Wie ging es weiter mit Hertz´ Entdeckung?
Hertz´ Entdeckung löste eine Revolution aus - nach Faraday, Maxwell und Hertz kam Guglielmo Marconi, der vierte Mann, der den Staffelstab von Heinrich Hertz übernahm.
Bild 1. Der Staffellauf Faraday, Maxwell, Hertz, Marconi hatte unabsehbare Folgen für die gesamte Menschheit, für das öffentliche und private Leben.
Bild 2. Guglielmo Marconi, der Funkpionier baute unmittelbar auf den Forschungen von Hertz auf. Er hatte einen italienischen Vater und eine irische Mutter.
Guglielmo Marconi. Es geschah auf diese Weise: 1888 hatte Hertz in einem Physik-Journal beschrieben, wie er mit seinem Oszillator elektromagnetische Wellen auslösen und in die umgebende Luft schicken konnte. Ein Teenager las durch Zufall diesen Artikel, während er eine Bergtour in den Alpen unternahm. Hertz´ Entdeckung brachte ihn auf eine Idee: Warum könnte man nicht diese von Hertz´ Funken-Oszillator ausgelösten Wellen dazu benutzen, Signale auszusenden, z.B. wenn man in Bergnot gerät? Dieser junge Mann hieß Guglielmo Marconi. Er eilte nach Hause, um diese Idee einem Versuch zu unterziehen.
Bild 3. Das Denkmal zu Ehren von Marconi. Von hier in Cornwall gelang ihm 1901 die erste transatlantische drahtlose Telegrafie-Verbindung. Kein mühsames, teures Verlegen von Unterwasserkabeln mehr!
1895 führte er auf dem Landgut seines Vaters bei Bologna erste Laborversuche aus und startete dann einen Freilandversuch über 2,5km Entfernung in den Schweizer Alpen. Er verlegte danach sein Labor auf die Insel Wight in Südengland und gründete 1897 die Firma Marconi´s Wireless Telegraph Company Ltd. mit Sitz in London. Dann ging es Schlag auf Schlag: 1899 drahtlose Verbindung von Dover nach Wimereux über den Ärmelkanal, 1901 erster transatlantischer Funkempfang von Cornwall in der Nähe von Land´s End nach St. John´s in Neufundland/Kanada. Im Januar 1903 tauschte Marconi Grußbotschaften von seiner Wireless Station in Massachusets zwischen dem Päsidenten Roosevelt und dem englischen König Edward VII aus. 1907 wurde von Irland aus der erste transatlantische drahtlose Telegrafenverkehr für die Öffentlichkeit eingerichtet. Die britische Kriegsmarine übernahm sein System. Von der westirischen Halbinsel Mizen telegrafierte er mit dem atlantischen Schiffsverkehr. In den Anfangsjahren der drahtlosen Nachrichtentechnik auf See hatte er nahezu ein Weltmonopol.
Bild 4. Ein interessantes Bilddokument: Berühmte Persönlichkeiten und Wissenschaftler besuchen 1921 die Marconi Co. Wireless Station in New Jersey/USA, darunter in der ersten Reihe Albert Einstein und neben ihm, mit hellem Anzug, Nicola Tesla. Oben Teile der riesigen Antenne.
Bild 5. Der deutsche Funkpionier Karl Ferdinand Braun. Nobelpreisträger und Mitbegründer der Firma Telefunken. Gemählde von Hans Baluschek.
Karl Ferdinand Braun (1850-1918). Er wirkte in Deutschland, um die elektromagnetischen Wellen für die Nachrichtentechnik nutzbar zu machen. Er erfand 1897 die Braun´sche Röhre, das ist eine Kathodenstrahlröhre, in der ein Elektronenstrahl in horizontaler und vertikaler Richtung durch Magnete abgelenkt werden kann. Zuerst musste Hertz´ Drahtbügelempfänger verbessert werden. Marconi benutzte einen mit Metallspänen gefüllten Kohärer, Braun ersetzte diesen durch einen Kristalldetektor und später durch seine Elektronenröhre. 1900 konnte eine Funkbrücke zwischen Cuxhaven und Helgoland, über 62km hergestellt werden. Braun gehörte 1903 zu den Mitbegründern der Gesellschaft für drahtlose Telegrafie, Telefunken.
Zusammen mit Marconi erhielt er 1909 den Nobelpreis für Physik für seinen Beitrag zur Entwicklung der drahtlosen Telegrafie.
Elektronenröhre statt Funkenstrecke. Die Elektronenröhre besteht aus einem evakuierten oder mit Gas gefüllten Glas- oder Stahlzylinder, in dessen Innerem Elektronen von einer beheizten Kathode zu einer Anode fliegen. Durch ein zwischengeschaltetes Gitter kann der Elektronenfluss verstärkt oder gehemmt werden und damit die Elektronenröhre zu einem Oszillator gemacht und somit elektromagnetische Wellen ausgesendet werden. Hochleistungs-Hochfrequenzröhren sind bis heute in starken Funk- und Radaranlagen im Einsatz. Auf anderen Gebieten der Elektronik sind die Röhren durch Halbleiter-Bauelemente, wie z.B. Transistoren ersetzt.
Der drahtlose Telegrafenverkehr war beileibe nicht die einzige praktische Anwendung der Hertz´schen Forschung. Es war wie ein Füllhorn, das Hertz geöffnet hatte. Seine Entdeckung sollte unser ganzes Leben durchdringen, uns viele Erleichterungen bringen, uns Hilfestellungen bieten nicht nur im täglichen Leben, sondern auch bei großen Forschungsaufgaben, z.B. im Weltraum. Oder: Warnung vor Flutwellen mit Hertz´schen Wellen, die eine Welle warnt vor der anderen! Wetter- und Erdbebenwarnung sind ohne sie nicht möglich. Wer kennt die Namen, zählt die Anwendungen! Es ist tatsächlich so, wie es ein englischer Physiker ausgedrückt hat: Vor 1888 gab es keine elektromagnetischen Wellen, danach sind sie überall!
Wie gingen die Deutschen mit seinem großen Erbe um? Was geschah mit seiner Familie, die ja unter die aberwitzigen "Rassengesetze" des dritten Reiches fiel? Die Antworten fallen zwiespältig aus. So machte der Schleswiger Physiker Berend Feddersen Hertz nach seinem Tod die Entdeckung streitig, er hätte nur die elektrischen Schwingungen, nicht aber die elektromagnetischen Wellen entdeckt, er selbst hätte sie entdeckt, und nun sei er das Opfer einer Verschwörung.
Es sollte noch schlimmer kommen. Nach dem verlorenen ersten Weltkrieg wollten die Deutschen ihren erlittenen Minderwertigkeitskomplex wieder teilweise wettmachen, indem sie den Anspruch erhoben, unter die führenden Wissenschaftsnationen zu zählen. In diesem Bemühen beantragten die deutschen Repräsentanten 1930 bei der Internationalen Elektrotechnischen Kommission, den Namen Hertz als physikalische Einheit der Frequenz von Schwingungen, also Anzahl von Schwingungen pro Sekunde, einzuführen. Auch andere Nationen bedienten sich ihrer berühmten Namen, um Einheiten zu benennen. Stromstärke ist nach André Marie Ampère, Stromspannung nach Alessandro Volta, Leistung nach James Watt benannt (später kam noch Tesla hinzu für die magnetische Flussdichte, Curie für den radioaktiven Zerfall usw.). Im Jahr 1935 führte die Kommission in Scheveningen die offizielle Frequenzbezeichnung Hertz = Hz ein, 1 Hz=1/s, bzw. die Vielfachen kHz, MHz, GHz usw. Deutschlands Seele war gestreichelt ... ja, wenn nicht inzwischen das rassistische Nazi-Verbrecherkartell regiert hätte. Die wollten nicht eine physikalische Einheit mit dem Namen eines deutschen Halbjuden verbunden sehen. Jetzt setzte eine Kampagne ein, die Deutschland dem Gespött der Welt preisgab. Da die Nazis einsahen, dass "Hz" nicht rückgängig zu machen sei, verfielen sie auf einen schier unglaublichen Etikettenschwindel: Das Hz stehe nicht für "Hertz", sondern für "Helmholtz", der ein "reinrassiger Germane" ohne jüdische Vorfahren sei; außerdem sei nicht Hertz der Entdecker der Funkwellen, sondern der faschistische Senator Guglielmo Marconi (diesen Rang bekleidete er jetzt). In "konsequenter Durchführung der Volkstumspolitik" entfernte man aus allen Straßen-, Schulen- und Institutsbezeichnungen den Namen "Hertz" und vernichtete alle Gedenktafeln und -büsten von Heinrich Hertz.
Jetzt wurde es noch grotesker, weil sich die Nazis immer mehr in den Fallstricken ihrer verrückten Ideologie verfingen. 1941 verfügte der "Führer", der GröFaZ, dass die Frequenzbezeichnung "Hertz" beibehalten werden soll, weil er sich nicht länger der Lächerlichkeit preisgeben wollte. Jetzt erklärte der Karlsruher Physiker Bühl, von der Ideologie einer "arischen Physik" tief durchdrungen, die mütterliche "arische" Linie für Hertz´ epochale Erfindung für verantwortlich, während seine Prinzipien der Mechanik der jüdischen Linie zugeschrieben wurden. So teilte man den Halbjuden Hertz kurzerhand in zwei Persönlichkeiten auf, die "Schizophrenisierung" des Heinrich Hertz. Waren die überhaupt noch zu retten? Haben diese Vertreter der "Species kleinhirnensis" nicht gesehen, dass die Juden in Deutschland seit Jahrhunderten einen überproportionalen Beitrag zur Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft geleistet haben? Die Ächtung, Vertreibung und Vernichtung dieser längst in Deutschland etablierten und assimilierten Menschen bedeutete einen riesigen Brain-Drain, einen Abfluss von Intelligenz, der nicht nur nicht aufzuholen war, sondern sich gegen Deutschland kehrte im friedlichen Wettbewerb der Industrienationen. Nicht auszudenken, wenn das gegen Deutschland gerichtete Manhattan-Projekt der Amerikaner, an dem viele vertriebene deutsch-jüdische Atomwissenschaftler mitarbeiteten, vor Kriegsende erfolgreich gewesen wäre!
Der Rassenwahn der Nazis betraf nicht nur das Ansehen von Heinrich Hertz, sondern bedrohte die Existenz seiner Familie. Seine Tochter Mathilde, die sich an der Berliner Universität habilitiert hatte kam ihrer Relegation wegen ihres jüdischen Großvaters zuvor und emigrierte 1936 nach England, und im selben Jahr folgten ihre Mutter und Schwester. Für andere Träger des Namens "Hertz" folgten Konzentrationslager und Vernichtung. J.J. Thomson, Professor in Cambridge, Fellow of the Royal Society und Physik-Nobelpreisträger, der 1890 Heinrich Hertz kennen und schätzen gelernt hatte, half den drei Frauen, sich in Girton bei Cambridge niederzulassen. Sie lebten unter der Armutsgrenze und waren auf Zuwendungen der Kirche und der Institution of Electrical Engineers angewiesen. Heinrichs Witwe Elisabeth starb 1941.
Bilder 6 und 7. Der große deutsche Wissenschaftler - er hat unser Leben wahrlich verändert.
Bild 8. 2013 ehrt die Deutsche Post nochmals Heinrich Hertz. Vor 125 Jahren entdeckte er die freien elektrischen Strahlen.
1957, hundert Jahre nach seiner Geburt, setzte eine große Rehabilitation ein. Hertz´ Leben und Werk wurden in Jubiläumsfeiern und Ausstellungen gewürdigt und neu beleuchtet. Seine Originalgeräte wurden rekonstruiert, um seine Experimentierpraxis nachzuvollziehen. Und seine "Prinzipien der Mechanik" wurden lebhaft diskutiert. 2007, zum 150. Geburtstag, wurde in einer Ausstellung in Hamburg unter dem Motto "Von Hertz zum Handy - Entwicklung der Kommunikation" gezeigt, welche riesige technologische Lawine seine epochale Entdeckung ausgelöst hat.
Bildnachweis.
Bild 1: Eigene Grafik, Briefmarken public domain. Bild 2: Schutzfrist abgelaufen. Bild 3: Wikipedia, Urheber Nilfanion, CC-BY-SA 3.0. Bild 4, 5: Schutzfrist abgelaufen. Bild 6: Schutz frist abgelaufen. Bild 7: Eigenes Foto am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011.