Ernst Ruska - Jugend und Werdegang
schon früh war er vom technischen Fortschritt fasziniert
Eine Wissenschaftlerfamilie. Er wurde 1906 in Heidelberg als das fünfte von sieben Kindern des Julius Ruska und seiner Frau Elisabeth geboren. Sein Vater war Historiker der Naturwissenschaften, sein Onkel Astronom, beide in Heidelberg. Sein Patenonkel war Direktor des astronomischen Recheninstituts der Uni Berlin, ein weiterer Onkel war Psychiatrie-Professor in Freiburg, und sein Großvater war evangelischer Theologe in Gießen. Also alles in allem eine in den Wissenschaften sehr bewanderte Familie. Der Astronom zeigte Ernst die Fernrohre auf dem Königsstuhl bei Heidelberg. Diese und auch das große Zeiss-Mikroskop seines Vaters mit mineralogischen und botanischen Präparaten machten einen riesigen Eindruck auf ihn. Man erwartete von Ernst wie selbstverständlich, dass er sich um einen akademischen Grad in einer „reinen Wissenschaft“ bemühen werde. Ernst hatte aber schon in frühester Jugend andere Pläne. Er war derart fasziniert vom technischen Fortschritt des beginnenden 20. Jahrhunderts, dass er sich den Ingenieurwissenschaften verschrieb, eine Entscheidung, die nicht so ganz in das Weltbild seiner Familie und seiner engsten Verwandten hineinpasste.
Bild 1. Die lebendigen Erzählungen von 1899 aus der Welt der Technik des begeisterten Ingenieurs Max von Eyth gaben den Ausschlag – das wollte Ernst Ruska auch.
Physik wunderbar – Technik großartig. Auf dem Gymnasium verstand der Physiklehrer, Ernsts Interesse für die Bewegung der Elektronen um den Atomkern zu wecken. Staunend nahm er auch zur Kenntnis, dass die Wellenlänge des Lichts die mikroskopische Auflösung des Bildes begrenzt. Im Gegensatz zu den Naturwissenschaften konnte er den Sprachen Latein, Griechisch und Französisch nichts abgewinnen. Sein Griechischlehrer erkannte seine Abneigung und schenkte ihm zur Konfirmation das Buch „Hinter Pflug und Schraubstock“ des Schriftsteller-Ingenieurs Max von Eyth (1836-1906). Das war etwas für unseren Ernst. Er war so beeindruckt von den Kapiteln über Luftschiffe und Flugzeuge, dass er sich endgültig für ein Ingenieurstudium entschloss. Für seine Familie war war eine Technische Hochschule nicht vollwertig. Sein Vater bot ihm ein Physik-Probesemester auf einer Universität an. Ernst lehnte ab, weil er das deutliche Empfinden hatte, dass ihm Technik mehr zusagte als Physik. Nach dem Abitur am humanistischen Gymnasiums in Heidelberg begann er 1925 zunächst ein Studium der Aeronautik an der Technischen Hochschule in München, wechselte dann aber in die Elektrotechnik, ab 1927 dann an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg.
Bild 2. Ernst Ruska als Diplomand an der TH Berlin. Bild 3. Aufbau der Apparatur zur Vergrößerung mit magnetischen Linsen 1929/30 in der TH Berlin.
Wechsel nach Berlin – gute Arbeitsbedingungen an der TH. Sein Vater wurde 1927 Leiter des Instituts für Geschichte der Naturwissenschaften in Berlin. So kam auch Ernst nach dem Vordiplom zur TH Berlin, wo er sich für das Hauptdiplom auf Hochspannungstechnik und elektrische Anlagen spezialisierte. Sein Industriepraktikum machte er in den damals schon sehr renommierten Firmen Brown-Boveri in Mannheim und Siemens & Halske in Berlin. 1928 wurde am Hochspannungsinstitut der TH Berlin unter der Leitung des Assistenten Max Knoll eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit der Entwicklung eines leistungsfähigen Kathodenstrahl-Oszillographen befasste, der auch Ernst Ruska angehörte. Mit dem Gerät sollten schnell verlaufende elektrische Vorgänge in Kraftwerken und Hochspannungsfreileitungen untersucht werden. Ernst hatte schon in München experimentelle Arbeiten im physikalischen Praktikum mitgemacht.
Bild 4: Ernst Ruskas Alma Mater, die TH Berlin, Stätte seines Heureka-Erlebnisses – ein Postwertzeichen von 1949.
Max Knolls Persönlichkeit schuf in der Gruppe ein kameradschaftliches Verhältnis, und in der nachmittäglichen gemeinsamen Kaffeestunde war eine offene Unterhaltung über die wissenschaftlichen und technischen Probleme der Arbeiten jedes Einzelnen üblich. Ruska hatten es insbesondere Theorie und Praxis des optischen Verhaltens von Elektronenstrahlen angetan. Er untersuchte die Fokussierung des Elektronenstrahls, entscheidend für Durchmesser und Energiedichte des Schreibflecks des Oszillografen, die wiederum Messgenauigkeit und Schreibgeschwindigkeit beeinflussen. Er entwickelte in diesem Kontext eine elektronenoptische Anordnung zur vergrößerten Abbildung von Objekten. Die im Februar 1931 in seiner Diplomarbeit zusammengestellten experimentellen Ergebnisse beweisen, dass sich eine Anodenblende vergrößert darstellen lässt. 1925 hatte Louis de Broglie die Idee vertreten, dass sich Teilchenströme auch als Wellen beschreiben lassen, daraufhin hatte Hans Busch die Hypothese einer geometrischen Elektronenoptik zur Fokussierung und Abbildung von Elektronenbündeln mit Magnetfeldern aufgestellt. Daran hatten nun Knoll und Ruska angeknüpft.
Ernst Ruska schafft den Durchbruch. Die Wirkung des axialsymmetrischen, also inhomogenen Magnetfelds der Spulen auf das längs ihrer Achse verlaufende Elektronenbündel wurde noch nicht verstanden, obwohl Hans Busch die Bahnen der Elektronen in einem solchen Elektronenbündel berechnet und dabei gefunden hatte, dass das Magnetfeld der kurzen Spule auf das Elektronenbündel wie eine Lichtlinse auf Lichtbündel einwirkt. Die Brennweite dieser "magnetischen Elektronenlinse" lässt sich dabei mittels des Spulenstroms kontinuierlich verändern. Busch wollte seine Theorie im Experiment prüfen, konnte damals jedoch aus zeitlichen Gründen keine neuen Versuchsreihen durchführen. Er zog aus seiner Theorie auch nicht die praktische Folgerung, mit einer solchen Spule mit axialsymmetrischem Magnetfeld irgend etwas abzubilden.
Ruska prüfte nun mit einer axial kurzen Spule Buschs Linsentheorie unter besseren experimentellen Bedingungen. Die für die Linsenwirkung ausschlaggebende kurze Brennweite erzielte er mit einer Eisenummantelung, die nur im Innendurchmesser einen kleinen Spalt ließ. 1929 konnte er in seiner Studienarbeit die ersten stark vergrößerten, scharfen Bilder einer Anodenblende von 0,3 mm Durchmesser nachweisen. Das waren die ersten elektronenoptischen Abbildungen der Welt.
Anfang 1931 waren die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland so schlecht, dass Ruska froh war, dass er nach seinem Diplom seine unbezahlte Tätigkeit als Doktorand fortsetzen konnte. Für ihn ging es jetzt darum, ob man wie in der Lichtoptik eine zweite Elektronenoptik dahinterschalten könne, um damit die Bilder weiter zu vergrößern. Ruska stand nun kurz vor der Erfindung des Elektronenmikroskops.
1931 erhielt er den Beweis, dass dies genau wie in der Optik möglich war. Er erreichte mit der ersten Spule eine Vergrößerung von 3,6 und in der zweiten von 4,8, macht zusammen 17,3. Ein noch bescheidener Wert, aber diese Apparatur gilt mit Recht als das erste Elektronenmikroskop der Welt. Der erste Nachweis, daß man außer mit Licht und Glaslinsen auch mit Elektronenstrahlen und Magnetfeldern Abbildungen durchstrahlter Objekte, zudem in mehr als einer Abbildungsstufe machen kann, war nun geführt. Der erste Beweis war erbracht, aber es gab noch so viele Probleme zu lösen: Die Vergrößerung war noch völlig unzureichend (kann man sie überhaupt steigern? Und auf welche Weise?). Die durchstrahlten Objekte wurden selbst bei 17-facher Vergrößerung viel zu heiß, so dass sie schmolzen. Schon 1933 übertraf Ruska dennoch mit seinem neuen Elektronenmikroskop die Vergrößerung des Lichtmikroskops.
Das Elektronenmikroskop - die ganze Geschichte
Die Geschichte ist nicht zu Ende
Bildnachweis
Bild 1: Wikipedia, Urheber Thomoesch, freies Nutzungsrecht. Bild 2: Eigenes Foto, Lange Nacht der Wissenschaften 2012, TU Berlin, Physikalisches Institut. Bild 3: Eigenes Foto am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011. Bild 4: gemeinfrei.