Vom Schwinghangler zum Astronauten, eine kurze Geschichte der Erfindungen von der Steinzeit bis heute.

Die Geschichte der Erfindungen und Entdeckungen soll deutlich machen, wie es überhaupt zur ersten Erfindung kam, welches die Quellen sind, aus denen sich der Drang, Neues zu erfinden speist. Sie macht auch klar, welches die Voraussetzungen waren, unter denen Europa seit der Antike und dann mit voller Kraft ab dem Beginn der Neuzeit sich dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt verschrieb.

Was ist eine Erfindung? Eine schöpferische Leistung, mit der ein neues Ziel erreicht werden soll: Ein technisches Gerät, ein Verfahren, eine Dienstleistung, ein wissenschaftliches System. Auch wenn die Idee von anderen aufgegriffen und ausgeführt oder weiterentwickelt wird, gilt diese Leistung als Erfindung. Jede erstmalige Beschreibung und Ausführung einer Idee und auch deren Weiterentwicklung gilt also als Erfindung, die eine bisher nicht dagewesene neue Erkenntnis bedeutet. Erfindung schafft etwas Neues.

Was ist eine Entdeckung? Im Gegensatz hierzu steht die Entdeckung, die etwas zur Zeit der Entdeckung bereits Vorhandenes auffindet, z.B. eine bisher unbekannte Tierart, einen Krankheitserreger, ein Naturgesetz, ein chemisches Element, einen Himmelskörper, die Zusammensetzung der DNA, die Entzifferung der Keilschrift, usw. Entdeckung findet etwas Vorhandenes.

Die erste Ingenieurleistung bringt den Menschen hervor. Die Geschichte beginnt bereits vor 2,4 Millionen Jahren (MJ), als ein auf zwei Beinen gehendes, affenartiges Wesen, der Australopithecus habilis das erste Werkzeug der Welt erfindet, das Oldowan Tool, ein sehr primitives, grob behauenes Steinstück. Seine Hände in Kooperation mit dem Gehirn waren dazu in der Lage, weil sein Gehirnvolumen vom Zeitpunkt der Entstehung des zweibeinigen Ganges vor 6,5 MJ von 350 auf 500 cm3 gewachsen war, weil es die zusätzliche Aufgabe der Aufrechterhaltung des labilen Körpergleichgewichts übernommen hatte. Mit dem neuen Werkzeug konnte er sich als neue Nahrungsquelle die an Proteinen vielfach reichere Fleischnahrung der Tierkadaver erschließen, indem er die zähe Tierhaut aufritzte. Die höhere Energiezufuhr ließ das Gehirn in nur 400 Tausend Jahren (TJ) auf 800 cm3 anwachsen, aus der Greifhand wurde immer mehr die geschickte Hand und die Werkzeuge ausgefeilter. Und voilà, da ist er, der erste Mensch, genannt Homo rudolfensis, ausgerüstet mit einem neu gebildeten Hirnareal für technische Intelligenz. Das Oldowan Tool war die erste wichtigste und bei weitem folgenreichste Erfindung in der Geschichte der Evolution und brachte nichts weniger als den ersten Menschen hervor. Der Gebrauch des Werkzeugs führt zur Menschwerdung, zu der neuen Gattung, die vom Pflanzenfresser zum Allesesser wird und schon vor 1,8 MJ als Homo erectus mit einem fast 1000 cm3 großen Gehirn aus Afrika auswandert, um sich schlussendlich den ganzen Globus untertan zu machen.

Machen wir uns nochmal das ungeheure Geschehen vor 2,4 MJ klar: Das vergrößerte Gehirn macht einen „Engineering-Plan“ für das Werkzeug, dessen praktische Umsetzung die Überlebenschancen des Clans gegenüber Konkurrenten schlagartig verbessert durch den Übergang von der Pflanzen- zur Fleischnahrung. Also hat eine bis dato noch nie dagewesene „Ingenieursleistung“ den Menschen hervorgebracht! Zugespitzt kann man sagen: Am Anfang war der geniale Vormenschen-Ingenieur habilis! Ohne menschliche Evolution kein Großhirn, ohne Großhirn keine klugen Köpfe, ohne kluge Köpfe keine Erfindung.

So wuchs das Gehirnvolumen der Hominiden. Vor 2,4 MJ großer Sprung durch Erfindung des Werkzeugs, Erschließung der Fleischnahrung, das bedeutete die MENSCHWERDUNG.

Rot: Pflanzenfresser (Herbivoren), blau: Allesesser (Omnivoren).

 

Die Geburt der Erfindung = die Genesis des Menschen. Die erste Erfindung der Vormenschen bewirkte den Übergang vom Tier- zum Menschenreich. Nicht der Mensch betrat die Bühne und machte das Werkzeug, wie oft behauptet wird, sondern das Werkzeug den Menschen. Die umwälzendste, einschneidendste, revolutionärste Erfindung, ohne die es die Gattung Mensch nicht gäbe, die größte geistig-manuelle Leistung aller Zeiten. Das Motiv für die Werkzeugerfindung war, sich einen Überlebensvorteil gegenüber anderen Gruppen zu verschaffen, also Wettbewerb. Dieser Motor des Fortschritts ist bis heute geblieben, auch wenn die biologische längst in die kulturelle und technische Evolution übergegangen ist. Auch die Motivation der in der Website beschriebenen Erfinder ist zum größten Teil im Bestreben zu suchen, einen Marktvorteil gegenüber Konkurrenten zu erzielen. Jede staatliche Planwirtschaft, in der jegliche Konkurrenz ausgeschaltet wird, gerät zwangsläufig auf die Verliererstraße im Vergleich zu freien Gesellschaften. Den eingefleischten etatistischen Ideologen ist diese Erkenntnis nur noch nicht gekommen. Sollen sie mal in die zwei MJ alte Entwicklungsgeschichte des Menschen schauen, da ist alles drin zu lesen. Und noch eines wird aus dieser Geschichte klar: Seit der Erfindung des Oldowan-Tools ist unser Überleben als Gattung auf Gedeih und Verderb an das „Werkzeug“ im allgemeinsten Sinn gebunden. Es ist die conditio sine qua non für unser Weiterbestehen. Die erste Erfindung ist die Voraussetzung für unzählige Nachfolgeerfindingen und letzten Endes auch die, über die die Website berichtet.

Die Geburt des Homo sapiens. Vor ca. 300 TJ (neueste Erkenntnis 2017 nach Funden im Jebel Irhoud in Marokko. Bislang galt vor 200 TJ als Geburtsstunde des Homo sapiens) kam es dann in Afrika zur Entstehung unserer Spezies Homo sapiens; ihr durchschnittliches Gehirnvolumen beträgt bis heute 1400 cm3. In der jungpaläolithischen Revolution vor 60 TJ wurden nicht nur die Steinwerkzeuge und Waffen ausgefeilter, sondern diese Zeit gilt als Geburtsstunde von Religiosität, Kunst, Mitmenschlichkeit, grammatisch geordneter Sprache, erkennender Intelligenz. Die Geburt dieser Fähigkeiten wird einer Mutation zugeschrieben, die die bis dato isolierten Hirnareale für soziale, technische, kausale und linguistische Intelligenz miteinander vernetzte, genannt kognitive Fluidizität.

Die neolithische Revolution. Dann, nachdem der Homo sapiens sich seit 60 TJ von Afrika aus über den gesamten Planeten verbreitet hatte, kam es vor 11 TJ zu einer weiteren folgenschweren Umwälzung, der neolithischen Revolution, hinter der sich Sesshaftigkeit, Haustierhaltung und Getreideanbau verbergen. Es war eine reine kulturell-technologische Evolution. Der von dem „fruchtbaren Halbmond“ im Nahen Osten ausgehende Technologieschub ist zwangsläufig, wenn aus Sammler- und Jäger-Nomaden Nahrungsproduzenten werden, die Ackergeräte, Getreidemühlen, Keramikgefäße herstellen, Vorrats- und Wohnhäuser bauen und erste Tempel errichten. Dieses entscheidende Kapitel der Geschichte der Menschheit begann in Europa erst vier Tausend Jahre später. Der Mensch nahm nicht mehr nur das, was die Natur ihm bot, sondern er begann, seine Umwelt zu kontrollieren durch erstmalige Züchtung von Getreide und Nutztieren. Zuerst die gute Nachricht: Der Mensch machte sich unabhängig vom Klima und der Geografie, musste nicht mehr nach Nahrung umherschweifen, formte die Natur nach seinen Wünschen, und das Land ernährte viel mehr Menschen. Die schlechte: Die Vertreibung aus dem egalitären Sammler- und Jägerparadies (in dem alle Mitglieder des Stammes mehr oder weniger gleich waren) kostete sie ihre Unabhängigkeit, ließ soziale Schichtung entstehen, gebar Machtpolitik, Ausbeutung, Entwürdigung der Verlierer und setzte sie nie gekannten Epidemien aus, weil sie jetzt eng zusammen lebten. Die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit steht bis heute auf der Tagesordnung und ist seit 11 TJ ungelöst. Die Zweiklassengesellschaft aus Freien und Knechten, aus haves und have-nots führte zunehmend zu Gewalt, Kriegen und Völkermorden. Als Homo sapiens, der „weise Mensch“ sich vom stolzen Jäger zum dreckigen Schweinehirten wandelte, hatte er seine Unschuld verloren und erfand mörderische Vernichtungswaffen. Der Krieg bot schon damals einen starken Anreiz, neue Technologien zu erfinden, ein Faktum, das in der Gegenwart in erschreckendem Maße von Millionen hautnah erlebt wurde. Aber der Weg, der in der neolithischen Revolution eingeschlagen wurde, war unumkehrbar.

Die kulturelle Evolution. In der Zeit, zu der uns eine Geschichtsschreibung vorliegt, waren es große Persönlichkeiten, die die Menschheit geistig, moralisch und technologisch voran brachten. Den Griechen verdanken wir große Dichtung von Homer, Sophokles, Euripides, die Lehrsätze des Pythagoras, die euklidische Geometrie, das ptolemäische geozentrische Weltbild, die sokratische Philosophie, die Erfindung der Demokratie im perikleischen Zeitalter, die klassische Architektur, Vorbild bis in die Neuzeit. Der großartigen römischen Zivilisation verdanken wir Staatskunst, Städtebau, Infrastruktur und Rechtswesen.

Die christliche Zeitenwende. Christus setzte der unendlichen Spirale von Hass, Menschenverachtung, Gewalt, Vergeltung, Krieg, Völkermord das große Korrektiv der Feindesliebe entgegen. Das ist der radikale Paradigmenwechsel, den er in der Bergpredigt, der „Magna Charta“ des Christentums, verkündete. Es war sein unermüdlich agierender Missionar Paulus, der dieses neue Weltethos in Europa verbreitete. Dieser jüdische Rabbi und römischer Staatsbürger legte des Fundament des christlichen Abendlandes, als er im Jahr 49 n.Chr. den Sprung von Kleinasien nach Europa wagte. Damit wurde der Boden bereitet, der, mit dem Gottesglauben Jerusalems, der Vernunftphilosophie Athens und dem Rechtsdenken Roms gedüngt, zum Nährboden und zur Grundvoraussetzung für den Aufstieg Europas seit 1450 wurde. Dieser Geist des Fortschritts und der Erkenntnis in den Wissenschaften konnte nicht dauerhaft behindert werden. Die Kirche war von der Lehre ihres Meisters abgefallen, wandte Gewissensterror an und praktizierte physische Gewalt, verbrannte Menschen, die große Entdeckungen gemacht hatten, gab ihren Segen dazu, indigene Völker zu unterdrücken und verbreitete die Liebesbotschaft ihres Herrn mit Feuer und Schwert. Aber der Fortschrittsgeist war letzten Endes nicht mit Gewaltmaßnahmen auszurotten. Das jüdisch-christliche Wertesystem des Paulus hatte Bestand. Selbst die Institution „Kirche“ konnte es nicht kaputt kriegen. Es wurde mit seinen Hauptsätzen in die Gesetzbücher aller Staaten des Westens übernommen. Mit einer „Lebensdauer“ von 1960 Jahren wird es von keinem anderen Wertekanon an Nachhaltigkeit erreicht.

Die Neuzeit. Damit waren die Weichen gestellt für die kommenden großen Errungenschaften. Im Jahre 1450, dem Beginn der „Neuzeit“ lieferte Gutenberg in Mainz mit seiner Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Metalllettern den großen Wissenschaftlern das Werkzeug, ihre Entdeckungen der Öffentlichkeit vorzustellen und religiöse, philosophische und literarische Werke zu drucken. Damit waren dem rasant ansteigenden Schriftlichkeitsgrad der europäischen Kultur kaum noch Grenzen gesetzt. Mit diesem Werkzeug war Martin Luther in der Lage, mit der Übersetzung der Gesamt-Bibel aus dem Hebräischen bzw. Griechischen ins Deutsche, die 1534 vollständig vorlag, den bis dahin weitgehend schriftlosen Deutschen den Anstoß für die Schöpfung einer Schriftsprache zu geben. Dieses Denkmal ihrer Nationalliteratur gab ihnen Identität und immensen Einfluss auf ihre Sprache, die damals noch im Entstehen war.

Die großen Paradigmenwechsel. Die wissenschaftlich-industriellen Revolutionen der Neuzeit brachten dem Menschen ungeahnten Fortschritt und eröffneten ihm völlig neue Horizonte hin in die Industrie-, Dienstleistungs-, Informationsgesellschaft und hin zur Blüte der Geistes- und Naturwissenschaften.

Aber sie forderten ihm auch einen Preis ab, weg von einem Leben in und mit der Natur und weg von dem Fundament, auf dem er sicher zu stehen glaubte. Sie entzauberten ihn und beendeten seine Überheblichkeit: Vor 400 Jahren degradierte ihn Galileo Galilei mit seinem Heliozentrismus zu einem kosmischen Randphänomen. Vor 230 Jahren machte James Watt mit seiner Dampfmaschine seine Muskelkraft überflüssig und bescherte ihm das Industriezeitalter. Vor 150 Jahren entriss ihm Charles Darwin mit seiner Evolutionstheorie die biologische Sonderrolle. Vor 100 Jahren nahm ihm Albert Einstein mit seiner Relativitätstheorie Raum, Zeit und Materie und zog ihm so den Boden unter den Füßen weg. Vor 90 Jahren raubte ihm Sigmund Freud mit seiner Psychoanalyse den eigenen Willen und machte ihn zum Sklaven seiner Triebe. Ab 1900, auf der Suche nach den kleinsten Teilchen der Materie, begründeten Max Planck, Albert Einstein, Niels Bohr, Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger & Co die Quantenmechanik, die die klassische Weltsicht von Ursache und Wirkung aufhob. Armer Mensch: vom Sockel gestoßene Krone der Schöpfung, entmündigt, enttäuscht, desillusioniert, außerstande, die Natur zu verstehen. Im Jahre 1919 setzte Walter Gropius noch eins drauf. Mit der Gründung seiner Design- und Architekturschule „Bauhaus“ hebelte er die bisherigen Grundprinzipien des Bauens aus und schuf damit die Architektur der neuen Sachlichkeit und des Funktionalismus. Vielen Menschen wurde damit wieder ein Stück Vertrautheit entrissen. 1938 erfindet Konrad Zuse den Computer, die erste Programm gesteuerte, frei programmierbare, mit dem binären Gleitkommasystem arbeitende Rechenmaschine der Welt, die die Möglichkeiten des menschlichen Gehirns in ungeahnter Weise "erweitert".

Diese Website handelt von Erfindern und Entdeckern. Aber wie hat die Evolution die Erfinder "erfunden"? Wie ist es überhaupt zur Menschwerdung gekommen? Die zehn Stationen auf dem Weg vom Schwinghangler zum Astronauten werden hier beschrieben Menschwerdung.

 

 

 

 

 

Woher kam der deutsche Ausbruch an Kreativität im 18. und 19. Jahrhundert?

Im Jahre 1806 besiegte Kaiser Napoleon Bonaparte Preußen vernichtend und löste damit alles aus. Karl August Fürst von Hardenberg und Wilhelm von Humboldt waren die preußischen Bildungsreformer mit nachhaltigen Visionen, auf sie geht alles zurück. Sie zogen die richtigen Konsequenzen aus der Niederlage gegen Napoleon.

Am Anfang war Napoleon, dann kam die Humboldt´sche Bildungsreform. Ohne Preußens vernichtende Niederlage 1806 in den napoleonischen Kriegen hätte es nie eine Geburt der deutschen Wissenschaft und Forschung gegeben. Die Reformer, Staatskanzler Karl August von Hardenberg und Kultusminister Wilhelm von Humboldt waren überzeugt davon, dass der Zusammenbruch Preußens dem verrotteten Kern des friderizianischen Militärstaates mit seinem überall präsenten mechanischen Gehorsam zu verdanken sei. Eine Reform des Erziehungs- und Bildungssystems sei unumgänglich geworden. Manchmal bedarf es erst eines tiefen Falles, um dann wie Phönix aus der Asche hoch emporzusteigen. Mit der Rückendeckung Friedrich Wilhelms III gingen sie an eine grundlegende Neuordnung der Universitäten: 1) Die Professoren wurden verpflichtet, originäre Forschungsergebnisse zu veröffentlichen. 2) Den Universitäten wurden Forschungslabors zugewiesen. 3) Die Studenten wurden in neue Forschungsmethoden eingeführt. 4) Die Lehre wurde mit der Forschung vereinigt. Bis 1850 wurden nahezu alle deutschen Universitäten in Forschungsinstitutionen verwandelt. Bisher hatte es die Professorenschaft als ihre Aufgabe betrachtet, Bildung zu bewahren und zu vermitteln, Kreativität kam in ihrer Lehre nicht vor. Das neue Denken machten Fichte, Schelling und Schleiermacher im Rahmen der Humboldt´schen Reformen zur Lehrverpflichtung. Eine wissenschaftliche Laufbahn verlange jetzt nicht nur, vorhandenes Wissen zu erlernen, sondern neues Wissen aus eigenen Forschungen beizutragen. Bisher wurde das Wort "Forschung" nie verwendet. Diese neue Wissenschaftsideologie war Hardenbergs und Humboldts Geschenk an die Nation. Und es zeigte Wirkung. Die 1810 neu gegründete Berliner Universität legte gleich richtig los. Es gelang Humboldt, hervorragende Denker aus ganz Deutschland für die neue Uni zu gewinnen. Zu Anfang waren Philologie und Rechtswissenschaft die stärksten Disziplinen, doch bis in die späten 1820er zogen die Naturwissenschaften nach und strahlten bald einen starken Glanz aus.

Mit 256 Studenten und 52 Lehrenden begann 1810 das erste Semester an der Berliner Universität. Heute heißt sie mit Recht Humboldt-Universität nach Wilhelm und Alexander von Humboldt. Die Berliner Uni feierte beispiellose Erfolge dank des neuen Konzepts, das beinahe schon religiöses Ansehen genoss. Kernpunkt: Einheit von Forschung und Lehre. Es war ein ganz neues Verständnis von Bildung, die im Wortsinne jetzt als ein Prozess des Werdens, des sich dynamisch Entwickelns angesehen wurde, zu dem alle Menschen fähig sind, die wissenschaftlich denken können. Rigorose Anwendung von klar definierten Untersuchungsmethoden, exaktes, logisches Denken, und die für die Forschung nötigen Mittel, die einer großen Zahl von Studenten zur Verfügung gestellt werden... das war die neue Philosophie von Bildung in Preußen.

Universitäten ganz neuen Typs - Einheit von Forschung und Lehre. Es kamen "Flutwellen von amerikanischen Studenten" (Peter Watson), bei denen besonders die Universitäten Göttingen, Berlin, Halle und Leipzig sehr schnell zu Ansehen gelangten. Von 1815 bis 1914 studierten zehntausend Amerikaner in Deutschland, darunter über die Hälfte, die vorher in Harvard und Yale studiert hatten. Unter ihnen waren 19 künftige Präsidenten amerikanischer Unis, die das moderne deutsche Bildungssystem in den USA einführten. Bei Bewerbungen um amerikanische Professorenposten wurden diejenigen bevorzugt, die in Deutschland studiert oder promoviert hatten. Die Universitäten in Deutschland waren gewissermaßen zu Graduiertenschulen für Absolventen amerikanischer Hochschulen geworden. Das galt für Geistes- und in immer stärkerem Maße auch für die Natur- und Ingenieurwissenschaften. Auch in Großbritannien nahm das Interesse am preußischen Erziehungssystem stetig zu. 1861 stellte Mark Pattison, Dozent in Oxford, einen Kommissionsbericht über das preußische Schulsystem vor. Darin heißt es: Das wahre Fundament der deutschen Erfolgsgeschichte sei seine Schulpflicht, die es dort seit 50 Jahren gibt und eine kostbare Tradition sei. Professor Thomas Arnold hatte schon 1822 einen Bericht erstellt und die Übernahme deutscher Lehrmethoden empfohlen. Er trat für ein Übergewicht naturwissenschaftlicher Fächer nach preußischem Vorbild ein. Die Verknüpfung von Forschung und Lehre, das Ideal deutscher Gelehrtheit, die universitär-wissenschaftliche Forschung wurden in die angelsächsischen Länder importiert.

Die amerikanische Wissenschaftshistorikerin Mary Joe Nye hat die Geschichte deutscher Forschungsinstitute untersucht, insbesondere die Physikalisch-Technische Reichsanstalt in Berlin-Charlottenburg. Sie ermittelte, dass im 19. Jahrhundert achthundert englische und nordamerikanische Naturwissenschaftler in Deutschland promoviert hatten und vom deutschen Denken beeinflusst waren. Das wissenschaftliche Experiment wurde als der Schlüssel betrachtet, mit dem man der Natur die Geheimnisse entlocken kann.

Da diese Beschreibung der deutschen Bildungsreform des 19. Jahrhunderts in diesem Kapitel "Am Anfang war Napoleon" von dem englischen Journalisten und Dozenten Peter Watson (geb. 1943) stammt ("Der deutsche Genius", C. Bertelsmann, 2010), ist sie völlig unverfänglich und unverdächtig.  Das äußerst lesenswerte Buch ist sehr objektiv geschrieben und berichtet umfassend und detailliert auf über 1000 Seiten über die Geistesgeschichte von Bach bis Benedikt XVI. Es liefert eine plausible Erklärung für die Quellen und tieferen Ursachen der deutschen Entdecker- und Erfinder-Epoche. Daraus ein bemerkenswerter Satz: Hätte 1932 ein Historiker eine deutsche Geistesgeschichte geschrieben, wäre es eine überwältigende Erfolgs-Story geworden. Doch der deutsche Genius wurde in seiner Blütezeit nahezu zerstört. Die Gründe dafür weiß alle Welt.

The awful German language. Besonders die amerikanischen Studenten, die damals auf die deutschen Universitäten strömten, hatten ungeheure Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache. Mark Twain (1835-1910), der 1878 eine Deutschlandtour machte, beschreibt in seinem Büchlein "Bummel durch Deutschland" seine Eindrücke über die Deutschen. Seine Schilderung der schrecklichen deutschen Sprache ist sehr amüsant zu lesen. Wer nie Deutsch studiert hat, macht sich keinen Begriff, wie verwirrend diese Sprache ist. Jedes Hauptwort hat ein Geschlecht, aber da ist kein System drin. Eine junge Dame, Fräulein genannt, hat kein Geschlecht, aber eine Kartoffel hat eins. Pferde sind geschlechtslos, Hunde sind männlich, Katzen weiblich. Viele deutsche Wörter sind richtig lang und für einen ausländischen Studenten schwer zu verstehen. Die deutsche Sprache kann perfekt ein ganzes Konzept auf ein einzelnes Wort reduzieren, das keine weitere Erklärung benötigt, z.B. Generalstaatsverordnetenversammlung, Waffenstillstandsunterhandlungen. Man könnte noch ein paar modernere Wortschöpfungen aus der Technik hinzufügen: Schriftzeichenübertragungsgeschwindigkeitsregelung, Wechselstromtelegafiekurzwellenzusatz.  Immerhin war Deutsch die Wissenschaftssprache der Welt bis 1933. Ob ausländische Studenten es heute leichter haben, wenn sie in Deutschland studieren?

Schulpflicht in Preußen schon 1717. Peter Watson schreibt, dass der Beginn der deutschen Bildung noch frühere Wurzeln hat, nämlich die allgemeine Schulpflicht, die beispielgebend in Preußen schon 1717 eingeführt, aber erst 1845 voll durchgesetzt wurde (in England wurde der Schulbesuch erst 1880 zur Pflicht). Es war eben sehr schwer und äußerst mühsam, die breite, meist agrarische Bevölkerung von den Vorteilen der Bildung zu überzeugen. Gutes Zureden nützte oft nichts bei den bäuerlichen Schülern, die sogar von den Eltern vom Besuch der Schule ferngehalten wurden, weil sie als Arbeitskraft auf dem Hof benötigt wurden. So musste in den ersten Jahrhunderten auf die körperliche Züchtigung zurückgegriffen werden, um Disziplin im Klassenzimmer zu erzwingen. Oftmals waren die wenigen Lehrer nicht pädagogisch geschult, und man griff auf ausgemusterte oder invalide Soldaten, Hausmeister und gescheiterte Handwerker zurück, von deren Motivationsfreude man sich ein anschauliches Bild machen kann. Immerhin hatte Deutschland in den 1890ern relativ zur Bevölkerung zweieinhalb mal mehr Universitätsstudenten als England. Ab 1800 gab es in England vier Universitäten, in den deutschen Staaten über fünfzig, und es gab mehr wissenschaftliche Gesellschaften und mehr Wissenschaftsmagazine als irgendwo sonst. Deutsch wurde zur führenden Wissenschaftssprache.

Eine Urzelle der deutschen Bildung: eine preußische Schule in Reckahn/Brandenburg. 1773 öffnete die Reckahner Schule als erste zweiklassige Landschule in Preußen ihre Türen. Ihr fortschrittlicher Unterricht und die moderne Einrichtung machte sie zum Muster aller Landschulen in Preußen und darüber hinaus. Auf dieser Bank hab ich gesessen, hab manche Scheibe Brot gegessen, ich danke für den Unterricht, aber für die Prügel nicht...steht auf der Tafel in deutscher Schrift. Darüber ein schönes Bild mit Szenen aus dem Landleben. Drei Schüler auf einer engen Bank mit Klappsitz, Schiefertafel, Griffel, Schwamm. An der Wand die Karte vom Heiligen Land und den Reisen des Völkerapostels Paulus, Religion war ein Hauptfach. Aus einer Schulordnung von 1875: Jeder Schüler sitze gerade, mit dem Rücken angelehnt, halte seine Hände geschlossen auf der Schiefertafel, die Füße parallel nebeneinander, schaue dem Lehrer fest ins Auge, unterlasse alles Plaudern, Lachen, Flüstern, Essen, Umhergaffen, Hinundherrücken, Füßescharren.

Im Jahr 1900 gab es im Deutschen Reich 0,5% Analphabeten, in Großbritannien 1%, in Frankreich 4%. 1923 wurden in Deutschland 31050 neue Bücher publiziert, mehr als in jedem anderen Land der Welt - eine richtige deutsche Leserevolution. Die gebildete deutsche Mittelschicht war ab 1850 Träger der wissenschaftlichen Errungenschaften und legte so den Grundstein für die technologisch-industrielle Volkswirtschaft, auf der der moderne Wohlstand beruht - nicht nur der deutsche. Bildung in der deutschen Definition war nicht nur Wissenserwerb, sondern ein Prozess der Persönlichkeitsbildung, in deren Verlauf der junge Mensch charakterlich geformt wird und lernt, kritische Urteile zu fällen und selber originäre Beiträge zu leisten. Er sollte mehr werden als das, was er war.

Die Pastorenkinder. Es fällt auf, dass viele Geistesgrößen und Naturwissenschaftler Pastorensöhne waren: z.B. Lessing, Wieland, Schlegel, Herder, Schinkel, Clausius, von Linde, Mommsen, Schliemann, Brehm, Wegener, Runge, Nietzsche, Schweitzer, Niemöller, Habermas, Angela Merkel, von Gerkan, Schlink. Pfarrersöhne als Schriftsteller, Philosophen, Historiker, Architekten, Archäologen, Chemiker, Tierforscher, Kälte-Ingenieure, Physiker, Ärzte, Geowissenschaftler legen Zeugnis davon ab, dass das evangelische Pfarrhaus ein Ort der Bildung ist, in dem die Kinder schon früh gefördert werden, besonders auch in den Naturwissenschaften, weil die Väter oftmals einem derartigen Hobby nachgehen. Auch die Schweiz hat mit dem Pfarrersohn Leonhard Euler einen berühmten Mathematiker und Physiker hervorgebracht, England den Biologie-Revolutionär Charles Darwin, zwar kein Pastorensohn, aber Theologe, Schweden den Naturforscher Carl von Linné. Könnte darin einer der Ursprünge der sog. "protestantischen Arbeitsethik" liegen? Hätte Martin Luther nicht den Zölibat abgeschafft, hätten wir auf diese großen Männer verzichten müssen! Wir hätten nicht die Lessing´sche Ringparabel, die Schinkel´schen Klassizismusbauten, den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, der Kühlschrank müsste noch erfunden werden, wir hätten Troja nicht ausgegraben, die Kontinental-Verschiebung würde noch auf ihre Entdeckung warten und die großartigen Romane von Bernhard Schlink wären uns vorenthalten worden. Und wir hätten auf die erste Frau im Bundeskanzleramt verzichten müssen.

Katholische Pfarrer können ja ihre große Bildung nicht an Kinder weitergeben, weil ihnen das Heiraten verwehrt ist (warum eigentlich? Biblisch begründet ist der Zölibat jedenfalls nicht, er ist eher eine Ideologie der Männerkirche, die erst Hunderte von Jahren nach Christi Tod etabliert wurde). Das ist sehr schade, weil dadurch die natürliche Kausalkette der Weitergabe von Erfahrung, Bildung, Wissen von einer Generation zur nächsten unmöglich gemacht wird, und der neu ausgebildete Priester mit der eigenen Bildung immer wieder bei Null anfangen muss. Die katholische Männerkirchen-Ideologie verstößt gegen ein uraltes Natur- und Menschengesetz, nämlich das der engen Mutter-Kind-Beziehung, das die Menschwerdung, die Morgendämmerung der Menschheit erst möglich gemacht hat. Nach der "Erfindung" der Bipedie, d.h. des dauernd aufrechten Ganges, musste aufgrund der Verengung des Beckens das Neugeborene eine Frühgeburt werden. Und die Evolution machte aus dieser Not eine Tugend, indem eine von Anfang an vorhandene, sehr enge Mutter-Kind-Bindung das Defizit nicht nur ausglich, sondern daraus ein Erfolgsmodell machte. Die intensive Betreuung des total hilflosen Kindes leitete über in die Erziehung durch die Mutter, Weitergabe von Erfahrung und Wissen von den Eltern auf das Kind. Intelligenz entsteht nur zur Hälfte aus der Vererbung, zur anderen Hälfte jedoch aus dem Know-how-Transfer von den Eltern auf das Kind.

Leider hat sich die katholische Kirche dieser Möglichkeit beraubt; was hätte das für einen zusätzlichen Kreativitätsausbruch bedeutet, hätte es katholische Pfarrhäuser gegeben! Das Verbot der Weitergabe der eigenen Gene an nachfolgende Generationen stellt einen zweiten Aspekt des Verstoßes gegen ein Naturgesetz dar. Da fühlt sich ein junger Mann aus tiefster Überzeugung dazu berufen, das Evangelium Jesu Christi zu verkünden und Priester zu werden und wird dafür als "Belohnung" zur Ehelosigkeit verdammt und mit dem abrupten Abbruch seiner Millionen Jahre alten genealogischen Linie bestraft; man lässt ihn, genetisch gesprochen, voll gegen die Wand fahren. Wenn es wirklich ein Gottes-Gen gibt, was einige Molekularbiologen herausgefunden haben wollen, dann sollte diesem Gen auch die Möglichkeit gegeben werden, weitervererbt zu werden, damit der Gottesglaube weiterhin auf fruchtbaren Boden fällt.

Liebe katholische Kirche, verehrter Heiliger Vater Franziskus, Römische Kurie, springen Sie über Ihren eigenen Schatten; denn Sie haben neben Ihrer Verpflichtung, das Evangelium zu verkünden zweifellos auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, das große Wissen Ihrer Pfarrer bei deren Ableben nicht im Sande verlaufen zu lassen! Berufen Sie ein Konzil ein oder was immer dazu notwendig ist, und schaffen Sie den unseligen Zölibat ab! Und: Öffnen Sie endlich Ihre wunderbare Kirche auch für Frauen, lassen Sie sie vollgültige Priesterinnen werden! Jesus hat nach dem Zeugnis der Evangelisten zu keiner Zeit die Ehelosigkeit seiner Diener, noch den Ausschluss von Frauen aus der Leitung seiner Gemeinschaft angeordnet.

Das traditionelle evangelische Pfarrhaus dagegen, war und ist ein Ort lange kultivierter Tugenden: Bescheidenheit, Selbstdisziplin, Verantwortungsbereitschaft, Unbestechlichkeit und in vielen Fällen eine Stätte der Kultur, Kunst, Musik, Wissenschaft und, für die meist vielen Kinder, eine Quelle guter Erziehung, Allgemeinbildung, wo oft auch die Vorlieben und Neigungen der Söhne und Töchter von beiden Eltern kräftig gefördert werden, mit dem Ergebnis, dass der Anteil der Pfarrerskinder an der deutschen Bildungsgemeinschaft viel größer ist als ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entspricht (s. hierzu auch das lesenswerte Buch von Christine Eichel: "Das deutsche Pfarrhaus", Quadriga, 2012). Dieses lutherische Pfarrhaus ist 488 Jahre alt und begann mit einem Skandal. Als der ehemalige Mönch Martin Luther 1525 ausgerechnet die entlaufene Nonne Katharina von Bora heiratete, war sein Umfeld entsetzt. Trotz aller Unkenrufe wurde die Ehe überaus glücklich mit vier Kindern und das Lutherhaus in Wittenberg zum Modell für unzählige Pfarrergenerationen. 

Bildung - bei deutschen Juden groß geschrieben. Es fällt weiterhin auf, dass die deutschen Juden sehr viel bildungsfreudiger waren als die übrige Bevölkerung, von der sie sich durch nichts anderes unterschieden als durch ihre religiösen Traditionen, und sie waren bis 1933 zu mehr als 80% deutsche Staatsbürger. Ihr Bildungswille bezog seine Energie aus der Religion und der Jahrhunderte alten religiösen, rechtlichen und sozialen Diskriminierung. Die Aufhebung ihrer Rechtlosigkeit wurde von Napoleon in Deutschland eingeleitet und dauerte, zwischendurch immer wieder mit Rückschritten, bis 1918. In Preußen wurden sie erst 1812 mit den Hardenberg´schen Reformen Staatsbürger. Und ab 1935 wurden ihnen mit den Nürnberger Gesetzen des Verbrecherkartells wieder sämtliche Grundrechte entzogen. Gerade wegen ihrer Stellung am Rande der mehrheitlich christlichen Gesellschaft in Deutschland wurden die heranwachsenden Juden schon in frühestem Alter von ihren Eltern dazu erzogen, die Bildung einzusaugen, auch bei den armen osteuropäischen Juden, die nach Deutschland einwanderten. Bei ihnen hieß es, dass man nicht in einer Stadt wohnen darf, wo es keine Schule gibt. Die Kinder lernten schon früh mehrere Sprachen mit ihren verschiedenen Grammatiken und Ausdrucksformen, schulten ihren Verstand am Umgang mit Büchern und in der kontroversen Diskussion über die heiligen Schriften, schufen sich so eine intellektuelle Basis für den späteren gesellschaftlichen Aufstieg. Der Umgang mit ihrer Religion war geistige Gymnastik, der sie befähigte, auch auf anderen Berufsfeldern leicht fußzufassen. Der Philosoph Moses Mendelssohn konnte 1743, im Alter von 14, Jiddisch, Hebräisch, Aramäisch und Deutsch. Die jüdischen Gemeinden gründeten um 1800 herum jüdische Schulen in Berlin, Breslau, Hamburg, Dessau, mit dem Ziel, ihre Kinder so zu erziehen, um das Elend und die Verachtung zu vermindern.

Ganz anders dagegen die Situation an staatlichen und christlichen Volksschulen. Die meist ungeeigneten Lehrer setzten auf Auswendiglernen, Pauken, hielten Diskussionen für Teufelszeug. Die Geistlichen lehnten eine systematische Unterrichtung der Kinder ab, die Adligen fürchteten, dass die Kinder durch zuviel Bildung aufsässig werden könnten. Die nicht-jüdischen Schüler waren gehemmt, verängstigt, wurden von den Eltern gewarnt: Lesen verdirbt die Augen! Es dauerte zwei bis drei Generationen bis Kinder aus der christlichen, mehrheitlich bäuerlichen Bevölkerung in akademische Höhen aufstiegen. Die jüdischen Schüler dagegen glänzten durch Fleiß, Bildungsdurst, Wissbegierde, fragten den Lehrer Löcher in den Bauch und ... bekamen gute Noten. Sie waren klug, witzig, schnell und erfolgreich. Sie waren immer auch ein bisschen aufsässig, während die christlichen Schüler gehorsam und angepasst waren.

So kam, was kommen musste. Die großen Unterschiede in der Bildungsgeschwindigkeit gehen aus einer Schulstatistik hervor: 1869 waren 15% der Berliner Gymnasiasten Juden bei nur 4% Anteil an der Einwohnerschaft Berlins. Die jüdischen Schüler erreichten um 1900 mit 56% acht Mal so häufig höhere Schulabschlüsse als christliche. 11-mal so viele jüdische Mädchen besuchten eine weiterführende Schule als christliche. Die Schulerfolge hatten auch Konsequenzen an den Universitäten. 1887 in Preußen: 10% jüdische Studenten bei einem Prozent Bevölkerungsanteil. Auch hier auf Seiten der Juden: Fähigkeit zum abstrakten Denken, rasche Auffassungsgabe, Schreibgeschwindigkeit, umfangreicher Wortschatz. Und das alles gepaart mit der Zähigkeit des Willens und der Fähigkeit, Entbehrungen in miserablen Lebensumständen zu ertragen.

Das ist sie, die Crème de la Crème der deutschen Wissenschaft in Berlin-Dahlem, dem "deutschen Oxford" im Jahr 1920. Einstein, Meitner, J. und I. Franck, v. Baeyer, Hertz, Pringsheim und Haber sind Juden. Einstein, Haber, Hertz, J.Franck, Hahn sind Nobelpreisträger.

Die Folge war, dass die deutsch-jüdischen Akademiker mit starker Wucht in die Berufe hineindrängten, die ihnen offenstanden: Arzt, Rechtsanwalt, Hochschulprofessor. Der jüdische Bildungsvorsprung rief heftige Reaktionen bei den Nichtjuden hervor. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts kommt es zunehmend zu Judenverachtung, Gehässigkeiten, Beleidigungen und offen ausgesprochenen Feindseligkeiten. Es kommt zu Rachegefühlen gegen die Aufsteiger, deren Erfolge auf die Verlierer wie eine Provokation wirken. In der Volksschule mobben faule Antisemiten-Söhne die jüdischen Streber mit den guten Noten. Schriftsteller, wie Ernst Moritz Arndt (1769-1860) und andere stellten die wunderbaren deutschen Tugenden Treue, Einfalt, Ordnungsliebe, Frömmigkeit dem jüdischen Scharfen, Spitzigen, Geistigen, Schlauen, Pfiffigen gegenüber. Sie redeten so der Transuse und dem Tölpel das Wort und schufen den Ackerboden, aus dem der deutsche Antisemitismus erwuchs. Wahre Ursache: Neid der Faulen auf die Fleißigen. Man schrie Gleichheit! und hasste die Freiheit, die anderen zu Erfolgen verhalf.

Aus den in der Website beschriebenen Geschichten geht schon der hohe Anteil an deutsch-jüdischen Erfindern und Entdeckern hervor. Albert Einstein - der Schöpfer der neuen Physik, Fritz Haber - der mit seiner Ammoniaksynthese die halbe Menschheit vor dem Hungertod rettete, Lise Meitner - die Otto Hahn die entscheidende Analyse für die Kernspaltung lieferte, Heinrich Hertz - der die theoretisch vorausgesagten elektromagnetischen Wellen tatsächlich erzeugte und nachwies, Gerhard Neumann - der Schöpfer des neuen, effizienten Düsentriebwerks, allein sie machen prozentual schon viel mehr aus als dem jüdischen Bevölkerungsanteil in Deutschland entspricht. Bei den Nobelpreisträgern wird das Übergewicht besonders deutlich. Von 1901 bis 2001 holten weltweit jüdische Wissenschaftler 21% der Physik-, 15% der Chemie- und 9% der Medizin-Nobelpreise, und das bei einem weltweiten Bevölkerungsanteil von ungefähr 0,2%. Bei dem amerikanischen Atombombenprojekt waren Robert Oppenheimer, Edward Teller und Leo Szilard an vorderster Stelle dabei.

Stefan Zweig, der österreichisch-jüdische Schriftsteller schreibt ein seinem autobiografischem Buch "Die Welt von Gestern, Erinnerungen eines Europäers" (1940): Im Allgemeinen wird angenommen, reich zu werden sei das eigentliche Lebensziel des jüdischen Menschen. Nichts ist falscher. Der eigentliche Wille des Juden ist der Aufstieg ins Geistige, in eine höhere kulturelle Schicht. Der Fromme gilt tausendmal mehr in der Gemeinde als der Reiche. Selbst der Vermögendste wird seine Tochter lieber einem bettelarmen Geistesmenschen zur Gattin geben als einem Kaufmann. Die Überordnung des Geistigen geht bei den Juden einheitlich durch alle Stände. Selbst der ärmste Hausierer wird versuchen, wenigstens einen Sohn unter den schwersten Opfern studieren zu lassen, und es wird als Ehrentitel für die ganze Familie betrachtet, einen Gelehrten, einen Professor, einen Musiker in ihrer Mitte zu haben. Dadurch sucht etwas in dem jüdischen Menschen sich und seine ganze Rasse vom Fluch des Geldes zu erlösen. Dass diese Flucht ins Geistige durch eine überproportionale Überfüllung der intellektuellen Berufe dem Judentum dann ebenso verhängnisvoll geworden ist  wie vordem seine Einschränkung ins Materielle, gehört freilich zu den ewigen Paradoxien des jüdischen Schicksals.

Der Doktortitel. Auch erstaunlich, dass gebildete junge Erwachsene in ihren Zwanzigern drei oder mehr Jahre bei äußerst geringem Lohn dafür aufwenden, mit Engagement einen Teil unserer Welt aus ihrem Blickwinkel erforschen. Sie werden mit der nicht unbedeutenden Ehre belohnt, einen "Dr." vor ihren Namen setzen zu dürfen. Und wir alle werden damit belohnt, eine neue Errungenschaft unser eigen nennen zu dürfen, die zum Fortschritt unserer Gesellschaft beiträgt, die Tore aufschließt zu neuen Produkten und Verfahren und die letztendlich neue Arbeitsplätze schafft, die wiederum das riesige Sozialbudget in unserem Staatshaushalt finanzieren.

Die Naturwissenschaften holen auf. Der Engländer Peter Watson schreibt weiter: Die Geisteswissenschaften waren ab 1810 an den deutschen Universitäten bestens etabliert. Mit der Einrichtung der wissenschaftlichen Labors kamen die Natur- und Ingenieurwissenschaften in den 1860ern in Gang. Damit einher ging ein Ansehensverlust der Professoren der Altphilologie, Geschichte und Literatur, ihre alte Welt schwand dahin, die "exakten Wissenschaften" mit ihrer angewandten Forschung liefen den traditionellen Geisteswissenschaften den Rang ab und drängten sie an den Rand. Die traditionell humanistisch geschulte Bildungsschicht in Deutschland wurde zunehmend durch eine wissenschaftlich gebildete Mittelschicht ersetzt. Das traditionelle Bürgertum mit seiner Vorliebe für Goethe, Schiller & Co., klassische Musik, Oper, Theater, Malerei beklagte den Einsturz seiner Ideen und den Vormarsch des nach seiner Ansicht schädlichen Materialismus und Merkantilismus, die eine Folge der Naturwissenschaften seien und zum Verlust der deutschen Seele geführt hätten.

Baron Noel Annan (1916-2000), britischer Geheimdienstoffizier während des 2. Weltkriegs, sagte: Bis heute nehmen wir kaum von dem deutschen Ausbruch an Kreativität des 18. und 19. Jahrhunderts Notiz, der vergleichbar mit der italienischen Renaissance ist. Ich spreche von der deutschen Renaissance, der Wiedergeburt einer vom 30-jährigen Krieg verstümmelten Kultur.

Der französische Philosoph und Historiker Hippolyte Taine (1828-1893) sagte: Alle maßgeblichen Ideen der heutigen Zeit sind zwischen 1780 und 1830 in Deutschland hervorgebracht worden.

Deutsche Physiker begründen die Wärmelehre. Zwischen 1842 und 1854 arbeiteten Forscher aus England und Deutschland an dem Prinzip der "Energieerhaltung", basierend auf früheren Erkenntnissen von Fourier und Carnot in den 1820ern. In England war es James Prescott Joule, der 1843 das mechanische Wärmeäquivalent nachwies (Gleichwertigkeit von Wärme und mechanischer Arbeitsleistung). 1845 präzisierte Julius Robert von Mayer den Zahlenwert zu 1 kcal = 427 kpm, wie er noch älteren Ingenieuren in Erinnerung ist. Heute haben alle Energieformen die Einheit J (=Joule, gesprochen [dʒuːl]): 1 kcal = 4,185 kJ. 1847 formulierte dann Hermann von Helmholtz, der "Reichskanzler der Physik" unmissverständlich, dass Wärme, Licht, Elektrizität und Magnetismus alle eine gleichwertige "lebendige Kraft" (=Energie) darstellen. Rudolf Clausius formulierte dann 1850 zwei Grundprinzipien, die als erster und zweiter Hauptsatz der Thermodynamik in die Physikgeschichte eingingen. Thermodynamik: Die Lehre von den Energieumwandlungen. Der 1. Hauptsatz: Die einem System zugeführte mechanische Arbeit und der eingespeiste Wärmestrom erhöhen im System die innere Gasenergie, die Verschiebearbeit, die Geschwindigkeitsenergie und die potenzielle Energie. Der 2. Hauptsatz: Energie-Umwandlungsprozesse finden nicht in beliebiger Richtung statt (z.B. ist Wärmeübertragung von einem warmen auf einen kalten Körper ohne Zutun nicht umkehrbar). Damit gaben Mayer, Helmholtz und Clausius den Erfindern der Wärmekraft- und Kältemaschinen das Instrument in die Hand, mit dem sie ihre Entwicklungen zum Erfolg führen konnten: Nicolaus Otto, Carl Benz, Gottlieb Daimler, Rudolf Diesel waren damit in der Lage, ihre Wärmekraftmaschinen zum Laufen zu bringen. Später waren auch Hans-Joachim Pabst von Ohain, Anselm Franz und Gerhard Neumann mit ihren Düsentriebwerken unter strikter Anwendung der thermodynamischen Gesetze erfolgreich, sowie Wernher von Braun mit dem Raketentriebwerk und vorher ebenso Carl von Linde mit seiner Kälteerzeugungsmaschine und Luftverflüssigung.

Das moralische Versagen der wissenschaftlichen Elite ebnet der Diktatur den Weg. Als die lange Nacht der Barbarei von 1933 bis 1945 über Deutschland fiel, versagte das geschwächte traditionelle Bildungsbürgertum total, konnte dem Ansturm der aggressiven Nazi-Ideologie nicht die Kraft der einstigen Moral entgegensetzen, die Elite ging mit dem Mob eine unheilige Allianz ein, akzeptierte Fälschungen und Lügen, sah weg beim barbarischen Terror der Straße und wurde zum willigen Vollstrecker der durch nichts zu begründenden Rassenparolen.

Wissenschaft auf furchtbaren Abwegen: "wissenschaftliche" Begründungen für Mord. Und das im renommierten Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin-Dahlem! Niedergang der deutschen Kulturnation.

Lehrstuhlinhaber und Institutsleiter jagten in vorauseilendem Gehorsam verdiente jüdische Wissenschaftler davon. Beispiel Kaiser-Wilhelminstitut: Die Direktoren für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik, Eugen Fischer und Otmar von Verschuer lieferten "wissenschaftliche" Begründungen für die menschenverachtende Rassen- und Geburtenpolitik des NS-Staates. Als Ausbilder von SS-Ärzten, z.B. des Josef Mengele, wurden sie Mittäter bei der Ermordung vieler Unschuldiger. Beispiel Robert Koch-Institut: Nachdem alle jüdischen Mitarbeiter entfernt wurden, bestand die Forschungsstätte nahezu vollständig aus überzeugten Nationalsozialisten, die die Eroberungspolitik unterstützten, die Möglichkeiten zur schrankenlosen "Forschung" an Menschen aktiv nutzten und willfährig die von ihnen verlangten "Untersuchungen" durchführten. Sie unternahmen Menschenexperimente mit tödlichem Ausgang und nahmen hin, dass mehrere hundert Menschen bei diesen Versuchen vielfach unter großen Qualen ihr Leben verloren.

Auf der anderen Seite verbanden sich die starken natur- und ingenieurwissenschaftlichen Eliten ebenfalls mit den Nazis, aber in ganz anderer Weise. Als ihnen vom diktatorischen Regime praktisch unerschöpfliche Ressourcen an Menschen, Geld und Material  zur Verfügung gestellt wurden, konnte man beobachten, wie von ihrer Idee besessene Ingenieure bei der Verfolgung ihres Zieles massiv gegen das ethische Menschheitsgesetz verstießen, indem sie billigend in Kauf nahmen, dass Mitmenschen durch übermenschliche Arbeit massenhaft zu Tode kamen. Beispiele: Ferdinand Porsche, Wernher von Braun, Ernst Heinkel u.a.

Ein Dankeschön. Wir suchten nach den Ursachen für den Ausbruch an deutscher Kreativität im 18. und 19. Jahrhundert. Wir stießen auf eine in ihrer Eindeutigkeit logische Kausalkette: Am Anfang war Napoleon, der Preußen zutiefst demütigte und, ohne dass er es beabsichtigte, Hardenberg und Wilhelm von Humboldt auf den Plan rief, die mit ihrer radikalen Bildungsreform daraus die einzig richtige Konsequenz zogen. Die Einheit von Lehre und Forschung, heute so selbstverständlich, vollbrachte wahre Wunder und machte deutsche Hochschulen zu Vorbildern für die ganze westliche Welt. Bildung nicht mehr nur verwalten und bewahren, sondern dynamisch, nachhaltig erweitern und mutig in die Zukunft vorstoßen - das war das Erfolgsrezept. Nicht vergessen werden darf die preußische Schulpflicht, die gegen viele Widerstände auf den Weg gebracht und mühsam, aber stetig Schritt für Schritt durchgesetzt wurde. Sie war es, die aus bildungsfernen, renitenten Bauernburschen clevere Ingenieure, Erfinder und Akademiker machte, allerdings in einem sehr langen Zeitraum von zwei bis drei Generationen. Dem evangelischen Pfarrhaus kommt eine nicht unbedeutende Rolle zu, brachte es doch als Hort der Bildung viele deutsche Geistesgrößen hervor durch Förderung und Weitergabe der Bildungstradition an die folgenden Generationen. Leider schlossen sich die Katholiken durch ihren unsinnigen Zölibat von diesem Beitrag für die Entwicklung der deutschen Kultur aus. Nicht so die deutschen Juden, vor deren Kulturleistung für Deutschland man nur den Hut ziehen kann. Obwohl viele aus ärmsten osteuropäischen Ländern kamen, hatten ihre Kinder von ihrer religiösen Erziehung her fast ein "einprogrammiertes Kulturgen", mit dem sie eine Lerngeschwindigkeit entwickelten, die ihren christlichen Mitschülern den Atem nahm.

Es darf nicht außerachtgelassen werden, dass die Reformen, die die deutsche Kreativität entfachten, von "oben" angeordnet und durchgeführt wurden. Der König musste jeweils sein Plazet dafür geben, aber Gott sei Dank handelte er schon nach den Prinzipien des aufgeklärten Absolutismus. Ob die Reformen überhaupt auf den Weg gekommen wären, wenn dazu ein demokratisches Abstimmungs- und Bewilligungsverfahren heutiger Prägung nötig gewesen wäre? Erhebliche Zweifel sind angebracht.

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Heute noch müssen wir ein "danke" aussprechen an Napoleon, Hardenberg, Humboldt, die Initiatoren der Schulpflicht, an Luther, den Begründer des evangelischen Pfarrhauses, an Gustav Adolf, den Retter des deutschen Protestantismus, die Pastorensöhne und die deutschen Juden. Ohne sie wären wir heute keine Industrienation, die in der Weltliga mitspielt und die uns erlaubt, für die Alten, Armen, Kranken und Arbeitslosen zu sorgen.

Nachtrag.

Zwei der Väter des deutschen Erfinder- und Entdecker-Booms: links Karl August Fürst von Hardenberg (1750-1822) wurde 1810 mit Billigung Napoleons Staatskanzler; unter seiner Amtsführung begann die preußische Bildungsreform, die er zusammen mit Wilhelm von Humboldt auf den Weg brachte. Rechts König Friedrich Wilhelm III von Preußen (1770-1840), in dessen Regentschaft die militärischen Niederlagen 1806 gegen Napoleon fielen und der Sieg in den Befreiungskriegen 1813/15. Als aufgeklärter Monarch ermöglichte er die nachhaltigen Hardenberg-Humboldtschen Bildungsreformen. Zwei schöne Eisenbüsten von Christian Daniel Rauch im Deutschen Historischen Museum Berlin.

 

Bildnachweis

Napoleon: Gemälde von Jaques-Louis David, 1812, Wikipedia, GNU free documentation license. Hardenberg: Wikipedia, Urheber PD-Art, Schutz abgelaufen. Humboldt: gemeinfrei. Berliner Universität: Schutz abgelaufen. Humboldt-Tafel in der HU, eigenes Foto 2014. Schule: Eigenes Foto Museum Reckahn, 2005. Patorenkinder: Briefmarken public domain; Merkel, Wikipedia, Urheber Martin Rulsch, CC-BY-SA Unported 3.0. Clausius, Wikipedia, Urheber Kuebi, gemeinfrei. Linde: eigene Skizze. Wissenschaftler: Eigenes Foto, Lange Nacht der Wissenschaften, Phys. Institut der FU Berlin, 2010. Gedenktafel: eigenes Foto 7/2012. Briefmarke Luther Wikipedia, gemeinfrei. Portait Gustav II Adolf, Wikipedia, Schutzfrist abgelaufen, gemeinfrei. Eigene Fotos Hardenberg u. FW III im DHM Berlin 3-2016.

 

 

 

 

 

 

Heureka-Stories - 1840 bis 1960 - die Epoche der deutschen Ingenieure

Deutsche Erfindungen verändern die Welt!

Das erste Auto der Welt knatterte in Mannheim über die damals noch ungeteerten Straßen. Das war 1886, und gebaut hat es Carl Benz. Das weiß heutzutage so gut wie jeder. Spannender wird es da schon beim ersten Telefon, das ein paar Jahrzehnte früher im kleinen Städtchen Friedrichsdorf in Hessen quäkte. Richtig interessant wird es jedoch beim weltweit ersten Computer. Der stand nämlich nicht im kalifornischen Silicon Valley (das gab es zu dieser Zeit noch gar nicht), sondern in Berlin-Kreuzberg (das es heute noch gibt); und er ratterte, richtig laut. Von der ersten Weltraumrakete, die von der Insel Usedom in den Himmel über der Ostsee aufstieg, und der ersten Kernspaltung auf einem Holztisch in Berlin-Dahlem wollen wir erst gar nicht sprechen...

Oder doch? Etwa neugierig geworden? Die Geschichte deutscher Erfindungen und Ingenieure hat nämlich einiges zu bieten: Jede Menge spannender, teils skurriler und manchmal auch trauriger Geschichten, und das gilt nicht nur für die Erfindungen selbst, sondern auch für den Werdegang der Erfinder. Erstaunlich viele von ihnen kamen aus Verhältnissen, die man heutzutage als Kinderarmut bezeichnen würde, hatten kaum Geld für ihren Lebensunterhalt, geschweige denn für ein Studium, und trotzdem haben sie ihren Weg gemacht! So mancher musste viele Rückschläge einstecken oder gar aus Deutschland fliehen, um seinen Traum zu verwirklichen, doch kaum jemand kennt heute noch ihre Namen und die spannenden Biografien dahinter. Oder sagt Ihnen der Spitzname Herman the German etwas? Dahinter verbirgt sich ein gewisser Gerhard Neumann, der in jungen Jahren kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach China emigrierte und den es nach zahlreichen Abenteuern schließlich in die USA verschlug, wo er mit seinen Innovationen General Electric zum größten Düsentriebwerk-Hersteller der Welt machte. Erst Neumanns bahnbrechende Ideen ermöglichten es, Flugzeuge von der Größe eines Jumbo Jets in die Luft zu bringen, ohne dabei ein Schallinferno, vergleichbar mit einem mittleren Vulkanausbruch, zu veranstalten und entsprechend viel Energie zu verfeuern.

Oder wusstet ihr, dass ein schlesischer Zimmermann die englischen Lokomotiven aus Deutschland verjagte? Dass die Admiralität das erste Radargerät zurückwies, weil die Nebelhörner besser sind? Dass ein preußischer Artillerieoffizier die Elektrolokomotive erfand? Dass ein britischer Major den VW-Käfer rettete, während sein Erfinder in Haft saß, dass Kommissar Zufall die Röntgenstrahlen entdeckte? Dass die Relativitätstheorie im brasilianischen Urwald bewiesen wurde? Oder kennt ihr die unglaubliche Geschichte, dass die Erfindung des MP3-Players in Deutschland nicht für wert gehalten wurde?

Das habt ihr nicht gewusst? Ich auch nicht, bevor ich selbst Ingenieur wurde.

Solche Geschichten gibt es viele, und die interessantesten davon sollen in dieser Website erzählt werden. Von revolutionären Erfindungen und Entdeckungen, von Höhenflügen und Tiefschlägen, von abenteuerlichen Biografien und davon, wie all das unsere Welt bis heute beeinflusst und auch in Zukunft tun wird.

 

Abbe, Barnack, Daimler, Benz, Borsig, Diesel, Einstein, Porsche, von Ardenne, Brandenburg, Pavel,

Focke, Haber, Heisenberg, Hertz, Hülsmeyer, Hell, Zuse, Koch, Lilienthal, v. Linde, Neumann,

Hahn, Mergenthaler, v. Ohain, Otto, Reis, Planck, Schlack, Röntgen, Ruska, v. Siemens, v. Braun.

 

Es sind Berichte über mutige Vor- und Querdenker, die sich von der eigenen Neugierde mitreißen ließen, Geschichten über die Lust am Entdecken, die dem Leser die Augen öffnen für die unendlichen Weiten der MINT-Disziplinen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Kommt mit auf eine Reise, und entdeckt Welten, die ihr noch nie zuvor betreten habt!

Der deutsche Nobelpreisträger Gerhard Ertl sagte im Oktober 2007: Wenn man erklärt, von Goethe nichts zu wissen, wird man mit Verachtung gestraft; wenn man sagt, nichts von Physik zu verstehen, erhält man Beifall. Das ist schlimm!

Das ist tatsächlich schlimm; denn Natur- und Ingenieurwissenschaften sind der Grundstock unserer technologisch-industriellen Volkswirtschaft in Deutschland, aus der das Kapital entsteht, das wiederum unser Sozial- und Gesundheitssystem erst möglich macht und die anderen schönen Dinge, wie Kunst, Musik und Freizeitaktivitäten.

 

Die Lebensgrundlage der deutschen Wirtschaft. Die deutsche Volkswirtschaft saugt ihre Nährstoffe aus der fruchtbaren Erde von Lernen, Wissen und Bildung. Das ist der einzige Rohstoff, über den wir in ausreichendem Maße verfügen. Daraus wird über das Transfermedium „deutsche Sprache“, ohne die überhaupt nichts läuft, und das Erlernen von MINT (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) der starke technologisch-industrielle Grundstock (TIG) unserer Volkswirtschaft, der das „aktive“ Bruttoinlands-Produkt, d.h. das Kapital erzeugt, das alle anderen notwendigen oder für unverzichtbar gehaltenen Aktivitäten finanziert.

Caroline Fetscher schreibt am 1.2.2018 im "Tagesspiegel": Am Anfang war das Wort, ist es noch und wird es bleiben. Alle Bildung, alle Ausbildung beginnt mit Worten, mit dem Eintauchen in das Bad der Sprache. Fragen zeugen von Wissbegierde, mit der jede Entwicklung anfängt. Wieso, weshalb, warum?, singt der Chor der Kinder in der Sesamstraße (Zitat Ende). Es sei hinzugefügt, was schon Cicero im alten Rom als den Schlüssel zur Erkenntnis bezeichnete: Quis, quid, quomodo, ubi, quando, cur? Wer, was, wie, wo, wann, warum? Und das ist auch das Motto dieser Website. Und Fetscher schreibt weiter: Schulen müssen Paläste werden, Lern- und Lebenspaläste. Sie müssen der Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken, Kritikfähigkeit lehren, Konfliktschlichtung und Dialog. Schulen brauchen Räume für Kunst und Computer, sie brauchen Labore und Küchen, Gärten und Sportplätze, Gratis-Nachhilfe, Psychologen und vor allem motivierte, erstklassig ausgebildete, bestens bezahlte Lehrer, Lehrer, Lehrer. Aber was, wenn es irgendwann zu viele Lehrer gibt? Falsche Frage! Dann werden eben die Klassen kleiner, und die wichtigste Ressource der Lehrenden wird größer: Zeit.

Aus dem Topf des TIG werden die riesigen Ausgaben für Soziales und Gesundheit bezahlt und die großen Aufwendungen für Landesverteidigung, innere Sicherheit, weltweite Militär-Einsätze. Die Verwaltungen des Bundes, der Länder und der Kommunen brauchen die Subventionen aus diesem Reservoir und ebenso die Geisteswissenschaften und schönen Künste.

Unsere Freizeit-, Urlaubs- und Reiseaktivitäten, die uns so lieb und teuer geworden sind, würden ohne den TIG austrocknen, etwa auf das Niveau der Industiearbeiter beim Beginn unserer industriellen Revolution. Ohne den großen Output des TIG kein Input für alles andere, der Staat erwirtschaftet kein Kapital, er verteilt es nur. Der bei weitem wichtigste Rückfluss aus dem großen Topf sind die Investitionen in die an Schulen und Universitäten vermittelte Bildung, ohne die die Muttererde „Lernen und Wissen“ langsam aber sicher unfruchtbar würde. Diese Rückkopplung ist die allerwichtigste in diesem Regelkreis, und ohne sie würde Deutschland ohne äußeres Zutun auf das Niveau des Morgenthau-Plans absinken, den einige Amerikaner Deutschland nach dem Ende des zweiten Weltkrieges als Züchtigung verordnen wollten. Gottseidank haben sich die Befürworter des Marshall-Plans durchgesetzt, also Wiederaufbauhilfe statt Kartoffelacker. Die Zukunft der deutschen Wirtschaft ist ganz eng damit verbunden, wie viele Fach- und Hochschulstudenten die MINT-Fächer erfolgreich abschließen. Die Website hat kein anderes Anliegen, als die Jugend dafür zu motivieren. Ganz nebenbei gesagt: In Deutschland fehlen z.Z. 66000 Ingenieure (2014), eine Zahl, die sehr nachdenklich stimmt (März 2012).

 

 

Was sagte Sokrates vor 2500 Jahren?

Es gibt nur ein einziges Gut für den Menschen: die Wissenschaft, und nur ein einziges Übel: die Unwissenheit.

Was ist "MINT"?

Das Kunstwort wird gebildet aus den Anfangsbuchstaben der Fächer Mathematik, Informatik, Natur- und Technikwissenschaften. Die Zukunft der deutschen Wirtschaft ist eng damit verbunden, wie viele Fach- und Hochschulstudenten diese Fächer erfolgreich abschließen. Auf diesen Gebieten wird der Wohlstand von morgen erwirtschaftet.

Was ist Physik?

Experimentelle Erforschung, messende Erfassung, mathematische Darstellung von Naturvorgängen. Carl Friedrich von Weizsäcker: Physik erklärt die Geheimnisse der Natur nicht, sie führt sie auf tiefer liegende Geheimnisse zurück.

Was ist Ingenieurwissenschaft?

Weiter nichts als in der Praxis angewandte Physik. Dazu gehören: Maschinenbau, Bauingenieurwesen, Elektrotechnik, Elektronik, Informatik, Optik, Verfahrenstechnik, Kältetechnik, Energietechnik. Jedes dieser Fächer ist untergliedert, z.B. der Maschinenbau in: Pumpen, Verdichter, Turbinen, Motoren, Werkzeugmaschinen, Schweißmaschinen, Fördermaschinen, Baumaschinen, Druckmaschinen, Landmaschinen, Fahrzeuge, Flugzeuge. Diese wiederum sind weiter untergliedert, z.B. Verdichter in: Turbo-, Kolben-, Flügelzellen-, Membran-, Schrauben-, Rotationsverdichter. Dazu gehören die "angewandte" Mathematik und die Gesetze der "angewandten" Physik, die Fachgebiet übergreifend sind, wie z.B. Mechanik, Thermo- und Aerodynamik, Schwingungstechnik, Festigkeitslehre, Werkstoff-, Konstruktions-, Fertigungstechnik, elektronische Datenverarbeitung u.a.

Was ist eine Erfindung?

Eine schöpferische Leistung, mit der ein neues Ziel erreicht werden soll: ein technisches Gerät, eine Maschine, ein Verfahren, eine Dienstleistung. Auch wenn die Idee von anderen aufgegriffen und ausgeführt oder weiterentwickelt wird, gilt diese Leistung als Erfindung. Jede erstmalige Beschreibung und Ausführung einer Idee und auch deren Weiterentwicklung gilt also als Erfindung, die eine bisher nicht dagewesene neue Erkenntnis bedeutet. Im Gegensatz hierzu steht die Entdeckung, die etwas zur Zeit der Entdeckung bereits Vorhandenes auffindet, z.B. eine bisher unbekannte Tierart, einen Krankheitserreger, ein Naturgesetz, ein chemisches Element, einen Himmelskörper, die Zusammensetzung der DNS, die Entzifferung der Keilschrift, usw. Ganz kurz: Erfindung schafft etwas Neues, Entdeckung findet etwas Vorhandenes.

Was sagte Ferdinand Magellan?

Wer an der Küste bleibt, kann keine neuen Ozeane entdecken.

Was sagte Rudolf Diesel?

Eine Erfindung besteht aus zwei Teilen: der Idee und der Ausführung. Die Arbeit des Erfinders besteht darin, einen richtigen Grundgedanken durch eine Reihe von Irrtümern zum praktischen Erfolg zu führen. Hierbei gibt es weder Belohnungen noch Strafen, sondern nur Auswirkungen. Auch ein Wort des Schriftstellers Hermann Hesse bringt das Erfinden auf den Punkt: damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden. Und Max Planck sagte: Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen.

Und was sagten die alten Römer?

Per aspera ad astra (durch Rauheit zu den Gestirnen), was soviel heißt, dass ihnen, trotz ihrer klugen Köpfe, die Erfindung nicht vom Himmel in den Schoß fiel oder anders ausgedrückt: eine Erfindung ist zu 1% Inspiration und zu 99% Transpiration (d.h. zu 1% Idee und zu 99% Schweiß, Mühe, Arbeit). Die Römer wollten mit den sechs Fragen quis, quid, quomodo, ubi, quando, cur?, die Cicero zugeschrieben werden, hinter alle Dinge kommen: Kriminalfälle lösen, Staatsaffairen untersuchen, Machenschaften des politischen Gegners aufdecken, Angriffsstrategien der feindlichen Armee voraussagen. Wir wollen anhand der Fragen wer, was, wie, wo, wann, warum?, also mit den sechs „W“ das Leben der Erfinder und ihre Erfindungen beleuchten, die Motivation ihres Handelns, die Auswirkungen erkunden. Am Ende dieser Entdeckungsreise werden wir mehr darüber wissen, worauf unsere deutsche Gesellschaft gegründet ist und warum sie so ist, wie sie heute ist.

Was treibt Erfinder an?

Es gibt grob zwei Hauptgruppen: Erstens diejenigen mit ihrem Wissensdrang, Missionseifer, der Faszination von einer Idee, mit dem Spaß an der Grenzüberschreitung, mit der Neugier, wie das erdachte Gerät funktioniert. Nicht wenige sind fanatisch ehrgeizig und versessen, und, auch das gibt es, einige verletzen sogar das ethische Gesetz und gehen über Leichen. Einige bezahlten ihre Waghalsigkeit und Unvorsichtigkeit mit dem Leben (das werden wir alles in den Heureka-Stories der Erfinder lesen). Zweitens diejenigen mit nüchternen Beweggründen, Zweckmäßigkeitshandeln, Wunsch nach einer Produktinnovation, um neue Märkte zu erschließen, Unternehmergeist und (ja, auch das kommt vor) aus Faulheit.

Wie werden Erfinder von ihren Mitmenschen gesehen?

Der Höhenflug ihres Geistes, ihre Zielstrebigkeit, ihr Durchhaltevermögen werden auf der einen Seite bewundert. Auf der anderen Seite werden sie lächerlich gemacht, wird ihre Erfindung gering geachtet: brauchen wir nicht, was soll der Quatsch, das ist doch Spinnerei! Diese Haltung führte zur Tragik der verpassten Gelegenheiten z.T. mit unübersehbaren Folgen für die Wirtschaft und das Wohlergehen eines ganzen Landes (wie wir bei einigen der Erfinder-Geschichten sehen werden).

Hier einige deutsche Erfindungen und Entdeckungen auf Briefmarken und Münzen:

 

 

Wie kam es zur allerersten Erfindung? Ohne menschliche Evolution kein Großhirn, ohne Großhirn keine klugen Köpfe, ohne kluge Köpfe keine Erfindung. Wie hat die biologische Evolution die Erfinder erfunden? Mehr dazu HIER.

 

Bahnbrechende deutsche Erfindungen.

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Deutsche Erfindungen, Entdeckungen und Nobelpreise - kräftiges Maximum zwischen 1900 und 1950.

Die "deutsche Epoche" der Erfindungen.

 Erst etwa hundert Jahre nach dem Beginn der industriellen Revolution in England, die von James Watt mit seiner Dampfmaschine eingeleitet wurde, begannen die deutschen Tüftler, Bastler, Ingenieure und Wissenschaftler zu arbeiten, aber, je mehr Fahrt sie aufnahmen, umso tiefgreifender und wirksamer waren ihre auf breiter Front vorgetragenen technologischen Entwicklungen. Ein Häuflein von etwa fünfzig Naturwissenschaftlern und Ingenieuren trug im Zeitraum von 1840 bis 1960 mit seinen Neuentwicklungen einen besonders großen Anteil zum Fortschritt der Naturwissenschaften und der Technik auf der ganzen Welt bei. Ihre Ideen waren im wahrsten Sinne des Wortes bahnbrechend für unser Leben, unsere Gesellschaft und unsere Kultur, und sie waren so nachhaltig bis in die Jetztzeit hinein, so dass man die grobe Zeitspanne von 1850 bis 1950 durchaus als das Jahrhundert der deutschen Ingenieure bezeichnen kann.

Betrachten wir die Zeitspanne von 1901, als der Nobelpreis gestiftet wurde, bis 1932, dem Beginn der Gewaltherrschaft, so bekamen die deutschen Physiker und Chemiker ein Drittel aller Preise, nämlich 22. Betrachten wir eine gleiche Zeitspanne von 1933 bis 1965, so war es nur noch jeder zehnte, nämlich neun. Die USA hatten jetzt Deutschland weit überholt mit 39% aller Physik- und Chemie-Nobelpreise, nämlich 34.

Versucht mal, herauszubekommen, um welche Erfindungen es sich bei den oben gezeigten Bildern handelt! Einige sind klar, aber was sind die anderen? Sie werden übrigens alle in den Heureka-Stories behandelt.

 

Woher kam der deutsche Ausbruch an Kreativität im 19. Jahrhundert? Wer etwas über die Ursachen wissen will: Bitte HIER klicken!

Die Website beschränkt sich auf deutsche Erfinder, weil keine Gesamt-Enzyklopädie aller Erfinder und Entdecker der Welt mit sicher mehr als 3000 A4-Seiten geschrieben werden konnte. Die aus rein pragmatischen Gründen vorgenommene Eingrenzung auf „deutsch“ ist in keiner Weise nationalistisch oder staatsideologisch zu verstehen und soll auch nicht überheblich anderen Ländern gegenüber gemeint sein. Ohne einen Vergleich mit anderen Ländern vorzunehmen soll einfach gefragt werden, was den deutschen Erfinder ausmacht: Denkweise, analytischer Geist, Kreativität, positive Kraft, Sorgfalt, Durchhaltevermögen…schlummern die noch in uns? Wie sieht es heute mit Mut, Entschlossenheit, langem Atem aus, die unsere erfinderischen Vorväter vor 100 Jahren auszeichneten?

Der Krieg, der Vater aller Dinge? Während des zweiten Weltkrieges gab es in Deutschland noch einmal richtig viele Neuheiten. „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“, sagte um 500 v. Chr. der griechische Philosoph Heraklit. Sicher nicht „aller Dinge“, aber doch vieler. Die sehr zahlreichen Erfindungen während des Krieges kamen unter nicht normalen Bedingungen zustande, vielfach unter Zwang, Androhung von Strafe und falscher Anhänglichkeit zum diktatorischen Staat.

Um welche Erfindungen handelt es sich hier? Es ist nicht allzu schwer, das herauszukriegen. Sie werden alle in den Geschichten der Heureka-Stories vorgestellt.

Kriegsbeute 1945. Den Kriegsgegnern fielen im eroberten Deutschland Tausende von bis dahin streng gehüteten Industriegeheimnissen in die Hände. „Secrets by the Thousands“ überschreibt Harper´s Magazine im Oktober 1946 einen Artikel, in dem die wirksame, flächendeckende andere Art der Beutekunst der Amerikaner beschrieben wird. (Charles L. Walker: "Secrets by the Thousands", Harper´s Magazine, Oct. 1946, www.harpers.org/archive/1946/10). Die Alliierten gründeten das „Joint Intelligence Objectives Committee“, das den Invasionsarmeen folgen, alle militärischen, wissenschaftlichen und industriellen Geheimobjekte der Deutschen aufspüren und das Material sicherstellen sollte. Dieses Unternehmen wurde die größte einzelne Material-Quelle der Welt, die größte jemals „ordentlich“ durchgeführte Ausbeutung der geistigen Leistung eines ganzen Landes. Die amerikanischen Mannschaften waren äußerst erfolgreich. Dokumente mit einem Gewicht von 1500 Tonnen wurden erbeutet. 20 000 deutsche Patente mussten 1946 noch durchgesehen werden. Eine halbe Million Dokumente allein aus dem Gebiet der Luft- und Raumfahrt sind erbeutet worden. Die amerikanische Industrie verschlang die deutschen Geheimunterlagen. Forscher, Ingenieure und Geschäftsleute stellten 1946 1000 Anträge auf Akteneinsicht pro Tag. Eine wahre Goldader wurde entdeckt.

 

Hier die Meinung eines Briten, warum Deutschland den Krieg verlor: Sir Ian Jacob (1899-1993), Generalleutnant, Military Assistant to Winston Churchill, sagte: Wir Allierte siegten im 2. Weltkrieg, weil unsere deutschen Wissenschaftler besser waren als ihre deutschen Wissenschaftler.

 

Beginn und Ende des Booms. Zwischen 1900 und 1945 gab es einen regelrechten Erfindungsboom in Deutschland. Was hatte er für Ursachen? War es die verzögerte Wirkung der industriellen Revolution oder der Bildungsreform Humboldts, oder vielleicht die Einführung der allgemeinen Schulpflicht, oder etwa die Reichsgründung 1871, oder war es doch der Konkurrenzdruck zu anderen Staaten? Fleiß, Lernen, Ausbildung, Erfinden waren in jedem Fall die Schlüssel zum Aufstieg Deutschlands von einem Landwirtschafts- zu einem Industriestaat, in dem von 1871 bis 1914 jährlich 380 000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden und in dem die Arbeitslosigkeit in dieser Zeit nur 1% bis 2% betrug, die geringste in ganz Europa. Durch diese enorme Wirtschaftsleistung konnte Deutschland auch die Hilfsleistung für Arme, Kranke und Alte in Form von Gesetzen und damit den Sozialstaat auf den Weg bringen.

Und was brachte den Boom zum Erliegen? Die Bildungsunwilligkeit, der Wohlfahrtsstaat, der Hang für den Weg des geringsten Widerstandes, die das gesamte gesellschaftliche Leben umkrempelnde 1968er Reform, der Abschied von der Arbeitsethik, eine verfehlte Bildungspolitik, der Hang für Spaß und Freizeit oder schlicht Faulheit? Es könnte durchaus sein, dass bei Beginn und Ende des deutschen Innovationsbooms von jedem der mutmaßlichen Gründe etwas mitgespielt haben mag. Die Antwort können nicht wir Ingenieure geben, sondern sie muss von Historikern, Soziologen und Verhaltensforschern kommen. Eines steht ganz ohne Zweifel fest: der Boom hatte einen Anfang, ein kräftiges Maximum und einen recht herben Rückgang, wie auf dem Diagramm zu sehen ist. Das zeitliche Maximum in den 1980ern ist acht Nobelpreisen in Physik und Chemie geschuldet.

Barnack erfand die Kleinbildkamera "Leica", die maßgebend wurde für alle späteren Fotoapparate, warum überließen die Deutschen den Kameramarkt den Asiaten? Zuse baute den ersten Computer der Welt, warum überließen wir den Markt den Amerikanern? Hell entwickelte das Fax-Gerät, warum griff die Industrie nicht zu? Brandenburg vollbrachte das Meisterstück des MP3-Players, warum ließ sich die deutsche Industrie das Geschäft entgehen? Diese und noch andere verpasste Gelegenheiten kennzeichnen den Weg unserer Manager, besonders der Großindustrie in den letzten 40 Jahren. Wo sind die weitblickenden unter ihnen, die das Potenzial einer Erfindung erkennen und das Risiko ihrer Umsetzung nicht scheuen? Auf wieviel hunderttausend Arbeitsplätze haben wir durch ihre Ängstlichkeit verzichtet? Waren die Industrieführer vor 100 Jahren aus anderem Holz geschnitzt? Warum haben wir heute viele Gewinn bringende Technologie-Felder kampflos geräumt?

Ingenieurleistung - engineering. In der Website sollen Erfindung, Entdeckung, Weiterentwicklung, Ingenieurleistung im Sinne des englischen „engineering“ verstanden werden, das weit über den deutschen Begriff der Ingenieurarbeit hinausgeht (Einstein, „Engineer of the universe“, Heisenberg, „Engineer of the microcosm“, im Englischen wird die Entwicklung von Körpermerkmalen in der biologischen Evolution als „natural engineering“ bezeichnet). So sind unter den in der Website genannten „Ingenieuren im weitesten Sinne“ auch Physiker, Chemiker und ein Mediziner. Der erfinderische „Ingenieur“ ist in dieser Bedeutung ein Mensch, der, meist schon in jungen Jahren, mit einer  Idee im Kopf herumläuft, den Entwurf aufs Papier bringt oder in mathematische Formeln gießt, das Gedankengebäude, ohne Mühen und Kosten zu scheuen, in die Praxis umsetzt, sein Funktionieren mit der Vorausberechnung vergleicht und nach Jahre langen Versuchen und Korrekturen endlich, endlich das „Heureka“ ausruft, das „Ich habe es gefunden!“, so wie es der griechische Forscher Archimedes von Syrakus nach der Entdeckung des Auftriebsprinzips ausgerufen haben soll: Ihre Ideen hatten immer das Ziel, unser alltägliches Leben zu verbessern, leichter zu machen, den Konkurrenten einen Schritt voraus zu sein und auf der anderen Seite zu ergründen, was die Welt im Innersten zusammen hält.

Die Typologie der Ingenieure. Die Website beschreibt die wichtigsten Erfinder aus allen Gegenden Deutschlands: Was waren das für Menschen? Welche Weichenstellungen brachten sie als Kinder in diese Rolle? Ihr Werdegang war alles andere als einheitlich, eine ganze Reihe hatte kein Abitur, kein Hochschulstudium, und nicht wenige waren Autodidakten. Die äußeren Bedingungen, unter denen sie arbeiteten, prägten ihre bunt gemischte Typologie: Praktiker und Theorie-Jongleure, Glückspilze und Pechvögel, Menschenretter und Menschenverachter, Wohltäter und Gewissenlose, Fleißarbeiter und Zufallsritter, Begeisterte und Verzweifelte, Bewunderte und Verachtete. Alle haben jedoch eines gemeinsam: Sie schufen Geräte, Verfahren und wissenschaftliche Systeme, die entscheidend waren für die Verbesserung der Lebensumstände der Menschen, für den Sieg über Krankheiten, ja für den Fortschritt der gesamten Menschheit. Nicht verschwiegen wird, dass ihre Erfindungen, sofern in Kriegszeiten gemacht, zu fürchterlichen Waffen umfunktioniert wurden, bevor sie den Menschen zum Segen gereichten.

Naturwissenschaft und Technik gestalten die Zukunft von uns allen, mehr als jede andere menschliche Tätigkeit. Jede Erfindung und Entdeckung, die der Homo sapiens gemacht hat, seit er die Erde vor 100000 Jahren besiedelte, hatte entweder segensreiche oder verheerende Auswirkungen. Naturwissenschaftler und Ingenieure haben daher eine hohe Verantwortung und stehen in der Pflicht, den Nutzen der Menschheit zu mehren und Schaden von ihr abzuwenden. Die Tätigkeit der überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftler ist den Menschen zum Segen geworden.

Nicht verschwiegen werden darf jedoch, dass es eine Minderheit gibt, die das uralte ethische Menschheitsgesetz verletzt hat. Bei der Verfolgung ihrer Ziele legten sie einen maßlosen Ehrgeiz an den Tag, der sie die Würde der Menschen mit Füßen treten und sogar über Leichen gehen ließ. So nahmen Ferdinand Porsche und Wernher v. Braun billigend in Kauf, dass bei der Produktion ihrer neu entwickelten Geräte Menschen durch Zwangsarbeit zu Tode kamen. Otmar v. Verschuer vom renommierten Kaiser-Wilhelm-Institut für "Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik" begründete mit seinem Mitarbeiter Josef Mengele die Rassen- und Geburtenpolitik des NS-Staates, die Tausende das Leben kostete. Eugen Gildemeister, Leiter des Robert Koch-Instituts stellte sich willig in den Dienst der Nazi-Ideologie und unternahm Impfversuche, bei denen mehrere hundert Menschen unter großen Qualen ihr Leben verloren. Forschung ohne Einhaltung von moralischen Grenzen? Das moralische Gesetz in mir erfüllt mich mit Ehrfurcht, sagte Immanuel Kant. Jeder Mensch hat es, auch derjenige, der unter den Zwangsbedingungen einer Diktatur handeln muss. Menschen hebeln ihr eigenes implantiertes Gesetz immer wieder aus, Natur- und Ingenieurwissenschaftler sind davon nicht ausgenommen.

Damit dies nicht wieder geschieht, und damit auch dem Letzten klar sein muss, das bei ALLEN natur- und ingenieurwissenschaftlichen Tätigkeiten die grundlegende Achtung vor der Würde des menschlichen Lebens eingehalten werden muss, haben sich die deutschen Ingenieure 1950 ethische Leitsätze gegeben, das "Bekenntnis des Ingenieurs":

 

Bekenntnis des Ingenieurs

Der Ingenieur übe seinen Beruf aus in Ehrfurcht vor den Werten jenseits von Wissen und Erkennen und in Demut vor der Allmacht, die über seinem Erdendasein waltet.

Der Ingenieur stelle seine Berufsarbeit in den Dienst der Menschheit und wahre im Beruf die gleichen Grundsätze der Ehrenhaftigkeit, Gerechtigkeit und Unparteilichkeit, die für alle Menschen Gesetz sind.

Der Ingenieur arbeite in der Achtung vor der Würde des menschlichen Lebens und in der Erfüllung des Dienstes an seinem Nächsten, ohne Unterschied der Herkunft, sozialer Stellung und Weltanschauung.

Der Ingenieur beuge sich nicht denen, die das Recht eines Menschen gering achten und das Wesen der Technik missbrauchen; er sei ein treuer Mitarbeiter an der menschlichen Gesittung und Kultur.

Der Ingenieur sei immer bestrebt, an sinnvoller Entwicklung der Technik mit seinen Berufskollegen zusammen zu arbeiten; er achte deren Tätigkeit so, wie er für sein eigenes Schaffen gerechte Wertung erwartet.

Der Ingenieur setze die Ehre seines Berufsstandes über wirtschaftlichen Vorteil; er trachte danach, dass sein Beruf in allen Kreisen des Volkes die Achtung und Anerkennung finde, die ihm zukommt.

Düsseldorf, den 12. Mai 1950

 

Das Bürgertum und die Technik heute. Die Menschen in Deutschland benutzen selbstverständlich alle Segnungen, die die Natur- und Ingenieurwissenschaften hervorgebracht haben. Ein schlauer Amerikaner sagte mal, dass es drei Dinge gebe, auf die die Menschen in keinem Fall verzichten wollen, egal, was sie dafür bezahlen müssen: Das Auto, das Flugzeug und die Elektrizität. Es gibt auch noch anderes, an das sie ganz stark gebunden sind, z.B. Funktelefone, Computer, Satelliten-Fernsehen, Satelliten-Ortung, Radartechnik, Medizintechnik. Aber so widersprüchlich das klingen mag, ganz besonders die gebildeten Deutschen haben eine ideologische Antipathie gegen die Technik und den technischen Fortschritt, etwas, das z.B. die Angelsachsen überhaupt nicht verstehen können. Die deutsche Volkswirtschaft steht fest auf einem soliden technologisch-industriellen Fundament, das in der "deutschen" Epoche von 1840 bis 1960 von fantasiereichen Naturwissenschaftlern und Ingenieuren geschaffen wurde, das uns Wohlstand gebracht und die Möglichkeit eröffnet hat, für die Schwachen im Volk zu sorgen und wunderbaren Freizeitaktivitäten nachzugehen. Trotz alledem werden unsere Vorkämpfer für all das, unsere Technik-Pioniere, unsere cleveren Erfinder und Entdecker eigentlich überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, man kennt ihre Namen nicht, weiß nicht, dass ihr Weg oft mit "Blut, Schweiß und Tränen" gepflastert war, weiß nicht, wie mühsam ihre Erfindung und wie langwierig die praktische Umsetzung war. Dem Erfinder flicht die Nachwelt keine Kränze. Dieser abgewandelte Schiller-Satz aus dem Prolog zu Wallensteins Lager passt hier ganz genau. Man weiß auch nicht, dass manche lächerlich und völlig fertig gemacht wurden von der etablierten Professorenschaft, dass einige ihr Leben lassen mussten bei der Verfolgung ihres Zieles. Der Präsident der Physikalischen Gesellschaft: Herr Reis, die menschliche Sprache kann niemals durch Elektrizität übertragen werden! Die Admiralität: Herr Hülsmeyer, Ihr Radar ist unbrauchbar, wir haben doch unsere Nebelhörner! Der Medizin-Papst Virchow: Herr Koch, Ihre TBC-Erreger sind ein Hirngespinst! Kaiser Wilhelm I: Das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung, ich glaube an das Pferd! Seien wir schlauer als diese großen Männer, blicken wir weiter, und ziehen wir den kreativen Menschen unserer Zeit nicht den Boden unter den Füßen weg, seien wir nachsichtig, wenn eine erste Idee nicht gleich zu einem Verkaufsschlager wird! Und lassen wir gehässige Bemerkungen, wie: Wat soll denn der Quatsch, hatten wir noch nie, brauchen wir nicht!

Wie kommt es denn, dass man über das Leben von Komponisten, Malern, Sängern, Pianisten, Dirigenten nahezu alles weiß? Von ihren Lebensläufen, Schicksalen, Seelenqualen, ihren wegweisenden Erfolgen, Niederlagen? Warum drängen sich Tausende an den Kassen, wenn die Impressionisten aus dem Moma in Berlin gezeigt werden, und warum war bei der sehenswerten Ausstellung über Max Planck im Technik-Museum Berlin gähnende Leere? Dabei hat Planck mit der Erfindung der nichtklassischen Physik für uns hundert mal mehr getan als alle Impressionisten zusammen. Warum genießen Musikinterpreten, sei es bei der Klassik oder der Popmusik, nahezu göttliche Verehrung?

Schwer ist die Kunst, vergänglich ist ihr Preis, dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze, heißt es im Prolog zu Schillers Wallenstein. Auch den Erfindern und Entdeckern werden keine Kränze geflochten und vergänglich ist ihr Ruhm. Und doch sitzen wir auf dem Ast, den sie für uns wachsen ließen, wir kennen ihre Namen kaum, geschweige denn ihr arbeitsames Leben mit den vielen Rückschlägen und einem letztendlichen Erfolg, aber wir nehmen alle Errungenschaften, die wir ihnen zu verdanken haben, für selbstverständlich hin. Wir müssten doch eher unsere Wissenschaftspioniere in den Himmel heben; denn denen verdanken wir alles, auch das, womit wir die schönen Künste aus Steuergeldern subventionieren. Beispielsweise wird pro Besucher, pro Abend in der Staatsoper Berlin zusätzlich zum Eintrittspreis ein öffentlicher Zuschuss von sage und schreibe 257 Euro gezahlt und pro Besucher der Berliner Philharmoniker 67 Euro!

Wir müssten den Wegbereitern unseres technischen Zeitalters prächtige Denkmäler setzen, nicht nur winzige Gedenktafeln, wir müssten eine Ausstellung nach der anderen eröffnen, wo uns ihr Schaffen nahegebracht wird und was wir ihm zu verdanken haben, wir müssten sie ehren, öffentliche Gebäude, Straßen, Schulen nach ihnen benennen. Warum liegt das Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin-Dahlem in der Takustraße, daneben die Lans- und die Iltisstraße, alles Namen, die für ein unrühmliches, blutiges Kapitel deutscher Kolonialgeschichte in China stehen? Griff doch im Jahr 1900 der Kapitän Wilhelm Lans mit seinem Kanonenboot "Iltis" die Taku-Forts in der Tientsin-Bucht an. Müssen wir dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Straßennamen "ehren"? Warum wird die Takustraße nicht in Konrad-Zuse-Straße umbenannt? Das wäre die angemessene Würdigung für diesen großen Computerpionier, der mit seiner bahnbrechenden Erfindung das Informationszeitalter eingeleitet hat. Wir sollten jedes Jahr einem deutschen Entdecker und Erfinder widmen, also z.B. Max-Planck-Jahr, Konrad-Zuse-Jahr, Heinrich-Hertz-Jahr....und dann in Veranstaltungen der Bevölkerung sein Werk und dessen Fernwirkung nahe bringen. Verschaffen wir doch endlich den Natur- und Ingenieurwissenschaften, die die Geschäftsgrundlage unseres Volkes bilden, die ihnen angemessene Bedeutung!

2005 gab es tatsächlich das "Einstein-Jahr" und eine hervorragende Einstein-Ausstellung im Kronprinzenpalais in Berlin. Aber wenn man mal so herumhörte, wer sie denn besucht hat, bekam man nur verneinende Antworten, ach, davon verstehe ich doch nichts. Wir wollen uns noch nicht mal das Fundament anschauen, auf dem unsere Volkswirtschaft steht!? Wird den Schülern nicht in ausreichender Weise die für uns lebensnotwendige Bedeutung von Physik, Chemie und Mathematik erklärt? Geht uns generell das logische Denken ab, von dem sicher ein Mindestmaß für diese Fächer erforderlich ist? Oder ist uns das Sichhineindenken in naturwissenschaftliche Zusammenhänge zu anstrengend? Physik müsste grundsätzlich in den Leistungskursen bis zum Abitur vorgeschrieben und ein Ausweichen auf Biologie nicht gestattet sein.

Der VDI - Verein Deutscher Ingenieure will nach eigenen Aussagen der Sprecher der Ingenieure und der Technik sein. Der Wissensvermittler setzt sich zum Ziel, positiven Einfluss auf die Entwicklung von Technik und den Technikstandort Deutschland zu nehmen. Er will auch Multiplikator von Technikwissen sein, macht interessante Entwicklungen öffentlich und führt den Nachwuchs an Technik heran. Laut VDI waren im September 2012 80500 Stellen in den Ingenieurberufen nicht besetzt. Der VDI mit seinen 150 000 Mitgliedern ist unter Ingenieuren zweifellos sehr bekannt und renommiert, er wird aber in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen; er könnte durch spektakuläre Projekte, Veranstaltungen, Ausstellungen, PR-Arbeit in den Medien sehr viel mehr tun. Oder wie wär´s mit spannenden Vorträgen in den Gymnasien, wenn die Schüler ihre Auswahl zu den Leistungskursen treffen müssen? Er müsste über seinen Horizont, Standesvertretung der Ingenieure zu sein, weit hinausblicken.

Was müssen wir tun? Kluge Köpfe sind gefragt. Unsere Volkswirtschaft braucht dringend technisch interessierte Mädchen und Jungen, die wie der im Bild gezeigte mittelalterliche, von Neugier getriebene Forscher begierig sind, über den Tellerrand des Altbekannten hinauszublicken, den Horizont zu durchbrechen, um zu ergründen, was sich dahinter verbirgt, sich von der Welt der Naturwissenschaften faszinieren zu lassen. Wer es nicht versucht, ist schon gescheitert, sagt der Schweizer Forscher und Abenteurer Piccard. Wenn die Jugend nicht in ausreichendem Maße für die Natur- und Ingenieurwissenschaften und für deren starke Stützen Mathematik, Betriebswirtschaft, Fremdsprachen motiviert werden kann, wenn die Jugend ihr Gehirnschmalz nicht wie ihre Vorväter vor 100 Jahren auf diesen Gebieten einsetzt, wenn sie nicht die eigenen Talente entdeckt und sich dafür anstrengt, dann sind wir wirklich auf dem Weg, den T. Wieczorek in „Die verblödete Republik“ und M. Jürgs in „Warum wir hemmungslos verblöden“ beschreiben. Dann können wir unseren Wohlfahrtsstaat, auf den wir mit Recht so stolz sind, nicht aufrecht erhalten und müssen das Ziel, eine Alle zufrieden stellende soziale Gerechtigkeit auf Dauer aufgeben.

Die Vorteile der bilingualen Kindererziehung.

Ein Kind, das bilingual erzogen wird, hat im besten Fall gleich zwei Muttersprachen und ist in beiden elterlichen Kulturen zu Hause. In Schule und Ausbildung fällt es ihm oft leichter, eine weitere Fremdsprache zu erlernen, weil es ein intuitives Verständnis dafür entwickelt, wie Sprache funktioniert. Damit die bilinguale Erziehung gelingt, sollten die Eltern beide Sprachen unter sich aufteilen. Idealerweise spricht der Vater also ausschließlich in der einen, die Mutter ausschließlich in der anderen Sprache mit dem Kind. Experten bezeichnen dies als 1-und-1-Regel. Dadurch lernt das Kind am besten, welches Vokabular und welche grammatikalischen Regeln zu welcher Sprache gehören. Müssen die Eltern von dieser Regel abweichen, etwa weil Personen anwesend sind, die nur eine der beiden Sprachen verstehen, sollten sie das dem Kind erklären. Vorausgesetzt natürlich, es ist alt genug. Je bewusster und konsequenter die Eltern ihren eigenen Sprachgebrauch handhaben, desto sicherer wird auch das Kind in der Anwendung beider Sprachen. Mehr dazu unter:

http://www.bambiona.de/thema/bilinguale-erziehung

 

In seinen 1997er Memoiren schreibt Manfred von Ardenne, der Erfinder des elektronischen Fernsehens den jungen Leuten einige Leitsätze ins Stammbuch:

Nutzt die große Aufnahmefähigkeit des jungen Gehirns, verschwendet eure Zeit nicht, verwendet sie zum Lernen, zum Lesen guter Bücher, zum Anhören von Fachvorträgen, zum Experimentieren! Unterscheidet Wesentliches von Unwesentlichem! Was jedermann für fertig erklärt hält, verdient oft am meisten, untersucht zu werden. Verfolgt mit zäher Ausdauer und besseren Ideen das einmal gesteckte Ziel, bis ihr es erreicht habt! Nur die Tat zählt. Beobachtet sorgfältig (z.B. durch Messungen) die Naturvorgänge! Bleibt dran an einer einmal für richtig erkannten Sache! Wählt euren Lebensberuf so, dass er euren Neigungen nahekommt! Gebt nie auf, sondern tragt durch schöpferisches Handeln zum Fortschritt bei! Nichts ist abgeschlossen, alles ist verbesserbar, alles lässt sich noch weiter optimieren. Trefft eine notwendige Entscheidung sofort! Nutzt, was die Gegenwart euch bietet, trauert nicht um Versäumtes; denn Vergangenes ist nicht mehr zu ändern. Seht es als euer Ziel an, im beruflichen und privaten Leben immer mehr zu geben als zu empfangen! Treibt in jungen Jahren Sport, eure Gesundheit in späteren Jahren wird es euch danken! (Mens sana in corpore sano, sagten schon die alten Römer; Übersetzung bei Dr. Google!). Entwickelt in allem, was ihr tut, einen unbesiegbaren Optimismus! Seid einfach und natürlich, schafft euch Freunde und haltet ihnen die Treue!

Bildnachweis.

Linotype, E-Lok: Eigene Fotos Technik-Museum Berlin 2010. Dieselmotor, Ottomotor, Mikroskop, Triebwerk: Eigene Fotos am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011. Rakete: Eig. Foto Historisch-Technisches Informationszentrum Peenemünde, 2008. Radar: Eigenes Foto, Luftwaffenmuseum der Bundeswehr, Berlin-Gatow, 2010. Me262: ILA 2006. Leica: Lizenz CC-BY-SA-2.0-DE, Urheber Leica. Triebwerk HeS 3B: Aus: W. Kaiser: Erfindung und Innovation des Strahltriebwerks, RWTH Aachen, 2001. Forscher: Aus: Camille Flammarion, „L´atmosphère Météorologie populaire“. Holzschnitt im Stil des 16. Jahrhunderts, Paris, 1888, gemeinfrei, Schutzfrist abgelaufen, colored version by Heikenwaelder Hugo, 1998. Rest: Public domain und eigene Skizzen. Hardenberg, Wikipedia, Urheber PD-Art, Schutz abgelaufen.