Was sagte doch der gelehrte Münchener Physikprofessor Philipp von Jolly 1874 zu dem 16-jährigen Abiturienten? Junger Mann, Sie wollen Physik studieren? Die Physik ist eine hochentwickelte, voll ausgereifte Wissenschaft, die nach der Entdeckung des Prinzips der Erhaltung der Energie ihre endgültige stabile Form angenommen hat. Das klang eher abweisend, nicht gerade zukunftszugewandt, der gesamte Acker ist schon bestellt, grundlegend Neues ist in der Physik nicht mehr zu entdecken. Man kann keine Pioniertaten mehr erwarten. Nicht sehr ermutigend für einen jungen Mann. Es hat sich wohl noch nie ein Hochschulprofessor so geirrt!
Bild 1 und 2. Max Planck 1874 als Abiturient, als ihm die Physik fast verleidet wurde – und 1901 als Professor der theoretischen Physik an der Berliner Uni – da hob er gerade die Physik aus den Angeln und schrieb mit der Begründung der Quantentheorie Wissenschafts-Geschichte. Mal ehrlich: Würde man von diesem Mann einen Gebrauchtwagen kaufen?
Der junge Mann war Max Planck (*1858 Kiel, †1947 Göttingen), der zwischen einem Studium der Musik und Theologie einerseits und den Naturwissenschaften andererseits noch schwankte. Gottseidank machte die quasi negative Aussage des Professors auf ihn keinen nachhaltigen Eindruck - und entschied er sich für die Mathematik und Physik!
Da war er nun in Berlin angekommen, im Himmel der Wissenschaften, an der Friedrich-Wilhelms-Universität, ordentlicher Professor der Theoretischen Physik, Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Der 42-Jährige hatte sich im Jahr 1900 der Wärmestrahlungstheorie als neuem Forschungsgebiet zugewandt – da stieß er auf Unglaubliches, unerklärliche Phänomene, die als Ultraviolettkatastrophe bezeichnet wurden.
Bild 3. Einfache Idee – gewaltiger Versuchsaufbau. Der schwarze Körper war für Planck keine schwarze Magie mehr. Er analysierte die Messungen akribisch und fand ein ganz neues Gesetz und begründete damit eine ganz neue Physik.
Planck löst das Rätsel der Ultraviolettkatastrophe. Er analysierte die Messungen von Lummer und Pringsheim und stellte zunächst einmal fest, dass die klassische Strahlungsformel von Rayleigh und Jeans für die Strahlung eines schwarzen Körpers bei kleinen Wellenlängen überhaupt nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmte. Danach hätte die Strahlungsleistung bei immer kleineren Wellenlängen immer größere Werte annehmen müssen, sogar Werte, die weit über der eingespeisten Energie liegen. Es kann doch nicht mehr herauskommen als hineingegangen war! Die Ultraviolettkatastrophe musste behoben werden! Dazu stellte er eine völlig neue Strahlungsformel auf, die er selbst als „Kunstgriff“ bezeichnete, als empirische Korrektur der bekannten Strahlungsgleichung und auch als „glücklich erratene Interpolationsformel“. Er fand die Lösung erst, als er sich zu einem Akt der Verzweiflung gedrängt sah und eine neue Konstante einführte, die er mit h (für „hilf“) bezeichnete. Er griff auf seine eigenen Arbeiten über die Entropie zurück, sowie auf Ludwig Boltzmanns Gasstatistik, und die Formel musste das gültige Wien´sche Verschiebungsgesetz λ∙T=const beinhalten. Um die Proportionalität zwischen der Energie E und der Frequenz herzustellen, setzte er E = hν, so dass er schließlich das endgültige Planck´sche Strahlungsgesetz erhielt:
Es enthält neben den variablen Größen Temperatur T und Frequenz ν drei fundamentale Naturkonstanten: die Boltzmann-Konstante kB, die Lichtgeschwindigkeit c und die ganz neue Konstante h, die später als das Planck´sche Wirkungsquantum bezeichnet wurde.
Die neue Formel – viel mehr als Kurveninterpolation. Planck war sehr befriedigt, dass er mit seinem mathematischen Modell mit der neuen Konstanten h die experimentell gefundene Spektralverteilung der Schwarzkörperstrahlung jetzt theoretisch sehr genau berechnen konnte. Aber er war sich noch nicht darüber im Klaren, dass er einen ganz großen Wurf gemacht hatte; er hatte nicht weniger als eine grundlegende Eigenschaft, die Quantennatur jeglicher elektromagnetischen Strahlung entdeckt. Die neue Formel war eine fundamentale Neuerung, nämlich die revolutionäre Quantenhypothese.
Bild 4. Die Planck´sche Strahlungsformel und die Ultraviolett-Katastrophe. Nach der Theorie von Rayleigh und Jeans müsste die Strahlungsleistung eines Schwarzkörpers bei kleinen Wellenlängen immer größer werden. Die Experimente ergaben ein ganz anderes Bild: bei kleinen Wellenlängen kleine Strahlung, dann Anstieg bei der jeweiligen Temperatur bis zu einem Maximum, danach wieder Abfall gemäß der alten Theorie.
Ausgehend von der verbesserten empirischen Strahlungsformel kam Planck innerhalb weniger Monate zu einem epochemachenden Ergebnis, es war die Geburtsstunde der Quantenphysik: Er musste sich selbst gegen seine eigene Überzeugung eingestehen, dass die Energieabgabe nicht kontinuierlich erfolgt, sondern nur in ganzzahligen Vielfachen von kleinsten „h“-Einheiten. Demnach wurde die Wärmeenergie von den Wänden des Hohlraums diskontinuierlich in Form von winzigen „Energiepäckchen“ der Größe E = h∙ν aufgenommen und abgegeben. Die Energie dieser „Quanten“ genannten Päckchen ist also proportional zur Frequenz der elektromagnetischen Strahlen, und, da die Lichtgeschwindigkeit gleich Frequenz mal Wellenlänge ist, ist die Päckchen-Energie umgekehrt proportional zur Wellenlänge: E = h∙c/λ.
Welle oder Teilchen? Obwohl hier von Frequenz und Wellenlänge die Rede ist, Begriffen, die der Wellennatur zueigen sind, mussten die Physiker nach einem gewissen Atemholen anerkennen, dass elektromagnetische Strahlung auch quantisiert sein kann wie im Falle des schwarzen Strahlers, d.h. aus einem Strom von Teilchen der Energieeinheit h∙ν besteht, den Lichtquanten oder Photonen. Quantenobjekte sind sowohl Teilchen und Wellen zugleich; aber man kann sie nicht richtig einem von beiden zuordnen, sie sind weder klassische Teilchen, noch klassische Wellen. Sie entziehen sich in ihrem Verhalten extrem unserem Vorstellungsvermögen in der „klassischen Welt“. Nach unserer Erfahrung gibt es doch nur ein entweder oder, aber in die Welt der kleinsten Teilchen reicht unsere Erfahrung nicht hinein, Quanten haben in bestimmten Experimenten Wellencharakter und in gewissen anderen Experimenten Teilchencharakter, wobei diese Wörter aus unserer Makrowelt stammen, die den Charakter der Quantenphänomene nur unzureichend beschreiben. Diese Winzlinge sind völlig anders, totaliter aliter, sie sind eben „Quantenobjekte“.
1900 – die Geburt der Quantentheorie. Planck hatte also die Ultraviolettkatastrophe abgewendet, hatte durch Kunstgriffe ein formal korrektes mathematisches Modell der Schwarzkörperstrahlung erstellt und musste dann zugeben, dass die Strahlung nicht kontinuierlich aus dem schwarzen Körper herauskommt, sondern in kleinen Energiepaketen, das ergab die tiefere Interpretation seiner Interpolationsformel eindeutig.
Am 14. Dezember 1900 stellte er auf der Sitzung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Berlin unter dem Vorsitz von Emil Warburg sein neues Strahlungsgesetz vor. Es gibt darüber nur ein mageres Protokoll über verstorbene und neu aufgenommene Mitglieder und zwei Zeilen zu M. Planck: Zur Theorie des Gesetzes der Energievertheilung im Normalspektrum. Aus dem Protokoll geht nicht hervor, welche Reaktion Plancks Vortrag bei den Anwesenden hervorruft. Es hätte doch ein enthusiastischer Aufschrei erfolgen müssen; denn an diesem denkwürdigen Tag ist die Quantentheorie geboren worden. Na ja, auch die Crème de la Crème der deutschen Physiker musste diese Neuigkeit erst mal sacken lassen und brauchte ein paar Jahre zur Verdauung, um sie als Revolution zu erkennen und anzuerkennen, dass es ab jetzt eine „nichtklassische Physik“ gab, die alles Dagewesene in den Schatten stellen sollte.
Planck glaubte, dass das lange gesuchte Strahlungsgesetz der Schlussstein der klassischen Physik sei; er wollte lange nicht wahrhaben, dass er in Wirklichkeit ein völlig neues Weltbild begründet hatte. Die Einsicht dämmerte ihm erst, als andere Forscher, wie z.B. Albert Einstein, mit ihren Erkenntnissen deutlich machten, dass dieser Schlussstein in Wahrheit das Gebäude der alten Physik zum Einsturz brachte.
Planck in der Reihe der großen Revolutionäre der Neuzeit. Es ging Max Planck nicht viel anders als Christoph Kolumbus, der endlich den lange vermuteten Seeweg nach Indien gefunden zu haben glaubte und dabei einen ganz neuen Kontinent entdeckte. Kolumbus fand das Ungedachte.
Auch Nikolaus Kopernikus trug mit seinem heliozentrischen Weltbild das alte geozentrische des Ptolemäus zu Grabe. Doch seine Zeitgenossen sehen es nur als mathematische Hilfskonstruktion an, um den Lauf der Planeten besser zu beschreiben. Später erkennen Galilei und seine Zeitgenossen mit Hilfe neuer Teleskope die physikalische Realität des neuen, großartigen Systems, bei dem die Sonne im Mittelpunkt steht. Kopernikus fand das Unglaubliche und Verbotene.
Charles Darwin hatte noch keine Vorstellung, wohin ihn seine genauen Beobachtungen der biologischen Vielfalt von Pflanzen und Tieren führten. Seine Evolutionstheorie, die auf der natürlichen Auswahl der am besten an ihre Umwelt angepassten Individuen basiert, kann nach langen Jahren der Forschung die Veränderlichkeit aller Arten erklären und hebt das alte von einem einzigen Schöpferakt ausgehende Weltbild aus den Angeln. Darwin fand das Unerhörte, das Verbotene.
Bild 5. Revolutionäre bescheren der Menschheit Paradigmenwechsel – nach ihrem Wirken ist nichts mehr, wie es vorher war: neuer Kontinent, neues Planetensystem, Maschinenkraft, Evolution, nichtklassische Physik, Relativitätstheorie, Quantenmechanik, Computer.
Max Plancks Entdeckung ist Teil der wissenschaftlichen Revolutionen der Neuzeit, die dem Menschen ungeahnten Fortschritt brachten und ihm völlig neue Horizonte hin in die Industrie-, Dienstleistungs-, Informationsgesellschaft und hin zur Blüte der Naturwissenschaften eröffneten. Die ihm aber auch einen Preis abforderten, weg von einem Leben in und mit der Natur, weg von alten Erfahrungen und Glaubensgrundsätzen und weg von dem Fundament, auf dem er sicher zu stehen glaubte. Sie entzauberten ihn und beendeten seine Überheblichkeit: Vor 470 Jahren degradierte ihn Nikolaus Kopernikus mit seinem Heliozentrismus zu einem kosmischen Randphänomen. Vor 230 Jahren machte James Watt mit seiner Dampfmaschine seine Muskelkraft überflüssig und bescherte ihm das Industriezeitalter. Vor 150 Jahren entriss ihm Charles Darwin mit seiner Evolutionstheorie die biologische Sonderrolle. Vor 100 Jahren nahm ihm Albert Einstein mit seiner Relativitätstheorie Raum, Zeit und Materie und zog ihm so den Boden unter den Füßen weg. Vor 90 Jahren raubte ihm Sigmund Freud mit seiner Psychoanalyse den eigenen Willen und machte ihn zum Sklaven seiner Triebe. Ab 1900, auf der Suche nach den kleinsten Teilchen der Materie, begründeten Max Planck, Albert Einstein, Niels Bohr, Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger & Co die Quantenmechanik, die die klassische Weltsicht von Ursache und Wirkung aufhob. Und vor 70 Jahren bewies Konrad Zuse, dass eine Maschine viel schneller und genauer rechnen kann als unser Gehirn. Armer Mensch! Vom Sockel gestoßene Krone der Schöpfung, entmündigt, enttäuscht, desillusioniert, außerstande, die Natur zu verstehen.
Schützenhilfe aus dem Berner Patentamt – von Albert Einstein. Noch vier Jahre nach der Veröffentlichung des neuen Strahlungsgesetzes waren sich Planck und seine Wissenschaftlerkollegen überhaupt nicht der Tragweite des fundamental Neuen bewusst. Sie hatten eben eine neue Formel, mit der man die Strahlungsverhältnisse richtig beschreiben konnte. Die Wende kam erst 1905 mit Albert Einsteins Lichtquantenhypothese, mit der die zentrale Rolle der Konstanten h für alles atomare Geschehen der kleinsten Teile der Materie etwas mehr ins Bewusstsein rückte. Einsteins messerscharfe Analysen machten klar, dass Plancks Strahlungsgesetz in einem unauflösbaren Widerspruch zu den Grundlagen der klassischen Physik steht. Aber auch danach dauerte es noch etwa ein Jahrzehnt, bis sich Plancks Quantenhypothese und ihre Implikationen für die gesamte physikalische Forschung durchsetzten.
Bild 6 und 7. Albert Einstein bewies 1905 mit dem fotoelektrischen Effekt die Quantennatur des Lichts. Licht trifft auf Metallplatte – Elektronen fliegen heraus. Dafür bekam er den Nobelpreis, nicht für die Entdeckung der Relativität.
Bild 8. Der fotoelektrische Effekt – was verbirgt sich dahinter? Die seltsamen Messergebnisse beim Herausschlagen von Elektronen bei Bestrahlung einer Metalloberfläche mit Licht können nur mit Plancks neuer Quantentheorie erklärt werden. Ein schöner Beweis, dass Licht auch aus Teilchen besteht. Einstein erklärte das Phänomen in seiner weltberühmten Arbeit Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichts betreffenden heuristischen Gesichtspunkt (Annalen der Physik 17, 1905).
Die erste Solvay-Konferenz 1911. Plancks revolutionäre Quantenhypothese rückte erst 1911 ins Zentrum der physikalischen Forschung, als Ernest Solvay, der belgische Großindustrielle und Wissenschaftsförderer die führenden zeitgenössischen Physiker nach Brüssel einlud, um über die Konsequenzen des Strahlungsproblems zu diskutieren. Die bekanntesten Teilnehmer waren Planck, Nernst, Sommerfeld, de Broglie, Rutherford, Lorentz, Warburg, Wien, Mme. Curie, Kamerlingh Onnes. Man fand dort keine Lösung für das Problem des Versagens der klassischen Theorie. Einstein sagte: Der Kongress sah einer Wehklage auf den Trümmern Jerusalems ähnlich. Aber die Quantenhypothese erschien ihnen jetzt als ein zentrales Problem physikalischer Forschung. Die offenen Fragen wurden in den Instituten weiter diskutiert, und eine jüngere Physikergeneration wurde an die neue Quntentheorie herangeführt. So gelobte Louis de Broglie, sich mit aller Kraft zu bemühen, die Natur der geheimnisvollen Quanten zu verstehen. Doch viele Physiker standen der Einstein´schen Lichtquantenhypothese äußerst kritisch gegenüber und wollten die bewährte Maxwell´sche Wellentheorie nicht aufgeben. Planck hielt dem entgegen, dass man auch in der exaktesten Naturwissenschaft keine Neuerung erreicht, wenn man nicht ein Risiko eingeht.
Die nichtklassische Physik auf dem Vormarsch. Die Quantentheorie ging im Laufe der folgenden Jahre über alle Bedenken und intellektuellen Vorbehalte hinweg, und alle Versuche, die gemachten Beobachtungen auf die alte klassische Weise zu reinterpretieren, schlugen fehl. Es zeigte sich auch bald in viel stärkerem Maße, dass unser „gesundes Vorstellungsvermögen“ mit dem sehr skurrilen Verhalten der Quanten die größten Schwierigkeiten bekam. Elektronen im Doppelspalt, die Unschärferelation, die kollabierte Welle, Schrödingers Katze, die Verschränkung, Quantenteleportation … alle diese Phänomene waren und sind eine große Herausforderung für die Wissenschaftler, die mit der Realität der kleinsten Teilchen haderten und krampfhaft nach Interprätationen suchten. Die Quantentheorie ging bald in die Hände der jüngeren Generation über, die sie dann in die Quantenmechanik in ihrer heutigen Form überführte, die mit ihren überaus zahlreichen Anwendungen unser gesamtes Leben zu beeinflussen begann.
Zu allem hatte Planck im Jahr 1900 unbeabsichtigt eine Lawine losgetreten, die sich zum mächtigen Strom der nichtklassischen Physik entwickelte, deren Geburtsstätte das Institut für theoretische Physik an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin war.
Bild 9. Max Planck in den 1920ern, auf dem Höhepunkt seiner Karriere.
Max Planck – Zentralfigur der Physik. In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg wurde Planck aufgrund seiner Erfolge in der Wärmestrahlungstheorie zu einer Zentralfigur der Physik, zu einem Repräsentanten der deutschen scientific community und übernahm so die Rolle, die einmal der 1894 gestorbene Hermann von Helmholtz inne hatte. Er praktizierte zunehmend Verantwortung für die Gesamtwissenschaft aus seinem preußischen, protestantisch geprägten Arbeitsethos heraus. Er hatte die Verantwortung für die Annalen der Physik, der international führenden Physikzeitschrift, herausgegeben von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Für das Studienjahr 1913/14 wurde er zum Rektor der Friedrich-Wilhelms-Universität gewählt. Das war mit großem Ansehen und gesellschaftlichem Einfluss verbunden, galt sie doch als die größte und erste Universität Deutschlands. Die Professorenschaft war konservativ und reichstreu und dem Haus Hohenzollern loyal verbunden. Auch Planck war bei Kriegsausbruch 1914 begeisterter Patriot, wie so viele seiner Landsleute. Den verlorenen Krieg und die Abdankung des Kaisers empfand er als nationales Unglück. Aber er war Realist genug, nach dem Krieg für die Wiedereingliederung des boykottierten Deutschland in die internationale Wissenschaftsgemeinschaft zu kämpfen. Seine wissenschaftlichen Pioniertaten wurden 1920 mit dem Nobelpreis für das Jahr 1918 belohnt, für das Verdienst, das er sich durch die Entdeckung der Elementarquanta um die Entwicklung der Physik erworben hat. Der deutsche Botschafter meldete aus Stockholm: Die Nobelpreisverleihung und die sich anschließenden Feierlichkeiten trugen den Charakter einer Huldigung für die deutsche Wissenschaft. Balsam für die deutsche Seele in einer Zeit der Ächtung und Isolierung. Unermüdlich warb Planck für Kontakte und die Wiederaufnahme der internationalen Wissenschaftsbeziehungen, waren doch Größe und Leistungskraft der deutschen Wissenschaft ungebrochen.
Wie verhielt sich Planck im Dritten Reich? Ab 1933 brach die Dunkelheit der Kulturbarbarei und der Menschenverachtung über Deutschland herein. Das Verbrecherkartell lullte die Deutschen mit Schalmeientönen ein, um sie dann in einen mörderischen Krieg zu zwingen. Es ging angeblich um die Wiedererringung der nationalen Größe und um die Reinigung der „arischen Rasse“, die noch niemals „rein“ war, solange Mitteleuropa besiedelt wurde. Die Deutschen waren immer ein Mischvolk, wie sollte es in der Mitte Europas, dem Durchzugsgebiet zahlreicher Völkerscharen, auch anders sein. Die Deutschen folgten dem Rattenfänger in großer Mehrzahl und rannten wie die Lemminge auf den Abgrund zu, nicht nur auf den ihrer eigenen Vernichtung, sondern auch auf eine moralische und ethische Katastrophe, wie sie in Europa noch niemals in der Geschichte stattgefunden hatte.
Max Planck, der Großmeister der Physik, war ab 1930 auch der Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), der bedeutendsten und größten außeruniversitären Forschungseinrichtung in Deutschland. Er war ab 1933 nicht frei von Fehleinschätzungen, verband er doch zu Anfang mit der neuen Ära Hoffnungen auf neues Selbstbewusstsein und neuen Aufschwung der deutschen Wissenschaft. Seine Hoffnungen zerschlugen sich sehr bald, als die antisemitischen Ausschreitungen sich nicht nur als Übergangserscheinungen zeigten. Für Planck begann eine Gratwanderung zwischen Anpassung und Auflehnung. Als Einstein gegen die Akte brutaler Gewalt protestierte, war die Akademikerschaft der Meinung, dass er sich als Wissenschaftler unberechtigterweise in die Politik eingemischt habe und in der Preußischen Akademie der Wissenschaften zur persona non grata erklärt werden und das Gremium verlassen müsse. Einstein kam diesem Schritt zuvor. Planck lavierte, wollte in jedem Fall Schaden von der Akademie abwenden, fand anerkennende Worte für Einstein, den er mit Kepler und Newton verglich. Für Einstein jedoch zählte die eilfertige Angepasstheit seiner Kollegen zu den schmerzlichsten Erfahrungen seines Lebens. Seinem Mentor und väterlichen Freund Planck warf er vor, der vermeintlichen Rettung der deutschen Wissenschaft wegen, sich von den Nazis instrumentalisieren zu lassen. Das unsolidarische Verhalten gegenüber Einstein war zweifellos der Sündenfall der Akademie der Wissenschaften. Warburg sagte, alle Akademie-Mitglieder hätten zurücktreten müssen, dann wären weitere antijüdische Maßnahmen unter den Wissenschaftlern im Keim erstickt worden, und Warburgs Schwester schreibt: Warum lässt es sich Planck gefallen, dass aus der KWG Leute ohne Begründung einfach von heute auf morgen herausgesetzt werden, warum geht er gebückt einher und jammert und klagt?
Planck wollte in jedem Fall die deutsche wissenschaftliche Führungsrolle aus allen politischen Turbulenzen heraushalten. 1933, nach einem Besuch beim „Führer“ verkündete Plack auf der Jahresversammlung der KWG im Harnack-Haus in Berlin-Dahlem, dass die Regierung die wissenschaftliche Forschung für das Gedeihen des Vaterlandes voll anerkenne und sie so ausstatte, wie es ihre Gelehrtenarbeit erfordere. Das war eine Illusion. Die Hetze gegen jüdische Mitglieder der Akademie und der KWG gingen weiter. Die Schonfrist war 1937/38 zu Ende, als der Auschluss jüdischer Mitglieder angeordnet wurde. Für Planck war das eine sehr schwierige und persönlich berührende Angelegenheit. Er benachrichtigte die Betroffenen schon vor dem Ministerialerlass und legte ihnen den „freiwilligen“ Rücktritt nahe. Als 1938 das neue Kaiser-Wilhelm-Institut (mit Geldern der Rockefeller-Stiftung!) eingeweiht und der Name „Max-Planck-Institut“ vorgeschlagen wurde, machten die Scharfmacher unter den Nazi-Wissenschaftlern, besonders Johannes Stark dagegen mobil, bezeichneten Quanten- und Relativitätstheorie als „jüdische Physik“, gegen die sich die „deutsche Physik“ durchsetzen müsse und nannten Planck und Heisenberg „weiße Juden“.
Für Planck wurde die Situation immer unerträglicher, für ihn war kein Platz mehr in einer gleichgeschalteten Akademie, weil es ihm an reiner Gesinnung und gutem Willen gegenüber der Nazi-Ideologie mangelte. 1939 zog er sich resigniert aus der Preußischen Akademie der Wissenschaften zurück, als ein strammer Nazi zum Präsidenten gewählt wurde. Aus vielen Vorträgen, die er hielt, wurde deutlich, dass er auf deutliche Distanz zum Nazi-Regime ging. Seine tiefe Religiosität spielte dabei eine große Rolle. Er betonte die Bedeutung christlicher Werte für das Handeln der Menschen und stellte die Werte des Christentums dem Ungeist der NS-Herrschaft gegenüber. Vor Verfolgung schützte ihn seine Prominenz und sein internationales Ansehen.
Die Tragik – sein Sohn Erwin Planck. Es kam für ihn aber noch ganz schlimm. Sein Sohn Erwin, sein engster Vertrauter und bester Freund, war zuerst Offizier, dann Politiker vor 1933, dann Wirtschaftsberater, kam um 1940 in Kontakt zum Widerstandskreis Goerdeler und damit zu den Verschwörern des 20. Juli 1944. Diese hatten ihn auf eine Schattenkabinettsliste gesetzt, was zu seiner Verhaftung und Verurteilung zum Tode führte, obwohl er an der Planung und Durchführung des Attentats überhaupt nicht beteiligt war. Sein Name stand lediglich auf einer Liste potenzieller Regierungsmitglieder.
Der 86-jährige Max Planck machte sich auf zum „Führer“, um für seinen Sohn um Gnade und Umwandlung in eine Freiheitsstrafe zu bitten. Dies solle ein Dank des deutschen Volkes sein für Plancks Lebensarbeit, die ein unvergänglicher geistiger Besitz Deutschlands geworden ist. Sein Gnadengesuch wurde vom GröFaZ entrüstet abgelehnt, alle unverantwortlichen Elemente müssen ohne Ansehen der Person aus dem Volkskörper ausgemerzt werden. Am 23. Januar 1945 wurde Erwin in Berlin-Plötzensee ermordet. Mein Schmerz ist nicht mit Worten auszudrücken. Ich ringe nur um die Kraft, mein zukünftiges Leben sinnvoll zu gestalten, schrieb sein Vater an seinen Kollegen Sommerfeld.
Bild 10. Erwin Planck vor dem „Volksgerichtshof“. Blutrichter Freisler fällt die willkürlichen Urteile nach dem „gesunden Volksempfinden“. Max Planck konnte seinen Sohn nicht retten. Bild 11. Ein Bild aus besseren Zeiten, 1938 mit seinem Sohn Erwin auf Bergtour.
Wie ging es nach 1945 weiter? Im Februar fiel Plancks Haus in Berlin-Grunewald einem Bombenangriff zum Opfer, seine Bibliothek, seine unersetzlichen wissenschaftlichen Aufzeichnungen, Tagebücher und Briefe wurden ein Raub der Flammen. Dramatisch waren auch die letzten Kriegstage in der Altmark, Evakuierung, Notunterkünfte, eine Tortur für den 88-Jährigen. Im Mai 1945 brachte ihn und seine Frau Marga ein amerikanischer Offizier in einem Jeep nach Göttingen, wo sie im Haus seiner Nichte eine Bleibe fanden. Die Bedingungen waren harsch, Hunger, Kälte und ganz beschränkter Wohnraum. Gegen den Hunger halfen Care-Pakete aus Amerika, die den berühmten Mann erreichten. Durch Vermittlung von einem Freund bekam Planck eine Fuhre Koks, danke für den Koks, der kam wie eine Gottesbotschaft vom Himmel, schrieb er.
Als die KWG 1945 führerlos wurde, trug man ihm nochmals als Interregnum das Amt des Präsidenten an. Es bedeutete für ihn eine große Bürde, aber er konnte mit seiner Autorität Angriffe wegen der Kollaboration mit den Nazis abwehren und die Zerschlagung verhindern. Im April 1946 trat dann Otto Hahn das Präsidentenamt an. Ein Fortbestehen der Gesellschaft in der britischen Zone konnte nur durch eine Namensänderung ermöglicht werden. Mein aufrichtiger Dank für die Ehrung, schrieb er, als der neue Name „Max-Planck-Gesellschaft“ gewählt wurde. ….sie möge die Tradition der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft fortsetzen und sie möge in Unabhängigkeit von den Strömungen der Zeit nur der Wahrheit der Wissenschaft dienen. Er wurde als einziger Deutscher nach London zu einem Jubiläum der Royal Society, deren Mitglied er seit 1926 war, eingeladen und machte noch eine Reihe von Vortragsreisen in Deutschland trotz seines hohen Alters.
Der große Gelehrte war auch ein großer Bergsteiger. Noch mit 80 Jahren machte er schwierige Bergtouren, die ihn in Höhen bis zu 3000 m führten. Einer streng geregelten Lebensweise verdankte er seine erstaunlich geistige und körperliche Frische bis ins hohe Alter.
Im August 1947 stürzte er schwer und erholte sich davon nicht mehr und starb am 4. Oktober. Es wurde eine würdevolle Trauerfeier in der Albanikirche in Göttingen. Max von Laue und Otto Hahn hielten bewegende Ansprachen, und der Sarg wurde von Physikstudenten aus der Kirche getragen. Albert Einstein fand trotz der bedrückenden Ereignisse von 1933 per Brief versöhnliche Worte (er hatte ja Deutschland nie wieder betreten): die vielen Gespräche mit ihm werden für den Rest meines Lebens zu den schönsten Erinnerungen zählen. Eindrucksvoll war auch die Feier zu Plancks 90. Geburtstag im April 1948, als der Mythos Planck endgültig geboren wurde: sein wissenschaftliches Werk und das Vorbild seiner Persönlichkeit.
Bild 12. Sie brachten das traditionelle Weltbild der Physik gründlich durcheinander, die beiden Großmeister der nichtklassischen Physik: Max Planck „entdeckte“ sie im Jahr 1900, Albert Einstein im Jahr 1905. Wann wird es die Vereinigung beider Theorien, die „Quantengravitation“ geben?
Bild 13. Gedenktafeln, Postwertzeichen, Münzen – der Ehrungen für diesen großen Mann sind viele. Sogar das Wirkungsquantum h fand auf eine Briefmarke.
Das mit dem 1947 geplanten Denkmal, mit dessen Anfertigung Bernhard Heiliger betraut wurde, ging schief. Die kommunistische Führung in der Ostzone versagte die Aufstellung in der Humboldt-Universität (der neue Name der Friedrich-Wilhelms-Uni), weil die abstakte Skulptur nicht mit dem Kunstverständnis des sozialistischen Realismus vereinbar war. Die Figur stand bis 2006 in Zeuthen südlich von Berlin und kam dann in den Ehrenhof der Uni. 1958 kam es tatsächlich zu einer gesamtdeutschen Feier zum 100. Geburtstag in West- und Ost-Berlin; da schoss das ostdeutsche Regime schon wieder einen Bock im „Neuen Deutschland“: Allein die Arbeiterklasse, die den Frieden der Welt verteidigt, hat das Recht, den großen Naturforscher Max Planck zu feiern. Die Bourgoisie hat das Recht verwirkt. Was Planck geschaffen hat, kann der Kapitalismus nicht mehr verarbeiten.
Bild 14. Bernhard Heiligers Planck-Skulptur von 1950 entfachte Kontroversen. Jetzt steht sie im Ehrenhof der Humboldt-Universität.
Plancks wissenschaftliches Werk wurde zum Auslöser einer physikalischen Revolution, die das Zeitalter der nichtklassischen Physik einleutete und ein neues Weltbild begründete. Seine Quantenhypothese wurde die Grundlage fortgeschrittenster Technologien, wie z.B. Mikroelektronik, Laser- und Nanotechnik. Ohne das magische Planck´sche Wirkungsquantum h läuft auf diesen Gebieten gar nichts. Was sagte sein Schüler Max von Laue? Solange es eine Naturforschung gibt, wird Plancks Name unvergessen sein.
Planck, der erste Quantenmechaniker und Einstein, der erste Lichttechniker. Max Planck war der erste „Quantenmechaniker“, der als Mechaniker der alten Schule anfing, tief verwurzelt in Newtons Mechanik und Maxwells Elektrodynamik. Deren Schubladen enthielten entweder nur Korpuskeln oder nur Wellen, Dinge mit Masse und Dinge ohne Masse, d.h. Lichtstrahlen. Newton hatte das uralte Rätsel gelöst, warum Äpfel vom Baum fallen, wodurch die Astronomen die Bewegung der Himmelskörper voraussagen konnten. Und Maxwell beschrieb die Gesetze der Lichtwellen, die sich durch den Äther bewegen. Newtons Schwerkraftgesetz regiert die Massen, Maxwells Elektrodynamik regiert die Wellen. Planck verschmolz beide Theorien an ihrer Grenzfläche. Seine Formel löste das Geheimnis der Wärmestrahlung durch die hypothetische Annahme, dass das Licht aus winzigen Körpern bestehen muss, die die Wärmequelle in abgehacktem „Geknatter“, natürlich lautlos, verlassen und nicht in einem gleichmäßig dahinfließenden Strom. Das war lange bevor man wusste, dass Atome aus Kern und Elektronen bestehen, Atome wurden noch für amorphe Klumpen gehalten. Dass etwas so Nahtloses wie Licht als eigenständige Massen betrachtet werden muss, wenn es mit Materie interagiert, war eine gewagte Annahme, die sich aber als Schlüssel zum Schwarzkörperproblem herausstellte. Es gab keinen anderen Weg, das Verhalten zu erklären.
Um die Zeit der Planck´schen Erkenntnisse erschien ein anderer junger deutscher Physiker auf der Bühne. Sein elastischer Geist umfasste etwas, womit selbst Planck Schwierigkeiten hatte, es zu akzeptieren und zu verallgemeinern. Einstein nahm Plancks Lehrsätze und erklärte damit scheinbar mühelos den fotoelektrischen Effekt – warum blaues, aber nicht rotes Licht Metalle anregen kann, elektrischen Strom zu leiten. Es widersprach jeglichem Normalgefühl, dass das intensivste rote Licht nicht erreichte, was das matteste blaue Licht konnte. Er erklärte, dass nur blaues Licht energiereich genug ist, Elektronen aus dem Metall herauszuschlagen; alles infolge von E=hν. Planck brauchte Einsteins Stimulus, um vollkommen zu realisieren, was er getan hatte. War beides einen Nobelpreis wert? Na klar! Wenn nicht hierfür, wofür dann?
Arnold Sommerfeld, ein Gelehrter von internationalem Ruf und naher Freund Plancks, der wegen seines Eintretens für die Planck-Einstein´sche Theorie während der Nazizeit seinen Lehrstuhl an der Uni München verlor, schrieb 1947 als Nachruf auf Max Planck: Die Bedeutung der Konstanten h liegt darin, dass sie, mit der Strahlungsfrequenz multipliziert, die kleinste Einheit der Energie für die betreffende Frequenz liefert. Wie die Materie aus den Atomen des betreffenden Stoffes zusammen gesetzt ist, so hat auch die Energie eine Art atomistischer Struktur. Dies war eine für die damalige Physik unerhörte und unglaubliche Tatsache.
Auch viele von Plancks Zeitgenossen waren Zweifler. Planck sagte dazu: Eine neue wissenschaftliche Wahrheit setzt sich nicht in der Weise durch, dass ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern vielmehr dadurch, dass ihre Gegner allmählich aussterben und dass eine neue Generation heranwächst, die von vornherein mit der Wahrheit vertraut ist.
Was wurde aus Plancks Quantentheorie?
Bildnachweis
Bild 1: Wikipedia, Urheber unbekannt, gemeinfrei. Bild 2: Wikipedia, gemeinfrei. Bild 3 und 4: eigene Skizzen und Text, Bilder aus Website BA Gera. Bild 5, oben: Schutzfristen abgelaufen, gemeinfrei; unten, v.l.n.r.: Planck eigenes Foto v. Ölgemählde; Einstein public domain; Heisenberg Bundesarchiv Bild183-R57262, CC-BY-SA Unported 3.0; Zuse Eigenes Foto am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011. Bild 6: public domain. Bild 7: Wikipedia, Urheber Ferdinand Schmutzer, Schutz abgelaufen. Bild 8: Eigene Skizze und Text, Grundlage: S. Arroyo Camejo: Skurrile Quantenwelt, Springer, 2006. Bild 9: Courtesy of the Clendening History of Medicine Library, University of Kansas Medical Center, CC-BY-SA Unported 3.0. Bild 10: aus der Website Viet Sciences. Bild 11: Wikipedia, Schutzfrist abgelaufen. Bild 12: links eigenes Foto v. Ölgemählde, rechts Wikipedia, public domain. Bild 13: links oben Wikipedia, Urheber Axel Mauruszat, gemeinfrei, Rest public domain. Bild 14: Wikipedia, Urheber Mutter Erde, gemeinfrei.