Auch Erfinder fangen klein an - Jugend und Werdegang der Erfinder und Entdecker

KINDHEIT UND JUGEND.

Von der Mitte des 19. bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts waren in den verschiedensten Gegenden Deutschlands Menschen tätig, die mit ihren Erfindungen und Entdeckungen einen besonders großen Anteil zum Fortschritt der Naturwissenschaften und der Technik auf der ganzen Welt beigetragen haben. Was waren das für Menschen? Wie kamen sie in diese Rolle? Was hatten sie gemeinsam? Hatten sie ein NaWi-Gen? Wurden sie von Eltern oder Lehrern gefördert? Waren sie besonders intelligent, mit einem IQ über 130? War der Ackerboden für solche Pflanzen damals so fruchtbar? Kamen sie aus armen Familien, weil Not bekanntlich erfinderisch macht? Fragen über Fragen. Auf jeden Fall schufen sie mit den Ergebnissen ihrer Natur- und Ingenieurwissenschaften den technologisch-industriellen Grundstock unserer Volkswirtschaft, von dem wir heute noch leben, aus dem das Kapital entsteht, das wiederum unser Sozial- und Gesundheitssystem erst möglich macht und all die anderen schönen Dinge, wie Kunst, Musik und Freizeitaktivitäten.

Anregungen im Kindesalter. Ein paar gemeinsame Tatsachen über die Kinder, die später als Ingenieure, Physiker, Chemiker die Welt nachhaltig verändern oder sogar aus den Angeln heben sollten, lassen sich zusammen stellen, um vielleicht doch das Verbindende zwischen dem Tüftler auf der schwäbischen Alb und dem Bastler in Düsseldorf zu erkennen. Die Mehrheit dieser Kinder hatte Eltern, die mit ihrer Hände Arbeit kaum das Nötigste zum Leben zusammen brachten. Diese Kinder waren und sind auch heute noch neugierig, wollen verstehen, wie die Dinge, die sie sehen, funktionieren, haben die Fähigkeit, sich in Sachverhalte hinein zu versetzen, wollen die Ursachen der Dinge erkennen, rerum cognoscere causas, wie der Leitspruch einer Tageszeitung lautet. Sie empfinden das Auswendiglernen von Geschichtsdaten und mathematischen Formeln als langweilig und ätzend, sie wollen vielmehr verstehen, was wirklich hinter einer physikalischen Formel, wie z.B. Arbeit = Kraft mal Weg steckt. Und sie hatten jedenfalls alle einen Hang zum Basteln und Herumprobieren. Und sie hatten fast alle eine ausgesprochene Freude an der Logik der Mathematik, mit deren Hilfe sie die folgerichtigen Regeln der Physik anwenden und voraus berechnen konnten, wie etwas funktioniert. Ohne diese wahrscheinlich genetisch bedingte Neugier wären sie nicht Erfinder und Entdecker geworden! In manchem Jungen, der später ein erfolgreicher Erfinder wurde, züngelten Flämmchen namens Wissensdurst, die sich von widrigen Umständen nicht ersticken ließen. Im Gegenteil: Sie sollten sich zu einem Flächenbrand ausweiten.

Aber es kommt eine zweite Komponente hinzu: Bei den meisten der Fantasiebegabten kam aus ihrer Umwelt eine Initialzündung, eine Anregung, die eine entscheidende, dauernde Weichenstellung bewirkte: Der bewunderte Beruf des Vaters, ein sinnvolles Spielzeug, ein Buch, ein Museumsbesuch, ein Förderer, ein Lehrer, der von seinem Lehrstoff mit Leidenschaft und Überzeugung sprach. Und so ist es sicherlich auch noch heute. Und noch eine dritte Seite ist unerlässlich, eine früh ausgeprägte Charaktereigenschaft, ja geradezu eine conditio sine qua non: Halte durch auch bei unvermeidlichen Rückschlägen, höre nicht auf das Gespött der Mitmenschen, räume mit Optimismus Hindernisse aus dem Weg, es gelingt, du schaffst es, bleib am Ball, verlier nie den Glauben an die Idee und an dich selbst!

WERDEGANG.

Die Vorlieben und Wesenseigenschaften im Kindes- und Jugendalter sind zwar eine notwendige aber noch nicht hinreichende Bedingung für eine erfolgreiche Tätigkeit als Vorreiter, Querdenker, Vordenker von etwas ganz Neuem. Sie müssen noch das notwendige Handwerkszeug in den Natur- und Ingenieurwissenschaften erlangen: Physik, Chemie, Informatik, Mathematik, und zwar weniger die „reine“, als vielmehr die „angewandte“ Mathematik.

Fachhochschule - Universität - Selbstunterricht. Nach der Anregung im Kindesalter müssen noch die entscheidenden Weichen gestellt und der Zug auf die freie Geschwindigkeitsstrecke geleitet werden. Oberschule, Studium, Nebentätigkeiten, Praktika sind gute Voraussetzungen für die Erfinderkarriere, doch vielfach gelang der Zugang zum Hochschulstudium auch ohne Abitur. Es muss nicht immer der akademische Grad oder der Fachhochschulabschluss sein, der einen Top-Erfinder hervorbrachte, es gab viele Autodidakten, die ihren Weg zu ihrem angepeilten Ziel unbeirrt verfolgten; sie hatten es besonders schwer, unter den standesbewussten Akademikern Anerkennung als Erfinder zu erlangen, und es nötigt größte Hochachtung ab, wenn sie dennoch nicht aufgaben. Eine ganze Reihe unserer angehenden Erfinder war in der Schule aufmüpfig, weil die Lehrer eintönig ihren Stoff herunter leierten, ohne in der Lage zu sein, bei den Schülern die Neugier und das Feuer für die Wissenschaft zu entfachen. Wenn Lehrer und Professoren ihre Lehrtätigkeit als überzeugte „Missionare“ betreiben, haben sie eine große Vorbildfunktion.

Fachhochschule und Universität erfüllen die beiden notwendigen Funktionen: Ausbildung der Praktiker und der Theoretiker. Die „Eisenverbieger“ können im späteren Beruf heute nicht mehr ohne die „Theoriejongleure“ auskommen, und diese sind ohne jene zum Misserfolg verdammt. Symbiose beider ist unerlässlich. Abbe brauchte Zeiss, Daimler brauchte Maybach, Diesel brauchte die Ingenieure der Maschinenfabrik Augsburg, Siemens brauchte Halske, Zuse brauchte Schreyer, Hahn brauchte Meitner, von Ohain brauchte Heinkel, Benz brauchte seine Frau Berta. Das gab es und gibt es auch noch heute vereinzelt, dass praktische und theoretische Fähigkeiten in einer Person vereinigt sind: Lilienthal war Theoretiker für Aerodynamik und handwerklicher Flugzeugbauer und Versuchsingenieur zugleich.

Die Deutschen nahmen langsam Fahrt auf. Die Briten hatten die Nase vorn mit ihrem genialen James Watt, dem Erfinder der ersten Dampf-Kraftmaschine der Welt, die die menschliche und tierische Muskelkraft überflüssig machte, die damit die industrielle Revolution einleitete. Mit einer Phasenverschiebung von fast 100 Jahren (Deutschland war eben ein Spätentwickler) folgten die Deutschen, die lange nicht von ihrem Agrarstaat lassen wollten; aber, je mehr Fahrt sie aufnahmen, umso tiefgreifender und wirksamer war ihre auf breiter Front vorgetragene technologische Entwicklung. So verdrängte August Borsig mit seiner preußischen Dampflokomotive die englische Konkurrenz innerhalb von 15 Jahren fast vollständig vom deutschen Markt. Und letztendlich lehrte das Qualitätssiegel „made in Germany“ die führende englische Industrie das Fürchten. In Deutschland ging es so wie in dem Liedtext von den Kreuzberger Nächten: Erst fang se janz langsam an, aber dann, aber dann… (kleine Vorwegnahme einer der hier erzählten Ingenieurgeschichten: Konrad Zuses erster Computer der Welt ratterte nachts in Berlin-Kreuzberg!). Die Jugend-, Schul- und Studienjahre dieser Vorkämpfer der deutschen Industrialisierung werden in den Erfinder- und Entdeckergeschichten erzählt.