Wie ging es weiter mit Hertz´ Entdeckung? 

Hertz´ Entdeckung löste eine Revolution aus - nach Faraday, Maxwell und Hertz kam Guglielmo Marconi, der vierte Mann, der den Staffelstab von Heinrich Hertz übernahm.

Bild 1. Der Staffellauf Faraday, Maxwell, Hertz, Marconi hatte unabsehbare Folgen für die gesamte Menschheit, für das öffentliche und private Leben.

Bild 2. Guglielmo Marconi, der Funkpionier baute unmittelbar auf den Forschungen von Hertz auf. Er hatte einen italienischen Vater und eine irische Mutter.

Guglielmo Marconi. Es geschah auf diese Weise: 1888 hatte Hertz in einem Physik-Journal beschrieben, wie er mit seinem Oszillator elektromagnetische Wellen auslösen und in die umgebende Luft schicken konnte. Ein Teenager las durch Zufall diesen Artikel, während er eine Bergtour in den Alpen unternahm. Hertz´ Entdeckung brachte ihn auf eine Idee: Warum könnte man nicht diese von Hertz´ Funken-Oszillator ausgelösten Wellen dazu benutzen, Signale auszusenden, z.B. wenn man in Bergnot gerät? Dieser junge Mann hieß Guglielmo Marconi. Er eilte nach Hause, um diese Idee einem Versuch zu unterziehen.

 

 

Bild 3. Das Denkmal zu Ehren von Marconi. Von hier in Cornwall gelang ihm 1901 die erste transatlantische drahtlose Telegrafie-Verbindung. Kein mühsames, teures Verlegen von Unterwasserkabeln mehr!

1895 führte er auf dem Landgut seines Vaters bei Bologna erste Laborversuche aus und startete dann einen Freilandversuch über 2,5km Entfernung in den Schweizer Alpen. Er verlegte danach sein Labor auf die Insel Wight in Südengland und gründete 1897 die Firma Marconi´s Wireless Telegraph Company Ltd. mit Sitz in London. Dann ging es Schlag auf Schlag: 1899 drahtlose Verbindung von Dover nach Wimereux über den Ärmelkanal, 1901 erster transatlantischer Funkempfang von Cornwall in der Nähe von Land´s End nach St. John´s in Neufundland/Kanada. Im Januar 1903 tauschte Marconi Grußbotschaften von seiner Wireless Station in Massachusets zwischen dem Päsidenten Roosevelt und dem englischen König Edward VII aus. 1907 wurde von Irland aus der erste transatlantische drahtlose Telegrafenverkehr für die Öffentlichkeit eingerichtet. Die britische Kriegsmarine übernahm sein System. Von der westirischen Halbinsel Mizen telegrafierte er mit dem atlantischen Schiffsverkehr. In den Anfangsjahren der drahtlosen Nachrichtentechnik auf See hatte er nahezu ein Weltmonopol.

Bild 4. Ein interessantes Bilddokument: Berühmte Persönlichkeiten und Wissenschaftler besuchen 1921 die Marconi Co. Wireless Station in New Jersey/USA, darunter in der ersten Reihe Albert Einstein und neben ihm, mit hellem Anzug, Nicola Tesla. Oben Teile der riesigen Antenne.

Bild 5. Der deutsche Funkpionier Karl Ferdinand Braun. Nobelpreisträger und Mitbegründer der Firma Telefunken. Gemählde von Hans Baluschek.

Karl Ferdinand Braun (1850-1918). Er wirkte in Deutschland, um die elektromagnetischen Wellen für die Nachrichtentechnik nutzbar zu machen. Er erfand 1897 die Braun´sche Röhre, das ist eine Kathodenstrahlröhre, in der ein Elektronenstrahl in horizontaler und vertikaler Richtung durch Magnete abgelenkt werden kann. Zuerst musste Hertz´ Drahtbügelempfänger verbessert werden. Marconi benutzte einen mit Metallspänen gefüllten Kohärer, Braun ersetzte diesen durch einen Kristalldetektor und später durch seine Elektronenröhre. 1900 konnte eine Funkbrücke zwischen Cuxhaven und Helgoland, über 62km hergestellt werden. Braun gehörte 1903 zu den Mitbegründern der Gesellschaft für drahtlose Telegrafie, Telefunken.

Zusammen mit Marconi erhielt er 1909 den Nobelpreis für Physik für seinen Beitrag zur Entwicklung der drahtlosen Telegrafie.

Elektronenröhre statt Funkenstrecke. Die Elektronenröhre besteht aus einem evakuierten oder mit Gas gefüllten Glas- oder Stahlzylinder, in dessen Innerem Elektronen von einer beheizten Kathode zu einer Anode fliegen. Durch ein zwischengeschaltetes Gitter kann der Elektronenfluss verstärkt oder gehemmt werden und damit die Elektronenröhre zu einem Oszillator gemacht und somit elektromagnetische Wellen ausgesendet werden. Hochleistungs-Hochfrequenzröhren sind bis heute in starken Funk- und Radaranlagen im Einsatz. Auf anderen Gebieten der Elektronik sind die Röhren durch Halbleiter-Bauelemente, wie z.B. Transistoren ersetzt.

Der drahtlose Telegrafenverkehr war beileibe nicht die einzige praktische Anwendung der Hertz´schen Forschung. Es war wie ein Füllhorn, das Hertz geöffnet hatte. Seine Entdeckung sollte unser ganzes Leben durchdringen, uns viele Erleichterungen bringen, uns Hilfestellungen bieten nicht nur im täglichen Leben, sondern auch bei großen Forschungsaufgaben, z.B. im Weltraum. Oder: Warnung vor Flutwellen mit Hertz´schen Wellen, die eine Welle warnt vor der anderen! Wetter- und Erdbebenwarnung sind ohne sie nicht möglich. Wer kennt die Namen, zählt die Anwendungen! Es ist tatsächlich so, wie es ein englischer Physiker ausgedrückt hat: Vor 1888 gab es keine elektromagnetischen Wellen, danach sind sie überall!

Wie gingen die Deutschen mit seinem großen Erbe um? Was geschah mit seiner Familie, die ja unter die aberwitzigen "Rassengesetze" des dritten Reiches fiel? Die Antworten fallen zwiespältig aus. So machte der Schleswiger Physiker Berend Feddersen Hertz nach seinem Tod die Entdeckung streitig, er hätte nur die elektrischen Schwingungen, nicht aber die elektromagnetischen Wellen entdeckt, er selbst hätte sie entdeckt, und nun sei er das Opfer einer Verschwörung.

Es sollte noch schlimmer kommen. Nach dem verlorenen ersten Weltkrieg wollten die Deutschen ihren erlittenen Minderwertigkeitskomplex wieder teilweise wettmachen, indem sie den Anspruch erhoben, unter die führenden Wissenschaftsnationen zu zählen. In diesem Bemühen beantragten die deutschen Repräsentanten 1930 bei der Internationalen Elektrotechnischen Kommission, den Namen Hertz als physikalische Einheit der Frequenz von Schwingungen, also Anzahl von Schwingungen pro Sekunde, einzuführen. Auch andere Nationen bedienten sich ihrer berühmten Namen, um Einheiten zu benennen. Stromstärke ist nach André Marie Ampère, Stromspannung nach Alessandro Volta, Leistung nach James Watt benannt (später kam noch Tesla hinzu für die magnetische Flussdichte, Curie für den radioaktiven Zerfall usw.). Im Jahr 1935 führte die Kommission in Scheveningen die offizielle Frequenzbezeichnung Hertz = Hz ein, 1 Hz=1/s, bzw. die Vielfachen kHz, MHz, GHz usw. Deutschlands Seele war gestreichelt ... ja, wenn nicht inzwischen das rassistische Nazi-Verbrecherkartell regiert hätte. Die wollten nicht eine physikalische Einheit mit dem Namen eines deutschen Halbjuden verbunden sehen. Jetzt setzte eine Kampagne ein, die Deutschland dem Gespött der Welt preisgab. Da die Nazis einsahen, dass "Hz" nicht rückgängig zu machen sei, verfielen sie auf einen schier unglaublichen Etikettenschwindel: Das Hz stehe nicht für "Hertz", sondern für "Helmholtz", der ein "reinrassiger Germane" ohne jüdische Vorfahren sei; außerdem sei nicht Hertz der Entdecker der Funkwellen, sondern der faschistische Senator Guglielmo Marconi (diesen Rang bekleidete er jetzt). In "konsequenter Durchführung der Volkstumspolitik" entfernte man aus allen Straßen-, Schulen- und Institutsbezeichnungen den Namen "Hertz" und vernichtete alle Gedenktafeln und -büsten von Heinrich Hertz.

Jetzt wurde es noch grotesker, weil sich die Nazis immer mehr in den Fallstricken ihrer verrückten Ideologie verfingen. 1941 verfügte der "Führer", der GröFaZ, dass die Frequenzbezeichnung "Hertz" beibehalten werden soll, weil er sich nicht länger der Lächerlichkeit preisgeben wollte. Jetzt erklärte der Karlsruher Physiker Bühl, von der Ideologie einer "arischen Physik" tief durchdrungen, die mütterliche "arische" Linie für Hertz´ epochale Erfindung für verantwortlich, während seine Prinzipien der Mechanik der jüdischen Linie zugeschrieben wurden. So teilte man den Halbjuden Hertz kurzerhand in zwei Persönlichkeiten auf, die "Schizophrenisierung" des Heinrich Hertz. Waren die überhaupt noch zu retten? Haben diese Vertreter der "Species kleinhirnensis" nicht gesehen, dass die Juden in Deutschland seit Jahrhunderten einen überproportionalen Beitrag zur Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft geleistet haben? Die Ächtung, Vertreibung und Vernichtung dieser längst in Deutschland etablierten und assimilierten Menschen bedeutete einen riesigen Brain-Drain, einen Abfluss von Intelligenz, der nicht nur nicht aufzuholen war, sondern sich gegen Deutschland kehrte im friedlichen Wettbewerb der Industrienationen. Nicht auszudenken, wenn das gegen Deutschland gerichtete Manhattan-Projekt der Amerikaner, an dem viele vertriebene deutsch-jüdische Atomwissenschaftler mitarbeiteten, vor Kriegsende erfolgreich gewesen wäre!

Der Rassenwahn der Nazis betraf nicht nur das Ansehen von Heinrich Hertz, sondern bedrohte die Existenz seiner Familie. Seine Tochter Mathilde, die sich an der Berliner Universität habilitiert hatte kam ihrer Relegation wegen ihres jüdischen Großvaters zuvor und emigrierte 1936 nach England, und im selben Jahr folgten ihre Mutter und Schwester. Für andere Träger des Namens "Hertz" folgten Konzentrationslager und Vernichtung. J.J. Thomson, Professor in Cambridge, Fellow of the Royal Society und Physik-Nobelpreisträger, der 1890 Heinrich Hertz kennen und schätzen gelernt hatte, half den drei Frauen, sich in Girton bei Cambridge niederzulassen. Sie lebten unter der Armutsgrenze und waren auf Zuwendungen der Kirche und der Institution of Electrical Engineers angewiesen. Heinrichs Witwe Elisabeth starb 1941.

Bilder 6 und 7. Der große deutsche Wissenschaftler - er hat unser Leben wahrlich verändert.

 

 

Bild 8. 2013 ehrt die Deutsche Post nochmals Heinrich Hertz. Vor 125 Jahren entdeckte er die freien elektrischen Strahlen.

 

1957, hundert Jahre nach seiner Geburt, setzte eine große Rehabilitation ein. Hertz´ Leben und Werk wurden in Jubiläumsfeiern und Ausstellungen gewürdigt und neu beleuchtet. Seine Originalgeräte wurden rekonstruiert, um seine Experimentierpraxis nachzuvollziehen. Und seine "Prinzipien der Mechanik" wurden lebhaft diskutiert. 2007, zum 150. Geburtstag,  wurde in einer Ausstellung in Hamburg unter dem Motto "Von Hertz zum Handy - Entwicklung der Kommunikation" gezeigt, welche riesige technologische Lawine seine epochale Entdeckung ausgelöst hat.

Bildnachweis.

Bild 1: Eigene Grafik, Briefmarken public domain. Bild 2: Schutzfrist abgelaufen. Bild 3: Wikipedia, Urheber Nilfanion, CC-BY-SA 3.0. Bild 4, 5: Schutzfrist abgelaufen. Bild 6: Schutz frist abgelaufen. Bild 7: Eigenes Foto am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011.

 

Die Idee. Wenn die Theorie des großen schottischen Physikers James Clerk Maxwell über die Ausbreitung des elektromagnetischen Feldes stimmt, dann müsste sie doch im Experiment nachzuweisen sein. Diese Idee ließ Heinrich Hertz (*Hamburg 1857, †Bonn 1894) nicht mehr los. Elektrischen Strom durch den leeren Raum schicken, ohne auf metallische Leiter angewiesen zu sein - das wäre doch ein Superding. Telegrafenkabel in der Erde oder tief im Atlantik ... überflüssig?

 

 

Bild 1. Ein großer Sohn der Deutschen. Briefmarke von 1957 zum 100. Geburtstag von Heinrich Hertz.

Bild 2. Der Funkeninduktor "Rühmkorff", links und rechts Unterbrecher, oben Anschlüsse für den Hochspannungskreis. Bild 3. Dazu das Schema: Zwei ineinander verschachtelte Spulen, P...Primärspule, Int...Unterbrecher, S...Sekundärspule, N...Eisenkern, Ec...Funkenstrecke.

Zunächst durchlebte er nach dem Umzug nach Karlsruhe eine große Krise. Er wurde von starken Selbstzweifeln geplagt, sehr schlechte Laune und Lustlosigkeit, schrieb er in sein Tagebuch. Er verzettelte sich mit den verschiedensten physikalischen Themen: Gasentladungsversuche, Hydrodynamik, Nebeltröpfchen, elektrodynamische Maschine, lange Zeit unschlüssig, welche Arbeit anzupacken sei. Doch im September 1886 kam die Klarheit. Funkenversuche, elektromagnetische Induktion mit dem Funkeninduktor, dem sog. "Rühmkorff", der über ein Spulenpaar durch Betätigung eines Unterbrechers Spannungen von 50 000 Volt erzeugt. Diesen Apparat benutzte man auch gerne in Vorlesungen, beeindruckte die Studenten mit dem Geknatter der Funken, gab ihnen eine nicht mit dem Gerät verbundene Spule in die Hand, und alles freute sich, wenn der Mann einen Stromschlag bekam.

Bild 4. Die aufgebogenen Drähte der Sekundärspule mit der Funkenstrecke in der Mitte und den zwei großen Kugeln als Kondensatoren.

Bild 5. Hertz´ Original-Versuchstisch in Karlsruhe. Links der Rühmkorff und die Verbindung zu den 3m langen geraden Drähten mit den kleinen Kugeln in der Mitte und den großen Kugeln außen. Hertz´ eigene Aufnahme von 1887. Auf dem Tisch Empfangsantennen diverser Form.

Hertz ging es nun nicht um die Erheiterung seiner Studenten, sondern dass er die Ausgänge der Sekundärspule zu zwei geraden Drähten aufbog, in der Mitte durchtrennte, mit zwei kleinen Kugeln in geringem Abstand verband und an den Enden zwei 30cm große Kugeln, die als elektrische Kondensatoren dienten, anbrachte. Die knatternde Entladung dieses Schwingungssystems mit Funkenüberschlag zwischen den beiden kleinen Kugeln hatte nun eine Fernwirkung auf die Umgebung; mit verschieden geformten "Empfangsantennen" konnte er winzige Funken bis in 1,5m Entfernung feststellen. Es mussten also irgendwelche elektrodynamischen Übertragungsprozesse stattfinden. Das Jahr 1886 markierte jedoch noch nicht die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen. Dazu bedurfte es noch vieler Versuche und verfeinerter Methoden, die kleinen Funken zu registrieren. Hier hatte er nun sein eigentliches Forschungsgebiet gefunden: Es ging ihm jetzt darum, die Maxwell´sche Theorie in der Praxis nachzuweisen!

Bilder 6, 7, 8. Die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen: Der Engländer Michael Faraday war der erste, der Schotte James Clerk Maxwell der zweite, der Deutsche Heinrich Hertz der dritte Mann.

Was hatte es damit auf sich? Die ersten Erkenntnisse hatte der Engländer Michael Faraday: Das Verändern eines Magnetfeldes erzeugte in einem Draht einen elektrischen Strom. Daraus entwickelte er 1836 die Theorie des magnetischen und elektrischen Feldes, das sich auch durch den freien Raum fortpflanzen müsste. Er konnte seine Hypothese jedoch nicht durch physikalische Gesetze nachweisen. Das konnte erst 30 Jahre später der brillante Schotte James Clark Maxwell, der durch mehrere Differentialgleichungen Faradays Annahmen theoretisch untermauerte. Danach breiten sich elektro-magnetische Wellen mit Lichtgeschwindigkeit durch den freien Raum aus, und sie sind wesensgleich mit den Lichtwellen. 20 Jahre später wurde der Deutsche Heinrich Hertz der dritte Mann in dieser Kette großartiger Staffelläufer, von denen jeder den Stab von seinem Vorläufer übernahm. Und Hertz sollte ihn noch 1895 an einen vierten, den Italiener Guglielmo Marconi weitergeben.

Die physikalische Theorie muss in der Praxis bewiesen werden. Für Hertz war klar, dass eine physikalische Theorie, und mag sie noch so schön sein, erst dann ihre volle Gültigkeit erhält, wenn sie in nachvollziehbaren Experimenten bewiesen werden kann. Jetzt ging er ganz systematisch an eben diesen Nachweis heran.

Er beobachtete die Entladungs-Funken in der Lücke der gestreckten Drähte des Rühmkorffs. Dabei bemerkte er, dass an einem ebenfalls mit einer Lücke versehenen Drahtbügel auch winzige Funken übersprangen. Dieser war aber nicht mit dem Stromkreis der Entladungen verbunden. Hertz schloss daraus, dass von der Funkenstrecke der ersten Spule elektrische Schwingungen oder Strahlungen ausgegangen sein mussten, die durch den Raum in dem Drahtbügel die winzigen Funken ausgelöst hatten. Wenn diese Fernwirkungen Wellen waren, dann müssen sie den allgemeinen Gesetzen der Wasser- und Lichtwellen gehorchen, also reflektiert, gebrochen, gebündelt, überlagert, polarisiert und ausgemessen werden können.

 Bild 9. Die Versuchsanordnung und die von der Funkenstrecke des Rühmkorffs ausgehenden elektromagnetischen Wellen

Er brachte an der gegenüberliegenden Wand des Hörsaals große Zinkplatten an, um, wie er glaubte, durch Reflektion eine stehende Welle zu erzeugen. Dann marschierte er mit seinem Drahtbügel, dem "Empfänger" durch den Raum, beobachtete die Stärke der Funken in dessen Lücke mit einem Mikroskop ... und stellte, je nach Stärke der Funken, Schwingungsbäuche und Schwingungsknoten in der "elektromagnetischen stehenden Welle" fest. Dann benutzte er einen riesigen prismatischen Pechblock, an dessen Fläche er die Wellen zur Brechung zwang. Um die Wellen zu bündeln, packte er den "Sender" in die Brennachse eines Parabolreflektors, dem er in einer Entfernung einen "Empfänger" in einem Parabolreflektor gegenüberstellte, und es funktionierte wieder! Durch Drehung eines mit Drähten bespannten Rahmens um 90° bewies er auch die Polarisation der Wellen, also entweder Durchgang oder Blockierung durch den Rahmen.

Bild 10. Die von Hertz benutzten Original-Versuchsgeräte: Kugeln, Sender, Empfänger, Polarisationsfilter.

Winzige Funken lösen sein heureka aus. Er wiederholte alle Versuche mehrmals, um systematische und zufällige Fehler auszuschalten. Er hatte, wie andere Erfinder auch, große Furcht vor den Kollegen aus der Physikerzunft, die ihn in der Luft zerreißen würden, wenn auch nur der kleinste Fehler offenkundig würde. Und er wollte nicht zum Gespött der ganzen Menschheit werden. Es durfte keine unsichere Beobachtung oder falsche Deutung eingeflossen sein. Also alles nochmals durchchecken, die Messergebnisse ordnen und sorgfältig analysieren! Nein, er hatte sich nicht geirrt, alles stimmte, er hatte Maxwells theoretisch postulierte elektromagnetische Wellen in der Praxis nachgewiesen. Er konnte jetzt 1887, nach vielen Wiederholungen, sein heureka ... "ich hab´s gefunden" rufen! Und es musste schnell veröffentlicht werden, damit nicht ein anderer ihm den Braten vor der Nase wegschnappte. Es wurden 1888 insgesamt vier Aufsätze in den "Annalen der Physik" geschrieben, z.B. "Über die Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektrodynamischen Wirkungen" und "Über elektrodynamische Wellen im Luftraume und deren Reflexion". Am schönsten waren die Ergebnisse über die stehenden, d.h. reflektierten Wellen, weil er deren Form wunderbar dokumentieren konnte, anders als bei mit Lichtgeschwindigkeit vorbeihuschenden Wellen. Maxwells Theorie wurde durch seine Versuche voll und ganz bestätigt: Die elektrischen und magnetischen Felder lösen sich von den Drähten und wandern mit Lichtgeschwindigkeit in den freien Raum hinaus.

Bild 11. In diesem Modell sehr schön zu sehen: Seine Versuchsanordnung mit dem Sender (Funkenstrecke zwischen den Kugeln) im Parabolspiegel, der gerichtete elektromagnetische Wellen auf ein Polarisationsgitter ausstrahlt. Der Funkeninduktor "Rühmkorff" versorgt den Sender mit oszillierender Hochspannung.

Das Echo aus der Wissenschaftsgemeinde war überwältigend, besonders in Großbritannien wurden ihm alle Ehren entgegengebracht, hatte er doch die von vielen angezweifelten Thesen ihres großen Meisters eindeutig und endgültig bewiesen. Der Maxwellianer Sir Oliver Heaviside (er sagte die Existenz der Heaviside-Schicht in der Ionosphäre, an der Radiowellen reflektiert werden, voraus) von der Royal Society sagte 1891: Three years ago, electromagnetic waves were nowhere. Shortly afterward, they were everywhere. Hertz´ Errungenschaften wurden als der Beginn des neuen "elektrischen Zeitalters" gesehen. Hertz wurde in Großbritannien zum bahnbrechenden Physiker seiner Zeit erklärt und: The year 1888 will be ever memorable as the year in which this great question has been experimentally decided by Hertz in Germany. Sogar die Times berichtete über die denkwürdige Entdeckung. Die deutschen Zeitungen berichteten über die Tagung der Deutschen Naturforscher nur, dass des verstorbenen Kaisers gedacht und ein Hoch auf den neuen ausgebracht wurde.

Bild 12. So muss man sich das Herz des Senders, den Hertz´schen Dipol,  und seine Arbeitsweise vorstellen. Die aufgespeicherte Energie zwischen den Kondensatorplatten fließt nicht einfach aus einem sich entladenden Gefäß ab, sondern pendelt hin und her. Jeder Entladungsfunke besteht also aus elektrischen Schwingungen, die die Wellen im gleichen Rhythmus erzeugen.

Bild 13. So lösen sich die elektromagnetischen Wellen in radialer Richtung vom Draht ab.

Licht ist auch eine elektromagnetische Welle - wie das denn? Hertz hatte jeweils alle Versuchsergebnisse an seinen verehrten Lehrer von Helmholtz nach Berlin geschickt und von diesem höchstes Lob und Anerkennung erhalten. 1889 begannen die Physiker in aller Welt mit den "Strahlen elektrischer Kraft" zu experimentieren. Aber es waren noch nicht die technischen Anwendungen der drahtlosen Telegrafie, die erst etwa zehn Jahre später in der Welt Furore machten. Sondern es waren noch die Grundlagenversuche, die die Lichtähnlichkeit der elektrischen Strahlen bezeugten, die die Physiker zuerst in Erstaunen, dann in Euphorie versetzten. Licht ist eine elektrische Erscheinung ... diese sensationelle Erkenntnis mussten sie erst mal verdauen, dass die elektrischen Strahlen wie Lichtstrahlen Schatten bilden, Beugungsmuster erzeugen, Polarisation zeigen und dass sie, wenn der Sender in der Brennachse eines Hohlspiegels angebracht ist, wie Licht gerichtet wird. Auch mussten sie damit klarkommen, dass man Lichtwellen sehen kann, elektromagnetische Wellen jedoch nicht. Nur ein ganz kleiner Ausschnitt des elektromagnetischen Spektrums wird von unseren Augen wahrgenommen, nämlich Wellen mit einer Länge von 390 bis 770 nm. Bei Hertz´ Versuchen betrug die Wellenlänge 330 mm, also eine bis zwei Millionen mal größer, also für das Auge unsichtbar, weil weit oberhalb des infraroten Lichts!

Bild 14. Das gesamte elektromagnetische Wellenspektrum, von dem das menschliche Auge nur einen winzigen Ausschnitt wahrnehmen kann. Um die anderen Wellen zu "sehen" brauchen wir technische Geräte. Die Spanne reicht von 10-15 bis 107m Wellenlänge (Höhenstrahlung bis niederfrequente Wechselströme), die Spanne der Frequenzen reicht von 1023 Hz bis 10 Hz. Achtung: Die Skala ist logarithmisch, jeder Strich unterscheidet sich vom nächsten um den Faktor 10. Wellenlängen einiger bekannter Strahlungen: Gamma 1pm, Röntgen 1A (Angström), Radar 1cm, Mikrowellenherd 1dm, UKW 4m, Kurzwelle 50m, Mittelwelle 1km.

Hertz - der neue Superstar der Physik. Hertz konnte sich jetzt Hoffnungen machen, an eine renommierte Universität zu wechseln, da ein Polytechnikum, wie das in Karlsruhe, obwohl sehr gut ausgestattet, im Deutschland der damaligen Zeit nur als zweitrangige Bildungsstätte galt. Das Land war noch stark geisteswissenschaftlich ausgerichtet, man hatte noch nicht begriffen, dass die Naturwissenschaften auf dem Weg waren, die Lebensgrundlage der Volkswirtschaft zu werden. Hertz hätte die Nachfolge des verstorbenen Kirchhoff in Berlin antreten können, aber er machte von Helmholtz und Althoff, dem preußischen Kultusminister klar, dass er lieber als Experimentalphysiker nach Bonn, als als theoretischer Physiker nach Berlin gehen wolle. Und so kam es. Althoff wusste sehr wohl um die Qualitäten Hertz´ und sorgte dafür, dass er in Bonn nur Experimentalphysik-Vorlesungen abhalten und das Laboratorium leiten und nicht mit anderen Lehrveranstaltungen belastet werden sollte. Hertz war mit 32 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Karriere, als er 1889 die Professur in Bonn antrat.

Bild 15. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gedenkt des großen Forschers.

Sein Abschiedsvortrag im Polytechnikum Karlsruhe mit 300 Zuhörern war sehr bewegend, beendete er doch eine überaus fruchtbare Schaffensperiode. Applaus und Hoch-Rufe, Ehrungen aus dem In- und Ausland. Das ganze Jahr 1889 wurde jedoch wieder ein Jahr der schlechten Laune, der Mutlosigkeit, des Unglücklichseins. Umzug, Neuordnung des Labors, Vorlesungen vor neuen Studenten, eine schwere Grippe in der ganzen Familie. Aber er traf mit berühmten Persönlichkeiten zusammen: Aus Berlin kam Werner von Siemens, der zu ihm sagte: Sie müssen nach Berlin kommen, was wollen Sie in Bonn? Aus Amerika reiste Thomas Alva Edison an und erzählte, dass er auch schon mal etwas mit elektrischen Wellen versucht habe. 1890 musste er feststellen, dass er kaum an seinen Experimenten arbeiten konnte: Zu viel Verwaltungskram, Korrespondenz die Menge, Ehrungen, die ihn Zeit kosteten. Aber eine freute ihn ganz besonders: Die Rumford-Medaille der Royal Society, so eine Art Nobel-Preis des 19. Jahrhunderts. Der Akt und das Ritual der Verleihung in London, Reden, zahllose Einladungen, Besichtigung der Reliquien Newtons in Cambridge...

1891 nahm ihn die Familie wieder sehr in Anspruch, die zweite Tochter wurde geboren. An Experimentalphysik war nicht zu denken. Frustation über missratenen Versuche, Suche nach Anhaltspunkten für neue Arbeit. Intensiv widmete er sich nun doch theoretischen Arbeiten, den grundlegenden Prinzipien der Mechanik. Das ging tief hinein ins Philosophische; nach seiner Meinung bedurfte die Mechanik eines ähnlichen Klärungsprozesses wie die Elektrodynamik. Er schrieb darüber ein Buch, das Ende 1893 abgeschlossen war. Das Ganze hatte ihm offensichtlich große Mühe bereitet. Heureka-Erlebnisse hatte er während der ganzen Zeit nicht, auch keine Etappensiege. Er war sich klar darüber, dass er mit den "Prinzipien der Mechanik" nicht den Nerv der Physiker-Gemeinschaft getroffen hatte. Die Arbeit hatte nur theoretische und gar keine praktische Bedeutung. Für den praktisch denkenden Physiker war das Buch abschreckend, und der Philosoph fühlte sich überfordert.

Bild 16. Heinrich Hertz - das Deutsche Museum München ehrt den großen Sohn der Deutschen in der Ehrenhalle. Der Entwurf stammt von Mathilde Hertz, seiner jüngeren Tochter.

Die Krankheit - sein persönliches Schicksal. Hertz war vor allem als der geniale Experimentator bekannt und erst in zweiter Linie als Theoretiker. Er hätte sicherlich nach diesem Ausflug wieder zu seiner alten Stärke zurückgefunden, waren doch längst noch nicht alle, besonders die praktischen Aspekte der Funkwellen erforscht, wenn nicht das schlimme Verhängnis seiner schwachen Gesundheit in fürchterlicher Weise zugeschlagen hätte. 1892 ging es los: Kopfschmerzen, fortgesetzter Schnupfen mit Fieber, Ohren- und Schleimhautentzündung, Nasenhöhleninfektion brachten zunehmendes persönliches Leid für Heinrich Hertz. Er suchte Ärzte auf, die noch Anhänger der alten Theorie waren, alles komme von giftigen Erdausdünstungen. An eine vernünftige Strategie zur Fortführung seiner Experimente war nicht mehr zu denken. Er selbst hielt die neue Bakteriologie des Robert Koch für ausgemachten Schwindel. Eine Italienreise und ein Kuraufenthalt in Bad Reichenhall brachten keine Verbesserungen. Nach einer Kopfoperation zur Entfernung von Entzündungsherden heilte die Wunde nicht mehr zu. Eine schlimme Blutvergiftung war die Folge, der er am 1. Januar 1894 erlag. Am 7. Dezember 1893 hatte er seine letzte Vorlesung gehalten.

Ihr sollt nicht trauern, sondern sollt ein wenig stolz sein und denken, dass ich zu den besonders Auserwählten gehöre, die nur kurz leben und doch genug leben. Dies Schicksal habe ich mir nicht gewünscht, aber ich muss zufrieden sein, schrieb er noch am 9. Dezember 1893 in der Vorahnung seines Todes.

Bilder 17-19. Ehrungen für den großen Wissenschaftler, der viel zu jung starb. Was hätte er noch alles erreichen können? Postwertzeichen von 1957 bis 1983. (Die Grafik der deutschen Marke von 1983, rechts unten, ist gelungen, weist jedoch zwei Fehler auf: Hertz hat die ersten Anzeichen elektromagnetischer Wellen erst 1886 entdeckt (nicht 1883), und die Achse der Kugeln ist um 90° gedreht, passt so nicht zur Wellenform).

Seine Leistung, sein Ansehen, sein Erbe. Hertz hatte mit einer Serie von eleganten Experimenten nachgewiesen, dass die Maxwell´schen elektromagnetischen Wellen tatsächlich existieren. Er hatte überzeugend demonstriert, dass diese Wellen alle wohlbekannten Eigenschaften des Lichts besitzen: Rückstrahlung, Ablenkung, Beugung, Überlagerung, Polarisation und sogar seine Geschwindigkeit. Fast augenblicklich wurde Heinrich Hertz der Superstar der internationalen Physiker-Community. Seine Entdeckung löste schon in kurzer Zeit danach die Erfindung der drahtlosen Telegrafie aus und ein paar Jahre später Rundfunk und Fernsehen.

Sir Oliver Lodge, Physiker und Fellow of the Royal Society, sagte nach Hertz´ Tod: Hertz erreichte, wozu die englischen Physiker dieser Zeit unfähig waren. Er hat nicht nur die Gültigkeit der Maxwell´schen Theoreme etabliert, sondern er tat dies auch mit einer gewinnenden Bescheidenheit. Ein anderer Engländer sagte: Hertz war ein vornehmer Mann. Er hatte das einzigartige Glück, viele Bewunderer zu finden, aber keine die ihn hassten oder beneideten. Alle, die ihn kannten, waren von seiner Bescheidenheit und seiner Liebenswürdigkeit angetan. Er war seinen Freunden ein wahrer Freund, seinen Studenten ein respektierter Lehrer und seiner Familie ein liebender Ehemann und Vater.

Es scheint fast so, dass Hertz´ Entdeckung viel stärker in Großbritannien zur Kenntnis genommen, gewürdigt und für zukunftsträchtig gehalten wurde als in Deutschland, das noch stark in der deutschen Tradition der Dichter und Denker verhaftet war, das Naturwissenschaftler und Techniker eher für "Spinnerte" hielt, die eigentlich nichts Fundamentales zum deutschen Kulturgut beitrugen. Es dämmerte erst langsam, dass die Naturwissenschaften einmal das Fundament unserer Volkswirtschaft werden würden. Es gab zwar einzelne naturwissenschaftliche "Leuchttürme" in Deutschland, wie Gauß, von Helmholtz, Kirchhoff, aber die Begeisterung im Volk für Derartiges fehlte fast vollständig. Ganz anders dagegen in Frankreich und England, wo die Tageszeitungen über Errungenschaften des beginnenden technischen Zeitalters in Ausführlichkeit berichteten.

Seine Entdeckung hatte ungeheure, bis heute und noch in die Zukunft reichende Auswirkungen. Sie war der Anfang der weltweiten Kommunikation in Form der drahtlosen Telegrafie, der Sicherung des See- und Luftverkehrs in Form der Radartechnik, des Rundfunks und Fernsehens, der Satellitenfunktechnik, der GPS-Navigation, der Funkzellen für die mobilen Telefonnetze und unzähliger Anwendungen im zivilen, militärischen und wissenschaftlichen Bereich. Alle diese Errungenschaften, ohne die wir uns das Leben gar nicht mehr vorstellen können, beruhen auf den von Maxwell vorhergesgten und von Hertz in der Wirklichkeit nachgewiesenen elektromagnetischen Wellen. Für Hertz lag der Gedanke an derartige Anwendungen jenseits seines Denkhorizonts, er verstand sich als Grundlagenforscher. Übrigens gehen die Bezeichnungen Rundfunk, Funktechnik auf seine ursprünglich benutzten realen Funken zurück, die beim Überspringen zwischen zwei Kügelchen die in den Raum ausgestrahlten Wellen erzeugten. Heute springen in den Sendeanlagen keine Funken mehr über, sondern Röhren und Halbleiter bilden das Herz der Sender.

Bild 20. Auch Hamburg gedenkt des großen Sohnes der Stadt, entdeckt bei einem Besuch im Hamburger Rathaus im Oktober 2014.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nachtrag: Besuch im Museum Königs Wusterhausen.

Bild 21. Im Heinrich-Hertz-Raum des Sender- und Funktechnik-Museums sind die Grundversuche Hertz´ sehr schön dokumentiert.

Bild 22. Die Funktechnik-Pioniere - einer gab den Staffelstab an den nächsten weiter.

 

Was wurde aus Hertz´ Entdeckung?

 

Bildnachweis

Bild 1: Public domain. Bilder 2, 3: Public domain, Schutzfrist abgelaufen. Bild 4-8, 10, 11, 12 oben, 16: Eigene Fotos am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011. Bild 9: Eigene Zeichnung, oben Wikipedia, Urheber SuperManu CC-BY-SA 3.0. Bild 12: unten Wikipedia, Urheber Herbert Weidner, gemeinfrei. Bild 13: oben u. unten links Veröffentlichung von Hertz, Schutzfrist abgelaufen, oben rechts Wikipedia, Schulphysik ungeschützt, unten rechts Wikipedia, Urheber Averse CC-BY-SA 3.0. Bild 14: Wikipedia, Urheber Horst Frank Phrood Anony CC-BY-SA 3.0. Bild 15: Wikipedia, Urheber Klaus-Dieter Keller, gemeinfrei. Bild 17-19: Public domain. Bild 20: Eigenes Foto 5.10.2014. Bilder 21-22: Eigene Fotos im Sender- und Funktechnikmuseum Königs Wusterhausen, Juni 2015.

 

Heinrich Hertz - Jugend und Werdegang

Er las den Euripides im griechischen Original - und wurde doch Physiker.

Heinrich Hertz entstammte eine wohlhabenden hanseatischen Familie in Hamburg. Sein Großvater Wolf David Hertz erlangte als reicher, jüdischer Kaufmann seine volle Anerkennung erst, als er vom jüdischen zum lutherischen Glauben übergetreten war. Heinrichs Vater Gustav standen damit Wege offen, die seinen jüdischen Vorfahren noch verschlossen waren. Als Inhaber einer angesehehnen Rechtanwaltskanzlei heiratete er die Tochter einer protestantischen Familie aus Frankfurt am Main, und damit blieben Heinrich Hertz als Sohn protestantischer Eltern zeit seines Lebens rassische Diskriminierungen, die lange vor der NS-Zeit gang und gebe waren, erspart. Das Verbrecherkartell der Nazis versuchte es noch posthum durch Umdeutung der physikalischen Einheit "Hertz" (Hz) - aber davon später.

Bild 1. Heinrich mit 12 Jahren - war an allem interessiert, was Technik hieß, war kein Stubenhocker, bastelte Tische und Stühle mit seiner Drechsel- und Hobelbank, war aber total unmusikalisch.

Sein Elternhaus hielt an der alten jüdischen Bildungstradition fest und sorgte dafür, dass Heinrich und seine drei Geschwister eine ausgezeichnete Ausbildung oder ein Universitätsstudium absolvieren konnten. In solchen Familien war es undenkbar, dass ihr Reichtum zu Nichtstun, Müßiggang und lediglichem Verbrauch des vom Vater Geschaffenen führte.

Heinrich erwies sich auf der reformpädagogischen Privatschule, die er bis zum 14. Lebensjahr besuchte als sehr intelligenter und fleißiger Schüler. Zur Vorbereitung für das "Johanneum" in Hamburg bekam er zwei Jahre Privatunterricht mit Latein, Griechisch, Mathematik. Aber er war keineswegs ein Stubenhocker, sondern er besuchte nebenbei noch eine Gewerbeschule und lernte Drechseln und Hobeln bei einem Tischlermeister, und er baute Schemel, Tische, Schränke, drehte hübsche Sachen aus Elfenbein, bastelte sich physikalische Apparate und drehte sich jede Messingschraube auf seiner Drehbank selbst. Auf der "Gelehrtenschule Johanneum" empfanden ihn die Mitschüler nicht als Streber, sondern sie respektierten ihn, weil er sich mit allen gut verstand.

Nach dem Abitur, das nicht so ganz nach seinen Wünschen ausfiel, ging er 1875 nach Frankfurt ins Büro eines Baumeisters, um sich auf das Bauingenieur-Studium vorzubereiten. Nun liegt der Ingenieurberuf überhaupt nicht in der Tradition der Hertz-Familie, aber die Eltern akzeptierten Heinrichs Wunsch, da nach der Reichsgründung überall in dem neuen deutschen Staat eine rege Bautätigkeit einsetzte. Obwohl seine Lust auf den Ingenieurberuf ungebrochen war, empfand er immer größere Unlust, ins Baubureau zu gehen: Zu wenig Naturwissenschaft und Mathematik, zu viel geisttötende Routine, zu viel Langeweile. Daher in der Freizeit griechische Lektüre und Durchackern von Physikbüchern. Nach dem Praktikum dann Beginn des Studiums am Polytechnikum in Dresden; aber auch hier bekam er Langeweile, da er das meiste schon durch sein permanentes Selbststudium kannte. Einzig die Mathematik faszinierte ihn und das ausgiebige Studium von Kants "Kritik der reinen Vernunft". Das einjährige Intermezzo beim 1. Garde-Eisenbahnregiment in Berlin empfand er schon bald als Zeitverschwendung. 1877 dann die Fortsetzung des Bauingenieurstudiums in München. Dann ein verzweifelter Brief an seine Eltern: Ich möchte auf die Naturwissenschaften umsatteln! Er hatte immer mehr feststellen müssen, dass ihn Baukonstruktionen, Baumaterialien und Baumethoden immer weniger interessierten. Den Naturwissenschaften und der Mathematik werde ich mich mit Begeisteung widmen. Der Sohn war überglücklich, als er von seinem liberalen Vater die postwendende Einwilligung in Händen hielt.

Nach dieser seiner entscheidenden Weichenstellung  stellte er sich in München dem Professor für theoretische Physik vor. Der schreckte ihn aber fast schon wieder ab mit der Bemerkung: Na ja, zweifellos ein schönes Fach, aber viel Neues werden Sie darin kaum mehr leisten können! Wie sollte der sich irren! Drei Jahre zuvor hatte Professor von Jolly auch einen anderen Studenten mit dieser Bemerkung eher abgeschreckt als ermuntert. Und dieser Student hieß Max Planck.

Jetzt war Heinrich Hertz nach langem Umherirren in seinen Element. Experimentalphysik und -chemie, mathematische und philosophische Vorlesungen. Die Mathematik als Mittel, die Naturvorgänge zu beschreiben, fand er äußerst spannend. Aber er sehnte auch die Semesterferien herbei und empfand Vorfreude, seine Drechselbank wieder in schnelle Umdrehungen zu versetzen. Nach zwei Münchener Semestern hielt er sich für so weit ausgebildet, dass er seine Experimentalphysik vertiefen wollte, wofür ihm München keine Möglichkeit bot.

Bild 2. Hermann von Helmholtz (1821-1894), Universalgelehrter, war der "Reichskanzler der Physik".

Bild 3 und 4. Hertz´ akademische Lehrer in Berlin: Helmholtz und Kirchhoff, die Großmeister der Physik. Sie prägten sein wissenschaftliches Denken.

Also auf nach Berlin in die inzwischen berühmten Vorlesungen des "Reichskanzlers der Physik" Hermann Helmholtz! Vor 1870 war Deutschland rein geisteswissenschaftlich geprägt. Physik war ein Orchideenfach fast ohne Existenzberechtigung. Aber dann brach das naturwissenschaftliche Zeitalter an, und die physikalischen Institute schossen wie Pilze aus dem Boden. Die Berliner Universität erhielt als eine der ersten 1878 ein repräsentatives, sehr teures physikalisches Institut, das damals deutsche Straßburg 1882, München 1894, Heidelberg 1913. Der Umschschwung vom Geist zur Natur war eine richtige Revolution. Bayern bildete das Schlusslicht.

Hertz schilderte seinen Eltern die Verhältnisse an der Berliner Uni: In der Vorhalle muss man sich durchdrängen wie vor einem Bahnhofsschalter zu Pfingsten. Er ist hoch zufrieden. Gustav Kirchhoffs Vorlesungen über Elektrizität und Magnetismus waren ihm ein Genuss. Aus Neugier besucht er auch Treitschkes Vorlesung über Sozialismus. Im Praktikum bei Helmholtz gewinnt Heinrich eine Preisaufgabe über "Elektrizität in trägen Körpern". Da er handwerklich sehr geschickt ist, bastelt er sich die Experimentier-Apparate fast alle selbst. Der Erfolg steigerte sein Selbstbewusstsein, und er ging gleich an die nächste Aufgabe heran, die eine große Herausforderung darstellte. Brauchen die elektromagnetischen Kraftwirkungen zwischen zwei Körpern ein "Medium" oder werden sie im Vakuum übertragen? Für die Lösung der Aufgabe war jedoch die Zeit noch nicht reif. Hertz schaffte alle theoretischen Berechnungen, musste aber den experimentellen Nachweis schuldig bleiben.

1880 wurde er zum Dr.phil. promoviert. Für die Arbeit "Über die Induction in rotirenden Kugeln" erhielt er ein "magna cum laude", nach nur vier Semestern an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Die gesellschaftlichen Konventionen im Vorfeld, sprich Besuche bei den Mitgliedern der Prüfungskommission in Frack und Zylinder, um das richtige Klima zwischen Prüfer und Prüfling herzustellen, hatte er mit Bravour absolviert. Seine Eltern waren stolz auf ihren Heins, hatte er doch nach einem abgebrochenem Ingenieurstudium beim Reichskanzler der Physik mit 23 Jahren seinen Physik-Doktor gemacht.

Bild 5. Das Haus der Physikalischen Gesellschaft in Berlin, Am Kupfergraben 7.

Hertz fühlte sich zum Physiker berufen. Da er aber seinen Eltern nicht für immer auf der Tasche liegen wollte, musste er seine Berufung zum Beruf machen, also Professor werden an einer der noch wenigen technischen Hochschulen. Der Weg dahin war steinig und langwierig, aber nicht ohne wissenschaftlichen Reiz. Zunächst musste er sich habilitieren, d.h. als Assistent bei Helmholtz ein Forschungsthema bearbeiten, veröffentlichen, in Spezialvorlesungen zu Gehör bringen und somit seine Lehrbefähigung nachweisen. 1880 trat er der von Helmholtz geleiteten Deutschen Physikalischen Gesellschaft bei und erhielt in dieser Vereinigung weniger Enthusiasten Gelegenheit, über seine Forschungsarbeiten zu berichten. Er verschaffte sich gehörigen Respekt unter den älteren Kollegen mit seiner präzisen Berechnung der heute allen Ingenieuren wohlbekannten "Hertz´schen Pressung", d.h. Stoßzeit und Stoßfläche von zwei aufeinander prallenden Kugeln, wobei er auch dem großen Gustav Kirchhoff einen Fehler in dessen Theorie nachwies.

Nach dreijähriger Assistentenzeit bei Helmholtz hatte er die Möglichkeit, sich in Kiel für mathematische Physik zu habilitieren. Das gelang bestens, und unser frisch gebackener Privatdozent ging mit Elan daran, seine Vorlesungen an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel abzuhalten. Er ließ es zur Freude seiner Studenten nicht bei der Theorie bewenden, sondern würzte seine Vorträge mit viel selbst erdachten Experimenten, deren Geräte er in einer kleinen häuslichen Werkstatt zusammen bastelte. 1884 erhielt er einen Ruf aus Karlsruhe an das Polytechnikum. Er nahm an, nachdem er sich von den sehr guten Experimentiermöglichkeiten überzeugt hatte und war nun etablierter Physikprofessor. 1886 heiratete er die Tochter eines Professorenkollegen, Elisabeth Doll, und 1887 kam dann seine Tochter zur Welt.

Ja, nun waren alle Weichen für große Taten gestellt, die großen Ereignisse konnten ihre Schatten vorauswerfen. Er war sehr gut ausgebildet, war mit 27 Professor geworden, hatte jetzt in Karlsruhe ein sehr gut ausgestattetes Labor, hielt interessante Vorlesungen, und er strotzte nur so vor Ideen. 

Die elektromagnetischen Wellen - die ganze Geschichte

Bildnachweis.

Bild 1: Zeitschrift der Iniversität Karlsruhe, Heft 41, 1988. Bild 2: Gemählde von L. Knaus, Schutzfrist abgelaufen.Bild 3, 4: Public domain. Bild 5: Eigenes Foto 2011.

 Die elektromagnetischen Wellen - Kurzinfo

Heinrich Hertz (*Hamburg 1857, †Bonn 1894), Physikprofessor in Karlsruhe, entdeckte 1887 durch zahlreiche Versuche die Ausbreitung der elektromagnetischen Wellen durch den freien Raum, ohne an metallische Drähte gebunden zu sein. Damit gelang ihm die eindrucksvolle Bestätigung der Voraussagen des schottischen Physikers James Clerk Maxwell, des Begründers der Theorie des Elektromagnetismus. Hertz dachte sich eine intelligente Versuchsanordnung aus, bestehend aus zwei Teilen. Der erste war ein Sender, in dem ein elektrischer Funke zwischen zwei Metallkugeln hin- und hersprang; der sollte durch die erzeugten bewegten Felder die vorhergesagten unsichtbaren Wellen hervorbringen und durch den freien Luftraum transportieren. Der zweite Teil des Apparats bestand aus einem Drahtbügel, dem Empfänger. Wenn Maxwells Berechnungen und Hertz´ Annahmen stimmten, würden diese geheimnisvollen Wellen vom Sender durch das ganze Labor zur Metallschleife fließen. Diese hatte eine winzige Lücke, in der ein weiterer Funke beim Überspringen entstehen müsste. Falls man diesen Lichtblitz erblickte, wusste man, dass Maxwells Wellen durch den Raum geflossen waren, da ja kein verbindender Draht vorhanden war. Obwohl die Dauer dieser winzig kleinen Funken nur eine millionstel Sekunde betrug, konnte man sie im abgedunkelten Raum mit dem bloßen Auge unter einer Lupe erkennen. Der Nachweis war gelungen, Hertz konnte sein Heureka ausrufen. Er wiederholte die Versuche mit größter Sorgfalt und reichte die wissenschaftlichen Ergebnisse seiner Messungen dem angesehenen Berliner Physiker Hermann von Helmholtz, seinem Förderer ein. Schon nach vier Tagen bekam er zu seiner großen Freude Antwort: Manuskript erhalten. Bravo! Wird sofort in Druck gegeben. Der Beweis war geliefert worden, dass die elektrischen Wellen sich ganz nach Art der Lichtwellen durch die Luft fortpflanzen. Er verlegte die Versuche in einen großen Hörsaal mit einem Abstand von 15 m zwischen Sender und Empfänger. Auch da funktionierte es. Und er stellte sogar fest, dass die Wellen an einem blank polierten Zinkblech an der gegenüber liegenden Wand reflektiert wurden, genau wie Licht an einem Spiegel.

Er wurde berühmt, bekam Angebote auf eine Professur aus Berlin und Bonn. Er wählte Bonn, weil er angesichts der wissenschaftlichen Aufgaben, die er noch vor sich hatte, lieber der großen Stadt fernbleiben wollte. Er zog 1889 mit seiner Familie in ein Haus, das vorher als medizinische Klinik benutzt wurde. Seine Gesundheit verschlechterte sich zunehmend. Er starb 1894 an einer Blutvergiftung, verursacht durch die Infektion mit Erregern der Klinik, die früher in seinem Haus untergebracht war. Er wurde nur 36 Jahre alt.

Genau wie er auf den Erkenntnissen von Faraday und Maxwell aufbaute, wurden die Hertz´schen Wellen jetzt von praktischen Erfindern aufgenommen. So erprobte Guglielmo Marconi ab 1895 in Bologna in Italien die Funkenübertragung über kilometerweite Entfernungen und 1903 sogar über den Atlantik, natürlich mit viel leistungsstärkeren Sendern. Da sie kugelförmig ausstrahlten (englisch radiate), nannte man sie nicht mehr Hertz´sche, sondern Radiowellen. Daher die deutsche Bezeichnung Rundfunk.

Im Nachrichtenverkehr mit Schiffen wurden die Funkwellen unverzichtbar, und 1915 kommt sogar die Idee auf, Musik auf drahtlosem Weg in die Wohnungen zu übertragen. Das Radio veränderte die ganze Welt, und die elektromagnetischen Wellen in Form von Radar-Signalen waren im 2. Weltkrieg sogar kriegsentscheidend. Der große Experimentator Heinrich Hertz hat unsere Welt tiefgreifend verändert.

 

Heinrich Hertz´ Jugend und Werdegang

Die elektromagnetischen Wellen - die ganze Geschichte

Was wurde aus Hertz´ Entdeckung?