über Italien (wo es damals auch Malaria-Sümpfe gab) nach Batavia (Djakarta) und Deutsch-Neuguinea. In abgeschlossenen Gebieten, wie in Italien, hatte er Erfolg mit Chinin-Prophylaxis, nicht jedoch in Neuguinea, wo trotz Anwendung von Insektiziden immer wieder erneut Malaria verseuchte Parasitenträger eindrangen. Auf dem Bild das Modell einer Malaria-Stechmücke.
Es ging weiter. 1901 brach im Ruhrgebiet Typhus aus. Koch und seine Mitarbeiter fanden die Quellen dieser Krankheit der Armen und der Kriege: Verunreinigtes Trinkwasser. Mit großem Organisationstalent wurde er durch planmäßiges und energisches Vorgehen auch gegen eine desinteressierte Bürokratie Herr der Seuchenherde. Am 1. Oktober trat Koch in den "Ruhestand". Doch was heißt das Wort "Ruhe" für einen Robert Koch, dessen lebenslanger Wahlspruch "nunquam otiosus" war? Für ein Jahr ging er nach Afrika, um besonders die von der Tsetse-Fliege übertragene Schlafkrankheit zu studieren. Kurz nach der Nobelpreisverleihung in Stockholm 1905 ging er wieder nach Ost-Afrika, um sich auf einer Expedition der Behandlung und Bekämpfung der Schlafkrankheit zu widmen. Seine Richtlinien: Abtöten des Erregers im Menschen durch ein Medikament, das später Germanin (Bayer 205) hieß und Abholzung der Schatten spendenden Bäume in den Dörfern und Bepflanzung mit niedrigen Kulturpflanzen.
Bild 16. Das Ehepaar Koch auf Weltreise, 1908. In Japan sieht er seinen treuen Schüler Kitasatos wieder.
Sein Jugendtraum geht in Erfüllung - eine Weltreise. 1908 war es soweit. Es war aber keine reine Touristenreise für ihn und seine Frau. In London nahm er am Internationalen Kongress zur Bekämpfung der Schlafkrankheit teil. Von dort ging es weiter nach Nordamerika. In New York bereitete ihm die amerikanische Gelehrtenwelt einen triumphalen Empfang. Andrew Carnegie, Menschenfreund und Kriegsgegner, hielt den Festvortrag: Der wahre Held der Zivilisation ist nicht derjenige, der tötet, sondern der seinen Mitmenschen rettet, wir heißen Sie mit ausgestreckten Armen willkommen. Tief bewegt dankte Koch für die herzliche Aufnahme und die Spende von 500000 Mark für die neu gegründete Robert-Koch-Stiftung zur Bekämpfung der Tuberkulose. Von San Francisco und Hawaii reiste das Ehepaar weiter nach Japan. Dort sah er seinen treuen Schüler Kitasatos wieder. Der berichtete: Koch war im 65. Lebensjahr, und sein vollkommen kahler, gewaltiger Kopf erinnerte an Konfuzius. Koch genoss diese Reise sehr. Er bedauerte es aber, dass sie nicht fortgesetzt werden konnte, weil er den Auftrag erhielt, am Internationalen Tuberkulosekongress in Washington teilzunehmen. Er wurde zum Ehrenpräsidenten gewählt und hielt in exzellentem Englisch einen Vortrag über Menschen- und Rinder-TBC.
Er starb viel zu früh - nicht an einer Bakterieninfektion, sondern an einem Herzinfarkt. Ende 1908 nahm er seine Forschung in Berlin wieder auf (er war offiziell im Ruhestand!). Am 10. April 1910 erlitt Koch einen schweren Herzanfall mit Atemnot, Erbrechen, Schmerzen und Sprachstörungen. Im Mai erlaubte es ihm sein Zustand, in Begleitung seiner Frau in ein Sanatorium nach Baden-Baden zu fahren. Am 27.Mai setzte er sich vor dem Abendessen in einen Sessel und blickte bei geöffneter Balkontür auf die blühenden Bäume in der herrlichen, ergrünten Natur. Da ereilte ihn ganz sanft der Tod.
Der große Forscher und Arzt, der "Engineer of the Bacteriology", Robert Koch hat seine letzte große Reise angetreten. Der aus armen Verhältnissen stammende, bescheidene, furchtlose, fleißige, aufrechte, selbstlose Mensch stellte sein ganzes Leben in den Dienst der Menschheit und wurde zu einem großen Menschenretter. Er hat unseren größten Respekt verdient.
Bild 17 und 18. Das Mausoleum im Robert Koch-Institut. Links der mit Marmor ausgekleidete würdevolle Raum, rechts die weiße Platte, die unten die Urne mit seiner Asche enthält.
Er hatte es sich gewünscht, dass die Urne mit seiner Asche im "Königlich-Preußischen Institut für Infektionskrankheiten" bestattet wird, das er von 1891 bis 1904 geleitet hatte. Und so geschah es. Das jetzige Robert-Koch-Institut in Berlin enthält ein kleines Museum mit Kochs Mausoleum, einen würdevollen Raum, ausgekleidet mit Marmor in verschiedenen Farbtönen. Voller Andacht steht man vor dem Epitaph mit dem Reliefbild Robert Kochs, sieht darunter die weiße Marmorplatte, die die Nische mit der Urne verschließt. Danke, du großer Wohltäter und Menschenfreund, dass es dich gab. Und es grenzt an ein Wunder, dass dieses Haus mit dieser Gedenkstätte erhalten blieb im Bombeninferno des zweiten Weltkrieges, den deine Gegenspieler, die Menschenfeinde ohne Grund vom Zaun brachen! Robert Koch, der mit seiner Bakteriologie zum Menschenretter von Millionen wurde... und die Nazi-Verbrecherclique, die mit ihrem Welteroberungsplan zum Menschenvernichter von Millionen wurde - sie stehen für das Gute und das Böse, das in dieser Bandbreite in unserem Volk ganz besonders extrem ausgeprägt zu sein scheint.
Bilder 19-26. Alle ehren den großen Menschenretter: Die Freie Stadt Danzig 1939, das "Großdeutsche Reich" 1943, West-Berlin 1960, die DDR 1960, die Bundesrepublik 1982, die DDR 1982, das vereinigte Deutschland 2005. Die DDR gibt auch eine Münze heraus 1968. Damit bekennen sie sich zu seinem Wertesystem, das für einige nur ein Lippenbekenntnis war.
Bild 27 und 28. Büste im Robert Koch-Institut. Denkmal von 1916 auf dem Robert-Koch-Platz Berlin-Mitte: Ich wünsche, dass im Kriege gegen die kleinsten, aber gefährlichsten Feinde des Menschengeschlechts eine Nation die andere immer wieder überflügeln möge.
Ein Besuch im Museum des Robert Koch-Instituts in Berlin-Mitte: Bild 29. Kochs Original-Schreibtisch. Bild 30. Koch bekämpft die Schlafkrankheit. Eine eindrucksvolle Skulptur von 1910 vom Berliner Bildhauer Gustav Eberlein. Sie war Jahrzehnte verschollen und tauchte 1993 in Rom auf. Das RKI erwarb sie 1994.
Bild 31 . Aus der Bibliothek Robert Kochs.
Bild 32 . Kochs Werke und Wirken, Inschrift im Mausoleum. Bild 33. Koch, der Forscher im Labor
Wie ging es weiter mit Kochs Forschungen?
Bildnachweis
Bilder 1: Aus W. Genschorek "Robert Koch", S. Hirzel Verlag Leipzig, 1982 (Verlag aufgelöst). Bild 2: Aus: A. Ignatius "Robert Koch", Franck´sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, 1965. Bild 3, 4: Eigene Fotos am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011. Bild 5: Eigenes Foto 5/2012. Bild 6: Aus Wikipedia, Nutzungsrecht abgelaufen. Bild 7: Aus Wikipedia, public domain. Bild 8: Wikipedia, Urheberrecht abgelaufen. Bild 9: Aus Wikipedia, Urheber Fridolin freudenfett, CC-BY-SA Unported 3.0. Bild 10, 11, 14, 16-18, 27, 29-33: Eigene Fotos Robert-Koch-Museum im RKI Berlin, 7.5.2012, lt. Pressestelle RKI 7/2012: Genehmigung nicht erforderlich. Bild 28: Eigenes Foto Berlin an der Charité 2012. Bild 15: Eigenes Foto in der Humboldt-Box Berlin, 2012, Modell gebaut von Julia Stoess, Hamburg. Bild 12, 13: Aus: Das Volksbuch unserer Kolonien, Georg Dollheimer Verlag, 1938. Bilder 19-25: Public domain. Bild 26: Wikipedia, Urheber Matd13 CC SA unported 3.0.