Rudolf Hells große Erfindungen - wie ging es weiter, was wurde aus der Firma Hell?

Bis 1986 ging es stetig bergauf mit der 1947 in Kiel neu gegründeten Firma Dr.-Ing. Rudolf Hell KG.

1986 lag der Umsatz bei 640 Millionen DM mit einem Personalbestand von 2800 Leuten. In den Jahren 1987-89 kam der große Schock; der Umsatz fiel auf 415 Mio DM und das Personal auf 1800. Was war passiert?

1971 zog sich Dr. Hell aus dem Tagesgeschäft zurück und wechselte in den Aufsichtsrat. Die Geschäftsführung, und damit die Verantwortung für die Produkte und deren Weiterentwicklung übernahmen andere. Zur gleichen Zeit stieg die Mehrheitsbeteiligung an Hell von Siemens auf 80%. 1982 stockte Siemens die Beteiligung auf 100% auf, und Rudolf Hell schied aus dem Aufsichtsrat aus, hatte also gar keinen Einfluss mehr auf den Lauf der Dinge. 1990 kam die Vereinigung mit der Linotype AG, ein Vorteil für beide, da Linotype beim Textsatz und Hell bei der Bildbearbeitung dominierte.

Die vierte Welle. Dieser Zusammenschluss kam zu spät, da die sog. "vierte Welle" die grafische Industrie bereits erreicht hatte. Die erste Welle bestand aus der Einführung der Bleisetz- und Gießmaschine, die zweite aus der Etablierung des Fotosatzes, die dritte aus den beschriebenen Spezialsystemen der Druckindustrie mit Prozessrechnern. Die vierte Welle kam als logischer Schritt, als die PC´s immer leistungsfähiger wurden und die Aufgaben der speziell angepassten Prozessrechner übernehmen konnten. Die Massenfertigung von PC´s  brachte einen Preisrutsch nach dem anderen hervor, und eine technische Adaption war nicht mehr erforderlich. Die Software der Grafik und Farbkorrektur wurde Allgemeingut, und dadurch wurden die großen Geräte der Bildbearbeitung in der Druckvorstufe weitgehend überflüssig. Preiswerte Flachbettscanner und Dia-Abtaster kamen auf den Markt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der vierten Welle der Druckvorstufe auf die Hersteller großer Bildbearbeitungssysteme, wie die Firma Hell waren verheerend. Wo ehedem Millionen DM pro Anlage investiert werden mussten, gab es diese mit den kleinen Geräten jetzt für ein Zehntel. Hardware und Software konnten jetzt vom Regal des Händlers gekauft werden.

Die Wende vom Prozessrechner zum PC gelang nicht. Leider, leider haben Rudolf Hells Nachfolger in der Geschäftsführung erstens den Trend zu spät erkannt und zweitens die Umstrukturierung der Firma auf die Fertigung der kleinen Geräte nicht zustande gebracht. Der Grundstock war da in Form von PC´s, Flachbettscannern, Software zur Text- und Bildgestaltung. Es fehlte offensichtlich der Mut für diesen Paradigmenwechsel, selbst bei der Gestaltung der vierten Welle aktiv mitzumischen. Warum griff das HaSi (Haus Siemens) als Eigentümer nicht ein? Sah man die kleine Firma Hell nur als Klotz am Bein? Man hatte beim HaSi anscheinend immer eine reservierte Haltung gegenüber Erfindungen, die nicht im eigenen Hause gemacht wurden. Da die vierte Welle sehr schnell über die Industrie hereinbrach, hätten Strukturänderungen auch sehr schnell auf dem Fuße folgen müssen. War der große Supertanker "Siemens" dafür in seiner Manövrierfähigkeit zu träge? Man hat im nachhinein den Eindruck, dass der wendige, flexibel agierende Rudolf Hell, wäre er noch selbständiger Geschäftsführer gewesen, die Wende geschafft hätte. Vieles spricht dafür, wenn man sich die Innovationsfreude während seines aktiven Berufslebens anschaut. Es muss sehr bitter für ihn gewesen sein, den Niedergang seiner Firma als Außenstehender zu beobachten.

Die Abwicklung der Linotype-Hell AG. Die Heidelberger Druckmaschinen AG "bereinigte" nach der Übernahme des Unternehmens das Fertigungsprogramm. Es wurden nur noch kleine Scanner hergestellt und die Softwareentwicklung beschränkte sich auf Workflow-Lösungen für den gesamten Druckprozess. Die übrigen Produkte wurden eingestellt oder verkauft, wie das Geschäft mit den Helio-Klischografen für den Tiefdruck. Die Digitaldruck-Sparte wurde an Kodak in Rochester/USA verkauft und das Werk in Kiel endgültig aufgelöst. In der Firma Hell Gravure Systems GmbH, Kiel, die ja schon vorher aus der Heidelberger Druckmaschinen AG ausgegliedert worden war, lebt der Name des Rudolf Hell weiter.

Hätte der Niedergang vermieden werden können? Der Gründervater hatte den Pioniergeist und den Innovationsgeist und war eine große Persönlichkeit mit Führungsstärke. Er hatte aber auch die Fähigkeit, Bewegungen am Markt zu beobachten, weil er immer sehr nahe am Ohr der Kunden war. Er hat während seines gesamten Berufslebens bewiesen, dass er sich flexibel an veränderte Verhältnisse anpassen konnte. Er hat zweifellos von seinem großen Partner Siemens Unterstützung erfahren, als alles normal lief. Als aber die Not für die Firma Hell am größten war, weil der Markt total einbrach, wo blieb da die lebensrettende Hilfe? Die Hell-Fax-Geräte und die Hell-Farbscanner waren ausgereift und hätten unter dem Dach des HaSi in Massen vermarktet werden können. Warum überließ man diesen lukrativen Markt den Konkurrenten aus Fernost? Warum setzte man bei Siemens weiter auf die veraltete Fernschreiber-Technologie? Das Fax-Gerät bot viel bessere Potenziale, weil damit auch chinesische und japanische Schriftzeichen durch die punktweise Digitalisierung hervorragend übertragen werden konnten. Es muss in Zweifel gezogen werden, ob die sehr enge und verflochtene Partnerschaft zwischen einem Zwerg und einem Riesen wirklich auf Dauer Erfolg hat. Es spielt auch der Dünkel der Großkonzerne gegenüber Erfindungen von außen mit, dass gute Ideen scheitern. Wenn eine Idee nicht aus den eigenen Reihen kommt, wird regelmäßig in den Entwicklungsabteilungen nach Gründen gesucht, warum die Erfindung nicht funktionieren oder nicht marktfähig gemacht werden kann.

Dem tüchtigen Erfinder des Computers Konrad Zuse erging es ganz ähnlich. Er hatte nicht nur den allerersten Elektronen-Rechner der Welt 1941 auf der Grundlage des binären Zahlensystems in Berlin-Kreuzberg gebaut, sondern bis 1969 250 Großrechner in seiner Firma in Bad Hersfeld produziert (mehr dazu HIER). Sie landete in den Armen des Großkonzerns Siemens, der aber das ruhmreiche Erbe des Erfinders und Pioniers im Kampf gegen US-Konzerne und auch später beim Siegeszug des PC nicht zu nutzen verstand. Auch hier die Überheblichkeit gegenüber einer fremden Idee; Zuses Wundermaschine ist ja nur zugekauft und nicht im eigenen Haus erfunden worden, kann daher nichts sein! Man verteidigt eben seine Erbhöfe. Schade! Deutschland hat in den beiden Fällen Zuse und Hell große Chancen verpasst und überließ kampflos Anderen das Feld.

Das wurde aus Hells Farbscanner. Wie ist ein Farbscanner heute aufgebaut und wie funktioniert er? Eine als Lichtquelle dienende Leuchtstoff- oder LED-Lampe beleuchtet während des Scan-Vorgangs von unten durch eine Glasplatte die Vorlage. Während ihrer Bewegung tastet sie Zeile für Zeile ab. Das reflektierte Licht wird über zwei mitlaufende Spiegel durch eine Linse geleitet, die die Breite der Vorlage auf den normalerweise 2,5 cm langen Chip projiziert. Dieser ist bestückt mit lichtempfindlichen CCD-Sensoren (charge-coupled device), die das reflektierte Licht proportional zu seiner Intensität erfassen und durch einen weiter wandernden spannungsbedingten Ladeeffekt zwischen den freigesetzten (negativen) Elektronen und dem (positiven) Träger-Silizium zum Analog/Digital-Wandler transportieren. In diesem Wandler wird aus dem bis jetzt analogen ein digitales Bild, das jetzt weiter bearbeitet wird. Handelt es sich beispielsweise um einen 6400 dpi-Scanner, so enthält der Chip 6400 CCD-Sensoren mit einer Kantenlänge von ca. 4 μm (4 Tausendstel mm). Ein moderner Farbscanner arbeitet nach dem Single-Pass-Verfahren, d.h. dass die Farbe mit einem Durchgang erfasst wird. Für jeden Bildpunkt muss es demnach drei nebeneinander liegende CCD-Elemente geben mit je einem Farbfilter in Rot, Grün und Blau. Daher hat der 6400-dpi-Scanner insgesamt die astronomische Zahl von 19200 CCDs. Der Scanner erzeugt also pro abgetastete 20 cm breite Vorlagenzeile 6400 Pixel und projiziert diese auf die CCD-Zeile, die die kompakte Länge von 2,5 cm hat, das sind also 6400 dpi (weil 2,5 cm = 1 inch) für die CCD-Zeile. Wenn der Scan ausgedruckt wird mit der originalen Zeilenbreite von 20 cm, dann verteilen sich die 6400 Pixel auf 20 cm = 8 inch, dies entspricht dann einer Auflösung von 6400/8 = 800 dpi für den Ausdruck.

Bild 1. So arbeitet ein Scanner für den Desktop-Betrieb, d.h. für mittelständische Betriebe, Autoren, zur Erstellung von Vorlesungsmaterial von Professoren und für den Hausgebrauch.

Bild 2. Die lichtempfindlichen CCD-Sensoren sind die Schlüsselelemente für die Erfassung und letztendliche Digitalisierung des Textes und der Bilder auf der Vorlage. Die Ladungen werden wie in einer Eimerkette schrittweise weitergegeben.

Bild 3. Bei Farbscannern sind die CCD-Sensoren als Dreier-Reihen vorhanden, je mit einem Farbfilter nach dem RGB-System ausgestattet - Tausende von CCDs auf einem Chip.

Bild 4. Als Eingangssignal wird die Helligkeit der Bildpunkte als analoge (kontinuierliche) elektrische Spannung gemessen; im A/D-Wandler werden diese Werte digitalisiert, d.h. vom Dezimal- ins binäre Zahlensystem, bestehend aus 0 und 1 umgewandelt. Das digitale Ausgangssignal stellt sich in einem Signal-Zeit-Diagramm in einer Punktfolge mit gestuften horizontalen und vertikalen Abständen dar.

 

 

 

Bild 5. Ein moderner Flachbett-Scanner hat diverse Einstellungen für die verschiedenen Arten von Vorlagen. Auch Texterkennung ist darunter, d.h. Erfassung von Texten und Umformung in eine bearbeitbare Computerdatei. Die Auflösung kann gewählt werden sowie ein Standard-, Büro- oder professioneller Modus. Vor dem Scannen kann man sich das Ergebnis schon in einer Vorschau ansehen. Für das Scannen von Dias (Positivfilm) und von Farbnegativfilmen wird im Gehäusedeckel die Abdeckung entfernt, um die Durchleuchtung von oben freizugeben. Die Dias liegen in einer Plastikschablone auf der Glasplatte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 .

 

 

 

 

 

 

 

Bild 6. Der Möglichkeiten sind viele: Farbe, Graustufen, schwarz/weiß, Auflösung (für diesen Scanner) bis 6400 dpi (dots per inch). Die Vorschau gestattet einen Blick auf das Endergebnis.

 

 

  .

 

  

Bild 7. Desktop Publishing. Heutige Autoren schreiben ihr Manuskript direkt in den Computer, und zwar Text, Strichzeichnungen, Fotos. Es gibt keinen Blei-, Foto- oder Lichtsatz mehr; wir haben den "Computersatz". Die Autorendatei geht direkt zur Druckerei. Hier eine Seite aus dem Buch des Website-Autors "Process Centrifugal Compressors".

Jeder Autor sein eigener Schriftsetzer. Er stellt jede einzelne Seite, z.B. eines zu schreibenden Buches, mit dem Text und den Bildern selbst zusammen, und zwar in einer "Template", einer Art Schablone, die ihm der Verlag als Software zur Verfügung stellt. Diese beinhaltet die Schriftart, Schriftgröße und die Absätze und ermöglicht die Platzierung der Bilder mit der Unterschrift in anderer Schriftgröße. Die Nummerierung der Kapitel wird automatisch im Inhaltsverzeichnis aufgelistet, und jede Seite hat z.B. eine Kopflinie, über der auch die Kapitelüberschrift erscheint. Für das Einfügen von Fotos ist ein Scanner unerlässlich. Diese werden zunächst auf der Festplatte gespeichert und dann im Verlaufe der Manuskripterstellung abgerufen und in den Text eingefügt. Auch Strichzeichnungen und Diagramme, die a priori als Computer-Dateien vorliegen, können auf diese Weise problemlos integriert werden. Das Manuskript kann jederzeit korrigiert oder ergänzt und dann dem Verlag zur Endkontrolle eingereicht werden. Die Druckerei bekommt dann lediglich die Gesamtdatei, die den Druckvorgang in Gang bringt.

 

 

.

 

 

Bild 8. Ein Faxgerät für den Hausgebrauch.

 

 

 

 

 

 

Das wurde aus Hells Faxgerät - wie funktioniert es heute? Das Faxgerät ist nichts anderes als ein Telefon mit Scanner. Es benutzt zum Senden einen Einzugscanner. Beim Einziehen wird die Vorlage an einer Zeile aus lichtempfindlichen CCD-Sensoren entlanggeführt, die im reinen Schwarz-Weiß-Betrieb arbeiten. Genau wie beim Scanner wird die Vorlage Zeile für Zeile abgetastet. Die CCDs erfassen das reflektierte Licht proportional zu seiner Intensität und transportieren die so gewonnenen analogen Bildsignale zum Analog/Digital-Wandler. Die digitalen Bildsignale werden im Modulator einer Trägerfrequenz aufgeschaltet und mittels Amplitudenschwankungen über das Telefonkabel zum Empfänger geleitet, werden dort demoduliert und steuern die Schreibeinrichtung des Empfanggerätes. Die gebräuchlichste Auflösung: 1728 Pixel bei 204 dpi in horizontaler Richtung (Vorlagenbreite).

Es gibt Tintenstrahl-, Laser- und Thermotransfer-Faxgeräte. Das letztere stellt eine guten Kompromiss zwischen Verbrauchs- und Gerätekosten dar. Für den Thermotransferdruck wird eine Rolle mit schwarzer, dünner Druckfolie, auch Farbband genannt, benötigt. Diese Rolle, wird an einem Heizelement vorbeigeführt. An den Stellen, an denen Text oder Grafik erscheinen soll, wird die Druckfolie durch das Heizelement erhitzt und die schwarze Farbe auf das DIN A4-Papier übertragen. Die Rolle (für das im Bild gezeigte Faxgerät) enthält Platz für 144 Seiten, und die Kosten pro gesendete Seite betragen ca. 0,10 Euro.

Dank an Rudolf Hell. Mit dem elektro-mechanisch arbeitenden Hell-Schreiber fing es an, mit den Geräten für das heutige Desktop-Publishing fand diese Entwicklung der Geräte für die grafische und Druckindustrie bis heute ein vorläufiges Ende. Rudolf Hell, der clevere Erfinder und Unternehmer aus Niederbayern, der in Berlin seine Ideenschmiede aufbaute und in Kiel fortsetzte, hat diese Industrie mit einem zeit seines Lebens nicht enden wollenden Feuerwerk von Erfindungen geprägt. Eine Erfindung ging aus der vorhergehenden hervor, und für alle gab es einen gemeinsamen Nenner: die Übertragung von Bildpunkten. Er hat wie wenige andere zum technischen Fortschritt beigetragen und unser aller Leben verändert. Er hat mit Fug und Recht den Ehrentitel "Edison der grafischen Industrie" verdient.

Bildnachweis.

Bild 1: Eigene Zeichnung u. Foto. Bild 2: aus Wikipedia, Urheber Michael Schmid, CC BY-SA 3.0, eigene Ergänzungen. Bild 3: Eigene Zeichnung. Bild 4: eigene Zeichnung nach Wikipedia, Urheber wdwd, gemeinfrei. Bilder 5, 6, 7: eigene Scans. Bild 8: Eigenes Foto 2011.