Bild 1. Carl Benz - Erfinder des Autos mit Benzinmotor, im Alter von 25 Jahren

Wer hat das Auto erfunden? US-Präsident Obama sagte am 24.2.2009 vor dem Congress: "Unsere Nation, die das Automobil erfunden hat, muss der Autoindustrie helfen". Haben Amerikaner das Auto erfunden? Wenn er sich besser informiert hätte, wäre es ihm sicherlich nicht entgangen, dass es der Deutsche Carl Benz war, der 1886 der Welt das erste Auto schenkte, das mit einem Benzinmotor angetrieben wurde. Es war auch nicht Gottlieb Daimler, wie man häufig lesen kann (der kam ein oder zwei Jahre später). In USA wurde erst sieben Jahre nach Benz das erste Auto gebaut, und zwar von Charles Duryea; Henry Ford folgte erst 1896 mit seinem ersten Auto. Obama meinte mit seiner Aussage sicherlich die erste Massenproduktion von Autos am Fließband, und da hätte er Recht gehabt, die wurde von Henry Ford im Jahre 1913 erfunden.

Eine Welt verändernde Erfindung. Als Carl Benz (* 1844 Karlsruhe, † 1929 Ladenburg) 1886 seine Erfindung in Mannheim der Öffentlichkeit vorstellte, löste der lärmende Kraftwagen Angst und Schrecken aus. Passanten flüchteten von der Straße, wenn das Ungeheuer vorbeidonnerte. Kaiser Wilhelm beruhigte das Volk: ich glaube an das Pferd, das Auto ist nur eine vorübergehende Erscheinung. Der Kaiser lag mit seiner Prognose total daneben. Hatte er vorher seinen Think Tank nicht befragt? Fast eine Milliarde Autos bescheren uns heute eine Bewegungsfreiheit, wie sie der Mensch in den 2½ Millionen Jahren seines Bestehens noch nie hatte. Und der überwiegende Teil dieser Maschinen dient nur dem eigenen Vergnügen!

Angetrieben wurde der dreirädrige Benz-Kraftwagen von einem einzylindrigen, 0,8 PS starken, 250-tourigen Viertaktmotor nach dem System „Otto“, den der Maschinenbauer und Unternehmer Nikolaus Otto zehn Jahre vorher als Gasmotor erfunden und 1884 zum Motor mit flüssigem Kraftstoff weiterentwickelt hatte. Das Auto erreichte 18 km/h.

Am 29. Januar 1886 schrieb Carl Friedrich Benz Industriegeschichte, indem er beim Reichspatentamt unter der Nummer 37435 dieses Fahrzeug zum Patent anmeldete. In der Öffentlichkeit erntete Carl Benz für den Wagen ohne Pferde viel Spott.

Aber eine Zeitung schrieb, dass dieses Fuhrwerk eine gute Zukunft haben wird, weil es ohne viele Umstände in Gebrauch gesetzt werden kann und weil es, bei möglichster Schnelligkeit, das billigste Beförderungsmittel für Geschäftsreisende, eventuell auch für Touristen werden wird. Eine prophetische Aussage! Sind die Journalisten etwa intelligenter als Kaiser Wilhelm I ? Carl Benz jedenfalls verbesserte seine Fahrzeuge stetig. Nachdem die Probleme der Kraftübertragung und der Lenkung gelöst waren, hatte sein Auto im Jahr 1891 schon vier Räder.

Der „vollständige Ersatz für Wagen mit Pferden“ wurde zwar über die Grenzen Deutschlands bekannt, doch die möglichen Käufer blieben zunächst skeptisch. Die Jahresproduktion stieg von 67 Wagen im Jahr 1894 auf 603 Wagen im Jahr 1900. 20 Jahre nach der Erfindung betrug der weltweite PKW-Bestand 26 000, 50 Jahre danach 800 000, heute 800 Millionen.

 

Bild 2. Ehrung für Carl Benz 1936, nach 50 Jahren.

 

Wie kam es, dass Carl Benz Automobilpionier wurde? Selbstverständlich will er wie sein früh gestorbener Vater Lokomotivführer werden, genau so wie er als „General“ die gewaltige Kraft des Dampfes befehligen. Aber er muss noch durch die Volksschule, in der Lehrer Veilchentreu den Kindern mit lauttönender Brüllstimme und dünnem Rohrstock Lesen, Schreiben und Rechnen einbläut. Von klein auf interessierte er sich für Naturwissenschaft und Technik. In den Ferien schwingt er bei seinem Onkel in einer rußgeschwärzten Dorfschmiede den schweren Hammer, bekommt dann die Idee, später eine eigene Lokomotive zu bauen, die keine Schienen braucht. Als Kind einfacher Leute muss er sich im Lyzeum einer strengen Aufnahmeprüfung unterziehen, die er mit „sehr gut“ besteht. Seine arme Mutter musste nun zusätzlich für Carls Schulgeld sorgen und das Geld beim Essen und bei der Kleidung einsparen. Mit dem Reparieren von Schwarzwälder Uhren verdient sich Carl ein kleines Taschengeld; dabei bestaunt er die wundervolle Sprache, die ineinander greifende Zahnräder miteinander reden. Mathematik ist sein Lieblingsfach, er mag einfach die Logik, die darin steckt. Er ist fleißig, sieht er doch, welche Opfer seine Mutter für ihn auf sich nimmt. Viele seiner Mitschüler sind dick, dumm und faul, weil sie nur hier sind, weil die Eltern es wünschen. In der Dachkammer hat er sich eine kleine Werkstatt mit Chemielabor eingerichtet. Nach wie vor hat er den Kindertraum einer „Straßenlokomotive“, die ohne Pferde überallhin fahren kann, eine Idee, die ihn immer wieder zum Gespött seiner Mitschüler werden lässt. Ab 1860 studierte er Maschinenbau an der Polytechnischen Schule, der späteren TH Karlruhe. Mit Feuereifer stürzt sich Carl in das Studium. Dem Technikum ist eineWerkstatt angeschlossen, hier wird am Schraubstock gearbeitet, mit schmutzigen Händen und Schwielen; denn zur Theorie gehört die Praxis. Hier hört man nicht die geschliffene Sprache der Professoren, sondern den derben Handwerker-Jargon. Als frisch gebackener Diplom-Ingenieur arbeitete er ein paar Jahre in Maschinenbaufabriken – als einfacher Arbeiter, um, wie er sagte, dazuzulernen. 2½ Jahre montiert er Lokomotiven, kraucht unter sie, schraubt, nietet, bohrt, feilt.

Bild 3 u. 4. Der Benz-Patent-Motorwagen - Anerkennung nach 75 und nach 125 Jahren.

 

Dann sattelte er um. In Mannheim, in einer Fabrik für Zentrifugen und Waagen arbeitete er jetzt als Konstrukteur im technischen Büro und hantierte mit Lineal, Winkelmesser und Zirkel. Er gründete 1871 mit 27 Jahren seine eigene Eisengießerei und mechanische Werkstätte. 1872 heiratete er, steckte das ganze Geld seiner Frau in dieses Unternehmen – und machte 1877 bankrott. Danach wandte er sich dem Bau von Motoren zu und gründete 1883 eine Gasmotorenfabrik in Mannheim, und die Entwicklung eines Automobils machte er schnell zu seiner Hauptaufgabe. Da sich Dampfmaschinen-Antriebe als zu umständlich und zu schwer erwiesen hatten (außer im Schienenverkehr), erkannte Benz den Verbrennungsmotor als Lösung des Problems, wenn es gelänge, Motor und Fahrzeug zusammen als leichte Einheit zu entwickeln. Er setzte zunächst auf einen Zweitakter, weil Nikolaus Otto gerade das Patent auf den Viertaktmotor erhalten hatte. Es gab jede Menge Rückschläge. Er meinte, alles richtig überlegt und berechnet zu haben, aber der Motor gab keinen Mucks von sich. Wo steckt der Fehler? Er vergrößert die Gaszufuhr, da! – der Motor springt an, um nach wenigen Arbeitstakten zu verstummen. Es gibt für ihn keine Vorbilder, er muss alles erproben, jede Erkenntnis muss er sich erarbeiten. Er lässt nicht locker, wechselt den Kolben aus, schleift den Zylinder nach, mal gelangt zu viel, mal zu wenig Gas in den Verbrennungsraum, er laboriert an der richtigen Trimmung der Zündung. Rückschläge, Misserfolge! Mit aller Macht will er den widerspenstigen Motor zwingen. Am Silvesterabend 1878 erweitert er die schlitzförmige Öffnung, so dass die Verbrennungsgase besser aus dem Zylinder entweichen können. Seine Frau Bertha spricht ihm Mut zu: Carl, jetzt klappt´s! Und tatsächlich! In der Stadt läuten die Neujahrsglocken, krachen die Böllerschüsse, und der Motor läuft! Tief ergriffen stehen Bertha und Carl vor ihm. Prosit Neujahr! Das gleichmäßige Motortuckern ist das schönste Neujahrskonzert für sie.

Trotz dieses Erfolges bekommt er keine Bankkredite, um eine Serienfertigung aufzubauen. Das Bankhaus ist der Meinung, dass Benz ein hervorragender Ingenieur, aber ein miserabler Kaufmann sei. So muss er zähneknirschend der Gründung einer Aktiengesellschaft zustimmen, mit neun Teilhabern, von denen er sich kontrollieren lassen muss. Das Programm der „Gasmotorenfabrik in Mannheim AG.“: ortsfeste 1-PS-Zweitaktgasmotoren, hauptsächlich für den Antrieb von Wasserpumpen. Neun Arbeiter sind zehn Stunden am Tag für die Firma tätig, um die große Nachfrage zu befriedigen.

 

Bild 5. 1879, sein erster Zweitakt-Motor für Gas (noch nicht für Benzin).   Bild 6.  Carl Benz´ erster Viertakt-Benzinmotor für das erste Auto der Welt


Wie geht es weiter auf dem Weg zum Auto?
Ist er als ideenreicher Erfinder auf die Dauer allein mit dem geschäftlichen Erfolg zufrieden? Nein, nicht Carl Benz. Der leidenschaftliche Techniker ist voller vorwärts drängender Unruhe. Seinem freibeweglichen Fahrzeug, ohne Gasleitungen, mit dem Kraftstoff in einem mitgeführten Behälter gilt sein Sinnen und Trachten.

 Er legt die fertigen Pläne den Teilhabern vor, und er hat bei ihnen keine Chance! Herr Benz, wollen Sie uns das gute Geschäft verderben? Das sind doch Zukunftsphantastereien! Nein, das Wagnis ist uns zu groß! Carl verflucht die Neinsager, haben allesamt Angst, sie könnten ihren Gewinn einbüßen, wollen nichts wagen, kleben am Althergebrachten. Dann sollen sie. Ich kündige und baue meinen Wagen auf eigene Faust! Ich muss handeln, sonst kommen mir Andere zuvor!


Wieder ein Neuanfang. Überraschend findet er zwei Geldgeber, die mit einsteigen. Carl verbessert erst seinen Gaszweitakter, damit ein gesundes Grundgeschäft gewährleistet ist. Für seinen Wagen arbeitet er an einem liegenden Viertaktmotor mit senkrechter Kurbelwelle und horizontalem Schwungrad, um die Ungleichmäßigkeiten der hin- und hergehenden Bewegung auszugleichen. Benz hatte beim Geheimbau des Motors gegen das Patent Nr. 532 von Otto verstoßen; aber just im richtigen Moment hob das Reichsgericht im Januar 1886 Ottos Ansprüche aus dem Patent auf, und Benz´ Weg war frei. Ein Zwerg an Gewicht, aber ein Riese an Kraft, das konnte der Zweitakter nicht leisten. Es gehörte ein neuartiger Vergaser für flüssiges Benzin dazu, eine elektrische Zündkerze und eine Wasserkühlung.

 

Bild 7. Der Autopionier in Bronze.                       Bild 8. Benz in seiner Mannheimer Werkstatt.

Die Trennung des Motors von der Antriebsachse, ohne Ausschalten des Motors beim Stillstand bewerkstelligte er durch Umlegen des Treibriemens auf eine Leerlaufscheibe – die Kupplung war geboren. Es folgte das Verschieben des Riemens auf mehrere Scheiben unterschiedlichen Umfangs – die Gangschaltung war erfunden und, man höre und staune, Benz baute auch das erste Differentialgetriebe, das den Antriebsrädern bei Kurvenfahrt die unterschiedlichen Geschwindigkeiten ohne Rutschen erlaubte. Im Herbst 1885 dann der große Augenblick für Carl Benz: der Rollout.

 

Bild 9 u. 10. Die Technik des Benz-Patentwagens. Schon alles, was heutige Autos auch haben.

Ahnt die Welt nicht, was da auf sie zukommt? Warum begrüßt sie das Baby nicht mit Fanfarenstößen? Ist es doch das allererste von nunmehr fast einer Milliarde Exemplaren; war es nicht vorauszusehen, dass es sich karnickelartig vermehren, dass es in den städtischen Straßen absolut jede freie Lücke belegen, dass es auf Fernrouten zu gigantischen 100 km-Staus führen und dass es unser aller Leben stärker als jede andere Erfindung verändern würde? Wo waren 1886 die Menschen mit Weitblick? Der deutsche Kaiser gehörte jedenfalls nicht dazu. Dreirädrig, ziemlich klein und mickrig, eher wie eine Pferdekutsche aussehend, so steht es auf dem Hof in Mannheim in der Waldhofstraße. Carl dreht die Kurbel, da kommt die Zündung, schnell hinauf auf den Fahrersitz, ein Hebelgriff, das Gefährt setzt sich ruckweise in Bewegung, der Motor lärmt, die Antriebsketten rasseln. Das erste Auto der Welt, und es bewegt sich doch! Ich fahre, denkt er überglücklich, ich fahre! Begeisterung erfasst die Zuschauer, ein Wunderwerk der Technik!

 

 

 

 

 

Technische Daten

Benz Patentwagen Techn Daten

Noch ist der Urahn aller Autos nicht straßenreif. Kühlwasserbehälter wird vergrößert, Carl muss mit Sattlerwerkzeug die Treibriemen doppelt zusammen nähen, Kettenräder werden durch stärkere ersetzt… Im Juli 1886 bestand das erstaunliche Gefährt die erste öffentliche Probefahrt – ganz ohne Hafer fressende Vierbeiner! Die Mannheimer kriegen den Mund vor Staunen nicht zu. Eine Kutsche ohne Pferde, ein Teufelsfahrzeug, dass die Polizei so etwas gestattet! Es wird wohl gleich explodieren und in tausend Stücke zerknallen! Und dann die Kritiker: auf derartige Neuerungen kann die Welt verzichten, es gibt genügend Pferde, und die sind bedeutend leiser. Carl und Bertha stoßen sich nicht an dem Geschwätz. Ihre Probefahrten werden immer länger, mal lenkt er, mal sie den Wagen. Jeder Kilometer vergrößert die Erfahrungen, jede Panne führt zu Verbesserungen.

 

Bild 11. Berta Benz - der Marketing-Coup. Sie kannte alle technischen Details des Autos.

 

 

Die große Fernfahrt der Bertha Benz. Im übrigen kann sich Carl über fehlende Fantasie seiner Frau Bertha nicht beklagen. Sie ist mit allen Handgriffen vertraut und mit allen Wassern gewaschen. 1888 startet sie mit ihren Söhnen, was wir heute als großen Marketing-Coup bezeichnen würden, eine 100-km-Fernfahrt nach Pforzheim. Heimlich hat sie den Wagen gerüstet: Benzin, Schmieröl, Kühlwasser – an alles hat sie gedacht. Im Morgengrauen brechen sie auf – Carl weiß nichts davon – die Straßen sind leer, so hofft sie der Polizei ein Schnippchen zu schlagen; denn die hatte Fahrten außerhalb Mannheims verboten.

 

 

 

 

    

 

Bild 12. 1888, Bertha Benz und Söhne auf großer Fahrt von Mannheim nach Pforzheim.  2008 Bertha-Benz-Gedächtnisfahrt, die Apothekerin in Wiesloch hat die Benzin-Flasche in der Hand.   Bild 13. Der Benz-Wagen Nr.3, das Original, mit dem Bertha auf Fernfahrt war. Leihgabe aus England im Carl-Benz-Museum Ladenburg.

 

Bild 14. "Bertha Benz" auf dem Kudamm in Berlin, Mai 2011.

 

Kleine Frühstückspause in Heidelberg, das Kühlwasser wird am Brunnen ergänzt. Weiter! Die Räder wühlen dichte Staubwolken auf, Fußgänger schimpfen. Es wird hügelig, werden sie es schaffen? Das Kühlwasser kocht, der Motor klopft wie ein Schmiedehammer, wird immer kurzatmiger, runter vom Wagen, alle schieben, der Berg ist geschafft. Die Hälfte liegt hinter ihnen, da, der Motor stottert und bleibt stehen. Benzin ist noch im Tank, ist etwa die Zuleitung zum Vergaser verstopft? Sie kennt schon ein paar Schwachpunkte der Motorkutsche. Sie durchstößt die Leitung, ein Dreckpfropfen gelangt ans Tageslicht… und der Motor macht wieder Musik! Als nächstes ist ein Zündkabel durchgescheuert, sie weiß von Carl, dass Gummi isoliert, woher nehmen? Na klar, ihr Strumpfband ist aus Gummi, schnell ist das Kabel umwickelt, und die „Strumpfbandzündung“ funktioniert einwandfrei … aber der Strumpf rutscht jetzt.

Bild 15. Die Maße des ersten Autos der Welt.

Bild 16. Carl macht mit seinem Sohn eine Ausfahrt. Sie ernten mehr Bewunderung als Ablehnung.

In Wiesloch ist das Benzin verbraucht; nachgetankt wird beim Apotheker. So wurde diese Apotheke zur ersten Tankstelle der Welt. Dann rutscht auch noch ein lederner Treibriemen, der sich in die Länge gezogen hat. Ein Dorfschuster kürzt ihn und näht ihn neu zusammen. Sie erreichen Pforzheim, als gerade die Straßenlaternen angezündet werden. Was, ihr kommt aus Mannheim, wieviel Tage habt ihr denn gebraucht? Was, die gesamte Strecke an einem Tag? Da seid ihr ja wie der Blitz gefahren! Am folgenden Morgen Telegramm an Carl: Sind alle wohlauf, deine Landstraßenfahrer.

Bild 17. Carl Benz auf seinem Patent-Motorwagen, Gottlieb Daimler und Sohn in seiner Motorkutsche, sie sind sich jedoch nie begegnet. Bild 18. Ehrung für Benz nach 100 Jahren.

 

 Bild 19-21. Rasante Entwicklung des Autos in 100, in 125 Jahren... wie geht es weiter?

Bild 22. Hier in Ladenburg bei Mannheim wurden ab 1906 die Benz-Autos hergestellt, jetzt Museum. Bild 23. Das Direktorenzimmer der Fabrik.

En Auto hat a Hup un kee Klingel. Zwei Monate später erlebt München eine Sensation: Carl Benz ist mit seinem Wagen zur Kraft- und Arbeitsmaschinenausstellung gekommen – mit einer polizeilichen Sondergenehmigung. Die Zeitungen sind voll der Bewunderung und des Lobes. Die Austellungsleitung ehrt Benz mit einer Goldmedaille „…für die wegweisende Erfindung, die das Gesicht der Zukunft prägen wird“. Der Bann ist gebrochen, er bringt Bestellungen aus Frankreich, England und Italien mit nach Hause. Deutsche Käufer sind zurückhaltender.

1890 traten zwei weitere Teilhaber in die Firma ein. Carl war zu dieser Zeit damit beschäftigt, ein Vierradauto zu konstruieren. Er löste das Lenkungsproblem mit einer sorgfältig ausgeklügelten Achsschenkelsteuerung, auf die er 1893 ein Patent bekam. „Victoria“ hieß der erste mit dieser Lenkung ausgestattete Vierradwagen; es war das erste in Serienproduktion hergestellte Automobil der Welt.

Carl Benz hat sich standhaft geweigert, seine Lebenserinnerungen zu schreiben. Sein Schwiegersohn Volk, ein Gymnasialprofessor, hat ihn dann doch mit viel Mühe dazu bewegt, aber er hat sie in eine für die „Veröffentlichung geeignete Form“ gebracht. Da lesen wir dann in sehr schwülstiger, pathetischer Sprache: …der gestaltende, ewig vorwärts drängende Menschengeist… Die Erfüllung dieses Menschheitstraumes ist für mich, den Achtzigjährigen, ein Abendleuchten an meinem Lebenshimmel mit der aufgehenden Morgensonne (Karl Benz: „Lebensfahrt eines deutschen Erfinders. Meine Lebenserinnerungen“). Nein, das ist nicht der Originalton des mit beiden Beinen auf der Erde stehenden Benz. Der hört sich so an: als die Mannheimer Polizei verlangte, dass sein neues pferdeloses Gefährt mit einer hell tönenden Glocke ausgestattet werden müsse, antwortete Benz nur: En Auto hat a Hup un kee Klingel!

 

Bild 24.  Am Anfang war der Benz - seine Idee veränderte die Welt.

 

Es ist schon eine merkwürdige Geschichte: da sind im Südwesten  Deutschlands fast zur selben Zeit zwei Erfinder tätig, setzen die gleiche Idee in die Tat um, der eine in Ladenburg bei Mannheim, der andere in Bad Cannstadt bei Stuttgart, keine 100 km voneinander entfernt. Sie führten ihre beiden Fabriken meist mit mehr aber auch manchmal mit weniger Erfolg 40 Jahre lang, bis 1926 die beiden Firmen "Daimler-Motoren-Gesellschaft" und "Benz & Cie., Rheinische Automobil- und Motorenfabrik AG" im Angesicht der heraufziehenden Wirtschaftskrise die Vereinigung beschlossen. Daimler war längst tot, aber Benz hat es als Rentner noch erlebt. Der Name der neuen Firma lautet: "Daimler-Benz AG". Und doch sind sich der Badener Carl Benz und der Schwabe Gottlieb Daimler nie im Leben begegnet.

 

 

 

Eine kleine Auswahl von Benz-Autos bis 1925, ohne Klingel, aber mit Hupe:

 

 

 

 

Bilder 25-32. Benz-Typenbezeichnungen (v.l.n.r.):

Benz Typen bis 1925

 

Bild 33. Die Logos der beiden Firmen Benz und Daimler, zuerst getrennt, dann vereint (angemeldet 1909: der Benz im Lorbeerkranz. Angemeldet 1909: Daimlers dreizackiger Stern zu Lande, im Wasser, in der Luft. Angemeldet 1926: Lorbeerkranz und Stern vereint).

 

Benz Reaktionen
Bild 34. So urteilen Carl Benz´ Zeitgenossen über seine Erfindung. Carl selbst ist auch skeptisch.

 


Bild 35. Mit Krach und Staub fahren Motorrad und Auto vorbei... und der Bäuerin fällt vor Angst der Eierkorb runter (Marterl-Tafel um 1910).

 

Ein Besuch im Museum der Autostadt Wolfsburg im August 2014.

 

 

Bild 36. Beschreibung des "Velo" von Benz.

 

Dort ist auch ein Original des "Velo" von Carl Benz aus dem Jahre 1899 ausgestellt, ein eindrucksvolles Zeugnis und Schatz aus der Frühzeit des Automobils

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

   

 

 

Bild 37. Das komfortable "Velo", Baujahr 1899, der Motor hat jetzt schon die dreifache Leistung gegenüber dem Modell von 1886.

Bild 38. Beeindruckend die Federung der Vorderachse, die Schutzbleche und die gepolsterte Sitzbank.

 

Nachtrag: Noch ein wenig Nostalgie:

Bild 39. Vergangenheit und Zukunft - Tanksäulen aus den 1920ern in den Museen... und Umstellung auf den Treibstoff der Zukunft

 

 

Bildnachweis

2, 3, 4, 17, 18, 19 public domain

1, 11, 24 aus: Werner Walz, "Wo das Auto anfing", Stadler, 1981

5 aus: Hanns Krause, "Der Straßenschreck von Mannheim", VEB Postreiter-Verlag Halle, 1988

6 Mercedes-Benz-Classic-Club Österreich, mbvcoe.at/index.php?set_language=de&cccpage=m_modellprofil_1886_

12 aus: ka.stadtwiki.net, Fotograf Manfred Hattenkerl, Datum der Aufnahme 2.8.2008.  Lizensiert unter der Creative Commons-Lizenz CC-BY SA.

7-10, 13, 14, 16, 20-23, 26-32 eigene Fotos 2011 im Technik-Museum Berlin und Dr.Carl Benz Museum Ladenburg u.a., 2011

15, 25 aus Mercedes-Benz Druckschrift "Benz Patent-Motorwagen", 2010

33 eigener Entwurf

34 Collage eigener Fotos, Ausstellung 125 Jahre Automobil, Mercedes-Benz, Berlin Unter den Linden, 2011

35 eigenes Foto im Technik-Museum Berlin 2011

36-38 eigene Fotos, 2014 in der Autostadt Wolfsburg

39 Eigene Fotos aus den Museen Ladenburg, Wolfsburg, DHM Berlin und Schwante/Brandenburg

Das erste Auto - Kurzinfo

Carl Benz (* 1844 Karlsruhe, † 1929 Ladenburg) erfand 1886 das Auto. Der dreirädrige "Benz-Patent-Motorwagen" hatte einen 0,8 PS starken Einzylinder-Benzin-Viertaktmotor und war damit weltweit das erste freibewegliche Fahrzeug, dessen flüssiger, energiereicher Kraftstoff in einem kleinen Behälter mitgeführt wurde. Die erste Kutsche ohne Pferde fuhr in Mannheim.

Gottlieb Daimlers Auto fuhr zwei Jahre später, das erste amerikanische Auto acht Jahre später, und Henry Ford baute seinen ersten Kraftwagen erst 1896. Die Autos haben sich karnickelartig vermehrt, heute bevölkern schon fast eine Milliarde Exemplare den Erdball.

Carl Benz´ Geschichte ist aufregend: vom bankrotten Unternehmer zum erfolgreichen Erfinder und Firmenboss.

Du möchtest mehr über die Erfindung und ihren Entdecker wissen? Dann findest Du hier noch mehr Informationen:

 

Das erste Auto - die ganze Geschichte

 

Bild 1. mit 18 Jahren wanderte Ottmar Mergenthaler nach Amerika aus; in Württemberg sah er keine Perspektiven

 

Uhrmacher statt Maschinenbauingenieur. Wieder beginnt eine Geschichte eines großen Erfinders, der in großer Armut aufwuchs. Er wollte so gerne Maschinenbau studieren, aber, als er dreizehn war, eröffnete ihm sein armer Vater, dass er zu seinem Onkel, dem Uhrmachermeister Louis Hahl in die Lehre müsse. Der Vater von fünf Kindern konnte das Geld für eine höhere Schule nicht aufbringen. Aber der Onkel verlange von ihm noch eine Probe seines Geschicks, bevor er eine endgültige Zusage mache. Für Ottmar Mergenthaler (*Hachtel 1854, †Baltimore/USA 1899), den späteren Erfinder der Setzmaschine, brach eine Welt zusammen, es half jedoch nichts, er musste sich in das Unvermeidbare fügen. Er sagte nur: ja, Vater. Einen Widerspruch erlaubte sein strenger Vater nicht. Er überlegte nun angestrengt, mit welchen Fähigkeiten er seinen Onkel beeindrucken könnte; ob seine kleine Rädermaschine, die er gebastelt hatte, ausreicht, wenn sein Onkel Louis etwas von ihm sehen will? Uhrmacher war immerhin etwas, das seinen Neigungen zu mechanischen Tüfteleien nahe kam; die Chance, die sich ihm da bot, wollte er auf keinen Fall verspielen.

 

Bild 2. Ottmar und das Ensinger Uhrwerk.

 

Da kam ihm eine wahnwitzige Idee. Die Kirchturmuhr in Ensingen, wo sie jetzt wohnten, versagte schon seit zwei Jahren ihren Dienst. Die Leute im Dorf mussten sich nach der Sonne oder ihrem Gefühl richten, das gab Ärger und Spott genug. Das Uhrwerk sah so schlimm und verrottet aus, dass kein Uhrmacher es reparieren wollte. Sollte er selbst es einfach wagen? Wenn es gelänge, wäre es ein toller Coup. Das Uhrwerk kannte er, hatte es oft mit dem Vater angeschaut, wusste, wie es funktionierte. Er packte Werkzeug ein, schlich sich unbemerkt auf den Kirchturm, klopfte alle Teile der Uhr ab, alles klang fest und massiv. Er begann, sie zu zerlegen, reinigte sie, fettete die Lager, passte die Zahnräder wieder ein, nein, nichts schien beschädigt zu sein, nur Schmutz, Schmutz. Schwer war es für ihn, alles wieder zusammenzusetzen, manche Räder und Achsen hatten ein beträchtliches Gewicht. Der Schweiß rann ihm vom Körper, es muss gelingen, es muss! Stunde um Stunde verrann. War alles am rechten Ort? Er regte das Pendel an, es tackte ein paarmal, dann stand es still. Ihm stockte das Blut. War die Reibung zu groß im Werk? Schrauben zu straff angezogen? Er lockerte sie hier und dort ein wenig. Dann regte er das Pendel wieder an. Er starrte auf das ruckende Räderwerk. Tack, tack, tack, immer wieder, es lief, immerfort! laute Glockenschläge rissen ihn plötzlich wie aus einem Traum, auch das Schlagwerk ging, so selbstverständlich wie früher! Als Ottmar aus der Kirche trat, sah er eine Menge Leute, die das Schlagen angelockt hatte. Er rannte an ihnen vorbei nach Hause. Statt Lob gab es Vorwürfe von den Eltern: bodenloser Leichtsinn, Überheblichkeit, Großmannssucht! Und als sein Onkel Louis sich das Werk ansah: pfuscht da ein unreifer Bub einem ehrbaren Meister ins Handwerk! Aber dann sah er, dass alles sehr gut funktionierte und nur noch die Zeit justiert werden musste. Auch von ihm keinerlei Lob, nur ein Hmhm. Der Vierzehnjährige Ottmar konnte dann seine Lehre als Uhrmacherlehrling im 20 km entfernten Bietigheim beginnen. Der Onkel rieb ihm die Arbeitsordnung unter die Nase: vier Jahre Lehre ohne Lohn bei freier Kost und Wohnung, fünf Groschen Taschengeld pro Woche, Arbeitszeit elf Stunden mit einer Stunde Mittagspause, bei Verstößen gegen Ordnung und Moral sofortige Entlassung. Als Jüngster musste er alle Drecksarbeit machen, Aufbegehren war bei Strafe verboten. Ottmar kriegte sehr schnell mit, dass Lehrjahre keine Herrenjahre sind.

 

Bild 3. Bietigheim an der Enz. Das Haus seines Onkels Louis Hahl. Hier lernt Ottmar das Uhrmacher- Handwerk.

 

Im Gleichmaß einer strengen Ordnung vergingen die ersten Monate, in denen er erkennen musste, dass das, was er an technischen Vorkenntnissen mitbrachte Stümperei war gegen das, was notwendig war, um ein guter Uhrmacher zu werden: seine ersten Zahnrädchen waren unsauber im Schnitt, seine ersten Federn „schiefe Schnecken“ und seine Polierarbeiten mangelhaft. Seine erste reparierte Uhr wurde jedoch mit einem Klaps auf die Schulter belohnt. Mit sechzehn schrieb er sich auf der Ingenieurschule ein. Es erforderte sehr viel Kraft, am Wochenende noch Technisches Zeichnen, Mathematik, Werkkunde und Deutsch zu lernen. Aber er sagte sich immer wieder: ich schaffe es!

Keine Perspektive in Deutschland - auf nach Amerika! Es kamen sehr schwere Zeiten. Sie dachten, sie könnten nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich jubeln, aber die Gründung des Deutschen Reiches 1871 brachte den „Gründerkrach“ mit sich, eine tiefgreifende wirtschaftliche Krise. Meister Hahl brachen die Aufträge weg, und, um einen Bankrott zu vermeiden, war er gezwungen, Leute zu entlassen. Ottmar dachte über seine Zukunftspläne nach. Er entschloss sich zu gehen – nach Amerika! Er sah in dieser aussichtslosen und bedrückenden Lage keine Möglichkeit, seinen Weg zu machen, weder in Bietigheim noch anderswo im Land. Er schrieb an seinen Cousin August Hahl, den Sohn von Louis´ Bruder in Washington, wo der eine kleine Mechanische Fabrik betrieb.

Eine lange Zeit des Wartens und Zweifelns, was ist, wenn es nicht klappt? Aus seinem Hoffen war Unruhe geworden. Da, endlich nach Monaten, während deren er seine Gesellenprüfung vorbereitete, traf die erlösende Nachricht ein: ja, er könne kommen. Ottmar hätte aufjauchzen können.  August hatte das Geld für die Überfahrt bereits angewiesen, Ottmar würde es dann abarbeiten.

Der Vorsitzende der Prüfungskommission: Mergenthaler hat die Gesellenprüfung bestanden, theoretisch und praktisch mit „sehr gut“. Der Ingenieurschul-Leiter: er hat an den Aufgaben mit großem Fleiß gearbeitet und erhält im Technischen Zeichnen und in Mathematik die Noten „sehr gut“. Wir gratulieren ihm und seinem Lehrherrn und wünschen ihm alles Gute für die Zukunft. Louis Hahl war stolz und spendierte ihm sogar ein Glas Wein.

Im Oktober 1872 legte der Dampfer „Berlin“ im Hafen von Baltimore an. Willkommen in der Neuen Welt, rief August und umarmte ihn herzlich. Auf der Zugfahrt nach Washington lernte Ottmar gleich Näheres über seinen neuen Wirkungskreis, dass sein Vetter 40 Leute beschäftigte, die Hälfte davon Deutsche, die für die Signalabteilung der Vereinigten Staaten Messinstrumente für Regen, Schnee, Windstärke testeten, elektrische Geräte, Uhren und Klingeln herstellten und Modelle für Erfinder bauten. Sehr interessante Arbeit, sagte August. Für seine 30 Jahre hatte er es weit gebracht. Ottmar könne in der Teilefertigung, in der Montage, im Modellbau oder im technischen Büro arbeiten.

In Amerika zählten seine Zeugnisse nicht, auch nicht die Verwandtschaft zum Chef; Können und Leistung waren wesentliche Bestandteile des American way of life. Er machte eine „Rundreise“ durch alle Abteilungen; seine Kenntnisse im technischen Zeichnen und in der Mathematik waren jetzt von größtem Nutzen; er gab den Ideen der Erfinder auf dem Zeichenbrett eine konkrete Gestalt. Doch dann die Hiobsbotschaft: Augusts Bankhaus machte bankrott, das Geld der Firma ging verloren, die Kunden waren genauso betroffen, Entlassungen, Verkauf des Grundstücks … August musste mit einer Handvoll Leuten wegziehen und ganz von vorn anfangen. Er übergab Ottmar die zeitweilige Geschäftsführung, um sich nach einem anderen Standort umzusehen. So musste unser Auswanderer schon frühzeitig in die Verantwortung. Es war in USA nicht anders als im neuen Deutschen Reich. 1875, in Baltimore legten sie ihr Schwergewicht auf die Arbeit mit Erfindern und die Umsetzung ihrer Ideen in die Praxis, um dann eine gute Erfindung in Serienherstellung übernehmen zu können.

 

Bild 4. Das Urmodell des Charles Moore. Hiermit begann alles.

 

Die Idee einer Drucksetzmaschine kam von außen. Da kam ein Mister Charles Moore aus Virginia und brachte ihnen eine merkwürdige von ihm erfundene Maschine, bestehend aus einer Walze, einer mehrreihigen Tastatur und verschiedenen Rädern, alles auf einem Holzblock montiert. Er behauptete, dass das Ding in den Druckereien ganz neue Wege weisen wird; er schilderte sie in den glühendsten Farben, und er habe sie schon zum Patent angemeldet. Er will damit das seit Gutenbergs Zeit übliche mühselige Handsetzen einer Druckzeile mit einzelnen Buchstaben ersetzen und zwar durch die „lithographische (d.h. die Steindruck-) Methode“, mit der eine gewaltige Zeitersparnis zu erzielen sei. Er redete so eindringlich und überzeugend, dass August Hahl versprach, sich die Sache zu überlegen. Er wollte aber noch James Clephanes Meinung einholen; das war ein durch Erbschaft wohlhabend gewordener Gerichtssekretär im Ruhestand, aufgeschlossen für technische Neuerungen, Förderer einiger Erfinder. Er hatte Moore an die Firma Hahl vermittelt. Was halten Sie von der Idee, Mr. Clephane? Sehr viel, war die Antwort, sie wird im Druckwesen einmal Geschichte machen, nur ist sie bei Moore nicht in den richtigen Händen. Er kommt nicht weiter, deshalb gab ich ihm keine finanzielle Unterstützung mehr. Ihrer Werkstatt traue ich eine ordentliche Umsetzung in die Praxis zu. Wenn Sie Geldmittel brauchen, wenden Sie sich getrost an mich. Hahls Bedenken waren ausgeräumt. Mergenthaler hatte inzwischen Feuer gefangen. Er sah, dass der Prototyp vom Entwurf her nicht funktionieren konnte, doch traute er sich zu, ihn zur Marktreife zu führen. Nicht irgendwelche Drucksachen, sondern Zeitungen müssten das Endziel sein, dann erst hätte die Erfindung umwälzende Bedeutung; rationeller, billiger, schneller müssten sie aus den Druckereien rollen. Die Welt veränderte sich mit jedem Jahr, Naturwissenschaften und Technik machten riesige Schritte vorwärts, und er war selbst ein begeisterter Techniker, voller Tatkraft und Optimismus. August, wir müssen es wagen, aus dem Ding ist was zu machen!

Harte Arbeit, Rückschläge und ein Erpressungsversuch. Nun, es kam ganz anders. Mergenthaler verfolgte die ursprüngliche Idee des Druckens auf Stein und musste enttäuscht feststellen, dass damit keine Zeitersparnis erzielt werden kann. Es kam zum Zerwürfnis mit seinem Cousin, der ihm eine völlige Fehleinschätzung vorwarf. Er betrachtete die Entwicklung als endgültig gescheitert, könne kein weiteres Geld hineinstecken und ordnete ein abruptes Ende der Arbeiten an. Ottmar war entsetzt über soviel Engstirnigkeit, wollte auf jeden Fall weitermachen, weil er die Idee für gut, nur den bisherigen Weg für falsch hielt. Sie trennten sich im Zorn, Mergenthaler gründete seine eigene Werkstatt und zog sich zwei gute Mitarbeiter, die damals in Washington entlassen wurden, an Land. Er versicherte sich der Hilfe Mr. Clephanes, der sie aber klar an die Bedingung knüpfte, dass dafür etwas grundsätzlich Neues her müsse, z.B. eine Matrizen-Prägemaschine, mit der man die einzelnen Buchstaben in Pappmaché eindrücken und die Vertiefungen mit Metall ausgießen kann. Jeglicher Handsatz und das leidige Ablegen der Buchstaben entfielen, das wäre eine enorme Verbesserung. Für Mergenthaler schien das auf den ersten Blick eine verblüffende Lösung zu sein. Er ging freudig darauf ein und stürzte sich voller Energie auf den Neuanfang. Eine Erfindung hat zwei Seiten: die Idee, das ist der kleinste, die Umsetzung, das ist der weitaus größte Teil der Anstrengungen; das musste er auf die harte Tour erfahren.

Am Tag mit der laufenden Fabrikation für Kunden, die ihm Clephane geschickt hatte, beschäftigt, wandte er sich am Abend seiner Erfindung zu. Bis spät in die Nacht hinein arbeitete er, entwarf, verwarf wieder. Nur langsam, unter Überwindung großer Hindernisse, schritt die Sache voran. Doch was auf dem Papier funktionierte, versagte in der Praxis den Dienst. Den größten Kummer bereitete das saubere Ausgießen der Matrizen. Das Pappmaché war offensichtlich nicht geeignet, die Buchstaben waren ausgefranst. Er rechnete, zeichnete, feilte, montierte, polierte, montierte, prägte, goss wieder und wieder. Er war gereizt seinen Mitarbeitern gegenüber, fuhr sie an. Sein Erspartes ging zur Neige, auch Clephanes geliehenes Geld. Sollte die Erfindung doch ein Flop sein, wie sein Cousin behauptet hatte? Nein, nein, schrie Mergenthaler. Es muss gelingen – es muss, wie damals mit der Reparatur der Kirchturmsuhr!

 

Bild 5. Mr. Watson will Mergenthaler bestechen.

 

Da trat eines Abends auf dem Weg von der Werkstatt zu seiner Wohnung ein Unbekannter auf ihn zu und bot ihm 3000 Dollar, er müsse nur unterschreiben, alle Entwicklungsarbeiten an der Prägemaschine einzustellen. Er nannte sich Watson und sagte, dass er im Auftrag mehrerer Druckereien handele, weil sie in der neuen Maschine eine große Gefahr für ihre Geschäfte erblickten. Ottmar war aufs Äußerste erbost: kapiere ich nicht, jeder einsichtige Geschäftsmann kann den Fortschritt doch nur begrüßen, bestellen Sie Ihren Hintermännern, dass ich Verantwortung für den Fortschritt trage und nicht käuflich bin! Guten Abend! Als der Fremde sah, dass er erfolglos war, rief er ihm hinterher: 4000 Dollar! Sie – Sie werden es bereuen!

Die Blitzidee: setzen, prägen, gießen in einem Arbeitsgang. Die Vorführung des ersten Prototyps, der „Bandmaschine“  begeisterte Mr. Clephane, nur Mergenthaler war überhaupt nicht begeistert, die Druckzeilen sind unsauber und das getrennte Ausgießen benötigt noch zu viel Zeit, der Handsatz ist noch rentabler. Er machte seinem Förderer deutlich, dass es noch Monate kosten würde, dazu habe ich keine Luft mehr, ich bin finanziell am Ende! Darauf Clephane: Ich kann eine monatelange weitere Entwicklung nicht finanzieren, ich kann nur dann noch etwas für Sie tun, wenn es Ihnen doch möglich ist, die Mängel in kurzer Zeit zu beseitigen. Mergenthaler war am Boden zerstört und kurz vor dem Durchdrehen. Er wollte den Beruhigungstee, den ihm die Kontoristin gemacht hatte, mit einem Schwung voller Verzweiflung in die lahme Prägemaschine gießen. Da – die Blitzidee, natürlich, das ist es! Gießen! Gleich in der Maschine, alles zusammen: setzen, prägen, gießen, gleich hintereinander, ohne dass der Setzer die Maschine verlassen muss!

Und wieder musste er fast von vorn anfangen. Er konnte das Neue nicht einfach ankleben. Ein in die Maschine eingebautes mit Gas beheiztes Schmelzöfchen, aus dem eine kleine Pumpe gerade soviel geschmolzenes Metall entnimmt, wie zu einer Zeile benötigt wird. Ein Stoßer drückt die gegossene Zeile zur Seite, über eine Rutsche fällt sie in einen Sammler, wo sich die Zeilen einfinden.

Noch einmal wurde auf ihn ein Anschlag verübt, sie erwischten den von Mr. Watson gedungenen jungen Burschen, der des Nachts in die Werkstatt eingedrungen war, um die Maschine zu zerstören, weil sie in ihr einen Fluch und ein Teufelszeug sahen, das die Drucker brotlos machen würde.

Bild 6 (links). Messingmatrize. Bild 7 (rechts). Ganze Zeile mit Keilen für Zwischenräume (Gussform).

Mergenthaler machte ihm klar, dass seine Maschine Zeitungen billiger und schneller herstellen würde, Handsetzer können dann Maschinensetzer werden, und zum Bau der Maschinen werden dann viele, sehr viele Leute vom Fach gebraucht. Er brauche keine Angst zu haben, dass jemand brotlos wird. Er war so überzeugend, dass er Arthur Lachenmeyer als Freund gewann, und da kam noch mehr…Dann hatte er noch die zündende Idee, die Papp-Matrizen durch Matrizen aus dickem Messingblech zu ersetzen, alle gleich groß, für jeden Buchstaben eine. Diese tragen auf der Schmalseite Einkerbungen mit den vertieften Buchstaben. Beim Betätigen der Tasten fallen die Matrizen aus dem Magazin über eine schräge Rutsche in einen Sammler und fügen sich zu Wörtern und einer ganzen Zeile zusammen. Das ist bereits die Gussform. Es ist also eine Setz-Gießmaschine. Nach dem Ausgießen der Zeile werden die Matrizen wieder in das Magazin an die richtige Stelle zurück befördert. Endlich war die Setzmaschine gedanklich komplett und Ottmar Mergenthaler war am Ziel. 1884 war sie fertiggestellt.

Bild 8. 1884: die Vorführung. "Ottmar, you´ve cast a line of types". Mr. Watson machte sich aus dem Staub.

Bild 9. Die gegossene Zeile. Bild 10. Mehrere Zeilen zu einem Text gefügt.

Die Vorführung vor geladenen Besuchern - der große Erfolg. Nach gründlicher Erprobung und kleinen Korrekturen führte er sie vor einem geladenen Kreis von Interessenten vor. Zuvor dankte er Mr. Clephane und Mr. Moore, dessen Idee ihn beflügelt hatte. Die Besucher, in gespannter Erwartung, hatten sich im Halbkreis in achtungsvoller Entfernung um die Maschine herum gruppiert. Er berührte die Tasten, die Matrizen glitten an die bestimmten Plätze, wurden festgehalten, ausgerichtet, die Pumpe lieferte das flüssige Metall, eine fertige silberglänzende Zeile fiel aus der Maschine und die Matrizen kehrten an ihre normalen Plätze zurück. Das Ganze dauerte fünfzehn Sekunden. Mergenthaler stellte die noch heißen Zeilen auf ein Tischchen und sagte: der Setzer schafft das Vierfache eines Handsetzers. Die Zeilen werden dann spaltenweise neben- und untereinander gestellt, wie die Gestaltung einer Zeitungsseite es erfordert. Die Druckform ist fertig. Die Zeilen werden wieder eingeschmolzen und stehen als Barren für den erneuten Gebrauch wieder zur Verfügung. Die Revolution war da, die Sensation perfekt, Bravo-Rufe und langer Beifall. Clephane: das ist das größte Wunderwerk seit Gutenberg im Jahr 1450! Im Hintergrund machte sich ein Mann schnell aus dem Staub: Mr. Watson!

Bild 11. Linotype-Maschine von 1972. Bild 12. Die schräge Matrizenrutsche. Bild 13. Typenschild dieser Maschine

Seine Gegner gaben sich noch lange nicht geschlagen. Ausgerechnet in seinem Heimatland schrieb 1885 das „Journal für Buchdruckerkunst“: die dummen Amerikaner sind auf einen großartigen  Setzmaschinen-Schwindel hereingefallen! War das die Rache der Deutschen an dem Abtrünnigen, der 1878 seine amerikanische Staatsbürgerschaft bekam? Aber kein Totschweigen und keine Verleumdung konnte Mergenthalers Erfolg mindern.

Die New York Tribune wird mit seiner Maschine gedruckt. Weltweiter Durchbruch. Mergenthalers Gerät wurde im Juli 1886 erstmals zum Satz der „New York Tribune“ herangezogen. Nach der Überlieferung rief der dabei anwesende Verleger, Whitelaw Reid, aus: „Ottmar, you've cast a line of types“. Von den letzten drei Wörtern dieses Ausrufs soll sich der danach benutzte Markenname „Linotype“ für die im Januar 1888 unter der Nr. US-378 798 patentierte Maschine ableiten.

Der endgültige Durchbruch im Druckgewerbe gelang 1890 mit dem verbesserten Modell „Simplex-Linotype“. Neben Produktionsstätten in den USA und England entstand im Oktober 1894 auch in Deutschland ein Tochter-Unternehmen, die „Mergenthaler Setzmaschinen-Fabrik GmbH“. 1896 kamen die ersten Maschinen zur Gewerbe-Ausstellung in Berlin, schon sehr bald eroberten Linotype-Maschinen die Buchdruckereien auch in Deutschland. Man nannte sie die „Königin der Setz-Maschinen“. Von 1899 bis 1975 wurden in Deutschland etwa 50.000 Stück gebaut; Hersteller war die Firma "Berliner Maschinenbau AG. L. Schwartzkopff".

Bild 14. Ehrungen: Mergenthaler-Büste in der Princeton University.  Bild 15. Glasbild im Smith Museum of Stained Glass Windows, Chicago.

Unter den Gratulanten am 26. Juli 1884 war auch Emma Lachenmeyer, die Cousine des Einbrechers. Sie nahm mit beiden Händen seine Rechte, und auf ihrem Gesicht lag mehr als Freude über seinen Erfolg. Sie heirateten und hatten fünf Kinder. Emma war verständnisvoll in schweren Zeiten, immer auf sein Wohlergehen bedacht. Doch auch ihre Fürsorge konnte nicht verhindern, dass er viel zu früh im Alter von 45 Jahren an Tuberkulose starb.

Bild 16. Weitere Ehrungen: Briefmarke zum 100. Geburtstag.  Bild 17. Irische Briefmarke 1986.

Seine Erfindung, die nach seinem Tod ständig verbessert wurde, beherrschte das Druckwesen bis Mitte der 1970er, als der Lichtsatz erfunden wurde, also 90 Jahre lang.

 

Bild 18. Mergenthaler-Aktie von 1896 über 100 Anteile. Bild 19. Kaum zu glauben: Seine erste Maschine "Blower" als Kirchenfenster in der Zionskirche in Baltimore. Schönes Gedenken an den großen Erfinder. Hier besuchte die Familie Mergenthaler regelmäßig den Gottesdienst.

Bild 20. Drucken vor Mergenthaler: Werkstatt 1814.       Bild 21. Lob den Schriftsetzern aller Jahrhunderte.

Hochachtung vor den Schriftsetzern. Die poetischen Zeilen auf Glas im "Smith Museum of Stained Glass", Chicago, Bild 21, sind schwer ins Deutsche zu übersetzen. Hier sei ein sehr freier Versuch gemacht: Ehre den Schriftsetzern aller Jahrhunderte, den Boten des Friedens und guten Willens, den Feinden des Irrtums und Vergessens, den Meistern guter Arbeit, den Bewahrern der Kunst, den Förderern der Kultur. Danke für die Überlieferung aufgeschriebener Gedanken und für die Weitergabe des Wissens der Menschheit.

...Und er schaffte es doch. Dem armen Dorfschul-Lehrersohn aus Württemberg blieben die Bildungsmöglichkeiten einer höheren Schule oder einer Universität verwehrt. Er hatte ein schweres Leben. Selbstvertrauen, Begeisterung, Talent, geistige Beweglichkeit und der Mut, Neues zu wagen ließen ihn trotz allem seinen Weg gehen. Da er keine Perspektiven in Deutschland sah, ging er in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, aber auch dort wurde ihm nichts in den Schoß gelegt. Seine Grundhaltung „nicht unterkriegen lassen, dranbleiben, ich schaffe es“ bescherte ihm nach langen Jahren harter Arbeit und vielen Rückschlägen endlich den großen Wurf. Sein Lebensmotto: die Verhältnisse können gar nicht so schlimm sein, dass ich sie mit meiner Entschlossenheit nicht bezwingen kann.

 

Bildnachweis.

Bild 1: Museum Hachtel. Bild 2-5, 8 aus: Bodo Kühn: ...und er schaffte es doch. Gebr. Knabe Verlag Weimar, 1972. Bild 6: Eigenes Foto am 1./2.8.2011 im Deutschen Museum München, Gestattungsvertrag für Bildaufnahmen vom 12.7.2011. Bild 7: Public domain, Paul Koning. Bild 9 und 10: Eigene Fotos,  Zeilen gegossen in der Linotype-Maschine im Technik-Museum Berlin, 2010. Bild 11-13, eigene Fotos, im Technik-Museum Berlin, 2010. Bild 14: Gemeinfrei, Andreas Praefcke. Bild 15, 20, 21: Smith Museum of Stained Glass, Chicago. Bild 16, 17: gemeinfrei. Bild 18: Public domain, Linotype Co. Bild 19: Zion Church Baltimore.

 

Die Setzmaschine - Kurzinfo

Ottmar Mergenthaler (*Hachtel 1854, †Baltimore/USA 1899), Erfinder der Setzmaschine, der in großer Armut aufwuchs, wollte so gerne Maschinenbau studieren. Da sein Vater nicht das Geld für eine höhere Schule aufbringen konnte, musste er zu einem Uhrmacher in die Lehre. Die tiefgreifende wirtschaftliche Krise nach 1871 zwang Ottmar, über seine Zukunftspläne nachzudenken. Er sah in Württemberg keine Zukunft und entschloss sich, nach Amerika auszuwandern, wo er bei seinem Cousin, der in Washington eine kleine Mechanische Fabrik betrieb, eine Anstellung bekam. 1875, in Baltimore legten sie ihr Schwergewicht auf die Arbeit mit Erfindern und die Umsetzung ihrer Ideen in die Praxis, um dann eine gute Erfindung in Serienherstellung übernehmen zu können.

Sie lernten einen Erfinder kennen, der das mühselige Handsetzen einer Druckzeile mit einzelnen Buchstaben durch eine Methode ersetzen will, mit der eine gewaltige Zeitersparnis zu erzielen sei. Mergenthaler fing Feuer. Er sah jedoch, dass die Idee vom Entwurf her nicht funktionieren konnte, doch traute er sich zu, sie zur Marktreife zu führen. Zeitungen müssten das Endziel sein, dann hätte die Erfindung eine umwälzende Bedeutung; rationeller, billiger, schneller müssten sie aus den Druckereien rollen. Er machte sich mit einer kleinen Werkstatt selbständig und arbeitete wie besessen an der Setzmaschine. Nach vielen, vielen Irrwegen hatte er die Blitzidee: die Maschine muss alles können: setzen, prägen, gießen, gleich hintereinander, ohne dass der Setzer die Maschine verlassen muss! 1884 war sie fertiggestellt. Nach gründlicher Erprobung führte er sie vor einem geladenen Kreis von Interessenten vor. Bravo-Rufe und langer Beifall, als die noch heißen, fertig gegossenen Zeilen aus der Maschine herausfielen. Das größte Wunder seit Gutenberg 1450!

Mergenthalers Setzmaschine wurde 1886 erstmals zum Satz der „New York Tribune“ herangezogen. Der dabei anwesende Verleger rief: „Ottmar, you've cast a line of types“. Von den letzten drei Wörtern dieses Ausrufs wurde der Markenname „Linotype“ für die 1888 patentierte Maschine abgeleitet. Die „Königin der Setz-Maschinen“ begann den Siegeszug durch die Druckereien der Welt, bis sie Mitte der 1970er vom Foto- und Computersatz abgelöst wurde.

Die Setzmaschine - die ganze Geschichte