Was müssen wir tun, um die Zukunft nicht zu verspielen?

So viele Erfindungen - was ist aus ihnen geworden?  In der Kindheit der Erfinder musste der Zug erst mal angestoßen werden, in Schule und Hochschule die richtige Weichenstellung erfahren durch Vermittlung des praktischen und geistigen „Handwerkszeugs“. Dann kam der Zug auf die freie Strecke, wo er Geschwindigkeit aufnahm, die Ideen zum faktischen Erfolg führend. War die Erfindung zukunftsträchtig, kommt es zu weiteren Weichen, die das Schienennetz verzweigen, erfinderische Ingenieure entwickeln neue Produkte, das Grundprinzip des alten beibehaltend, aber mit neuen, dem Stand der Technik angepassten Innenteilen.

Die beschriebenen  deutschen Erfindungen durchliefen unmittelbare Weiterentwicklungen, zuerst mit großen Schritten, dann immer kleineren, weil man sich bei jedem speziellen technischen Gerät einer natürlichen Sättigungsgrenze nähert. Es erfordert eben nicht so große Anstrengungen, den Wirkungsgrad des Dieselmotors von 25 auf 35% zu erhöhen, aber es benötigt ungleich mehr Gehirnschmalz, eine Verbesserung von 50 auf 52% zu erzielen.

So wurde aus Abbes Lichtmikroskop Ruskas Elektronenmikroskop und daraus das Rastertunnelmikroskop. Aus Hülsmeyers hölzernem Radarkasten entsprang eine Vielzahl von Anwendungen, die modernen Nutzungen von Röntgens X-Strahlen gehen weit über die Medizin hinaus und sind gar nicht mehr zu zählen. Aus Borsigs Dampflokomotive wurde der Triebkopf des ICE. Aus einem Zug sind zahllose Züge geworden. Nur Strohfeuer oder Nachhaltigkeit? Alle beschriebenen Erfindungen und Entdeckungen erwiesen sich als äußerst nachhaltig, z.B. Telefon, Motoren, Autos, Flugzeuge, Raketen. Einige haben ihren natürlichen Lebenszyklus, der aller Technik innewohnt, nach 60 bis 100 Jahren erreicht und Nachfolge-Technologien Platz gemacht, z.B. Dampfloks, Setzmaschine, VW-Käfer; andere dagegen sind erst richtig noch im Kommen, wie z.B. die Quantenmechanik, die sich als wahres Füllhorn erweist und z.Z. derart viele Produkte hervor bringt, dass uns noch die Augen übergehen werden, z.B. in der Nano- und Informationstechnologie, der Werkstofftechnik. Andere deutsche Erfindungen erwiesen sich als ausgesprochen evolutionsfreudig und haben im bisherigen Verlauf ihres Bestehens immer neue, erstaunliche Weiterentwicklungen hervorgebracht, wie z.B. Otto- und Dieselmotoren, die stetig weiter entwickelt werden mit immer besserer Energieausnutzung, oder das Düsentriebwerk, von dem jetzt die dritte Generation das Licht der Welt erblickt hat.

Was müssen wir für die Zukunft tun? Welches sind die Voraussetzungen, damit es weitergeht mit dem technologisch-industriellen Grundstock unserer Volkswirtschaft? Zunächst muss die Jugend selbst ihre Hausaufgaben machen. Aber sie muss geführt werden von Elternhaus, Schule, Umfeld, Industrie, die allesamt den Bedarf erkennen müssen. Insbesondere muss die staatliche Bildungspolitik die Probleme analysieren, Beschlüsse zu deren Behebung fassen, die Umsetzung streng überwachen, nach einer Zeit x den Erfolg kontrollieren.

Was muss das Elternhaus tun? Die Eltern müssen die etwas zu lax gewordene Erziehung wieder etwas straffer gestalten. Sie müssen mit Liebe, aber mit Nachdruck der alten Philosophie wieder Geltung verschaffen: Lernen, Wissen, Bildung, ohne die läuft nichts in unserem Rohstoff armen Land. Schulabbruch, Hilfsarbeiter, Hartz IV-Empfänger… welche aufregende Perspektive und welche Vergeudung menschlicher Intelligenz! Heute wird von staatlicher Seite verkündet, die Kinder aus dem armen Großstadtmilieu haben keine Chance auf Bildung, sie seien a priori schon auf der Verliererstraße. Diese Feststellung muss in Zweifel gezogen werden. Wie wir gesehen haben, hatte der Großteil der Erfinder sehr arme Eltern, die bildungsfern waren und vielfach mit Unverständnis Ideen und Basteleien ihrer Kinder ansahen und sie sogar davon abbringen wollten. Trotzdem sind die Kinder ihren Weg gegangen. Worin besteht der Unterschied zu heute? Arme, bildungsferne, renitente Eltern…damals wie heute kaum Unterschiede. Doch, einen gibt´s: Vor 100 Jahren und mehr gab es kein soziales Netz, das Leute ohne Ausbildung auffing. Fehlt also heute der Antrieb zum Lernen, weil Schulabbrecher auf Sozialleistungen hoffen können, die ihnen fast genau so viel einbringen wie Hilfsarbeiter-Jobbing?  Wenn das so ist, sollten die Behörden genau da ansetzen: Motivation der Eltern und Kinder, notfalls mit sanfter Gesetzesgewalt. Wir können es uns nicht leisten, eine ganze Schicht für Lernen, Wissen, Bildung verloren zu geben. Wird zu wenig gelernt, gehen die Erträge des technisch-industriellen Grundstocks zurück und damit automatisch die Fähigkeit, Sozialsysteme zu finanzieren. Der Regelkreis ist unbestechlich, rigoros und verzeiht nichts. Es ist schon grotesk, dass unser Sozial-Budget sieben mal so groß ist wie die staatlichen Aufwendungen für die Bildung.

Was muss die Schule tun? MINT-Lehrer müssen ihren Beruf mit Leidenschaft ausüben, müssen selbst von ihrem Lehrstoff zutiefst überzeugt sein, müssen mit Leidenschaft die Neugier der Schüler auf die wunderbare Logik der Naturwissenschaften entfachen. Lehrer, die mit heruntergeleiertem Lehrstoff die Schüler langweilen, ihnen jede Freude am Stoff nehmen, ihnen die Neugier austreiben, haben ihren Beruf verfehlt und sollten aus dem Schuldienst entfernt werden. Regelmäßige Überprüfung der Leistung der Lehrer wäre sehr sinnvoll, ebenso eine Beurteilung und Benotung der Lehrer durch die Schüler. Auch sollten keine Aushilfslehrer für Fächer einspringen, für die sie gar nicht ausgebildet wurden; sie können nicht auf wirklich kritische Fragen der Schüler antworten und schaden mehr als sie nützen.

Was müssen die Schüler tun? Neugier für die Logik von MINT entwickeln, den Sinn physikalischer Gesetze aufspüren, hinter mathematische Formeln blicken, über den Tellerrand des Althergebrachten schauen, und immer wieder: lernen, sich weiterbilden, sich anstrengen, so wenig wie möglich Energie für billiges Freizeitvergnügen verschwenden, die kleinen grauen Zellen nicht brach liegen lassen, an einem interessanten Thema dranbleiben, die Ursachen der Dinge herausbekommen, nicht so schnell aufgeben, die ich-schaffe-es- und do-it-yourself-Mentalität entwickeln.

Tipps von Karlheinz Brandenburg, dem Erfinder des MP3-Players für Schüler, die sich für den Ingenieurberuf interessieren:Wichtig ist die Begeisterung für Technik, wobei diese Begeisterung nicht unkritisch alles Technische für gut befinden muss. Gerade Ingenieure sollten auch wissen, was alles schief gehen kann und sind oft skeptisch gegenüber den eigenen Ergebnissen. Angst vor Mathematik ist ein schlechter Start, ansonsten zählen aber der Wille und das Interesse sich durchzubeißen.

Ein "Selbermachtyp", ein Tüftler sein! Dieser ist ein Autodidakt. Für ihn ist Ausprobieren enorm wichtig. Er hat Spaß mit Geräten und an deren Technik. Ihm ist wichtig, eigene Lösungen zu finden, Grenzen auszutesten und so weit wie möglich zu überwinden. Er arbeitet oft mit kreativer Zweckentfremdung und ruft bei seinen Mitmenschen oftmals Schulterzucken hervor, weil er Dinge umnutzt. Der Tüftler repariert Geräte, nimmt sie auseinander, um sie zu verstehen und zu sehen, wie sie funktionieren. Das verbindet ihn mit den Dingen, verwandelt ihn von einem Verbraucher zu einem aktiven Mitarbeiter, erzeugt Kreativität, bringt Stolz über den Besitz hervor und haucht den Dingen eine Seele ein. Die erfolgreiche Reparatur eines Gerätes wirkt außerdem unserer schlimmen Wegwerf-Mentalität entgegen. Der zu Recht oder zu Unrecht frustrierte Schüler sollte über die Unzulänglichkeiten eines Lehrers hinwegblicken (man sagt ja auch nicht: Ich esse kein Brot mehr, weil mir der Bäcker nicht gefällt). Er fragt nicht immer, was muss der Lehrer oder die Schule für mich tun, was müssen die Eltern für mich leisten, sondern: Wie kann ich dazu beitragen, dass die Lebensgrundlage unseres Volkes erhalten bleibt? Das Endziel für jeden Schüler und Studenten sollte sein, durch die Wissenschaft zu einer gebildeten Persönlichkeit heranzureifen.

Manfred von Ardennes Vermächtnis: In seinen 1997er Memoiren schreibt der Erfinder des elektronischen Fernsehens den Jüngeren unter seinen Lesern einige aus seiner Erfahrung resultierende und sehr zum Nachdenken anregende Leitsätze ins Stammbuch: Nutzt die große Aufnahmefähigkeit des jungen Gehirns, verschwendet eure Zeit nicht, verwendet sie zum Lernen, zum Lesen guter Bücher, zum Anhören von Fachvorträgen, zum Experimentieren! Unterscheidet Wesentliches von Unwesentlichem! Was jedermann für fertig erklärt hält, verdient oft am meisten, untersucht zu werden. Verfolgt mit zäher Ausdauer und besseren Ideen das einmal gesteckte Ziel, bis ihr es erreicht habt! Nur die Tat zählt. Beobachtet sorgfältig (z.B. durch Messungen) die Naturvorgänge! Bleibt dran an einer einmal für richtig erkannten Sache! Wählt euren Lebensberuf so, dass er euren Neigungen nahekommt! Gebt nie auf, sondern tragt durch schöpferisches Handeln zum Fortschritt bei! Nichts ist abgeschlossen, alles ist verbesserbar, alles lässt sich noch weiter optimieren. Trefft eine notwendige Entscheidung sofort! Nutzt, was die Gegenwart euch bietet, trauert nicht um Versäumtes; denn Vergangenes ist nicht mehr zu ändern. Seht es als euer Ziel an, im beruflichen und privaten Leben immer mehr zu geben als zu empfangen! Treibt in jungen Jahren Sport, eure Gesundheit in späteren Jahren wird es euch danken! (Mens sana in corpore sano, sagten schon die alten Römer; wer es nicht versteht möge bitte googlen!). Entwickelt in allem, was ihr tut, einen unbesiegbaren Optimismus! Seid einfach und natürlich, schafft euch Freunde und haltet ihnen die Treue!

Was muss der Staat tun? Wo ist Förderung sinnvoll? Vernünftige Planung der Bildungspolitik. Z.B. Zusammenbringen der Hochschulen und Industriefirmen mit folgender Fragestellung: Wieviele Jung-Ingenieure werden in den nächsten fünf Jahren benötigt? Wieviele Ingenieurstudenten werden in den nächsten fünf Jahren das Studium beenden? Bei starker Diskrepanz der Zahlen muss an den Unis nachgeregelt werden: Studienplätze, Lehrstühle, Institute, Förderung von Studenten mit Schwächen in Mathematik. Es darf nicht sein, dass die Industrie nach Hochschulabgängern schreit und die Hochschulen nicht „liefern“ können. Umgekehrt darf auch kein Überangebot an fertigen Ingenieuren bestehen, die dann zu Taxifahrern werden und Negativpropaganda gegen das Ingenieurstudium betreiben. Es muss doch möglich sein, Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen, auch wenn unser Bildungssystem in unseliger Weise föderal zersplittert ist. Darüberhinaus sollte der Staat die Subventionen für Theater, Opern, Konzerte und andere Kulturveranstaltungen langsam aber stetig auf Null zurückfahren; warum muss der Großteil der Öffentlichkeit, der wenig an den schönen Künsten interessiert ist, den Kunstgenuss des etablierten Bürgertums bezahlen? Die einzig sinnvolle Verwendung des freiwerdenden Geldes: Bildung, Bildung, Bildung!

Um 1930 schrieb der Nobelpreisträger Fritz Haber: Der soziale Staat, der den höheren Lebensstandard aller Bevölkerungsschichten bejaht, der für gerechten Ausgleich sorgen will, der allen, die die gleichen natürlichen Gaben haben, den Aufstieg ermöglicht und allen, die hilfsbedürftig sind, seine Unterstützung gewährt, dieser Staat ist ein außerordentlich teurer Staat. Von außen um Leistungen, im Innern durch Forderungen gedrängt, die er erfüllen muss, wenn er sich nicht selbst aufgeben will, muss er ständigen Fortschritt in den Arbeitsweisen erlangen, und er kann ihn nur durch die Fortschritte der Wissenschaft erreichen.

Was muss die Industrie tun? Hier ein paar Stichworte: 1) Um an der technologischen Speerspitze zu bleiben, muss ein fester Betrag des Gewinns in F&E (Forschung & Entwicklung) reinvestiert werden, mindestens ca. 3%. Wenn andere, z.B. Schwellenländer Produktpiraterie betreiben, muss man selbst in der Entwicklung schon wieder einen Schritt weiter sein; man muss uneinholbar bleiben, wie der Igel, der zum Hasen sagt: Ich bin schon da. 2) Einer Firma muss es gelingen, alte Mitarbeiter mit viel Erfahrung mit jungen, gut ausgebildeten Hochschulabgängern zusammenzubringen, ohne dass zwischen beiden Aversionen entstehen. 3) Einer Firma muss es gelingen, Praktiker (=Eisenverbieger) und Wissenschaftler (=Theoriejongleure) zusammenzubringen. 4) Ohne gutes Arbeitsklima zwischen Jung/Alt, Facharbeitern/Ingenieuren, TU-/TH-Ingenieuren, Männern/Frauen läuft gar nichts. 5) Die Firmenleitung hat auch die verantwortungsvolle Aufgabe, die ethischen Grundsätze des Ingenieurberufs zu überwachen (wie sie z.B. im „Bekenntnis des Ingenieurs“ vom VDI festgelegt sind). Sie muss Ziele setzen und darf die Mittel dafür nicht verweigern und muss den Entwicklungsfortschritt regelmäßig überprüfen.

Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes hängt von seiner Innovationsfähigkeit ab. Sie ist Voraussetzung für den künftigen Wohlstand. Die Investition einer Volkswirtschaft in Forschung und Entwicklung (FuE) sollte insgesamt mindestens 3% des BIP (Bruttoinlansprodukt) betragen, so eine Forderung der EU-Kommission. Hier einige Zahlen vom Oktober 2012: Deutschland hat mit 2,82% das Mindestziel noch nicht erreicht, aber es könnte ja noch klappen. Die südeuropäischen Länder kommen nur auf 0,6% (Griechenland), 1,27% (Italien), 1,38% (Spanien); das ist sicher auch ein Grund für deren riesige Schuldenprobleme und mageren Wachstumsraten. Zum zweiten sollte bei der Entwicklung neuer Technologien und Dienstleistungen der Anteil des Staates (die sog. Staatsquote) möglichst klein sein. In Nordeuropa beträgt er ca. ein Viertel, d.h. drei Viertel tragen die Privat-Unternehmen. In Südeuropa macht die Staatsquote die Hälfte der FuE-Investitionen aus. Das Motto heißt daher: Steigerung der Innovationsfähigkeit! Und für eine Volkswirtschaft ist es auch wesentlich besser, wenn die Privatinvestitionen aus inländischen FuE-Mitteln kommen.

Die Industrie und die Forschungsinstitute müssen sich mit voller Kraft der Zukunftstechnologien annehmen. Es gibt noch viel zu tun in Forschung, Weiterentwicklung, beim Erfinden und Entdecken. Packen wir´s an, die Zukunft hat noch viele bahnbrechende Erfindungen für uns parat, von denen wir heute noch nicht zu träumen wagen. Wir müssen die  Talente nur machen lassen und ihnen nicht so viele Knüppel zwischen die Beine werfen. Lassen wir in unserem Volk nicht die Fortschrittsfeinde das letzte Wort haben, die sich beruhigt auf ein Faulbett legen (wozu brauchen wir denn das, haben wir ja noch nie gehabt), sondern die Dynamischen, Neugierigen, Fantasiereichen, Ungeduldigen! Geben wir ihnen die Chancen, sie machen mit ihren Ideen auf lange Sicht die Welt besser und menschlicher, nachdem die Kriegstreiber, die immer gerne neue Erfindungen für ihre dunklen Zwecke ausnutzen, sich totgelaufen haben. Trotz unserer gegenteiligen subjektiven Wahrnehmung: Seit Jahrzehnten sind Krieg und Gewalt objektiv zurückgegangen. Und, indem sie den Lebensstandard vermehren, machen die Erfinder und Entdecker unsere Welt durch ihre Arbeit auch demokratischer, weil sie schlussendlich Diktaturen, Chauvinismus, Rassismus überflüssig machen; der Austausch von Ideen, der freie Fluss von Meinungen, der Handel und die Freizügigkeit von Menschen über staatliche und ethnische Grenzen hinweg machen diese freien Gesellschaften letztendlich abgeschotteten und gegängelten Völkern gegenüber haushoch überlegen.

Wie sollte das Umfeld aussehen und die Arbeitsatmosphäre gestaltet werden, um gute Ideen hervorzubringen? Hier ein paar Gesichtspunkte:

1) Wissenschaftliche Forschungsinstitute und Entwicklungs-Abteilungen der Industrie müssen ihren innovativen Mitarbeitern Zeit einräumen, ihre Gedankenblitze oder noch vagen Intuitionen ausreifen zu lassen (Darwin z.B. brauchte von der Idee bis zum kompletten, veröffentlichten Gedankengebäude der Evolution zwei Jahrzehnte).

2) Der Gedankenblitz sollte in der Gemeinschaft vorgestellt und diskutiert werden um ihn zum Glühen zu bringen und neue, überraschende Verbindungen zu schmieden (jedoch ist es nicht das Kollektiv, sondern stets das Individuum, das eine viel versprechende Idee hat). Diese Vorgehensweise ist etwas Anderes als das vielfach überschätzte Brainstorming, dessen zahlreiche Vorschläge meist für immer in der Schublade landen.

3) Wenn man sich die Weiterentwicklung eines Geräts vorgenommen hat, sollte man zuerst Türen aufstoßen, um zum nahe liegend Möglichen zu gelangen. So war z.B. bei der Setzmaschine der nächste logische Schritt, lange nach Mergenthalers Tod, von der handbetätigten Tastatur auf Lochstreifensteuerung überzugehen. Der darauf folgende Entwicklungsschritt war dann der fotografische Lichtsatz. Bei der Weiterentwicklung von Abbes Lichtmikroskop war es geradezu natürlich, von den Lichtstrahlen auf Elektronenstrahlen überzugehen, die durch ihre kürzere Wellenlänge ein viel größeres Auflösungsvermögen versprachen; es vergingen allerdings mehr als 60 Jahre bis die Zeit reif war für diesen Wechsel von Ernst Abbe zu Ernst Ruska.

4) Um der Idee zu einem nachhaltigen Erfolg zu verhelfen, sollte der Erfinder nicht in einem geschlossenen Büro in „splendid isolation“ arbeiten, sondern in einer offenen Gruppe, in der der Geist frei fließen kann und in der dem hilfreichen Zufall und dem weiterführenden Irrtum Raum zugestanden wird (einer der berühmtesten Fehler war Flemings verschmutzte Petrischale, die zur Entdeckung des Penicillins führte).

5) Es war und ist auch heute noch üblich, die in Forschungslabors geborenen Ideen in einem streng bewachten Panzerschrank wie ein Staatsgeheimnis aufzubewahren, sie vor Nachahmung durch Patentierung zu schützen (z.B. hat die hoch innovative Firma Apple dieses Modell bis heute verfolgt). Die Geheimnisbewahrung ist jedoch nicht ohne Kosten zu haben. Ideen vor Konkurrenten zu schützen könnte auch ihre Verbesserung oder ihre Umsetzung in die Praxis behindern. So gehen heute viele Firmen mit ihren Erfindungen viel transparenter um und teilen ihre Ergebnisse mit Partnern, Universitäten, Lieferanten und Kunden. Nach der einen Methode kann man Patentgebühren erwarten, nach der anderen wird der Innovationsgrad des neuen Geräts erhöht durch andere von außen einfließende Ideen, mit denen der Urheber den Markt mit einem Zeitvorsprung erobern kann, ohne den Wettbewerber in dessen Nachahmungstrieb allzu sehr fürchten zu müssen. Das strikte Pochen auf das Urheberrecht (dessen Verletzung ohnehin nicht verhindert werden kann) hat also durchaus auch seine Schattenseiten. Wilhelm Conrad Röntgen verzichtete aus ethischen Gründen auf eine Patentierung seiner entdeckten X-Strahlen, da er der Meinung war, dass die Entdeckung der Allgemeinheit gehöre und nicht durch Patente, Lizenzen und dergleichen einzelnen Firmen vorbehalten bleiben solle, und sie sollte den Medizinern ohne Umschweife zur Verfügung stehen. Es bestehen leider große Zweifel, ob heute in dem rigorosen globalen Wettbwerb solche menschenfreundlichen Beweggründe noch eine Rolle spielen.

6) Wie die Geschichte der Erfindung der Kernspaltung zeigt, wurde der Durchbruch durch gegenseitige geistige Befruchtung zwischen verschiedenen Disziplinen erzielt. Ohne Otto Hahns, des Chemikers geniale Experimentierkunst lief nichts, und ohne Lise Meitners, der Physikerin immense analytische Fähigkeit war Hahn, der Vater der Kernspaltung zum Scheitern verurteilt. Erst Meitners Auswertung der geheimnisvollen Versuchsergebnisse ließ sie ausrufen: Gratulation, du hast das Uran gespalten! Und verhalf so Chemie und Physik zu fruchtbarer Symbiose. So ist es vielfach noch heute: Disziplin übergreifende Arbeit öffnet bislang verborgene Türen, die man aus einem einzigen Blickwinkel überhaupt nicht sieht.

Was sagt die Max-Planck-Gesellschaft? Im Januar-Heft 2014 "Max Planck Forschung" schreibt ihr Präsident Peter Gruss zur Situation in Deutschland:

Beschäftigung an teuren Unternehmensstandorten kann nur durch beständige Innovation durch forschungsintensive Industrien und wissensintensive Dienstleistungen gesichert werden. Deutschland ist stark in der hochwertigen Technologie und besonders gut darin, bestehende Produkte zu verbessern. Die Spitzentechnologie hat jedoch in unserem land eine untergeordnete Bedeutung. Wir brauchen neue umwälzende Ideen, die zum großen Teil der Grundlagenforschung entspringen. Bio-, Computer- und Nanotechnologie zählen zur Spitze, doch der Weg in die Anwendung ist steinig und kostet und erfordert Risikofreude, die nicht zu typischen deutschen Eigenschaften zählt. Beim MPI sprechen die Zahlen: Die Hälfte der MPI-Lizenzen geht ins Ausland, und 80% der Lizenzeinnahmen kommen von dort. Gewinnbringende deutsche Ideen werden eher im Ausland umgesetzt, besonders oft in USA, weil die jungen Start-up-Unternehmen dort mit viel mehr Risikokapital unterstützt werden. Daher sollte die deutsche Forschungs- und Innovationspolitik die Rahmenbedingungen für Spitzentechnologien in Deutschland deutlich verbessern. Die Grundlagenforschung ist meist nicht in der Lage zu überprüfen, inwiefern ihre Erkenntnisse in neue Produkte und Verfahren münden können, und, wenn das Anwendungspotenzial unklar ist, sind weder Unternehmen noch Risikokapital-Investoren bereit, die Weiterentwicklung zu finanzieren. Das MPI hat ein Tochterunternehmen, die Max-Planck-Innovation, gegründet, um den Weg vom wissenschaftlichen Ergebnis zum Produkt zu ebnen und ausgewählte Erfindungen näher an den Markt heranzubringen. Es bleibt zu wünschen, dass sich deutsche Unternehmen für Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung öffnen. Das sind die eigentlichen Rohstoffe, die in unserem Land gehoben werden müssen.

Soweit Peter Gruss. Man kann diesem Appell nur zustimmen. Es ist wirklich ein Unding, das der Sozialetat im Bundeshaushalt sieben mal so hoch ist wie der Bildungsetat. Also, liebe Politiker: Entweder den einen reduzieren oder den anderen drastisch erhöhen! Und noch eins, liebe Politiker: Subventionen herunterfahren, ob für den Kohlebergbau, die Landwirtschaft oder die schönen Künste oder für was sonst noch immer! Das Geld der Steuerzahler muss in MINT und nicht in Opernarien und Ballettaufführungen fließen!

Was sagt der neue, frisch gebackene deutsche Nobelpreisträger Stefan Hell im Oktober 2014 nach der Verleihung des Preises für sein STED-Mikroskop? (nach Rudolf Hell schon der zweite große Erfinder mit diesem Namen, der offensichtlich "helle" Köpfe hervorbringt): Keine von bedeutenden Leuten geäußerten unumstößlichen "Wahrheiten" hinnehmen! Hinterfragen, den Blickwinkel ändern, natürliche Skepsis an den Tag legen, misstrauisch sein, überzeugt sein, dass es irgendeinen anderen Weg gibt. Und dann die Idee durchziehen gegen alle Widerstände! Eine gute Idee, ein kreativer Ansatz, ein wichtiges Problem der Physik zu lösen kommen nicht automatisch an, sondern man braucht Kraft, Ausdauer und einen gesunden Blick für die Realität. Wenn man eine wirklich gute Idee hat, die die Menschheit wirklich weiterbringen würde, braucht man Freiraum, in dem man der Idee frei nachgehen kann, ohne Angst, kein Geld zu haben, sozial abzustürzen. Risiko gehört natürlich dazu und ein paar Jahre die Freiheit, dranzubleiben, auch wenn es Rückschläge gibt. Wissenschaft sollte nicht nur im Mainstream schwimmen, die bringt am Ende nichts ein.

Hier sind einige viel versprechende Zukunftspotenziale (Stand 2012). Sie kreisen um die Fragen: Wie werden wir wohnen, wie werden wir uns bewegen, wo kommt unsere Energie her, wie werden wir kommunizieren, wie werden wir Krankheiten bekämpfen, wie werden wir die rasant zunehmende Welt-Bevölkerung ernähren, wie sparsam und verantwortlich müssen wir mit unseren Ressourcen umgehen, wie werden wir unsere Umwelt erhalten?

Der amerikanische Physik-Nobelpreisträger Robert B. Laughlin schreibt in seinem neuen Buch "Der Letzte macht das Licht aus", dass die Energiekrise kommen wird und dass sie schrecklich sein wird. Aber wir können sie überstehen, wenn wir uns heute darauf vorbereiten. Worauf wollen die Menschen auf keinen Fall verzichten? Auf Autos, Flugzeuge und Elektrizität. Sie bedeuten Mobilität, Bequemlichkeit und "moderne" Gesellschaft schlechthin, und die Menschen zahlen dafür jeden Preis. Von den kohlenstoffbasierten Treibstoffen, die dazu nötig sind, geht das Öl zuerst zu Ende. Danach müssen wir synthetischen Kraftstoff aus Biomasse oder aus Kohle, die länger vorhalten wird als Erdöl, herstellen (Kohleverflüssigung nach den Verfahren von Bergius und Fischer-Tropsch gab es schon seit den 1920ern). Wenn die Kohle am Ende ist, wird es auf breiter Linie viel mehr Kernkraftwerke geben, sauberer, sicherer als jetzt, selbst wenn die Menschheit sie jetzt nach furchtbaren Unglücken verbannt.

Soweit die nicht von der Hand zu weisenden Aussagen Laughlins. Eines bedeuten sie ganz sicher: Wir müssen weiter die Grundlagen erforschen, neue Technologien entwickeln, phantasievolle Verfahren erfinden, unbekannte Naturgesetze entdecken! Und dazu müssen wir die Jugend für die Natur- und Ingenieurwissenschaften motivieren und begeistern; denn nur diese bieten das Potenzial für die Rettung der schnell wachsenden Weltbevölkerung. Wenn wir das nicht tun, macht wirklich der Letzte das Licht aus.

Bilder v.l.n.r.:

Handy mit Beschleunigungssensoren. Vereinfachte Handhabung durch Anpassung des Displays an die Neigung. Stummschaltung, wenn das Display nach unten zeigt.

Wellenkraftwerk an der schottischen Küste. Die Wellen steigen in luftdichtem Kollektor auf und ab. Die Luft wird komprimiert und dekomprimiert, die gespeicherte Energie treibt eine Turbine an und erzeugt über einen Generator Strom.

Kein Herd mit Gasflammen, sondern ein Ring (Quanten-Corral) von 75 Eisenatomen auf einer Kupferoberfläche, sichtbar gemacht mit einem Rastertunnel-Mikroskop der 4. Generation.

Kohlenstoff vom Feinsten: Nanoröhrchen für High-Tech-Material.

Ultimative Miniaturisierung der Elektronik: Ein atomarer Schalter; einzeln aufgehängtes Atom lässt Elektronen passieren oder nicht. Dieser Mini-Transistor ist extrem schnell und Energie sparend.

Ultrakurzes Laserpuls-Werkzeug hat den deutschen Zukunftspreis erhalten; ermöglicht die hochpräzise Mikrobearbeitung von Metall, Glas, Plastik, Diamant, ohne dass  Beschädigungen in der Umgebung der Schnittstelle zurückbleiben.

 

Hier sind einige potenzielle Werkzeuge, mit deren Hilfe wir an die Beantwortung dieser Fragen herangehen können: Nanotechnologie, Piezo-Technik, Sensoren, Mikromechanik, Nano- und Biotechnologie, Leuchtdioden, Dünnfilmtechnologie, Elektronenmokroskopie, DNA-Sequenzier-Apparate, Staubpartikel-Messung, Laser-Technik, Fotolithografie, Kohlenstoff-Nanoröhren, Einzelatom-Transistoren, Struktur der Materie, Brennstoffzellen, Verbesserung der Fotovoltaik, Leistungserhöhung der Windkrafträder, Quantenkryptografie, Quantencomputer, Kernfusion, Werkstofftechnik, superfester und elastischer TWIP-Stahl, basierend auf Quanten-Prinzipien, Verbesserung der Wirkungsgrade bei Kraft- und Arbeitsmaschinen. Wellenkraftwerke und andere neuartige Kraftwerke mit Gas- und Dampfturbinen-Verbund und evtl. CO2-Speicherung, energieautarke Gebäude u.v.a.m.

 

Bildnachweis.

Eigene Fotos am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011.