Rudolf Hell (*1901 Eggmühl/Bayern, †2002 Kiel) war viel hellsichtiger als die deutsche Großindustrie, die das Potenzial seines Faxgerätes und Scanners überhaupt nicht erkannte. So machten sich Japaner und Amerikaner über die zukunftsweisenden Erfindungen her. Warum gaben die Deutschen die Marktführerschaft ab und warum verzichteten sie auf so viele Arbeitsplätze?

Aber der Reihe nach! Sein direkt anzeigendes Funkpeilgerät für die Luftfahrt von 1927 war ein Instrument, das dem Piloten die Richtung des anzufliegenden Senders anzeigt. Hiermit war im Prinzip die Möglichkeit einer Orientierung bei Blindflug gegeben. Zur damaligen Zeit flog man jedoch nur bei guter Sicht. Deshalb gaben selbst namhafte Experten dem Funkpeilgerät keine Chance. Die Amerikaner und die Firma Telefunken aber hatten den zukünftigen Wert dieser Erfindung erkannt und zahlten 20.000 Mark Lizenzgebühren dafür. Heutzutage sind Funkpeilgeräte Standard in modernen Flugzeugen.

Der Hellschreiber als Grundstein. 1929 gründete er in Berlin-Dahlem, Ihnestr. 41, dem "deutschen Oxford", seine erste eigene Firma. Nach seinen Erfindungen der Bildzerlegerröhre und des Vorläufers des Auto-Piloten galt sein Interesse nun dem Faksimile-Gerät. Die Grundidee war, graphische Schriftzeichen in Bildpunkte (Pixel) und Linien zu zerlegen, die leicht zu übertragen waren, d.h. zu erzeugen, zu übertragen und wiederherzustellen. Das war, zusammengefasst, Hells Lebensarbeit. Genau diesem Zweck diente sein 1929 erfundener Bildschreiber (man sieht, seinem Gehirn entsprangen in kürzesten Zeitabständen die tollsten Ideen), das ist ein Gerät zur elektrischen Übertragung von Textbuchstaben, das später "Hellschreiber" genannt wurde. Dies stellte sich als einer der Wendepunkte der Telekommunikation heraus. Der volle Name lautet: Typenbildfeldfernschreiber. Er konnte in Sekundenschnelle Nachrichten über den ganzen Erdball schicken. Nach Hells eigener Aussage war die Erfindung ein Aha-Erlebnis, also ein Heureka-Moment und nicht so sehr das Resultat einer jahrelangen Forschungs-und Entwicklungsarbeit. Er war der geborene "schnelle Erfinder", eine Ideenschmiede, der alles aus dem Ärmel schüttelte.

Bild 1. So funktioniert der Hellschreiber, das von Rudolf Hell erfundene, 1929 patentierte Fernschreibgerät. Es war robust und nicht störanfällig auf schwierigen Übertragungswegen, sowohl per Kabel als auch per Funk. Für Pressefunknachrichten wurde dieser "Ticker" bis in die 1980er benutzt. Das Sendegerät besitzt die Tastatur einer Schreibmaschine. Jedes Schriftzeichen wird in ein Raster von sieben Zeilen und sieben Spalten zerlegt. Die einzelnen Rasterfelder werden spaltenweise als elektrische Impulsfolge übertragen. Im Empfänger drückt ein Elektromagnet bei jedem Stromstoß ein Papierband gegen die umlaufende Spindel, die mit Druckerschwärze eingefärbt wird. "Pixelweise" entstehen Buchstaben auf dem Papierstreifen.

Bild 2. Ein Hellschreiber, wie er im 2. Weltkrieg benutzt wurde. Das Gerät wurde von den Briten erbeutet, steht heute im Museum Bletchley Park, der Zentrale des Geheimdienstes MI6. Es ist noch funktionstüchtig. Bild 3. Hell Streifenschreiber (Morse Übungsgerät) UR39C, aufgenommen an Bord des Minenjagdbootes "Weilhelm" in Wilhelmshaven im November 2011.

In seinem Haus in Dahlem wollte er berechnen, entwerfen, konstruieren, fertigen, die Bürotätigkeit erledigen und seine Wohnräume einrichten. Dazu brauchte er doch etwas Geld. Die Rechte am Hellschreiber verkaufte er an Siemens & Halske für 13 000 Reichsmark; der erste Kunde wurde die Deutsche Reichsbahn. Der Rest des Kaufpreises für das Haus erhielt er als Erbe von seiner Mutter und aus dem Verkauf eines geerbten Autos; das ware nochmal 3000 Mark. Und dann ging es mit großem Tempo los. Im Keller war die Werkstatt, das Konstruktionsbüro und Labor im Erdgeschoss, das Büro in der Eigangshalle und die Privaträume im Obergeschoss. 1931, daran sieht man seinen geschäftlichen Erfolg, bezog seine Firma "Dr. Ing. Rudolf Hell Fernmeldetechnisches Institut" sehr viel größere Gebäude in Dahlem, Kronprinzenallee 138, heute Clayallee. 10 Jahre später kam eine weitere Produktionsstätte in Berlin-Teltow, am Teltow-Kanal hinzu. Dort wurden Hellschreiber, Geräte für die Kriegsmarine, Radio-Kompasse, Radar-Such- und Verschlüsselungsgeräte gefertigt. 

Die Triebfeder des Erfinders war stets die Faszination für die Technik, nicht so sehr fürs Geschäft: Ich habe nie etwas gemacht, nur um Geld zu verdienen. Es ging mir um den Fortschritt und die praktische Anwendung, sagte er einmal.

 Von 1930 bis 1945 wurden mehr als 50000 Hellschreiber hergestellt. Hell verbesserte das Gerät laufend. Es wird heute noch von Funkamateuren in der ganzen Welt benutzt. Hell wurde von den Nazis gezwungen, die Kriegsanstrengungen zu unterstützen. Dazu gehörten: Morse-Telegrafie, Metall-Detektoren, Minenzünder, Radiofunkpeilung, Flugzeug-Leitsysteme, Teile des Leitsystems der V2-Raketen.

Bild 4 mit text: entfernt am 22.1.2014, da hierfür keine Genehmigung vorlag.

Die genaue Bezeichnung "Feldfernschreiber" oder Feld-Hellschreiber deutet auf die militärische Benutzung im "Felde" hin. Heer, Luftwaffe und Marine nutzten ihn wegen seiner Robustheit und Verlässlichkeit als Standard-Funkgerät. Er wurde aber auch im spanischen Bürgerkrieg 1936-39, im finnisch-russischen Krieg 1941-44, von der italienischen Armee ("telescrivente da campo") und von den Spaniern im Westsahara-Krieg 1956-58 benutzt.

Bild 5 . Die Hell-Werke in Berlin bis 1945, Berlin-Dahlem, Kronprinzenallee 138, 1949 zu Ehren des Initiators der Berliner Luftbrücke in Clay-Allee umbenannt. Bild 6. Neuanfang in Kiel, hier eine Aufnahme von 1979. Hier hatte die Firma Dr.-Ing. Rudolf Hell GmbH 1900 Mitarbeiter, Siemens hielt 80%, Rudolf Hell 20% der Anteile. 1981 gehörte die Firma zu 100% Siemens.

Zum Ende des Krieges hatte er 1000 Mitarbeiter in seinen zwei Fabriken, und 1945 war alles verloren durch das Bombardement der Alliierten, die Blaupausen der Konstruktionen, die Werkzeugmaschinen, Montageeinrichtungen, die Gebäude.

Neuanfang bei Null - in Kiel. Rudolf Hell musste sein Unternehmen auf "reset" stellen. Nicht verzweifeln, neu anfangen! Er war nicht der Typ, sich unterkriegen zu lassen. Die britische Zone in Schleswig-Holstein schien ihm sicherer zu sein, als der Viermächtestatus Berlins, der nichts Gutes ahnen ließ. 1947 fing er in Kiel wieder ganz von vorne an.

Um diese Zeit herum versuchte Sony/Japan durch "Reverse Engineering" (Analyse der Komponenten und Funktionsweise eines fertigen Geräts, d.h. Produktpiraterie), den Hellschreiber weitgehend exakt als 1:1-Kopie anzufertigen, auf deren Basis es meist möglich ist, eine Weiterentwicklung zu betreiben. Auch die Ostzone startete einen Nachbau mit Original-Hell-Komponenten, die nach dem Krieg aus den Trümmern in Zehlendorf geborgen wurden. Es wurden jeweils nur wenige Exemplare hergestellt, in Ostdeutschland wegen notorischer Materialprobleme, in Japan wegen Nicht-Kompatibilität mit anderen Funkgeräten.

Aber warum ging der bekennende Bayer ausgerechnet nach Kiel? Weil er während des Krieges mehrmals nach Kiel fuhr, um Sonderaufträge für die Marine abzuwickeln? Oder weil er ein begeisterter Hochseesegler war mit seiner Yacht "Bavaria"? Wir wissen das nicht. Jedenfalls traf er mit seiner Frau Martha 1947 in Kiel ein und fand an der Mündung der Schwentine in den Kieler Hafen ein halbwegs geeignetes Gebäude für den Neuanfang.

Es war ein sehr mühevoller Neubeginn. Eine Handvoll Mitarbeiter bastelte zunächst fünf Radiogeräte aus altem Elektromaterial, diese wurden als Tauschware für kleine Werkzeugmaschinen verwendet, andere "organisierte" man sich auf Schrottpätzen. Als erste Einnahmequelle ging die Firma Hell an die Reparatur von defekten Fernschreibgeräten. Sie suchten Zeitungsverlage auf und hatten Erfolg mit dem Abschluss von Wartungsverträgen für Fernschreiber und viele Hell-Schreiber, die noch in Betrieb waren. Sie bauten Aufwickelgeräte für die vielen endlosen Papierstreifen, die aus dem Hell-Schreiberempfänger liefen, damit die Stenotypistinnen den Text leichter lesen und in ihre Schreibmaschine übertragen konnten. Sie bauten auch neue Einfärbvorrichtungen für die Druckspindeln des Hellschreiber-Empfängers. Auch neue Funkempfänger als Zusatzgeräte wurden angeboten, fanden den Beifall der Kunden und wurden bald in Serie gefertigt. Für die Hellschreiber entwickelte er dann Blattschreiber, die die langen Papierstreifen ersetzten. Ganz kleine Brötchen backen - so ging es wieder los; der Bayer in Kiel war unermüdlich und voller Optimismus.

Der Bildtelegraph und der Klischograph. Nach dem Krieg schaffte Rudolf Hell mit dem "Klischographen" seinen eigenen wirtschaftlichen Durchbruch und etablierte sich mit dem revolutionären Gerät in der Druckindustrie. Das kam so: 1950 führte er 50 Vertretern von Zeitungsverlagen einen aus alten Teilen neu zusammengebauten Telebildempfänger vor, der die Leute begeisterte. Schon 1927 hatte er zusammen mit seinem Professor Dieckmann und Doktorvater die Bildtelegrafie der Briten Alexander Bain (1810-1877) und Frederick Collier Bakewell (1800-1869) weiterentwickelt und zum Erfolg geführt. Hell arbeitete nach seiner Promotion in Dieckmanns Gräfeldinger Institut und entwickelte einen Bildfunksender und -empfänger und verfasste eine Anleitung für den Selbstbau. Insbesondere wurden mit dieser Bildfunkübertragung zunächst Wetterkarten von Hamburg auf die Dampfer der Hapag-Linie übermittelt. An Bord der "Westphalia" betreuten Dieckmann und sein Assistent Hell den Funkbildempfang und hatten bei 2500 Seemeilen Entfernung von der Hamburger Seewarte über Radio Norddeich noch einen lesbaren Empfang.

       

Auf der Vorstellung 1950 sagte einer der Vertreter eines Zeitungsverlags, dass das Telebild wunderbar sei, aber er müsse ja immer noch mit dem Bild zur Klischee-Anstalt fahren, um es drucken zu lassen. Das war der Anstoß für unseren cleveren Erfinder. Er antwortete: Ich baue Ihnen eine Maschine, die sofort in Ihrem Büro ein Klischee herstellt. Gesagt, getan, die erste Graviermaschine, genannt Klischograph K151 entstand. Er stellte sie 1951 auf der Fachmesse Druck und Papier "Drupa" vor. Die Maschine erzeugt die Klischees, indem die druckenden Stellen erhaben aus dem Material (meist Zink) hervortreten, so dass sie von Farbwalzen eingefärbt und danach wie ein Bürostempel auf das Papier abgedruckt werden können. Die den Gravierstichel führenden Vorschubspindeln mussten äußerst präzise arbeiten und wurden von der Firma Hell

selbst hergestellt. Dr. Hell hatte Kenntnis von dem Scan-a-graver-Gerät des Amerikaners Howey von 1947, das aber nicht wirklich funktionierte. Hells Klischograph funktionierte hervorragend, und seine Firma wurde nun nicht nur in der Welt der Telekommunikation, sondern auch bei Druckern und Verlegern weltbekannt. Mit dem Klischographen zogen moderne, elektronische Verfahren in das graphische Gewerbe ein.

 Der Farbklischograph. Die Ideenschmiede "Hell" arbeitete weiter auf vollen Touren. Seit 1952 entwickelte die Firma in ihrem "Labor C" (C für Color) den Farbklischographen F160, der auf der Drupa 1956 vorgestellt wurde. 1958 folgte dann der Vario-Klischograph K181, mit dem man Maßstabsänderungen zwischen der abgetasteten Vorlage und dem gravierten Klischee eingeben konnte. Es folgte nach 1960 der Helio-Klischograph K190, der das ausschließliche Verfahren für Tiefdruckzylinder wurde und das manuelle Ätzen der Zylinder ersetzte.

Bild 7. Ein Klischee als Flexo-Druckplattenrelief aus einem Foto-Polymer-Werkstoff. Der Text in Spiegelschrift wird durch UV-Belichtung ausgehärtet.

Das Tiefdruckverfahren wurde für Massendrucksachen eingesetzt, da es mit seinen vertieften , d.h. gegen Abnutzung geschützten Druckelementen große Auflagen für Massendrucksachen auf Naturpapieren erlaubte, die durch den Tiefdruck "überlakiert" wurden. Zeitschriften und dicke Versandhaus-Kataloge waren die beliebtesten Objekte. Die Tiefdruckzylinder hatten gewaltige Ausmaße: 4,5 m Ballenbreite bei einem Durchmesser von einem Meter. Werkzeugmaschinenfabriken bekamen von Hell den Auftrag für die Fertigung derartiger Walzen. Bis 1970 lieferte Hell 100 Helio-Klischographen aus, u.a. für Gruner+Jahr und Axel Springer.

Bild 8. Das Prinzip des Tiefdruckverfahrens - das ist der Helio-Klischograph des Rudolf Hell.

Auf dem zugehörigen Abtastzylinder befindet sich ein Opalfilm mit allen Bildinformationen und Texten. Proportional der Helligkeit des abgetasteten Bildpunktes auf dem Opalfilm wird eine entsprechende Lichtmenge reflektiert und in ein elektrisches Signal umgewandelt, auf den Abtastzylinder übertragen und steuert den Gravierkopf, der zwei Informationen erhält: das eigentliche Bildsignal sowie das Signal zur Definition der Rasterfeinheit. Ein Diamantstichel schneidet daraufhin ein entsprechend großes Näpfchen, d.h. ein winziges druckendes Formelement, in die Kupferschicht des Druckzylinders. Bilder, Text und Strichzeichnungen sind durch Rasterpunkte unterschiedlicher Größe dargestellt und sind an den Rändern durch den Sägezahneffekt zu erkennen. Im Mehrfarben-Tiefdruck wird nach jedem Druckvorgang getrocknet. Heute wird elektronisch mit einem Laserstrahl gaviert ohne Umweg über einen Opalfilm. Mehr dazu im Kapitel "Was wurde daraus?"

Bild 9. Das Prinzip der Modulation. Das niederfrequente Signal, z.B. des zu übertragenden Bildes, wird einer höherfrequenten Trägerschwingung aufgeprägt. Statt des sinusförmigen Nachrichtensignals kann es auch ein viereckiges Signal sein, wie es z.B. ein digitales Signal , bestehend aus 1 und 0, darstellt. Die Modulation geschieht durch ein Modem, und die Demodulation ebenfalls durch ein Modem, das die ursprüngliche Nachricht durch Entkopplung von der Trägerschwingung im Empfänger sichtbar macht. Modem = Kunstwort aus Modulation und Demodulation.

Bild 10. So arbeitet das Modem. Auf der Senderseite moduliert ein Modem z.B. das Bildsignal, auf der Empfängerseite demoduliert ein Modem die Trägerschwingung, so dass ein Faksimile des Bildes entsteht. Die Modulation (von lat. modulatio = Takt, Rhythmus) beschreibt in der Nachrichtentechnik einen Vorgang, bei dem ein zu übertragendes Nachrichtensignal einen Träger verändert (moduliert). Dadurch wird eine hochfrequente Übertragung des niederfrequenten Nutzsignals ermöglicht.

 

Bild 11. Ein tragbarer Hell-Telebildsender von 1956. Bild 12. Das neueste Produkt der Hell Gravure Systems.

Die Weiterentwicklung zum Helio Data Processing (HDP). In den 1980ern gelang Hell mit seiner Maschine K306,  auf den Abtastvorgang ganz zu verzichten und die bis zu 16 Gravierköpfe aus dem digitalen Datenspeicher direkt zu steuern. Bis zu 16 Gravierköpfe arbeiteten mit einer Gravierfrequenz von vier  kHz, d.h. Erzeugung von 4000 Rasterpunkten pro Sekunde. Damit war die Bearbeitungszeit auch bei sehr breiten Tiefdruckzylindern schon sehr kurz.

Firmenzusammenschlüsse. Dr. Hell benutzte bis zur Fusion mit der Linotype AG im Jahr 1990 die Elektronenstrahlgravur. In der neuen Firma Linotype-Hell AG wurde auf Laser-Gravur umgestellt, weil damit keine Vakuumbehälter mehr erforderlich waren. In den 1990ern wurde das Unternehmen von der Heidelberger Druckmaschinen AG übernommen. Der Zeitschriften- und Katalogdruck konnte damit auf  Verpackungs- und Dekordruck ausgeweitet werden.1997 wurde diese Sparte als "Hell Gravure Systems GmbH" ausgegliedert und 2002 an den Geschäftsführer Siegfried Beißwenger und an Max Rid, den Hersteller von Formzylinder-Vorbereitungsmaschinen verkauft. Damit war die gesamte Herstellungskette für Tiefdruckzylinder in einer Hand. Es wurde der Helio-Klischograf K 405-Sprint entwickelt, der die Gravurfrequenz auf 7,5 kHz und die Zylinderbreite auf maximal 5 m steigerte. Das vollautomatische Gerät K 6 hat 18 Gravurkanäle und vereint alle Erfahrungen der letzten Jahrzehnte.

Der Helioklischograph K500 arbeitet mit einer Gravierfrequenz von 12 kHz und graviert direkt aus tiff-Dateien (Tagged Image File Format); das ist ein Datei-Format zur Speicherung von Bildern, das bei Grafikern und Verlegern populär ist, besonders auch für Desktop-Publishing, d.h. Herstellung von Druckmaterial guter Qualität, indem das Seitenlayout auf einem PC erzeugt wird. K500 ist nach Aussagen der Firma die schnellste und fortschrittlichste Gravurmaschine aller Zeiten.

Das Kleinfax-Gerät für das Format DIN A5. Das war das erste mobile Faxgerät der Welt im Jahre 1956. Rudolf Hell entwickelte das Grät KF 108 auf der Basis des Hell-Schreibers. Allerdings brauchte man neben dem Fax einen A/D-Umformer und ein Synchronisierungszusatzgerät. Mobil war man nur, wenn man die 42kg Gewicht und den Platzbedarf von vier Bierkisten einkalkulierte. Das grenzte den Einsatzbereich auf Baucontainer und Übertragungswagen ein. Trotzdem war damit schon 1956 das Mobilfax in Deutschland angelangt. Herzlichen Glückwunsch zu über 50 Jahren! Die Aufzeichnung geschah durch ein Rädchen, das über ein elektromagnetisches System an ein DIN A5-Normalpapier gedrückt wurde. Dem Rädchen wurde in bestimmten Zeitabschnitten Tinte zugeführt.

 

Bild 13. Das erste brauchbare Fax-Gerät der Welt, KF 108 von 1956. Erfinder: Dr. Rudolf Hell. Bild 14. Das Hell-Fax HF 1048 von 1976, DIN A4-Format.

Dasselbe Gerät diente als Sender oder Empfänger. Man legte das mit der Nachricht versehene Papier um die Bildtrommel. Eine fotoelektrische Abtast-Einrichtung, bestehend aus Bildlampe, Kondensor, Blende, Optik und Fotozelle, „las“ die Nachricht von der Trommel ab, die beim Senden während jeder Umdrehung um eine Abtastlinie von 0,2 mm in axialer Richtung weitergerückt wurde; die Nachricht bewegte sich somit in engen Schritten an der Abtasteinrichtung vorbei.

Aus dem abtastenden Lichtstrahl werden elektrische Signale in Form von Amplitudenschwankungen erzeugt. Die so gewonnenen Bildsignale werden einem Modulator zugeführt und mit Hilfe eines Hilfsträgers übertragen. Auf der Empfangsseite werden die mit dem Hilfsträger übertragenen Signale in einem Demodulator demoduliert. Der Empfänger der Nachricht legte ebenfalls ein DIN A5-Papier um die Bildtrommel, die mit gleicher Drehzahl (187,5 U/min) und gleichem Vorschub (0,2 mm je Umdrehung) wie die Sendetrommel angetrieben wurde. Die beim Empfänger ankommenden Wechselspannungen wurden verstärkt, gleichgerichtet und in Stromschritte umgesetzt. Die steuerten das elektromagnetische Schreibsystem, das die Nachricht auf dem Empfangspapier aufzeichnete.

Der Faksimile-Schreiber übertrug Schwarz-Weiß-Konturen formgetreu. Auch Wetterkarten, Skizzen oder (vergrößerte) Fingerabdrücke konnten bequem und schnell übermittelt werden. In dem Begriff „Schwarz-Weiß“-Konturen waren grau gehaltene Kontraste eingeschlossen. Farben wurden als verschieden abgestufte Grautöne übertragen.

Das DIN A4-Fax-Gerät. 1968 brachte der bayrische Tüftler das Hell-Fax HF 146 heraus, das nach der CCITT-Norm (Comité Consultatif International Télégraphique et Téléfonique) arbeitete. Es erzeugte eine DIN A4-Seite in sechs Minuten. Da das wegen der hohen Leitungskosten der Deutschen Bundespost zu unwirtschaftlich war, entwickelte Hell das Zwei-Minuten-Gerät HF 1048, das 1976 den Durchbruch schaffte, sehr gut geeignet für Industriebetriebe, Kaufhäuser, Versicherungen, Fluggesellschaften, Post, Bahn, Polizei u.a. Die Aufzeichnung auf der Empfängerseite erfolgt auf elektrosensitivem Spezialpapier mit einer Schreibnadel. 1978 nahm dann die Deutsche Bundespost den öffentlichen Telefax-Dienst auf. Der bis dahin geltende Vertrag zwischen Hell und Siemens lief zu dieser Zeit aus, und Siemens übernahm die alleinige Weiterentwicklung. Das war allerdings zu spät, denn das deutsche Fax-Gerät hatte ab Mitte der 1970er von Japan aus längst den Siegeszug über die ganze Welt angetreten, weil die verschnörkelten japanischen Schriftzeichen mit Leichtigkeit von dem deutschen Fax-System übertragen werden konnten. Bei Siemens hatte man das Potenzial dieser Erfindung nicht erkannt, beim HaSi galt und gilt immer: "not invented here".

Die Entwicklung des Farbscanners. In den USA gab es schon seit 1951 die Vorerfindung eines Farbscanners, die sogar auf 1936 zurückgeht, aber durch den Krieg verschoben werden musste. Um die zeitaufwändige Handbearbeitung für den farbigen Bilderdruck, die sog. Reproduktionstechnik abzuschaffen, gründete der Verlag Time Inc. in New York zusammen mit dem Filmhersteller Eastman Kodak eine Entwicklungsgesellschaft für Farbscanner "PDI" (Printing Development Inc.), um die Herstellung der beliebten Illustrierte "Life" von der tötenden Reproarbeit zu befreien. Die ersten Scanner-Exemplare wurden 1951 ausgeliefert, mussten aber alle wegen gravierender Mängel zurückgerufen werden. Die Amerikaner wollten mit den danach verbesserten Modellen den Markt nicht aus der Hand geben, gründeten Repro-Studios, die allein diese Arbeiten durchführen durften, vergaben keine Lizenzen und verkauften die Geräte nicht.

Bild 15. Zu viel Arbeit mit der Repro-Technik. Das Life Magazine gab den Anstoß für die Entwicklung des Farb-Scanners.

Als PDI in London ein nach diesem Monopolmodell arbeitendes Studio errichten wollte, platzte den Engländern der Kragen. 1958 vergab daher der allgewaltige Chef der renommierten Tiefdruck-Firma Sun Printers, Charles Cook an Rudolf Hell und zeitgleich auch an den Engländer John Crosfield den Auftrag, einen Farbscanner zu entwickeln, um den Amerikanern paroli zu bieten. Auch er konnte mit der steigenden Auflagenzahl seiner Frauenzeitschriften in der Repro nicht mehr nachkommen und beteiligte sich sogar mit 50% an den Entwicklungskosten. Hell und Crosfield wussten aber nichts von dem Doppelspiel ihres Kunden. Sie mussten aber,  da Kodak sogar die Spezialfilme nur für PDI lieferte, statt der rotierenden Trommeln auf die Flachbett-Technologie mit den Foto-Glasplatten ausweichen. Sie schafften es dennoch. Crosfield benutzte für seinen "Magnascan" zur Abtastung eine Kathodenstrahlröhre mit Umlenkspiegel, Hell wählte für den "Colorgraphen" einen hydraulisch betätigten, rotierenden Tisch, der drei verschiedene Farbfotos abtastete, die von einem Rechner farbkorrigiert wurden. Der enthielt 500 Elektronenröhren und Relais, die eine enorme Wärme entwickelten. Die Scanzeit betrug für ein 30x40-cm-Format mehrere Stunden.

Wie funktionierte der erste Hell-Farbscanner? Das farbige Original, ein Gemälde, Druck oder Dia wird Punkt für Punkt mit einem Lichtstrahl durch drei Farbfilter hindurch abgetastet. Die Intensität der Farbwerte wird durch Fotozellen in drei elektrische Spannungswerte umgewandelt, die die Farbe jedes Bildpunktes definieren. Das Rechenwerk korrigierte nun elektronisch die Farbe Bildpunkt für Bildpunkt so, wie die Retuscheure gearbeitet hätten, wobei deren Erfahrungswerte als mathematische Kurven im Rechner als Mittelwerte gespeichert waren. 1965 konnte Hell auf die Trommelbauweise umsteigen, da in Europa jetzt die Filme auf dem Markt waren. Das war Anfang der 1960er. Dann ging es bei Hell Schlag auf Schlag: 1967 der Kombi-Chromagraph CT 288, mit dem mehrere Vorlagen von mehreren Abtasttrommeln ineinander belichtet werden konnten, z.B. Bild in Text. 1968 der Vario-Chromagraph CT 296, der ein Kleinbild-Dia auf 27x42 cm vergrößern konnte.

 

Bild 16. Der erste Digitalscanner DC 300 von Dr. Hell, 1970 auf dem Markt. Die Vorlagen werden auf der Abtastwalze befestigt.

Der Digital-Scanner. 1970 folgte der mit der Digitaltechnik arbeitende Chromagraph DC 300. Auch Crosfield war mit seinem digitalen Magnascan zur gleichen Zeit auf dem gleichen Entwicklungsstand. Bei der Zwischenspeicherung von digitalen Abtastsignalen kam es zu einer sehr freundschaftlichen Zusammenarbeit mit Rudolf Hell, der Crosfield eine großzügige Lizenz auf sein Patent gewährte. Sie blieben dabei natürlich Konkurrenten. Beide wurden weltweit die erfolgreichsten Hersteller von Farbscannern. PDI hatte sich aufgrund einer völlig falschen Marketingstrategie ins Abseits manövriert. Man muss nicht nur gute Ideen haben, sondern muss auch die richtige Vermarktungsmethode haben!

 

 

 

Der DC 300 war einer der erfolgreichsten und bekanntesten professionellen Digital-Scanner seiner Zeit und wurde weltweit rund 2.500 Mal aufgestellt. 1977 wurde der fünfhundertste und 1979 der tausendste Chromagraph DC 300 aufgestellt. 1981 kam der Chromagraph DC 350 mit völlig neu entwickelter Elektronik auf den Markt. Ende der 1990er wurde diese Scannertechnik von wirtschaftlicheren Flachbettscannern abgelöst.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

Bild 17. Der Fotograf Ansel Adams (1902-1984) mit seiner Kamera - sagenhafte Fotos vom amerikanischen Westen.

Mit der Sonderausführung Chromagraph CP 340 konnten Großformat-Poster hergestellt werden, mit dem CTX 330 Textil- und Tapetendruck, mit dem CK 350 kartographische Werke.

Eine Druckerei in San Francisco fertigte Kunstbände mit den berühmten Schwarz-Weiß-Fotos von Ansel Adams an; der dazu benutzte Hell-Scanner machte getrennte Auszüge von Hochlichtern und Schattenpartien. Die Brillanz dieser Drucke ist bis heute unübertroffen. Eines der besten Bilder, The Tetons and the Snake River von 1942, befindet sich an Bord der interstellaren Raumsonden Voyager 1 und 2, die 1977 gestartet wurden und heute 123 bzw. 101 AU Abstand von der Sonne haben (astronomical units, 1 AU = mittl. Abstand Erde/Sonne = 149 597 870 km). Sie sind noch intakt und senden noch Signale, obwohl Voyager 1 schon vier mal soweit von der Sonne entfernt ist wie der äußerste Planet Neptun. Das Foto kann hier wegen der strikten Copyrights nicht gezeigt werden, ist aber über diesen Link in voller Schönheit zu sehen. Es war am 17.2.2009 das Bild des Tages.

Bild 18. In der Druckvorstufe wird das Original (unten rechts) in die vier Farben CMYK getrennt (Separation). Beim Drucken werden sie wieder kombiniert (übereinander gedruckt). Das Hinzufügen der Farbe Schwarz ist der Schlüssel (K=key) für die Tiefe des Bildes. In manchen Tageszeitungen sieht man in den Ecken der Seiten kleine (Kontroll)-Punkte in den CMYK-Farben.

Bild 19. Alle Bilder bestehen aus Rastern, die per Amplituden- oder Frequenzmodulation elektrisch auf die Druckmaschine übertragen werden (im Beispiel Amplitudenmodulation). Die Kombination der vier CMYK-Punktraster unter der Lupe zeigt die überlagerten Punktraster. Das menschliche Auge verwischt die Einzelpunkte und sieht einheitliche Farben.

Bild 20. Der RGB-Farbraum kann als 3-dimensionaler Würfel dargestellt werden, die drei Achsen repräsentieren die drei Farben Rot, Grün, Blau. Der maximale Farbenwert von 255 bedeutet 100% der jeweiligen Farbe. Nach diesem Modell gibt es Millionen von Einzelfarben.

Der nächste logische Entwicklungsschritt beim Scanner war die optische Kontrolle der Einstellungen des Scanners. Ab 1974 war die Farbfernsehtechnik so weit, dass für Sonderanwendungen hochauflösende Bildschirme hergestellt werden konnten. Damit entstand in der Firma Hell das Combiskop, bei dem auf einem Monitor die Einstellwerte des Scanners visuell geprüft werden konnten. Er befand sich erst in einer separaten Konsole, später freistehend auf dem Schreibtisch.

Bild 21. Das Chromacom-System von Rudolf Hell: die Spitzen-Technologie der Farbbild-Bearbeitung ab 1980. Wenige Jahre später wurde es durch einen einfachen PC ersetzt.

Aus dem Scanner wird das Bildbearbeitungssystem. Ende der 1970er ging Rudolf Hell daran, aus dem Scanner das Bildbearbeitungssystem zu entwickeln. Mit dem Chromacom-System wurde 1980 die erste Farbseite in einem Werbekatalog erstellt, dank schneller Rechnerprozessoren. Trotz des anfangs noch hohen Preises fanden die Geräte reißenden Absatz. Die "großen Drei" waren Markt bestimmend: Hell, Crosfield und Scitex aus Israel. Der nächste Schritt waren Stationen zur Arbeitsvorbereitung, auf denen Vorrichtungen für die Aufnahme der Plexiglaszylinder vorhanden waren. Auf den Stationen konnten bereits die Farbkorrekturwerte für die Bildvorlagen, die auf die Zylinder montiert  wurden, ermittelt und voreingestellt werden, um Leerlaufzeiten für den teuren Scanner zu minimieren. Danach wurden die Plexiglaszylinder in den Scanner eingesetzt und gescannt. Dann erfolgte die Bildbearbeitung am Chromacom und zum Schluss die Belichtung von gerasterten Filmen in einem Recorder und deren Entwicklung in einem Automaten. Diese Reihe von Geräten mit der Bezeichnung DC 3000 einschließlich des Scanners S 3900 wurde 1990 der Fachwelt vorgestellt.

Endpunkt Desktop-Publishing. 1990 schlossen sich die Unternehmen Dr.-Ing. Rudolf Hell GmbH und Linotype AG zur Linotype-Hell AG zusammen. Damit bestand die eigenständige Firma Hell nicht mehr. Das war der Beginn des Zeitalters des Desktop-Publishing (DTP). Die o.g. Belichter und Recorder wurden "PostScript"-fähig gemacht und konnten nun an die immer leistungsfähiger gewordenen PCs angeschlossen werden. PostScript ist eine Seitenbeschreibungssprache der Firma Adobe Systems Inc., die dem Belichter den Aufbau eines zu setzenden und zu druckenden Dokuments mit Grafiken, Fotos und Text übermittelt. Dabei werden auch die Buchstaben als Grafiken dargestellt, die mit Hilfe von Bezier-Funktionen als sog. "Splines" gezeichnet werden. Das sind sehr praktische mathematische Kurven, definiert durch Anfangs- und Endpunkt, sowie einige Zwischenpunkte, durch die dann eine schöne, glatte Kurve verläuft, die flexibel mit wenigen Parametern gesteuert werden kann. Damit wurde das DTP zum Allgemeingut, indem heute praktisch jedermann auf seinem PC Drucksachen selbst erstellen kann.

Ohne Rudolf Hells Pionierarbeit mit dem Hellschreiber als Grundstock, über den Bildtelegrafen, sein Fax-Gerät und seinen Scanner hätten wir heute die Leichtigkeit der Anfertigung von Druckerzeugnissen nicht erreicht. Hell ist der Edison der grafischen Industrie, so wurde er in der Laudatio während der Verleihung des Gutenberg-Preises 1977 genannt.

Die Lichtsatztechnik des Dr. Hell. Da die Reproduktion eines Bildes und das Setzen der Schrift zusammen gehören, wandte sich unser Ideen reicher Bayer ab 1965 auch der Satztechnik zu, aber erst als der alte Bleisatz des Ottmar Mergenthaler der Vergangenheit angehörte und das digitale Zeitalter eingeläutet wurde (zur Geschichte der Setzmaschine bitte auf diesen Link klicken!).

Der Bleisatz wurde durch den Fotosatz abgelöst, der Fotosatz durch den Lichtsatz (ein von Hell geprägtes Wort), der Lichtsatz durch den Lasersatz. "Satz" bezeichnet den Arbeitsschritt in der Druckerei, bei dem eine Textvorlage in eine druckfähige Form, den "Satz" gebracht wird. Hell stieg Mitte der 1960er in die digitale Lichtsatztechnik ein, das war eine enorme Verbesserung des Fotosatzes.

Bild 22. Beim Fotosatz durchleuchtet eine Lampe oder ein Blitz eine Schriftscheibe oder einen Schriftrahmen. Der gesamte Text wird auf eine Filmrolle belichtet. Nach der Entwicklung ist der Film dann die Druckvorlage für Offsetdruck und Tiefdruck. Alle Zeichen sind vollflächig als Bild vorhanden. Bei Verwendung einer anderen Schriftart wird ein anderer Rahmen eingeschoben.

 

 

 

Bild 23. Ein Schriftrahmen der Firma H. Berthold AG Berlin für die Garamond-Schrift, wie er für den Fotosatz benutzt wurde.


Bild 24. Beim von Dr. Hell erfundenen Lichtsatz werden die zu belichtenden Zeichen auf der Oberfläche einer Kathodenstrahlröhre (englisch cathode ray tube, CRT) abgebildet

 

Bild 25. Beim Lasersatz wird ein Laser als Lichtquelle eingesetzt. Da der Laserstrahl aber nicht beliebig elektronisch abzulenken ist, müssen horizontale Textzeilen und auch die in diesen Zeilen liegenden Anteile der Grafiken und Bilder zwischengespeichert werden, aus denen ein Steuersignal für den Laser erzeugt wird. Die Aufgabe übernimmt ein Raster-Image-Prozessor (RIP), der die als Vektorgrafik abgespeicherten Schriftzeichen in Rastergrafiken umrechnet. Der Laserstrahl wird über eine Optik von einem beweglichen Spiegel auf die Filmebene übertragen, und von dort auf die Filmrolle belichtet. Alle Schriftzeichen müssen dazu digitalisiert, d.h. in elektronisch speicherbare Elemente zerlegt werden. Die Zeichen liegen also nicht mehr vollflächig in Bildform vor, sondern als Pixel, die in einem elektronischen Schrift-Speicher abgelegt sind.

 

Im Jahr 1966 brachte die Firma Hell die erste Lichtsetzmaschine Digiset 50T1 mit Kathodenstrahlröhre heraus und führte sie auf der Hannover-Messe vor. Die erste wurde nach USA geliefert, die zweite nach Kopenhagen, wo in wenigen Stunden das gesamte Telefonbuch gesetzt wurde, wozu man bisher mehrere Wochen benötigte. Die Firma RCA in USA übernahm die Digiset in ihr Vertriebsprogramm und lieferte mehr als 100 Anlagen aus. Der Axel-Springer-Verlag in Hamburg erstellte die Programmspalten in der "HÖR ZU" mit einer Digiset, und der Neckermann-Katalog wurde ebenfalls mit Digiset belichtet. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München wurden wenige Stunden nach den Wettkämpfen alle Ergebnisse mit Digiset gesetzt, in Buchform gedruckt und bereits zur Abschlussveranstaltung verteilt.

Die Belichtungsleistungen waren sehr hoch, und so eignete sich die Digisetmaschine besonders gut für das Setzen von Zeitungen, Zeitschriften, Büchern und Katalogen. Die vielen Sonderzeichen und Akzentzeichen waren auch kein Problem. Daher gab es kaum ein Land in Europa, in dem Digiset-Anlagen nicht arbeiteten.

Bild 26. 1980 Bundesverdienstkreuz, er hat es wirklich verdient.

Das Lebenswerk des Rudolf Hell. Was soll man sagen in Anbetracht der unglaublichen Fülle der Erfindungen, die dieser bayrische Ideenschmied als Vorstellung entwickelte, in die Praxis umsetzte und mit viel Erfolg vermarktete? Seine Grundidee: Graphische Schriftzeichen in Bildpunkte (Pixel) und Linien zerlegen, die leicht zu transferieren sind, d.h. zu erzeugen, zu übertragen und wiederherzustellen. Daraus erwuchsen die Bildzerlegerröhre, der Hellschreiber, der Bildtelegraf, der Klischograf, das Faxgerät, der Farb-Scanner, die Lichtsetzmaschine. Was für eine Lebensleistung! Die Gedankenblitze müssen sein Gehirn in ununterbrochener Reihenfolge nur so durchzuckt haben, und seine Innovationsfreude kannte keine Grenzen. Der Ehrentitel "Edison der Druckindustrie" ist mehr als berechtigt. Er erhielt viele Ehrungen: 1973 Dr.-Ing e.h. der Technischen Universität München, 1977 Gutenberg-Preis der Stadt Mainz, 1978 Werner-von-Siemens-Ring, 1980 Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern, 1981 Ehrenbürgerrechte der Stadt Kiel. Das alles für eine große Führungspersönlichkeit innovativen Geistes, die in sich den Wissenschaftler, Erfinder und Unternehmer in idealer Weise vereinigte. Für ihn gab es nicht das heute so übliche verbale Marketing-Gehabe, sondern seine Kundennähe war Anstoß und Motor seiner Neuentwicklungen und bot ihm die Gewähr, die Marktchancen seiner Erfindungen richtig einzuschätzen.

Seine Patente. Im Verlauf seines Berufslebens von 1927 bis 1977 wurden ihm 127 (!) Patente erteilt, davon 47 für die Telegrafie, 41 für die Faksimiletechnik, 24 für die Reproduktionstechnik und 15 für die Funktechnik. Sie reichen von der Bildzerlegerröhre für Fernseher, über die elektrische Übertragung von Schriftzeichen, die Verschlüsselungsmaschine, gerasterte Druckformen, lichtelektrische Übertragung von Bildern, fotoelektrische Abtastung, automatische Faksimilogramme, elektronische Farbkorrektur, Fernübertragung von Wetterkarten ....

 

Bild 27. Die Stadt Kiel ehrt Rudolf Hell. Die Deutsche Post hat den großen deutschen Erfinder noch mit keiner Briefmarke geehrt. Jedoch sagt die Briefmarke mit dem Hell-Sonderstempel von 2005, dass er ein Leuchtturm unter den deutschen Erfindern und Unternehmern war.

Der Mensch Rudolf Hell. Aufgeben, den Kopf in den Sand stecken, die Verhältnisse verantwortlich machen - das war nicht sein Ding. Vielmehr Optimismus, Pioniergeist nachdem er alles in Berlin verloren hatte, Mut zum Neuanfang, obwohl der Beginn in Kiel nach dem Krieg mit großen Schwierigkeiten gepflastert war - das war seine Sache. Seine Frau Martha unterstützte ihn nach Kräften, gab ihm Rückhalt und Zuversicht, als er 1947 in Kiel zu neuen Ufern unterwegs war.

Er hatte ein recht familiäres Verhältnis zu seinen Mitarbeitern. Viele Geschichten erzählt man sich über ihn. Auf Betriebsausflügen versuchte er mit jedem ein paar Worte zu sprechen. 1964, auf einer schönen Seefahrt auf der "Wappen von Hamburg" erkundigte er sich bei einem neuen Mitarbeiter nach dessen Arbeitsplatz; darauf erhielt er die Gegenfrage: Und wo arbeitest du? An einem Sonntag wollte ihn ein neuer Pförtner nicht ins Werk lassen. Er sagte zu ihm: Ich bin Dr. Hell, darauf der Neue: Das kann ja jeder sagen. Er fragte bei Vorstellungsgesprächen nie nach den Zeugnissen, er verließ sich auf seinen ersten Eindruck.Fragen nach dem Gehalt beantwortete er nur mit: Ich bezahle Sie! Und der Neueingestellte fand dann mehr Geld in der Lohntüte als sein Kollege bei einer anderen Firma. Die Bindung an die Firma war stark, die Fluktuation sehr niedrig.

1966 kam ein schwerer Schicksalsschlag, als seine Frau Martha, mit der er 40 Jahre verheiratet war, an Krebs starb. Sie hatte schon in der Berliner Zeit und in den Kieler Aufbaujahren als kräftige Stütze an seiner Seite gestanden. Er fuhr in seiner Trauer mit seinem Segelboot für mehrere Tage irgendwo hin und war für niemand zu erreichen. Aber das Leben musste weitergehen, und so half es ihm sehr, dass seine zweite Frau Jutta ihm ebenso treu zur Seite stand, bis zu seinem Tod im Jahr 2002.

Rudolf Hell traf mit vielen bekannten Persönlichkeiten zusammen, unter anderen mit: Dr. Peter von Siemens, Urenkel des Firmengründers Werner von Siemens, bis 1981 Aufsichtsratvorsitzender der Siemens AG; Bundespräsidenten Lübke, Heinemann, Scheel, während der Kieler Woche; Papst Johannes Paul II im Jahr 1984, der den großen Erfinder persönlich kennenlernen wollte, als die Scanner-Studios in der Vatikanischen Bibliothek mit den Hell-Geräten eingeweiht wurde.

Bild 28. Das weltberühmte Hell-Logo - das Qualitäts-Markenzeichen.

Die Managementmethode. Er setzte den Mitarbeitern in der Entwicklungsabteilung hohe Ziele. Wenn das Ziel erreicht war, sagte er nur: Es geht. Das war das höchste Lob des Chefs. Er setzte zwischen den einzelnen Labors einen Wettbewerb in Gang, so dass sich die Gruppen zu übertrumpfen suchten. Diese Methode führte zu Produkten, die ihrer Zeit weit voraus waren. Er verfügte schon 1974 über einen PC mit dem berühmten Intel-Prozessor 8085, und schon 1990 stellte er einen Flachbett-Scanner im DIN A4-Format vor. Anfang der 1950er setzten die Zeitungen auf seinen Klischografen, womit die Klischee-Herstellung enorm vereinfacht und das Gesicht der Zeitungen durch mehr und mehr Bilder stark verändert wurde. Er sagte viele Entwicklungen in der Druckindustrie voraus, nicht weil er als "Hell-Seher" in der Kristallkugel lesen konnte, sondern weil er ganz nüchtern sein eigenes Entwicklungspotenzial klar vor Augen hatte. Die Schriftsetzer werden in einem sauberen Graviersaal sitzen und weiße Kittel tragen und nicht mehr im Blaumann in der Hitze der Bleisatzmaschinen mit dem flüssigen Blei arbeiten. So sah er schon früh, wie durch seine Erfindungen die Arbeit humanisiert würde.

Er tat viel mehr für seine Mitarbeiter als üblich war. Schon 1954 rief er die Hell-Altersfürsorge ins Leben, deren Mittel aus dem laufenden Geschäft aufgebracht wurden. Seine Fürsorge für die Mitarbeiter begann schon in den schwierigen Nachkriegsjahren, als er manchem Kartoffel- und Kohlegeld gewährte. Sein soziales Engagement zeigte sich auch in der Einrichtung eines Freizeitzentrums mit kulturellen und sportlichen Aktivitäten in einem umgebauten Bauernhaus. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der "Hellianer" wurde durch Theateraufführungen, Hobby-Ausstellungen, Kinderfeste, Rentnertreffen, Schachturniere, Schützenfeste gestärkt. Außerdem standen Fußball, Kegeln und Segeln auf dem Programm. Die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter war für ihn ein großes Anliegen. 1979 hatte er 60 Azubis (damals Lehrlinge genannt). Er ermöglichte den jungen Leuten über die Mechanik-Ausbildung hinaus die Weiterbildung zum Nachrichtengerätemechaniker und Informatikelektroniker. Er kümmerte sich auch um junge Sonderschüler ohne Hauptschulabschluss, die nach drei Jahren den Abschluss zum Werkzeugmaschinenwerker machen konnten. Weiterbildung der älteren Mitarbeiter, besonders auch in der immer wichtiger werdenden englischen Sprache, Versehrteneingliederung, Ausbildungsstudios für ausländisches Kundenpersonal... das gehörte alles zu seiner Firmenphilosophie.

Was machte Rudolf Hells Führungspersönlichkeit aus? Erfindergeist, Begeisterungsfähigkeit, Erkennen des Potenzials, Durchhaltevermögen, Glaube an die Lösung technischer Probleme, Menschenkenntnis, Mitarbeitermotivierung, Verhandlungsgeschick, Gespür für wirtschaftliche Fragen - das waren die entscheidenden Eigenschaften, die in ihrer Kombination seinen Erfolg begründeten. Entscheidend war auch, dass er selbst immer der beste Werber für seine neuen Produkte war, weil er Ingenieur war, auch als Firmenchef mit den kleinsten technischen Details vertraut war und seine Kunden mit diesem technischen Sachverstand sehr gut überzeugen konnte.

Bild 29. Johannes Gutenberg (1400-1468), Schöpfer der beweglichen Metalllettern für den Buchdruck. Bild 30. Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), Schöpfer des binären Zahlensystems, Grundlage für Rudolf Hells elektronische Text- und Bildbearbeitungssysteme.

Von Johannes Gutenberg über Gottfried Wilhelm Leibniz zu Rudolf Hell. 1977, als er den Gutenberg-Preis der Stadt Mainz verliehen bekam, sagte er in einer viel beachteten Rede sinngemäß: Gutenbergs Grundelemente waren bewegliche Metallschriftzeichen, die er zu Wörtern zusammen fügte und als Druckstempel benutzte. 250 Jahre später erdachte der Universalgelehrte Leibniz das binäre Zahlensystem, bestehend nur aus den Zahlen 0 und 1. Für den tiefreligiösen Leibniz waren diese das Nichts und das Sein. Konrad Zuse baute 1941 den ersten Elektronenrechner der Welt auf diesem Zahlensystem auf, und wir im Druckgewerbe setzen den Druck aus einer Vielzahl von Punkten zusammen, die, aneiandergereiht, den Eindruck von Buchstaben, Grafiken, Bildern vermitteln, wobei die einzelnen Punkte nicht mehr zu erkennen sind. Dabei entspricht "kein Punkt" der Null und "ein Punkt" der Eins. Aus Gutenbergs Grundelementen, den Lettern, entstanden nach 250 Jahren die Leibniz´schen Grundelemente 0 und 1 und nach weiteren 250 Jahren unsere Grundelemente, die Punkte, deren Positionierung wir einem Computer mit elektronischem Speicher überlassen. So können wir auch mehrfarbige Bilder elektronisch in ihre Farbkomponenten zerlegen, dabei korrigieren, dann speichern und auf der gedruckten Seite wieder zusammen setzen.

Bild 31. Rückblick in die Kinderstube der punktweisen Zeichenübertragung. Mit dem Hellschreiber von 1929 begann Hells einzigartige Serie von Erfindungen für die Text- und Bildübertragung: elektromechanisch, robust, "unkaputtbar". Alle Buchstaben werden durch alphanumerische Elemente abgebildet: Die Linien im Schachbrett sind durch Zahlen, die Spalten durch Buchstaben definiert. Erhabene Nocken auf der Drehscheibe bewirken das Schließen eines Kontakts und lösen damit den Druck des Elements auf dem fortlaufenden Papierstreifen aus. Übertragung per Draht oder per Funk. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Kontakt durch Nocke - Druck eines Elements; keine Nocke, kein Kontakt - nichts wird gedruckt. Das war der mechanische Vorläufer der digitalen Übermittlung - es gab nur die Stellungen 1 und 0.

Bild 32. Das letzte Foto des großen Ingenieurs - an seinem 100. Geburtstag.

Der Jahrhundert-Ingenieur wird 100. Am 19. Dezember 2001 wurde Dr. Hell eine besondere Ehre zuteil: Sein 100. Geburtstag wird im historischen Kieler Rathaus gefeiert. Alle sind sie gekommen: Bürgermeister aus Kiel und Eggmühl, Vorstandsmitglieder, ehemalige Mitarbeiter, Familie.... Reden werden gehalten, Glückwünsche ausgesprochen, Erinnerungstücke überreicht. Eine Funkstation für Wetterkarten-Übertragung wurde zu seinen Ehren auf einem historischen Feuerschiff auf der Kieler Förde aufgebaut. Er überlebte die schöne Feier nur um drei Monate. Auf dem Eichhof-Friedhof wurde er zur letzten Ruhe gebettet. RIP, du Großer unter den deutschen Ingenieuren, du hast sehr viel für uns getan!

Wer mehr über die Feld-Hell-Fernschreiber wissen möchte, dem sei die Website von Frank Dörenberg empfohlen: bitte HIER klicken!

 

Was wurde daraus?

 

 

Bildnachweis

Bild 1: Grafiken aus Wikipedia, Urheber Moralapostel, gemeinfrei, eigene Ergänzungen. Bild 2: Wikipedia Urheber Pratyeka, gemeinfrei. Bild 3: Wkipedia, Urheber Gonzosft, CC-BY-SA Unported 3.0. Bild 4: entfernt 22.1.2014, da keine Genehmigung vorlag. Bild 5, 6: Aus "Ein Firmenbild wird zerlegt, eine Visitenkarte" von 1979, Veröffentlichung Dr.-Ing. Hell, GmbH. Bild 7: Wikipedia, Urheber Celshader, gemeinfrei. Bild 8: Aus Wikipedia, Urheber jailbird, CC-BY-SA Unported 3.0, eigene Ergänzungen. Bild 9: Eigene Gafik. Bild 10: Aus Wikipedia, Urheber dbenzhuser, CC-BY-SA Unported 3.0. Bild 11, 14, 21: Aus der Website Verein der Freunde und Förderer Technische Sammlung Dr.-Ing Rudolf Hell in Kiel e.V. Bild 12: Aus dem online-Katalog 2013 der Hell Gravure Systems GmbH & Co Kg, Kiel. Bild 13: Aus der Website der RWTH Aachen, CC-BY-SA Unported 3.0. Bild 15: Eigene Fotos vom Life Magazine, Ausgabe July, 1945 (im Archiv des Website-Autors). Bild 16: Wikipedia,  Urheber  Monster, CC-BY-SA Unported 3.0. Bild 17: Wikipedia, Urheber J. Malcolm Greany, gemeinfrei, 1950. Bild 18: Wikipedia, Urheber TiHa, gemeinfrei, mit eigenen Ergänzungen. Bild 19: Wikipedia, Urheber Pbroks13, gemeinfrei. Mit eigenen Ergänzungen. Bild 20: Wikipedia, Urheber nicht genannt, CC-BY-SA Unported 3.0. Mit eigenen Ergänzungen. Bilder 22, 24, 25: eigene Zeichnungen. Bild 23: eigenes Foto einer Schriftschablone aus Privatbesitz. Bild 26, 32: aus: B.Fuchs, C. Onnasch: Dr.-Ing. Rudolf Hell, Der Jahrhundert-Ingenieur, Edition Braus, 2005. Bild 27: gemeinfrei. Bild 29: aus Wikipedia, gemeinfrei, Schutzfrist abgelaufen. Bild 30: aus Wikipedia, gemeinfrei, Schutzfrist abgelaufen. Bild 31: eigene Zeichnung, in Anlehnung an: B.Fuchs, C. Onnasch: Dr.-Ing. Rudolf Hell, Der Jahrhundert-Ingenieur, Edition Braus, 2005.