Bild 1. Der junge Gottlieb Daimler. Bild 2. Hier fand der nächtliche Einbruch der Polizei statt. Daimlers Original-Werkstatt im heutigen Kurpark Bad Cannstatt. Das "Gewächshaus" ist ein späterer Anbau.

Die Polizei als Einbrecher. Im Jahr 1886 hörten Einwohner Bad Cannstatts des Nachts verdächtige Geräusche, die aus dem Gartenhaus auf dem Daimler-Grundstück kamen: Klirren, Bohren, Hämmern und Pressen. Das kann doch keinen anderen Grund haben als Falschmünzerei! Die braven Schwaben konnten keine Gesetzwidrigkeiten in ihrer ordentlichen Gemeinde dulden und meldeten die verdächtigen Vorkommnisse umgehend der Polizei. Diese verschaffte sich ohne Durchsuchungsvollmacht heimlich mit Nachschlüsseln Zugang zu der Werkstatt und fand anstelle von Prägestöcken und Falschgeld ... nur Zahnräder, Kolben und Riemenscheiben einer unverständlichen Maschine. Da hatte nun der schlitzohrige Gottlieb Daimler, dem der Einbruch nicht unentdeckt blieb, bei der Polizei  etwas gut: er sah von einer für die Obrigkeit peinlichen Anzeige ab und erhielt dafür ohne bürokratische Umstände die Erlaubnis, mit dem neuen Motor Versuche anzustellen.

Bild 3. Der erste Streich: Daimlers Gesellenstück als Büchsenmacher: reichverzierte Pistole. Bild 4. Daimler und Maybach in der Werkstatt. Bild 5. Heraus kam der zweite Streich: der stehende Motor "Standuhr". Bild 6. Der dritte Streich: Erstes Motorrad der Welt, der "Reitwagen" mit Standuhr und Stützrädern von 1885.

Gottlieb Daimler (* 1834 Schorndorf, Württemberg, † 1900 Bad Cannstatt) ging bei einem Büchsenmacher in die Lehre (sein Gesellenstück: eine doppelläufige, reich verzierte Pistole), arbeitete danach im Elsass in einer Maschinenfabrik. 1857 nahm er am Polytechnikum in Stuttgart ein Maschinenbaustudium auf. In Paris sah er sich danach den Gasmotor Lenoirs an und erkannte in ihm eine ausbaufähige Alternative zur Dampfmaschine. 

Zusammenarbeit mit Maybach und Otto in Deutz. Zwei Jahre arbeitete er noch im englischen Maschinenbau, um dann in Reutlingen als technischer Leiter in einer Maschinenfabrik tätig zu werden. Dort lernte er Wilhelm Maybach kennen, den Mann mit einer außergewöhnlichen konstruktiven Begabung, und die beiden bildeten ein gut aufeinander abgestimmtes Team: Daimler mit den unerschöpflichen Ideen, und Maybach, der begnadete Konstrukteur, der sie in genialer Weise ausführungsreif machte.

1867 besuchte Daimler im Auftrag der württembergischen Regierung die Pariser Weltausstellung, wo u.a. der preisgekrönte Motor Ottos zu sehen war. 1872 ging er als technischer Direktor mit Maybach als Chefkonstrukteur zur Gasmotorenfabrik Deutz bei Köln.

Hier arbeitete auch der geniale Nikolaus Otto an seiner Erfindung, dem Viertaktmotor, der 1876 als Gasmotor und 1884 als Benzinmotor sein Debut feierte. Leider gab es zwischen dem bescheidenen Autodidakten Otto und dem Hochschulabsolventen Daimler ernste Zerwürfnisse. Der schwäbische Dickschädel musste aber anerkennen, dass Otto die Grundlage für seine Kraftfahrzeugideen geschaffen hatte. Die Entwicklung des Otto-Motors animierte Daimler zu eigenen Vorstellungen über einen wesentlich leichteren, schneller laufenden, auch im Fahrzeugbau einzusetzenden Benzinmotor.

 

Bild 7 und 8. Es folgt sogleich der vierte Streich: Daimlers Motorkutsche (links im Modell) von 1888 mit eingebauter Standuhr.

Bild 9. Die technische Leitung der Gasmotorenfabrik Deutz 1882, in der Mitte Daimler, rechts stehend Otto, rechts sitzend Maybach.

Nach einem Streit mit dem Deutzer Vorstand machte er sich 1882 zusammen mit Maybach, den er mit einem persönlichen Vertrag mit Gewinnbeteiligung an sich band, selbständig, und zwar in Bad Cannstatt. Seinen Leichtmotor, konstruiert in Verletzung des Otto-Patents DRP 532, aber mit einer selbst entwickelten Glührohrzündung, setzte er 1885 in ein Zweirad, dann in ein Boot und 1888 in eine vierrädrige Kutsche ein, wo er vor den Rücksitzen montiert war. (Nach anderen Quellen war die erste Fahrt eines Daimler-Autos im Herbst 1886. Recherchen von Werner Walz in: „Wo das Auto anfing“ (1981) ergaben jedoch, dass dies eine Fehlannahme ist). Der Daimler-Motor war ein echter Leichtmotor mit 1½ PS und 600 Umdrehungen pro Minute und daher für den Fahrzeugantrieb hervorragend geeignet. Es war ein stehender Motor, der den Spitznamen „Standuhr“ erhielt. Auch Daimler ging bewusst das Risiko ein, gegen Ottos Patent zu verstoßen (weil der Otto-Motor die beste aller Lösungen war), und seine Aufhebung kam ihm wie gerufen.

 

Bild 10. Im Südwesten Deutschlands: Zwei Männer - eine Idee

Bild 11. Die beiden großen Autopioniere - sie haben sich nie gesehen.

 

Benz und Daimler – zwei Männer mit der gleichen Idee. Die beiden Tüftler mit Weitblick, der Badener Benz und der Schwabe Daimler waren beide von der Idee besessen, dass ein leichter, leistungsfähiger Fahrzeugmotor vonnöten sei. Die straßenfahrenden plumpen „Lokomobile“ genannten Dampfwagen waren schwer zu steuern , erforderten die Mitnahme großer Kohle- und Wassermengen und, wer nicht beim Heizen schmutzig werden wollte, musste sich einen Heizer, auf deutsch „Chauffeur“ leisten.

Benz und Daimler machten ihre Erfindungen unabhängig voneinander, nur 80 km voneinander getrennt, sind sich im Leben nie begegnet. Der Rheinländer Otto hatte beiden mit seiner epochalen Erfindung des Viertaktmotors den Weg geebnet und wenn sein Patent (wegen einer ungeschickten Formulierung) nicht gescheitert wäre, wären Benz und Daimler sicher mit ihrem geistigen Diebstahl in Deutschland gescheitert und es hätte dann höchstwahrscheinlich geheißen…and the winner is USA! So gewann Deutschland den Grand Prix der ersten beiden Automobile der Welt.

Bild 12. Ideenschmied Daimler und begnadeter Konstrukteur Maybach.

Benz´ Ziel war es, eine harmonische Einheit von Motor und Wagen zu bauen, Daimler sah seinen „Daimler-Motor“, der alles bewegen sollte: Kutschen, Pflüge, Sägewerke, Feuerwehrpumpen, Straßenbahnen, Omnibusse, Lastwagen, Eisenbahnen, Schiffe, Luftschiffe. Beide haben ihre Ziele erreicht, ihre Fahrzeuge fuhren mit transportablem, flüssigen Treibstoff und erreichten anfangs mindestens die Geschwindigkeit von Pferdekutschen. Aber zuerst war es sehr schlecht bestellt um ihre neuen Geräte, keiner wollte sie haben. Dabei hatte Benz immer mit dem finanziellen, Daimler mit dem körperlichen Bankrott durch seine Herzkrankheit zu kämpfen. Daimler und Maybach bildeten eine perfekte Symbiose: Daimler ist Ideenschmied, Organisator und Geldgeber (von ihm wurde sogar behauptet, er verstünde nicht, wie sein Motor funktioniert), Maybach ist der eigentliche Erfinder und Konstrukteur. Beide wären ohne den jeweils Anderen nichts gewesen.

1893 stellte die „Daimler-Motoren-Gesellschaft“ ihr Gesamtprogramm in Chicago aus … und machte unbeabsichtigt die amerikanische Industrie auf die gewaltigen Möglichkeiten der Motorisierung aufmerksam. Und prompt brachte Ford, noch als Angestellter der Detroit-Edison-Elektrizitätsgesellschaft, schon im selben Jahr sein „Gasolin-Wägelchen“ heraus. Ein erstes US-Patent auf ein amerikanisches Auto gab es erst 1895.

 

 

Bild 13. Mercedes Jellinek - sie gab einem Autokonzern den Namen.

 

 

Wo kommt der geheimnisvolle Name "Mercedes" her? Der Name „Mercedes“ kam durch ein Autorennen ins Spiel. Emil Jellinek, geborener Leipziger, Generalkonsul und Geschäftsmann mit weitreichenden Verbindungen und dazu Auto-Fan, gelang es, Daimler davon zu überzeugen, dass Autorennen den Namen einer Marke ausmachen und dass er nicht nur mit Motoren, sondern mit einem eigenen Auto an Rennen teilnehmen solle. Maybach konstruierte einen 23-PS-Daimler mit einem neuen so genannten „Phönix“-Motor im Auftrag Jellineks, der sich bei der Tourenfahrt von Nizza 1899 unter dem Pseudonym „Herr Mercedes“ beteiligte und gewann (ob persönlich ist umstritten). Mercedes war der Name seines über alles geliebten 10-jährigen Töchterleins. Auch 1901, Daimler war seinem Herzleiden mit 66 Jahren erlegen, gewann „Herr Mercedes“ das Rennen von Nizza, jetzt mit einem 35-pferdigen Daimler. Der geheimnisvolle, aus Spanien stammende Name „Mercedes“ für ein schwäbisches Auto war in aller Munde. Jellineks Marketingidee war ein voller Erfolg.

 

 

 

  

 

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Bilder 14-19. 75 Jahre lang Erinnerung an Gottlieb Daimler.

Jellinek nahm Maybach und Daimlers Söhnen 36 Wagen ab, unter der Bedingung, sie unter der Bezeichnung „Mercedes“ zu vertreiben. Sie leisteten keinen Widerstand, und ab 1902 gab es keine Zweifel mehr: alle Daimler-Autos hießen jetzt „Mercedes“. Der dreizackige Stern, noch eine Idee Daimlers, wurde erst 1911 als Markenzeichen angemeldet und steht für: zu Lande, zu Wasser, in der Luft. Erst 1926 finden die „Daimler-Motoren-Gesellschaft“ und die „Benz und Cie., Rheinische Automobil- und Motorenfabrik“ zur Fusion zueinander, unter dem neuen Namen „Daimler-Benz AG“. Der Stern wurde in den Benz´schen Lorbeerkranz eingefügt, zusammen mit den Namen Mercedes und Benz.

Der Markenname Daimler. Im Ausland hatten noch zu Daimlers Lebzeiten zahlreiche Firmen eine Lizenz auf die Daimler-Motoren bzw. damit angetriebene Fahrzeuge erworben. So hielt z.B. die Firma Ford /USA über die Daimler Motor Company die Rechte am Markennamen Daimler, verkaufte diese aber 2008 an den indischen Großkonzern Tata. Nach Zeitungsberichten erwägt Tata, die Marke Daimler zu reaktivieren. In Großbritannien werden bis heute Luxuslimousinen unter dieser Marke produziert, größtenteils Varianten von Jaguar-Typen. Die Luxuskarosse der britischen Königin mit kurzem, schräg abfallendem Kofferraum ist eine Daimler-Limousine, nicht – wie oft fälschlich angenommen – ein Rolls-Royce oder Bentley.

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Bilder 20-24. Nikolaus Otto, Carl Benz, Gottlieb Daimler, Wilhelm Maybach, Rudolf Diesel - diese deutschen Erfinder begründeten das Automobil-Zeitalter auf der ganzen Welt.

Die fünf Großen des Motoren- und Automobilbaus. Fünf Männer waren dazu berufen, die Geschichte der Motorisierung der Welt, dieser zweiten technischen Revolution im 19. Jahrhundert zu schreiben. Sie hat wie keine andere die Welt verändert, die unglaubliche Geschichte der Pioniere Nikolaus Otto in Deutz, Carl Benz in Mannheim, Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach in Bad Cannstatt und Rudolf Diesel in Augsburg.

Bilder 25-27. 125 Jahre Motorenentwicklung: Die "Standuhr" von 1884: 1 Zylinder, 0,5 l Hubraum, 600 1/Min, 0,8 kW, 16 km/h. Flugmotor Daimler DII von 1916: 6 Zylinder, 1350 1/Min, 91 kW, 1500 Stück gebaut. Daimler-Benz-Motor M159 für SLS AMG von 2009, 8 V-Zylinder, 6,2 l Hubraum, 6800 1/Min, 420 kW, Drehmoment 650 Nm.

Hier eine kleine Foto-Galerie von Daimler-Autos 1899 bis 1902 und von Daimler-Benz-Autos 1929 bis heute:

Bilder 28-39. Kleine Typenchronik (bis 1926 Daimler, danach Daimler-Benz, jeweils v.l.n.r.): Rennwagen Phoenix 1899, Tourenwagen Simplex 1902, Stuttgart 260 1929, Nürburg 1929, 540K Special Roadster 1936, 170S-V 1953, 300 Adenauer 1954, 300SL 1955, 220 1958, 280SE 1969, 600 1972, SLS AMG 2009.

Bildnachweis

Bild 1: blog.daimler.de. Bilder 2, 5, 8: GNU Lizenz für freie Dokumentation, Urheber: user:enslin. Bild 3: blog.daimler.de. Bild 4: Welt online 1.4.10, Foto: Daimler. Bild 6: GNU Lizenz für freie Dokumentation, Urheber: Daniel Wimpff. Bild 7: eigenes Foto. Bild 9, 20: Aus Gustav Goldbeck "Gebändigte Kraft", Heinz Moos Verlag München 1965. Bild 10: gemeinfrei, Schutzfrist abgelaufen. Bild 11: Münze 1961, gemeinfrei. Bilder 12-13: eigene Fotos. Bilder 14-19: gemeinfrei. Bild 21, 22, 28: aus: Werner Walz: Wo das Auto anfing, Geschichte einer Weltmarke, Verlag Stadler, Konstanz, 1981. Bild 23: Schutzfrist abgelaufen. Bild 24: Aus Hans-Jürgen Reuß: Hundert Jahre Dieselmotor. Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart 1993. Bild 25-27: Eigene Fotos, 2011. Bild 29: GNU Lizenz user:enslin. Bilder 30-39: eigene Fotos, 2011.