Paul Schlack - den Schwaben zogen schon früh die Naturwissenschaften an

Wie kam Paul Schlack dazu, einen der wichtigsten Kunststoffe zu erfinden? Wir sprechen hier nicht nur von Damenstrümpfen und Unterwäsche, sondern von Hunderten von Anwendungen im Maschinen-, Geräte-, Fahrzeug-, Möbelbau, in der Elektrotechnik, in der Verpackungsindustrie und bei Haushaltartikeln: Zahnräder, Laufrollen, Schrauben, Muttern, Gleitlager, Dichtungen, Kugellagerkäfige, Kupplungsteile, Armaturen, Spulenkörper, Kabelummantelungen, Kabelstecker, Blitzlichtgeräte, Reflektoren, Ölfilter, Vergaserteile, Ventilatoren, Airbags, chirurgische Fäden, Kämme, Borsten, Teppichfasern, Zahnbürsten, Industriesiebe, Schnüre, Seile, Gurte, Förderbänder, Fischernetze, Angelschnüre, Puppenhaare, Verpackungsbänder, Reißverschlüsse, Bergsteigerseile, Rucksäcke.... das Perlon (und das chemisch sehr ähnliche Nylon) hat eine wirkliche Revolution auf dem Gebiet der Materialtechnik hervor gerufen.

Schule, Technische Hochschule, Doktorprüfung. Paul Schlack wird  1897 in eine vielköpfige Beamtenfamilie geboren. Sein Vater war Direktor des Landesfinanzamts Stuttgart. Schon früh zeigt sich Paul fasziniert von den Naturwissenschaften. Sein Hobby, die Fotografie, betreibt er mit wissenschaftlicher Gründlichkeit, und besonders haben es ihm die chemischen Vorgänge bei der Bildentwicklung angetan. Das war seine frühe Weichenstellung hin zur wissenschaftlichen Chemie. Bald schon entdeckt er seine Vorliebe für die Chemie im allgemeinen.

Er besuchte das Stuttgarter Eberhard-Ludwigs-Gymnasium, wo er schon mit 17 Jahren sein Abitur ablegte. Gleich danach musste er zwischen 1915 und 1918 seinen Wehrdienst im Ersten Weltkrieg ableisten. Anschließend konnte er Chemie an der Technischen Hochschule Stuttgart studieren und legte dort 1921 seine Diplomprüfung ab. Von 1921 bis 1922 arbeitete er als forschender Chemiker im Wissenschaftlichen Laboratorium Tronsegaard in Kopenhagen. Ende 1922 kehrte er an die TH Stuttgart zurück und promovierte dort 1924. Aber was nun? Wirtschaftskrise, Massenentlassungen... keine guten Aussichten für einen frisch gebackenen Doktor der Chemie!

Bild 1. Paul Schlack auf dem Weg zum großen Erfinder.

 

Erste Stellung bei Agfa, zweite bei IG-Farben. Schlack kann sich glücklich schätzen, eine Stellung als wissenschaftlicher Laborant bei den Agfa-Kunstseidefabriken in Wolfen zu ergattern. Das ist nicht gerade die Arbeit, die er sich erträumt hat, weit weg von seiner eigentlichen Liebe, der Fotochemie. Es ist ein völlig neues Arbeitsgebiet, in das er sich erst einarbeiten muß. 1926 macht er sich dort wieder aus dem Staub, weil er eine Stelle bei der Aceta GmbH in Berlin-Lichtenberg, einem Gemeinschaftsunternehmen der IG Farben und der Vereinigten Glanzstoff-Fabriken. Der inzwischen 30jährige Schlack arbeitet hier auf dem Gebiet der chemischen Modifikation der Acetatseide, der Polyurethane, Polyharnstoffe und Epoxidharze. Ein von ihm angemeldetes und das wahrscheinlich älteste Patent auf dem Gebiet der Epoxidharze hat lineare Polymere von Polyamid zum Ziel, um daraus synthetische Fasern herzustellen. Die Polyamid-Forschung - jetzt ist er schon gut auf dem Weg, der ihn schlussendlich zu seiner großen Erfindung führen sollte. Als Leiter des wissenschaftlichen Laboratoriums verbrachte er bei der Aceta fast 20 Jahre, bis 1945.

Das Aha-Erlebnis am Tegeler See. Im Sommer 1937 hatte er bei einem Badeausflug an den Tegeler See ein Aha-Erlebnis. Während sich die Familie den Badefreuden hingab, vertiefte er sich in die Patentveröffentlichungen des Du-Pont-Chemikers Carothers aus den USA, der gerade ein Polyamid, das Nylon entdeckt hatte. Was er da las, bereitete ihm wissenschaftliche Freuden und verschlug ihm zugleich den Atem. Er sah sofort, was man in Deutschland auf diesem Gebiet in den letzten Jahren verpasst hatte. Am Tegeler See wusste er: Wir müssen da auch hin! Aber wie sollen wir das amerikanische Patent und die weitreichenden Schutzrechte umgehen?

Bild 2. Wallace Hume Carothers. Mit seinem Nylon kam er Schlack zuvor.

Schlacks Entschluß stand jetzt fest: Die Arbeiten in der Polyamid-Forschung müssen intensiviert werden. Als Chef eines großen Laboratoriums konnte er nicht gut selbst am Experimentiertisch stehen, mußte seine Vorstellungen über notwendige Versuche und die dafür getroffenen Anweisungen an seine Mitarbeiter delegieren. Die Mannschaft zog hervorragend mit: Schlacks Team konzentrierte sich auf Caprolactam, interessant schon wegen seines ringförmigen Molekülaufbaus. Schlack wußte aus der Lektüre der US-Unterlagen, daß auch sein Kollege Carothers auf der anderen Seite des Großen Teichs mit diesem Ausgangsmaterial experimentiert hatte.

 

 

 

Das Perlon - die ganze Geschichte

Was wurde aus Schlacks Erfindung?