Der Vogel als Lehrmeister. Was hätte er denn machen sollen? Die Formel für die Auftriebskraft einer Flugzeugtragfläche gab es noch nicht, noch kannte man das Naturgesetz des Auftriebs einer leicht schräg geneigten Fläche in einer Luftströmung.

 

Bild1: Otto Lilienthal, 1888.  Lehrmeister Storch, drei flogen ihm davon

Man hatte auch den Vogelflug physikalisch noch nicht untersucht; warum können Raubvögel und Störche trotz ihres schweren Körpers lange kreisen und sogar an Höhe gewinnen, ohne einen einzigen Flügelschlag zu tun? Also machte er sich selbst an die Untersuchung, maß die Formen und die Querschnittsprofile der Vogelflügel genau aus und betrachtete die Vögel als unsere Lehrmeister im Fluge.

Bild 2: Uralt ist die Sehnsucht des Menschen, zu fliegen. Der griechische Mythos Ikarus kam der Sonne zu nah, die Wachsflügel schmolzen, und er stürzte ab.

 

Wir reden von Otto Lilienthal (* 1848 Anklam, † Berlin 1896), dem großen Flugpionier, Erfinder des Flugzeugs. Sein Buch über die Systematik der Flugtechnik von 1889, Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst,  erregte nur geringe Aufmerksamkeit, da die breite Öffentlichkeit die Luftfahrt nach dem Prinzip „leichter als Luft“, d.h. die Weiterentwicklung des Ballons zum Luftschiff, favorisierte. Lilienthal dagegen bezeichnete dies als Irrweg und betonte: Die Nachahmung des Segelflugs muss auch dem Menschen möglich sein. Er nahm einfach nicht hin, dass das Wissenschafts-Establishment ein für alle mal festgelegt hatte, dass der Mensch nicht fliegen könne.

Die Formeln gab es so wenig wie die Windkanäle zur Erforschung der Strömungsprofile, ganz zu schweigen von CFD, den „Computational Fluid Dynamics“ der heutigen mit riesigen Computer-Programmen arbeitenden Generation. Er war, wenn er mit seiner Vision des Menschenfluges „schwerer als Luft“ weiter kommen wollte, auf die „Versuch-und-Irrtum-Methode“ angewiesen: er hielt sich vier Jungstörche in seinem Garten, studierte ihre Flugübungen, ihr ausdauerndes Segeln, entdeckte, dass das vorn verdickte und hinten verdünnte gewölbte Flügelprofil den Auftrieb bewirkt. Drei Adebare widersetzten sich seinen Messungen an ihren Schwingen und flogen auf Nimmerwiedersehen davon. Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen stehen in seinem Buch, das von Fachleuten im In- und Ausland positiv bewertet wird: Das Studium der Natur konnte praktisch anwendbare Resultate liefern. Das Verdienst gebührt dem Ingenieur Otto Lilienthal. Er selbst lässt in einem überschwänglichen, gefühlsbetonten Gedicht den hoch oben kreisenden Storch zum Menschen sprechen: Es kann Deines Schöpfers Wille nicht sein, Dich, Ersten der Schöpfung, dem Staube zu weih´n, Dir ewig den Flug zu versagen!

Bauernsohn - Abiturient - Maschinenbau-Ingenieur. Was war das eigentlich für ein Mensch, der solch eine wahnwitzige Vision hatte? Er stammte aus einem stattlichen Geschlecht pommerscher Landwirte mit einem Schuss Schwedenblut. Er wächst in der Ackerbürgerstadt Anklam auf, verdankt die technische Begabung dem Vater, die künstlerische der Mutter. Seine Umgangssprache Pommersch-Platt behält er noch als Erwachsener bei. Er entdeckte, dass das humanistische Gymnasium mit seinen starren Grundsätzen nicht nach seinem Geschmack war, zog Konsequenzen aus seinen schwachen Leistungen in Latein und bezog die Provinzial-Gewerbeschule in Potsdam, weil er schon als Junge wusste, dass er Maschinenbauingenieur werden wollte. Die Schule erweist sich als ausgezeichnete Wahl, seinen Wissensdurst in Physik, Mechanik, Maschinenbau, Konstruktionslehre zu stillen. Mit achtzehn erhält er das „Zeugnis der Reife“, Prädikat: „Mit Auszeichnung“ bestanden; das beste Examen, das jemals dort abgelegt wurde. Schon als Schüler macht er Luftwiderstandsmessungen an Flächen und stellt fest, dass die Formeln in den Büchern überhaupt nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen.

Ein Jahr Praktikum in der Maschinenfabrik Schwartzkopff in der Chausseestraße im Berliner Maschinenbauviertel schließen sich an. Arbeiten am Schraubstock, an der Drehbank, im Zeichenbüro bedeuten die Erfüllung geheimer Wünsche. Er mietete eine „Schlafstelle“, zusammen mit einem Droschken- und einem Rollkutscher, mit denen er das Bett teilen musste. Trotzdem war er von Berlin fasziniert und sein Optimismus war ein starker Verbündeter. 1867 begann er das Maschinenbaustudium an der Gewerbeakademie, der späteren TU Berlin. Bis zur Gewährung eines Stipendiums durch Fürsprache des Direktors Reuleaux war er ein Virtuose des billigen Lebens. Danach lebte er, nach seinen eigenen Worten, wie ein Fürst von der fabelhaften Summe von 300 Talern jährlich. In den Semesterferien in Anklam probieren sein Bruder Gustav und er den ersten Flügelschlagapparat mit aneinandergereihten Gänseschwungfedern aus; es wird ein totaler Fehlschlag. Nach sechs Semestern, im Jahr 1870 dann das Examen: die meisten Fächer „recht gut“ und „sehr gut“. Bei Ausbruch des deutsch-französischen Krieges zog er freiwillig gemeinsam mit 200 Kommilitonen als Gardefüsilier ins Feld. Als er dann ein Jahr später zurück war, sagte er zu seinem Bruder: Jetzt werden wir es machen! Er meint natürlich das Fliegen.

Als Soldat hatte er in Paris die französischen Ballons gesehen und gelangte zur Überzeugung, dass auch der lenkbar gemachte Ballon das Problem des Menschenflugs nicht wirklich lösen kann. Das hieß für ihn: weiterarbeiten mit einem Gleiter.

Bild 3: Lilienthals Theorie: Das erste wissenschaftliche Buch über das Fliegen, 1889. Bild 4: Lilienthal 1894 im Foto festgehalten: Abflug vom Fliegeberg Berlin-Lichterfelde. Bild 5: Sehr einfallsreich: So misst er den Auftrieb von Tragflügeln, sein Drehapparat.

 

Der Vogelflügel ist gewölbt. Die Aussage in den Büchern, dass die ebene, dünne Fläche den geringsten Widerstand in der Luftströmung bietet, muss er zurückweisen; nein, sagt er, die Bücherweisheit hat nichts mit der Natur zu tun, der Vogel hat gewölbte Flügel! Er befestigt zwei profilierte Flächen an den Enden einer rotierenden Stange, betreibt das Ganze, zusammen mit seinem Bruder, in einer Berliner Turnhalle und hat damit den Prototypen eines Windkanals erfunden! Er verändert Anstellwinkel und Profilform und kommt zum Resultat, dass die dem Vogelflügel ähnliche, schwach gewölbte, vorn dickere Fläche mit abgerundeter Nase den höchsten Auftrieb und geringsten Widerstand hat! Ja, auch die Segel der Schiffe entfalten die größte Kraft durch ihre Wölbung! Er probiert dann in Charlottenburg auf freiem Feld die gewölbten Flächen mit einem großen Drachen von vier Meter Spannweite aus und siehe: er schwebt sogar bei losgelassener Schnur frei zur Erde. Jetzt war er felsenfest davon überzeugt: der Segelflug ist nicht nur für Vögel da! Das war 1874.

Dann kam eine wissenschaftliche Kommission zur Prüfung aeronautischer Fragen unter dem Vorsitz von Prof. von Helmholtz, dem berühmten Physiker an der Berliner Uni wieder mit dem Totschlagargument: der dynamische Menschenflug ist nicht möglich. Das ist ein Naturgesetz! Wumms! Das Urteil wog schwer, das Todesurteil für alle Flugbestrebungen mit einem Gerät schwerer als Luft. Helmholtz meinte aber nur die „Flügelbewegung mit Muskelkraft“. Für die Öffentlichkeit jedoch war damit generell der Menschenflug mausetot.

In Otto Lilienthals Experimenten tritt eine lange Pause ein. Hat er etwa die Segel gestrichen? Er heiratet, bekommt vier Kinder, arbeitet in verschiedenen Maschinenfabriken, erhält verschiedene Patente; eines auf einen „Schlangenrohrkessel“, der die Grundlage für eine eigene kleine Maschinenfabrik in Berlin-Kreuzberg bildet, die auch Dampfmaschinen, Dampfheizungen, Transmissionen liefert. Seine Tätigkeit als Fabrikherr ist durch soziales Engagement gekennzeichnet. Er führt 1890 eine 25%ige Gewinnbeteiligung für seine Arbeiter ein (!), in der Überzeugung, dass durch regen Fleiß das Arbeitseinkommen und damit die Gesamtleistung der Fabrik gesteigert gesteigert werden kann.

1888 nimmt er seine Profilmessungen mit einem verbesserten Drehapparat wieder auf. Sie bestätigen die früheren Untersuchungen vollständig. Alles wird in seinem Buch „Der Vogelflug“ veröffentlicht. Dann heißt es für ihn: planvoller und schrittweiser Übergang von der Theorie zur Praxis! Er unterliegt nicht der Illusion, nun gleich eine Flugmaschine fix und fertig zu bauen.

Bild 6: Lilienthals Flugzeug Nr.1, die "Möwe". Bild 7: Und das Flugzeug Nr. 11, der "Normalsegelapparat.

Von der Theorie zur Praxis - Flugversuche. 1889: Erste manntragende Flügelpaare, 10 m2 groß, dem Vogel nachempfundern, aus biegsamen, doch festen Weidenruten mit leichter Stoffbespannung, Wölbung 8% der Flügeltiefe, Fläche im vorderen Drittel verdickt. In Stehversuchen, mühsam das Gleichgewicht suchend, weist er die Hebewirkung des Windes bereits nach, trägt den beim ersten Windstoß zertrümmerten Apparat nach Hause. Das war die „Möwe“, Flugzeug Nr.1. Das verbesserte Flugzeug Nr.2, 1890, trägt das Körpergewicht bereits bei neun Meter pro Sekunde Windgeschwindigkeit, das Gleichgewicht zu halten ist sehr schwierig.

Bild 8 u. 9: Sein Einfallsreichtum scheint unbegrenzt.

 

Mit Flugzeug Nr.3, 1891, macht er luftgetragene Gleitflüge von 7 m aus 2 m Höhe. Weidenholz, Bespannung aus mit Lack überzogenem Baumwollgewebe, Lilienthal hängt mit den Unterarmen am Gestell in zwei Griffen, erstmalig hat der Vogel eine horizontale und eine vertikale Schwanzflosse. Er verlegt seine Versuche von Berlin-Lichterfelde nach Derwitz, auf den 60 m hohen Spitzen Berg westlich von Potsdam, erreicht mit Nr.3 25 m Weite bei einer Absprunghöhe von 6 m. Er  f l i e g t ! Abgehoben, losgelöst von der Erde! Die Flüge sind durch fotografische Momentaufnahmen dokumentiert. Er steuert den Apparat durch Veränderung seiner Körperhaltung, hat aber noch große Schwierigkeiten bei Windstößen und Seitenböen. Der französische Flugpionier Ferdinand Ferber (1909 tödlich abgestürzt) sagt ein paar Jahre später: das Jahr 1891 fasse ich als den Augenblick auf, an dem die Menschheit das Fliegen gelernt hat.

Bild 10: Denkmal an der Abflugstelle auf dem Gollenberg in Stölln/Brandenburg. Bild 11: Lilienthals Blick beim Abflug, 90 m über der Ebene des Rhinower Ländchens. Unbeschreibliches Vergnügen bei 250 m Flugweite.

 

Bild 12: Abflug 1891 in Derwitz mit Flugzeug Nr. 3

Flugzeug Nr.5 von 1892 bringt es  auf eine Spannweite von 11 m und eine Tragfläche von 16 m2. Es hat nach oben gebogene Flügelenden (damit hat Lilienthal die „Winglets“ heutiger Flugzeuge vorweggenommen!). Es erreicht 80 m Weite beim Absprung von einer 10 m hohen Stechwand einer Sandgrube in Berlin-Steglitz.

 

 

 

 

Lilienthal Lichterfelde A

Bild 13: Abflug vom Fliegeberg 1895 in Berlin-Lichterfelde.

Er ist damit an die Grenze der Flügelgröße gekommen, die sich durch Schwerpunktverlagerung des Körpers noch steuern lässt. Die Stabilität des Gerätes ist ein schier unlösbares Problem, und er sollte es niemals lösen. Bei starkem Wind ist es ein Spielball seiner Launen. Es wird hochgeschleudert, seitlich abgekippt, droht hinten überzuschlagen und stürzt im nächsten Augenblick zur Erde. Lilienthal ist nicht angeschnallt, weil er wilde, dynamische Körperbewegungen machen muss, um all das auszugleichen. Mit Mitte vierzig ist er noch ein konditionsstarker Sportsmann.

Das Vergnügen des Fliegens. Flugzeug Nr.6 von 1893 hat schon ein passives, nach oben ausschwingendes „Höhenleitwerk“, ist zusammenlegbar und wird patentiert. Er hat jetzt sein ideales Trainingsgelände im Rhinower Ländchen bei Stölln, 100 km nordwestlich von Berlin gefunden. Der Gollenberg, der ihm zum Schicksal werden sollte, ist nur mit Gras und Heidekraut bewachsen und erhebt sich 90 m aus den umliegenden flachen Äckern und Wiesen und kann in jeder Richtung zum Abflug benutzt werden. Er nennt es ein unbeschreibliches Vergnügen, hoch über den Wiesen dahinzuschweben (mit Hut und schwarzer Hose!), den Apparat sicher auch in Kurven zu lenken und nach 250 m Flugweite ohne Probleme zu landen. Die Schönheit des Fliegens hat ihn gepackt.

Bild 14: Sein Patent von 1893, erweitert 1895, auch in England und USA erteilt.

Ja, wenn die große Entfernung nach Stölln nicht wäre! So lässt er sich 1894 auf eigene Kosten (seine Maschinenfabrik ermöglicht das alles) einen 15 m hohen kegelförmigen Wunschhügel aus einer Abraumhalde in Lichterfelde, den Fliegeberg  aufschütten; der wird sein häufigster Übungsplatz. Die Berliner sind in ihrer Meinung geteilt: die einen erblicken darin etwas ganz Neues, die anderen sehen in dem fliegenden Mann nur eine Jahrmarktsensation. Eine Zeitung schrieb: wer einen Verrückten sehen wolle, der sollte nach Lichterfelde kommen! Flugtechniker aus aller Welt besuchen seine Vorführungen: Prof. S. Langley von der Smithsonian Institution in USA, G. Curtis aus USA flog selbst mit Lilienthals Erlaubnis in Lichterfelde, ebenso P. Pilcher aus England (1899 tödlich abgestürzt), der nach Lilienthals Vorbild sein Flugzeug „Hawk“ baute, bereits mit Fahrgestell, P. Preobrashenski und N. Shukowski aus Russland. Ihre Aussagen: Lilienthals Flugapparat ist die wichtigste Erfindung auf dem Gebiet der Luftfahrt.

1994 experimentiert er mit dem Flugzeug Nr.11. Es ist seine erfolgreichste Konstruktion, der "Normalsegelapparat". Es hat ein steuerbares Höhenleitwerk und wird in mehreren Exemplaren auch nach Österreich, Böhmen, Frankreich, England, Irland, Russland für jeweils 500 Mark verkauft. O. Chanute, der in Chicago ein Ingenieurbüro unterhält, macht Lilienthals Flugzeuge in USA bekannt, indem er dessen Aufsätze übersetzen und in dem Magazin „Aeronautics“ veröffentlichen lässt. Er ist auch die Brücke von Lilienthal zu den Gebrüdern Wright, die von 1900 an in Dayton mit Gleitflugzeugen experimentieren und 1903 ihr erstes Motorflugzeug zum Abheben bringen.

Unermüdlich arbeitet der phantasievolle Erfindergeist Lilienthals: abklappbare Vorflügel (heute hat sie jeder Verkehrsflieger), drei verschiedene Doppeldecker (waren lange Zeit gängige Typen), motorgetriebener Flügelschlagapparat (war eine Sackgasse). Bis Nr.18 reicht die eindrucksvolle Reihe seiner Flugzeugtypen. Er nannte 28 Patente sein eigen.

Bild 15 und 16: Lilienthal-Flugzeug Nr.11, sein Todesflugzeug und der Nachbau im Technik-Museum Berlin.

Das Verhängnis. Doch dann kommt es zum Verhängnis. Am 9. August 1896, einem schönen Sommertag, fliegt er mit seinem Erfolgsmodell Nr.11, dem von ihm so genannten Normal-Segelapparat. Der erste Flug vom Gollenberg klappt wunderbar, ist weit und dauert eine halbe Stunde. Sein Assistent Beylich ist authentischer Augenzeuge beim zweiten Flug: Wie er ein Stück abgeflogen war, steht er oben in der Luft vollständig still, ich sehe, wie er mit den Beinen hin und her schlenkert, um den Apparat in Bewegung zu bringen, er kippt plötzlich nach vorne und saust runter und schlägt auf. Wahrscheinlich hat eine heftige Thermikblase, damals sagte man „Sonnenbö“, Lilienthal überrascht. 

Bild 17 und 18: 1896: Absturz am Gollenberg in Stölln/Brandenburg, er lebte noch einen Tag, Skulptur auf dem Flughafen Berlin-Tegel. Und Gedenkstein an der Absturzstelle: Der Schöpfer kann doch dem Menschen den Flug nicht versagen!Sie entsteht durch eine plötzliche Ablösung erwärmter Luft in Bodennähe, ruft eine örtliche Turbulenz hervor, drohte den Apparat nach hinten überzuschlagen, der Pilot warf sich nach vorn, da war die Bö schon vorbei, er kippte vornüber und stürzte aus 15 m Höhe ab. Er wird im Gasthof in Stölln, der heute „Zum ersten Flieger“ heißt, untersucht, dann nach Berlin transportiert. Bevor er das Bewusstsein verlor, sagte er noch: Opfer müssen gebracht werden! Am nächsten Tag starb der große deutsche Flugpionier. Er hatte sich den dritten Halswirbel gebrochen.

Anerkennung und Würdigung. Professor Müllenhoff in der Gedenkrede: Er hat als Mathematiker und Physiker die entscheidenden Beiträge zur Theorie des Fluges mit gewölbten Tragflügeln geleistet, er war als Ingenieur imstande, die erdachten Apparate zu konstruieren und zu bauen und er besaß Wagemut und Gewandtheit sie zu erproben.

1909 weckte Orville Wright die Erinnerung an Lilienthal, als er auf dem Tempelhofer Feld sein Motorflugzeug vorführte. In einem Vortrag vor dem Flugtechnischen Verein hob er hervor, wieviel er und sein Bruder Wilbur den Experimenten und Erkenntnissen Lilienthals verdanken auf der Suche nach der Lösung des Flugproblems, und er fügte hinzu: von allen Forschern in der Welt hat er den größten Beitrag zur Verwirklichung des Menschenflugs geleistet. 1911 legt Wilbur Wright am Grabe Lilienthals in Lichterfelde einen Kranz nieder, besucht Agnes Lilienthal und sagt zu ihr: Ihr Mann war einer der Großen der Menschheit. Und 1912 schreibt er in seinem letzten Aufsatz: Lilienthal hat das Flugproblem aus der Studierstube herausgeführt und die Lösung im freien Wind gesucht. Keiner seiner Zeitgenossen war ihm ebenbürtig.

Bilder 19, 20, 21: Die physikalischen Grundlagen des Fliegens:

Zusammenfassung: Der Anfahrwirbel erzeugt um das Tragflügel-Profil herum eine Zirkulationsströmung. Diese addiert sich zur Luftgeschwindigkeit oberhalb des Profils und subtrahiert sich unterhalb des Profils. Das Profil wird oben schneller umströmt als unten (dies wird außer im Experiment auch durch eine Strömungs-Simulation mithilfe von CFD = computational fluid dynamics bewiesen). Dadurch ergibt sich oben  Unterdruck und unten Überdruck. Es entsteht eine nach oben gerichtete Kraft, der Auftrieb. Kurzgefasst: Flugzeugstart → Anfahrwirbel an Abströmkante → Luftzirkulation um Tragflügelprofil → Geschwindigkeitsunterschied oben/unten → Druckunterschied oben/unten → Auftrieb → Flugzeug ist luftgetragen.

 Bild 22-29: Die Stadt Berlin, die Post und das Museum Stölln ehren einen großen Flugpionier.

  

 

 

 

Bilder 30-34: So ging es weiter: Gebrüder Wright 1909: Vorführung in Tempelhof und Kranzniederlegung am Grab Lilienthals. Grade Eindecker 1909. Rumpler Taube 1910. Dornier Wal 1922. Logo Grade Motorenwerke Magdeburg.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild 35-37. Am Anfang war Lilienthal. Über den Wolken mag die Freiheit wohl grenzenlos sein... die Romantik des Fliegens. Werbeplakate der 1950er. Die Lockheed Super Constellation mit ihren drei Seitenleitwerken war der technische Höhepunkt des Langstreckenflugzeugs mit Propellerantrieb. Bild 36: Im Anflug auf Manhattan.

 

Nachtrag. Im Februar 2015 Besuch der Lilienthal-Gedenkstätte in Berlin-Lichterfelde-Ost mit dem Fliegeberg, den Lilienthal 1894 aus dem Abraum der dortigen Tongruben aufschütten ließ. Der Geist dieses großen Luftfahrtpioniers umweht einen beim Betreten des Geländes. Er war der erste, der mit einem gewölbten Tragflügel die theoretischen Grundlagen des Fliegens "schwerer als Luft" schuf und erfolgreich in die Praxis umsetzte - und mit dem Leben bezahlte. Über 2000 Gleitflüge unternahm er mit seinen insgesamt 18 Flugapparaten. Die Gebrüder Wright bauten auf seinen aerodynamischen Erkenntnissen auf und konstruierten das erste Motorflugzeug - das war der zweite logische Schritt in der Luftfahrt.

Bilder 38-43. Eingang zur Gedenkstätte; der innovative Eigentümer der Maschinenfabrik; Fliegeberg mit "Karpfenteich", der ehemaligen Tongrube; seine Flugversuche veränderten die ganze Welt, die bronzene Kugel symbolisiert die friedliche, weltumspannende Luftfahrt, so wie die Flugpioniere es sich vorgestellt hatten; der Grasberg mit dem weithin sichtbaren, würdevollen "Ehrenkranz" für den großen Erfinder; der Blick von oben, wie ihn Lilienthal hatte (damals war hier Brachland ohne Häuser, s. Bild 13 mit dem Gebäude der Ziegelbrennerei).

Bild 44. Ein Irrtum kommt selten allein.

 

Nachtrag

 

Bild 45. Nachbau des Lilienthal-Flugzeugs Nr.11 von der DLR, ausgestellt auf der ILA 2016. Bild 46. Ein schönes Gemälde von Lilienthals Flug in Berlin-Lichterfelde. Bild 47. Die Gebrüder Wright ehrten Otto Lilienthal, erkannten seine Urheberschaft der aerodynamischen Theorie an.

 

 

Bildnachweis.

Bild 1, 3-9, 12-14, 29: Eigene Fotos, Lilienthal-Museum, Stölln, 2011. Bild 2, 15, 16, 34: eigene Fotos, Technik-Museum Berlin, 2011 (Skulptur, Bild 2 steht auf dem Grab des Flugpioniers Edmund Rumpler auf dem Stahnsdorfer Friedhof). Bild 10, 11, 18: Eigene Fotos, auf dem Gollenberg, 2011. Bild 17 Creative Commons Lizenz, CC-BY SA, Jochen Jansen, Lilienthal-Skulptur Flughafen Berlin-Tegel, 2005. Bilder 19, 20, 21: eigene Zeichnungen, davon Strömungssimulation: Creative Commons Lizenz CC-BY SA, Kraaiennest 2009. Bilder 22-28, 30-33 public domain. Bilder 35-37: Eigene Fotos auf der Ausstellung "Safety, Speed, Comfort", Werbung für Fernreisen, Zeitlos, Berlin, Kantstraße 17, 18.10.2012. Bild 38-43: Eigene Fotos am 25.2.2015. Bild 44: Texte links: eigene Fotos, Technik-Museum Berlin, 6/2015, freundliche Genehmigung für heureka-stories.de vom 2.9.2013 von Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin, Abt. Presse- und Oeffentlichkeitsarbeit, http://www.sdtb.de/. Bild 45: Eigenes Foto, ILA 2016. Bilder 46 und 47: Eigene Fotos, Lilienthal-Museum, Stölln, 2011.

 

 

Das Flugzeug - Kurzinfo

Otto Lilienthal (* 1848 Anklam, † Berlin 1896), der große Flugpionier, macht 1891 erste luftgetragene Gleitflüge von 7 m aus 2 m Höhe. Sein Gleiter, der Vorläufer des Flugzeugs, ist aus Weidenholz, die Bespannung der Tragflächen aus mit Lack überzogenem Baumwollgewebe. Das Jahr 1891 fasse ich als den Augenblick auf, in dem die Menschheit das Fliegen gelernt hat, sagte ein französischer Flugpionier. Ein Jahr später schafft Lilienthal schon 80 m Weite mit seinem revolutionären, gewölbten Flügelprofil, das er den Störchen abgeschaut hatte.

Seine Ausbildung als Maschinenbauingenieur mit viel Wissen in Mathematik und Physik half ihm bei seinen theoretischen und praktischen Forschungen. Er baut insgesamt 18, jeweils verbesserte Flugzeugtypen. 1896 fliegt er vom 90 m hohen Gollenberg bei Stölln in Brandenburg eine halbe Stunde lang. Beim zweiten Flug gerät er in eine heftige Thermikblase (warmer, turbulenter Aufwind) und stürzt tödlich ab.

Ein Chicagoer Ingenieurbüro macht Lilienthals Flugzeuge in USA bekannt, veröffentlicht seine Aufsätze, die auch die Gebrüder Wright studieren und die von 1900 an mit Gleitflugzeugen experimentieren und 1903 ihr erstes Motorflugzeug zum Abheben bringen. Sie sagen: von allen Forschern hat er den größten Beitrag zur Verwirklichung des Menschenflugs geleistet. Er war einer der Großen der Menschheit.

 

Das Flugzeug - die ganze Geschichte

Bild 1. Der junge Gottlieb Daimler. Bild 2. Hier fand der nächtliche Einbruch der Polizei statt. Daimlers Original-Werkstatt im heutigen Kurpark Bad Cannstatt. Das "Gewächshaus" ist ein späterer Anbau.

Die Polizei als Einbrecher. Im Jahr 1886 hörten Einwohner Bad Cannstatts des Nachts verdächtige Geräusche, die aus dem Gartenhaus auf dem Daimler-Grundstück kamen: Klirren, Bohren, Hämmern und Pressen. Das kann doch keinen anderen Grund haben als Falschmünzerei! Die braven Schwaben konnten keine Gesetzwidrigkeiten in ihrer ordentlichen Gemeinde dulden und meldeten die verdächtigen Vorkommnisse umgehend der Polizei. Diese verschaffte sich ohne Durchsuchungsvollmacht heimlich mit Nachschlüsseln Zugang zu der Werkstatt und fand anstelle von Prägestöcken und Falschgeld ... nur Zahnräder, Kolben und Riemenscheiben einer unverständlichen Maschine. Da hatte nun der schlitzohrige Gottlieb Daimler, dem der Einbruch nicht unentdeckt blieb, bei der Polizei  etwas gut: er sah von einer für die Obrigkeit peinlichen Anzeige ab und erhielt dafür ohne bürokratische Umstände die Erlaubnis, mit dem neuen Motor Versuche anzustellen.

Bild 3. Der erste Streich: Daimlers Gesellenstück als Büchsenmacher: reichverzierte Pistole. Bild 4. Daimler und Maybach in der Werkstatt. Bild 5. Heraus kam der zweite Streich: der stehende Motor "Standuhr". Bild 6. Der dritte Streich: Erstes Motorrad der Welt, der "Reitwagen" mit Standuhr und Stützrädern von 1885.

Gottlieb Daimler (* 1834 Schorndorf, Württemberg, † 1900 Bad Cannstatt) ging bei einem Büchsenmacher in die Lehre (sein Gesellenstück: eine doppelläufige, reich verzierte Pistole), arbeitete danach im Elsass in einer Maschinenfabrik. 1857 nahm er am Polytechnikum in Stuttgart ein Maschinenbaustudium auf. In Paris sah er sich danach den Gasmotor Lenoirs an und erkannte in ihm eine ausbaufähige Alternative zur Dampfmaschine. 

Zusammenarbeit mit Maybach und Otto in Deutz. Zwei Jahre arbeitete er noch im englischen Maschinenbau, um dann in Reutlingen als technischer Leiter in einer Maschinenfabrik tätig zu werden. Dort lernte er Wilhelm Maybach kennen, den Mann mit einer außergewöhnlichen konstruktiven Begabung, und die beiden bildeten ein gut aufeinander abgestimmtes Team: Daimler mit den unerschöpflichen Ideen, und Maybach, der begnadete Konstrukteur, der sie in genialer Weise ausführungsreif machte.

1867 besuchte Daimler im Auftrag der württembergischen Regierung die Pariser Weltausstellung, wo u.a. der preisgekrönte Motor Ottos zu sehen war. 1872 ging er als technischer Direktor mit Maybach als Chefkonstrukteur zur Gasmotorenfabrik Deutz bei Köln.

Hier arbeitete auch der geniale Nikolaus Otto an seiner Erfindung, dem Viertaktmotor, der 1876 als Gasmotor und 1884 als Benzinmotor sein Debut feierte. Leider gab es zwischen dem bescheidenen Autodidakten Otto und dem Hochschulabsolventen Daimler ernste Zerwürfnisse. Der schwäbische Dickschädel musste aber anerkennen, dass Otto die Grundlage für seine Kraftfahrzeugideen geschaffen hatte. Die Entwicklung des Otto-Motors animierte Daimler zu eigenen Vorstellungen über einen wesentlich leichteren, schneller laufenden, auch im Fahrzeugbau einzusetzenden Benzinmotor.

 

Bild 7 und 8. Es folgt sogleich der vierte Streich: Daimlers Motorkutsche (links im Modell) von 1888 mit eingebauter Standuhr.

Bild 9. Die technische Leitung der Gasmotorenfabrik Deutz 1882, in der Mitte Daimler, rechts stehend Otto, rechts sitzend Maybach.

Nach einem Streit mit dem Deutzer Vorstand machte er sich 1882 zusammen mit Maybach, den er mit einem persönlichen Vertrag mit Gewinnbeteiligung an sich band, selbständig, und zwar in Bad Cannstatt. Seinen Leichtmotor, konstruiert in Verletzung des Otto-Patents DRP 532, aber mit einer selbst entwickelten Glührohrzündung, setzte er 1885 in ein Zweirad, dann in ein Boot und 1888 in eine vierrädrige Kutsche ein, wo er vor den Rücksitzen montiert war. (Nach anderen Quellen war die erste Fahrt eines Daimler-Autos im Herbst 1886. Recherchen von Werner Walz in: „Wo das Auto anfing“ (1981) ergaben jedoch, dass dies eine Fehlannahme ist). Der Daimler-Motor war ein echter Leichtmotor mit 1½ PS und 600 Umdrehungen pro Minute und daher für den Fahrzeugantrieb hervorragend geeignet. Es war ein stehender Motor, der den Spitznamen „Standuhr“ erhielt. Auch Daimler ging bewusst das Risiko ein, gegen Ottos Patent zu verstoßen (weil der Otto-Motor die beste aller Lösungen war), und seine Aufhebung kam ihm wie gerufen.

 

Bild 10. Im Südwesten Deutschlands: Zwei Männer - eine Idee

Bild 11. Die beiden großen Autopioniere - sie haben sich nie gesehen.

 

Benz und Daimler – zwei Männer mit der gleichen Idee. Die beiden Tüftler mit Weitblick, der Badener Benz und der Schwabe Daimler waren beide von der Idee besessen, dass ein leichter, leistungsfähiger Fahrzeugmotor vonnöten sei. Die straßenfahrenden plumpen „Lokomobile“ genannten Dampfwagen waren schwer zu steuern , erforderten die Mitnahme großer Kohle- und Wassermengen und, wer nicht beim Heizen schmutzig werden wollte, musste sich einen Heizer, auf deutsch „Chauffeur“ leisten.

Benz und Daimler machten ihre Erfindungen unabhängig voneinander, nur 80 km voneinander getrennt, sind sich im Leben nie begegnet. Der Rheinländer Otto hatte beiden mit seiner epochalen Erfindung des Viertaktmotors den Weg geebnet und wenn sein Patent (wegen einer ungeschickten Formulierung) nicht gescheitert wäre, wären Benz und Daimler sicher mit ihrem geistigen Diebstahl in Deutschland gescheitert und es hätte dann höchstwahrscheinlich geheißen…and the winner is USA! So gewann Deutschland den Grand Prix der ersten beiden Automobile der Welt.

Bild 12. Ideenschmied Daimler und begnadeter Konstrukteur Maybach.

Benz´ Ziel war es, eine harmonische Einheit von Motor und Wagen zu bauen, Daimler sah seinen „Daimler-Motor“, der alles bewegen sollte: Kutschen, Pflüge, Sägewerke, Feuerwehrpumpen, Straßenbahnen, Omnibusse, Lastwagen, Eisenbahnen, Schiffe, Luftschiffe. Beide haben ihre Ziele erreicht, ihre Fahrzeuge fuhren mit transportablem, flüssigen Treibstoff und erreichten anfangs mindestens die Geschwindigkeit von Pferdekutschen. Aber zuerst war es sehr schlecht bestellt um ihre neuen Geräte, keiner wollte sie haben. Dabei hatte Benz immer mit dem finanziellen, Daimler mit dem körperlichen Bankrott durch seine Herzkrankheit zu kämpfen. Daimler und Maybach bildeten eine perfekte Symbiose: Daimler ist Ideenschmied, Organisator und Geldgeber (von ihm wurde sogar behauptet, er verstünde nicht, wie sein Motor funktioniert), Maybach ist der eigentliche Erfinder und Konstrukteur. Beide wären ohne den jeweils Anderen nichts gewesen.

1893 stellte die „Daimler-Motoren-Gesellschaft“ ihr Gesamtprogramm in Chicago aus … und machte unbeabsichtigt die amerikanische Industrie auf die gewaltigen Möglichkeiten der Motorisierung aufmerksam. Und prompt brachte Ford, noch als Angestellter der Detroit-Edison-Elektrizitätsgesellschaft, schon im selben Jahr sein „Gasolin-Wägelchen“ heraus. Ein erstes US-Patent auf ein amerikanisches Auto gab es erst 1895.

 

 

Bild 13. Mercedes Jellinek - sie gab einem Autokonzern den Namen.

 

 

Wo kommt der geheimnisvolle Name "Mercedes" her? Der Name „Mercedes“ kam durch ein Autorennen ins Spiel. Emil Jellinek, geborener Leipziger, Generalkonsul und Geschäftsmann mit weitreichenden Verbindungen und dazu Auto-Fan, gelang es, Daimler davon zu überzeugen, dass Autorennen den Namen einer Marke ausmachen und dass er nicht nur mit Motoren, sondern mit einem eigenen Auto an Rennen teilnehmen solle. Maybach konstruierte einen 23-PS-Daimler mit einem neuen so genannten „Phönix“-Motor im Auftrag Jellineks, der sich bei der Tourenfahrt von Nizza 1899 unter dem Pseudonym „Herr Mercedes“ beteiligte und gewann (ob persönlich ist umstritten). Mercedes war der Name seines über alles geliebten 10-jährigen Töchterleins. Auch 1901, Daimler war seinem Herzleiden mit 66 Jahren erlegen, gewann „Herr Mercedes“ das Rennen von Nizza, jetzt mit einem 35-pferdigen Daimler. Der geheimnisvolle, aus Spanien stammende Name „Mercedes“ für ein schwäbisches Auto war in aller Munde. Jellineks Marketingidee war ein voller Erfolg.

 

 

 

  

 

Daimleru Benz MarkeDaimlerMarkePortraitDaimler MarkeAutoDaimler1889 Briefmarke1982

 DaimlerMarke 2009Daimler Sonderstempel2000

Bilder 14-19. 75 Jahre lang Erinnerung an Gottlieb Daimler.

Jellinek nahm Maybach und Daimlers Söhnen 36 Wagen ab, unter der Bedingung, sie unter der Bezeichnung „Mercedes“ zu vertreiben. Sie leisteten keinen Widerstand, und ab 1902 gab es keine Zweifel mehr: alle Daimler-Autos hießen jetzt „Mercedes“. Der dreizackige Stern, noch eine Idee Daimlers, wurde erst 1911 als Markenzeichen angemeldet und steht für: zu Lande, zu Wasser, in der Luft. Erst 1926 finden die „Daimler-Motoren-Gesellschaft“ und die „Benz und Cie., Rheinische Automobil- und Motorenfabrik“ zur Fusion zueinander, unter dem neuen Namen „Daimler-Benz AG“. Der Stern wurde in den Benz´schen Lorbeerkranz eingefügt, zusammen mit den Namen Mercedes und Benz.

Der Markenname Daimler. Im Ausland hatten noch zu Daimlers Lebzeiten zahlreiche Firmen eine Lizenz auf die Daimler-Motoren bzw. damit angetriebene Fahrzeuge erworben. So hielt z.B. die Firma Ford /USA über die Daimler Motor Company die Rechte am Markennamen Daimler, verkaufte diese aber 2008 an den indischen Großkonzern Tata. Nach Zeitungsberichten erwägt Tata, die Marke Daimler zu reaktivieren. In Großbritannien werden bis heute Luxuslimousinen unter dieser Marke produziert, größtenteils Varianten von Jaguar-Typen. Die Luxuskarosse der britischen Königin mit kurzem, schräg abfallendem Kofferraum ist eine Daimler-Limousine, nicht – wie oft fälschlich angenommen – ein Rolls-Royce oder Bentley.

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Bilder 20-24. Nikolaus Otto, Carl Benz, Gottlieb Daimler, Wilhelm Maybach, Rudolf Diesel - diese deutschen Erfinder begründeten das Automobil-Zeitalter auf der ganzen Welt.

Die fünf Großen des Motoren- und Automobilbaus. Fünf Männer waren dazu berufen, die Geschichte der Motorisierung der Welt, dieser zweiten technischen Revolution im 19. Jahrhundert zu schreiben. Sie hat wie keine andere die Welt verändert, die unglaubliche Geschichte der Pioniere Nikolaus Otto in Deutz, Carl Benz in Mannheim, Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach in Bad Cannstatt und Rudolf Diesel in Augsburg.

Bilder 25-27. 125 Jahre Motorenentwicklung: Die "Standuhr" von 1884: 1 Zylinder, 0,5 l Hubraum, 600 1/Min, 0,8 kW, 16 km/h. Flugmotor Daimler DII von 1916: 6 Zylinder, 1350 1/Min, 91 kW, 1500 Stück gebaut. Daimler-Benz-Motor M159 für SLS AMG von 2009, 8 V-Zylinder, 6,2 l Hubraum, 6800 1/Min, 420 kW, Drehmoment 650 Nm.

Hier eine kleine Foto-Galerie von Daimler-Autos 1899 bis 1902 und von Daimler-Benz-Autos 1929 bis heute:

Bilder 28-39. Kleine Typenchronik (bis 1926 Daimler, danach Daimler-Benz, jeweils v.l.n.r.): Rennwagen Phoenix 1899, Tourenwagen Simplex 1902, Stuttgart 260 1929, Nürburg 1929, 540K Special Roadster 1936, 170S-V 1953, 300 Adenauer 1954, 300SL 1955, 220 1958, 280SE 1969, 600 1972, SLS AMG 2009.

Bildnachweis

Bild 1: blog.daimler.de. Bilder 2, 5, 8: GNU Lizenz für freie Dokumentation, Urheber: user:enslin. Bild 3: blog.daimler.de. Bild 4: Welt online 1.4.10, Foto: Daimler. Bild 6: GNU Lizenz für freie Dokumentation, Urheber: Daniel Wimpff. Bild 7: eigenes Foto. Bild 9, 20: Aus Gustav Goldbeck "Gebändigte Kraft", Heinz Moos Verlag München 1965. Bild 10: gemeinfrei, Schutzfrist abgelaufen. Bild 11: Münze 1961, gemeinfrei. Bilder 12-13: eigene Fotos. Bilder 14-19: gemeinfrei. Bild 21, 22, 28: aus: Werner Walz: Wo das Auto anfing, Geschichte einer Weltmarke, Verlag Stadler, Konstanz, 1981. Bild 23: Schutzfrist abgelaufen. Bild 24: Aus Hans-Jürgen Reuß: Hundert Jahre Dieselmotor. Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart 1993. Bild 25-27: Eigene Fotos, 2011. Bild 29: GNU Lizenz user:enslin. Bilder 30-39: eigene Fotos, 2011.


 

Gottlieb Daimler (* 1834 Schorndorf, Württemberg, † 1900 Bad Cannstatt). Unabhängig von Carl Benz entwickelte Daimler seine eigene Motorkutsche. Die Erfindung des Otto-Motors regte Daimler zu eigenen Vorstellungen an über einen wesentlich leichteren, schneller laufenden, auch im Fahrzeugbau einzusetzenden Benzinmotor.

Seinen Leichtmotor, konstruiert nach dem System "Otto", aber mit einer selbst entwickelten Glührohrzündung, setzte er 1885 in ein Zweirad, dann in ein Boot und 1888 in eine vierrädrige Kutsche ein, wo er vor den Rücksitzen montiert war. Der Daimler-Motor war ein echter Leichtmotor mit 1½ PS und 600 Umdrehungen pro Minute und daher für den Fahrzeugantrieb hervorragend geeignet. Es war ein stehender Motor, der den Spitznamen „Standuhr“ erhielt. Er ging bewusst das Risiko ein, gegen Ottos Patent zu verstoßen. Er hatte Glück, Ottos Patent wurde wegen eines Formfehlers aufgehoben.

Während Benz das Ziel hatte, eine Einheit von Motor und Wagen zu bauen, sollte Daimlers Motor alles bewegen: Kutschen, Pflüge, Sägewerke, Feuerwehrpumpen, Straßenbahnen, Omnibusse, Lastwagen, Eisenbahnen, Schiffe, Luftschiffe. Beide haben ihre Ziele erreicht, ihre Fahrzeuge fuhren mit transportablem, flüssigen Treibstoff und erreichten anfangs mindestens die Geschwindigkeit von Pferdekutschen.

 

Das zweite Auto - die ganze Geschichte