Fritz Haber - Jugend und Werdegang

Er lernte gerne Gedichte auswendig

Bild 1. Das früheste Foto vom kleinen Fritz.

Schon früh nervt er mit kniffligen Fragen. Seine Mutter überstand seine Geburt nicht. Da sein Vater viel Arbeit in seinem erst gegründeten Farbengeschäft hatte, kümmerten sich mehrere Tanten um den kleinen Fritz. Er verblüffte sie schon in früher Kindheit mit verzwickten Fragen, die sie ihm nicht beantworten konnten. Daher war das aufgeweckte Kind oft im Hause seines Onkels Hermann. Die Familie war jüdisch, wenngleich nicht sehr religiös. In Breslau besuchte er das Johanneum, eine Vorschule zum Gymnasium. Es war eine sehr fortschrittliche, der Toleranz verpflichtete Schule, wo katholische, evangelische und jüdische Schüler dazu erzogen wurden, einander auf Augenhöhe zu begegnen. Verständnisvoller Umgang, liberaler Geist und fehlender preußischer Drill an dieser Schule prägten den Schüler Haber. 1879, also mit elf Jahren wechselt er auf das humanistische Elisabeth-Gymnasium. Er war ein wilder, übermütiger, sportlicher Schüler, der gerne lief, Ball spielte und ruderte. Groß geschrieben wurde an der Schule die Beschäftigung mit Griechisch und Latein sowie die deutsche Klassik. Bei soviel schöngeistigem Lernen ist es doch sehr verwunderlich, wie er seine Vorliebe für die Naturwissenschaften, die Mathematik und besonders die Chemie entdeckte, obwohl es im Unterricht keine chemischen Experimente gab. Die machte er dann zu Hause, oftmals unter viel Gestank und mit versengter Kleidung. Vater verbot ihm das, aber Onkel Hermann gestattete ihm Versuche in einem Lagerraum. Die Weichenstellung vom Trojanischen Krieg zur Chemie blieb einigermaßen rätselhaft.

Abitur in Breslau und dann ab nach Berlin! Nach dem Abitur mit 17 Jahren, das er zu seiner Enttäuschung nur mit einem "cum laude" abschloss (weil der Latein-Aufsatz daneben ging), bummelte er noch ein Weilchen in Breslau herum, wollte dann aber auf die Berliner Uni. Dem widersetzte sich sein Vater, der einen Nachfolger in seinem Geschäft sehen wollte. Fritz musste daher erstmal als Volontär nach Hamburg. Nach drei Monaten waren seine Eindrücke derart negativ, dass er nach Hause zurückfuhr. Mit Hilfe des Onkels und der Stiefmutter gelang es tatsächlich, den authoritären Vater umzustimmen. Also auf zur Friedrich-Wilhelm-Universität nach Berlin! Mit dem Wintersemester 1886/87 ging es los. Die Institute von Emil Fischer und Hermann von Helmholtz, dem Universalisten, die Verbindung zwischen Lehre und Experiment waren sehr wohl nach Fritz Habers Geschmack.

Bild 2. Mit dem Doktor-Titel in der Tasche, Fritz Haber 1891.

Seine humanistische Vorbildung weckte auf der Uni weiterhin ein starkes Interesse für die Philosophie. Kants Kritik der reinen Vernunft, Fichtes Dialektik, Schellings Kunstphilosophie... diese Vorlesungen besuchte er mit wachem Geist, gaben sie ihm doch die Gewissheit, dass er sich ganzheitlich formte (Anmerkung des Website-Autors: Auf der TU Berlin nach dem Krieg waren vier humanistische Prüfungen zum Vordiplom vorgeschrieben, das verhinderte eine verengte Weltsicht der späteren Ingenieure. Leider haben die 1968er diese schöne Regel wieder abgeschafft). Heute ist eine Verbindung zwischen einem Ingenieur- und einem geisteswissenschaftlichen Studium die ganz große Ausnahme.

Zwischenspiel in Heidelberg, Militärdienst in der Mark Brandenburg, Doktorarbeit. Schon nach einem Semester ging Haber nach Heidelberg, wo der berühmte Robert Bunsen eine mächtige Anziehungskraft auf Chemie-Studenten ausübte. Neben Chemie und Mathematik besuchte er wieder viele Philosophie-Vorlesungen, nahm intensiv am studentischen Leben teil, an anregenden literarischen, philosophischen Diskussionen. Sein freundliches Wesen, seine Hilfsbereitschaft anderen gegenüber beeindruckte seine Freunde und Kommilitonen. Drei Semester Heidelberg, dann wieder zurück nach Berlin, diesmal an die Technische Hochschule Charlottenburg. 1889 dann ein einjähriger, freiwilliger Militärdienst. Er hatte einen Hang zum Soldatischen, aber die Langeweile des Soldatenlebens zerrte mächtig an ihm. 1891 promovierte er auf dem Gebiet der Indigo-Synthese, verdarb sich jedoch seine Abschlussnote, weil er die Frage nach der Bestimmung des Widerstandes von Elektrolytlösungen nicht beantworten konnte. Also war wieder etwas daneben gegangen. Die Prüfung fand in der philosophischen Fakultät der Berliner Uni statt (die TH hatte noch kein Promotionsrecht); daher wurde er auch in Philosopie geprüft mit einer Note "sehr gut". Der Dr. phil. wurde im Freundeskreis ausgiebig gefeiert.

Adé, du schöne Studentenzeit! Er ist 22, das freie, unabhängige Leben ist zu Ende.Er ist wieder zu Hause in Breslau. Sein Vater: Lieber Sohn, du hast nun auf meine Kosten all die schönen Theorien studiert, nun wird es Zeit, sich der Praxis zuzuwenden, schau dir in Chemiefirmen die betrieblichen Abläufe an, erwirb dir Kenntnisse, die du als mein Nachfolger bitter nötig hast! Was sollte Fritz machen? Er verdiente ja nicht eine Mark. Aber er fand die schlecht bezahlten Volontär-Stellen, die ihm Vater vermittelt hatte, gar nicht so unattraktiv, er kannte zwar Kant und Fichte, hatte aber von chemisch-technischen Verfahren keinerlei Ahnung. Erste Station: Eine Brennerei in Budapest, in der Pottasche hergestellt wurde. Zweite Station: Eine österreichische Ammoniaksoda-Fabrik in Galizien. Dritte Station: Eine Zellstofffabrik in Deutschland. Haber stellte fest, dass er keine Kenntnisse über technische, betriebswirtschaftliche und finanzielle Abläufe hatte und dass es nötig sei, eine chemisch-technische Lehranstalt zu besuchen.

Zwischen Vater und Sohn stimmt die Chemie nicht - Fritz` Entscheidung für die Forschung in der Chemie. Sein Vater stimmte einem Semester an der Polytechnischen Schule (der späteren ETH) in Zürich zu. Haber lernte dort von erstklassigen Professoren die industrielle Chemie. Danach musste er in die väterliche Firma zurück. Er war mit dem Einkauf der Waren befasst und sah, dass der Markt für die Farbstoffchemie sehr starken Schwankungen unterworfen war, so dass man flexibel reagieren musste. Es blieb nicht aus, dass er öfter mit seinem Vater aneinander geriet, da die Charaktere doch zu unterschiedlich waren. Vater und Sohn sahen ein, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit im Geschäft nicht weiter möglich war. Der Sohn fällte die endgültige Entscheidung für eine akademische Laufbahn. So ging er nach Jena und wurde dort Mitarbeiter im chemischen Institut der Universität, die in beträchtlicher Weise von Ernst Abbe und seiner Carl-Zeiss-Stiftung finanziell unterstützt wurde (s. Kap. "Die moderne Optik" in dieser Website). Sein Hauptthema wurde die Physikalische Chemie. Die Professoren Knorr und Straube waren seine Lehrmeister, von denen er sehr viel profitierte. Und noch eine Entscheidung traf er in Jena, den Übertritt zum evangelischen Glauben. Es gab um 1900 herum viele ausgezeichnete deutsch-jüdische Wissenschaftler, denen aber höchste akademische Karrieren wegen ihrer Glaubenszugehörigkeit verwehrt blieben. Es gab auch schon Beleidigungen und krasse Ungerechtigkeiten. Eine innere Überzeugung lag diesem Schritt sicherlich nicht zugrunde, man muss aber Verständnis haben für diesen aufstrebenden jüdischen Wissenschaftler, der sich diesen Beschränkungen durch eine wahnwitzige Rassenideologie nicht unterwerfen wollte.

1894 brach er seine Zeit in Jena ab und versuchte sich an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Es war schwer, zuerst eine Assistentenstelle zu bekommen, dann ein passendes Arbeitsgebiet, dann eine Habilitationsschrift, die ihm weitere Sprünge nach oben ermöglichte. Aber er biss sich durch, und der Bewegliche sollte dort nach den Wanderjahren seinen Platz in der physikalischen Chemie finden, ohne Hilfe von außen, ohne Lehrer - als Autodidakt. Die Bahn war frei für seine große Erfindung, die Ammoniaksynthese, die nach langen Entwicklungsjahren für die Hälfte der Weltbevölkerung Brot aus Luft machen sollte.

 

Die Ammoniaksynthese - die ganze Geschichte

 

Bildnachweis

Bild 1, 2: Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin.